#9 Behinderung im Film

Judyta Smykowski sitzt im Rollstohl an einem kleinen Tisch. Ihr gegenüber sitzen die beiden Schauspieler*innen Tom Schilling und Luisa Wöllisch. Hinter ihnen sind Plakate des Kinofilms "Die Goldfische" aufgehangen. Vor ihnen steht eine Kamera, die das Gespräch filmt.
Wie wird Behinderung im Film dargestellt? Das Fragte Judyta Smykowski die beiden Schauspieler*innen Tom Schilling und Luisa Wöllisch im Vorfeld der Premiere des Kinofilms "Die Goldfische" im Format "Leidmedien im Gespräch". Foto: Andi Weiland | Leidmedien.de
Lesezeit ca. 2 Minuten

Wie oft tauchen eigentlich Menschen mit Behinderungen im Film auf? Im Schnitt nicht allzu häufig und wenn, dann in sehr klischeehaften Rollen. In dieser Folge unseres Bayern2-Podcasts zeigen wir, welche positiven Beispiele es gibt und wie man selbst überprüfen kann, ob die Rollen in einem Film vielfältig sind.

Das Transkript zur Podcastfolge “Behinderung im Film”

Alle Folgen des Podcasts zum Nachhören:

Im Podcast #9 wird es erstmal düster: Wir reden über den Tod. Disability Death Porn heißt das Phänomen, wenn Charaktere in Filmen eine Behinderung erwerben und ab diesem Zeitpunkt sterben wollen. Das beste Beispiel dafür ist die Liebesschnulze “Ein ganzes halbes Jahr”.

Authentische Darstellung?

Wir setzen uns in unserer Arbeit stets für die authentische Besetzung von Charakteren mit Behinderung ein. Bei der Verfilmung des Lebens von Stephen Hawking unter dem Titel “Die Entdeckung der Unendlichkeit” war es so, dass mit Eddie Redmayne, ein Schauspieler ohne Behinderung den Physiker verkörperte. Raul meint dazu im Podcast, dass es unter Schauspielstudent*innen den Witz gebe, dass man nur eine Rolle eines behinderten Charakters bekommen müsse, schon bekomme man einen Oscar. Doch Stephen Hawking selbst fand Redmaynes Darstellung passend.

Immer nur der nette Kumpel

Der Schauspieler Erwin Aljukic erzählt im Interview mit Raul Krauthausen, dass seine Rolle in der Vorabendserie “Marienhof” darauf angelegt war, nur der nette Kumpel und nicht ein Liebhaber zu sein. 

Im Podcast sprechen wir auch darüber, wie wir diese Rollenbilder aufbrechen können. Eine Möglichkeit: Die Plots daraufhin zu untersuchen, welche Klischees sie transportieren. Dies gelingt z.B. mit dem Bechdel-Wallace-Test oder dem Tyrion-Test

Vielfalt bei Netflix und den Oscars

Doch es gibt Produktionen, die Vielfalt abbilden, wie z.B. der Streaming-Anbieter Netflix, der auch selbst Serien produziert. Wir erwähnen im Podcast die Netflix-Serie “Stranger Things,” aber auch “Sex Education” kann in Puncto Vielfalt punkten. 

Auch die Oscars wollen nun Diversität schaffen – und sie sogar zur Voraussetzung für einen Preis machen. Wenn es um eine authentische und vielfältige Besetzung in Deutschland geht, können wir die Datenbanken Rollenfang und Amelinde empfehlen.

Unser Partnerprojekt Leidmedien.de hat gemeinsam mit vielen anderen Gruppierungen die Initiative “Vielfalt im Film” ins Leben gerufen. In einer Umfrage unter Filmschaffenden soll die Diversität in der Filmbranche untersucht werden.

Weitere Links:

1. “Wir finden einfach niemanden” – diese und andere Mythen über Schauspieler*innen mit Behinderung fassen wir auf Leidmedien.de zusammen. 

2. Nachdem es den Hashtag #OscarsSoWhite gab, positionieren sich nun auch Schauspielende mit Behinderung zur fehlenden Repräsentation.

3. “Diversität ist das Thema unserer Zeit”, sagt Schauspielerin ChrisTine Urspruch im Interview mit Judyta Smykowski bei “Leidmedien im Gespräch.

4. Das britische Filminstitut möchte nicht mehr Filme fördern, in denen die Bösewichte Narben ins Gesicht geschminkt bekommen.

Viel Spaß beim Hören oder Lesen der Folge #9!

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Eine Antwort

  1. Liebes Podcast-Team, Folge #9 hat bei mir einiges an Widerspruch ausgelöst. “Mar Adentro” mit Javier Bardem als sterbewilliger, hoch gelähmter Tetraplegiker, wäre eurer Diskussion gemäss in mehrfacher Hinsicht ein “no go”. Einmal als zum Genre Disability Death Porno gehörig, wonach der Todeswunsch behinderter Menschen ein falsches Bild vermittle. Stattdessen müssten behinderte Menschen lebensbejahend und positiv dargestellt werden. Dabei übt gerade dieser Anspruch wieder Druck auf Betroffene aus. Was, wenn ich trotz eines liebevollen Umfelds (sogar einer nicht-behinderten Frau, die mich liebt) den nüchternen Entscheid zum Bilanz-Suizid gefällt habe? Dann gilt es für alle Angehörigen, den Entscheid zu respektieren, so sehr das auch schmerzen mag. Das zeigt der Film wunderbar. Mit einem grossartigen Javier Bardem, der als Nicht-Behinderter den Tetra spielt. Und das ist gut so. Es ist der Kern des Schauspielerberufs, Menschen darzustellen, die andere Identitäten haben als die jeweiligen Schauspieler. Wenn nur Behinderte Behinderte spielen dürften, dürften auch nur Trans-Menschen Trans-Menschen spielen und nur Hochbegabte Hochbegabte. Es muss einfach gut gespielt sein. Ja, es gibt viele schlecht gespielte Behinderte, gerade in billig produzierten Vorabendserien. Aber echte Behinderte, die schlechte Schauspieler sind, sind genauso peinlich.
    Vielen Dank für die angeregte Diskussion, die ich trotz des Widerspruchs mit Interesse verfolgt habe. Herbie

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