Social Media – Transkript

Lesezeit ca. 30 Minuten

Die Neue Norm: „Drei Journalist*innen, zwei Rollstühle und eine Sehbehinderung: Die Journalist*innen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 32: „Social Media“

Judyta:
Jonas, was hast du so als Letztes bei Instagram gepostet?

Jonas:
Da muss ich mal nachgucken. Es ist, glaube ich, gar nicht so lange her. Wir beide waren mal beruflich unterwegs, beim Gucken, ob gewisse Örtlichkeiten barrierefrei sind. Und da waren wir hier in Berlin, im Theater des Westens, ein sehr altehrwürdiges Gebäude. Und dort haben wir natürlich auch geguckt, ob es barrierefreie Toiletten gibt, und es gab auf der Herrentoilette, über den Urinalen gab es geschwungene Lampen/Leuchter, und das hat mich irgendwie so ein bisschen daran erinnert, an das Lied „Meine Oma hat nen Nachttopf mit Beleuchtung“, die waren da irgendwie drüber angebrachten und die sahen komplett ulkig aus, und davon habe ich ein Foto gemacht und das auf Instagram gepostet. Und du?

Judyta:
Bei mir müssen wir einige 10.000 Kilometer östlich gehen… nein, westlich natürlich.

Jonas:
Kommt drauf an, ne.

Judyta:
Es ist in Kanada, doch… von uns aus gesehen in Squamish. Da war ich in diesem Sommer, und dort gibt es eine barrierefreie Hängebrücke, und ich bin da drauf im Rollstuhl. Und mein Mann hat dieses Foto von mir gemacht. Und es ist sehr schön, möchte ich sagen. Und bei dir, Raul?

Raul:
Ich bin ja einer dieser Menschen mit Behinderung, die nichts anderes machen, als über das Thema Behinderung zu posten. Und mein letzter Post ist, um genau zu sein, von vor zwei Tagen auf Instagram. Wenn dir das Wort „behindert“, schwer über die Lippen kommt, dann darfst du dich sehr gerne darüber informieren, was ableismus ist.

Einspieler:
„Die neue Norm, eine Sehbehinderung, zwei Rollstühle oder drei Journalist*Innen. Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderungen, Inklusion und Gesellschaft
. Ein Podcast von Bayern 2.

Jonas:
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast. Menschen mit Behinderung bei Social Media, ja, auch das gibt es. Und wir möchten heute über Social Media reden, über Influencer*Innen – das vielleicht auch sogar das richtige oder schöne Wort ist: Influencer*innen mit Behinderung bei Social Media. Wir möchten darüber reden, wie barrierefrei sind die sozialen Netzwerke Instagram, Twitter und Facebook oder auch TikTok? Und was für Chancen ergeben sich dadurch für Menschen mit Behinderung, einfach sichtbar zu sein in unserer Gesellschaft? Und müssen Menschen mit Behinderung immer auch dann aktivistisch unterwegs sein und ihre Reichweite nutzen und Menschen ohne Behinderung aufklären über ableismus und Barrierefreiheit? Darüber sprechen wir heute. Und mir gegenüber sitzen Judyta Smykowski und Raul Krauthausen.

Judyta & Raul:
Hallo.

Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa. Wir haben eben schon so ein bisschen über unseren letzten Instagram-Post gesprochen. Mir ist dabei aufgefallen, dass während du, Judyta, ein Urlaubsfoto gepostet hast, ich ein Foto von einer Toilette und Raul wiederum ja die Person ist hier im Raum, die dann aktivistisch unterwegs ist. Also, du nutzt deine Reichweite, und man muss es sagen: du hast 106.000 Follower*Innen bei Instagram, da kann ich mit meinen 291 nicht so nah dran.

Judyta:
Ich werfe noch 887 in den Raum.

Jonas:
Respekt! Aber du, Raul, nutzt diese Reichweite, um aufklärerisch unterwegs zu sein?

Raul:
Ja, ausschließlich oder ab und zu mal eine Blödelei zu posten. Das ist aber schon eine simple Idee seit über zehn Jahren von mir, wo ich gesagt habe, okay, wenn ich schon Social-Media-Accounts betreibe, dann möchte ich eine Minute am Tag den nichtbehinderten Menschen, die mir folgen, den Einblick in das Leben eines behinderten Menschen geben, beziehungsweise das, was behinderte Menschen vielleicht bewegen könnte. Und mit der Zeit wurde das immer mehr Inhalt. Man beschäftigt sich ja dann auch immer mehr mit dem Thema als Aktivist in dem Bereich. Und die Ideen gehen nicht aus, aber so viel gehört vielleicht auch zur Wahrheit dazu: das, was ich auf Social Media poste, auch wenn es mal emotionale Sachen sind, dann braucht man sich um mich keine Sorgen zu machen. Es gibt eine Art öffentlichen Raul Krauthausen und einen privaten Raul Krauthausen. Es ist sehr selten, dass ich das wirklich superprivate in die Öffentlichkeit tragen.

Jonas:
Bist du inzwischen ein Kunstfigur?

Raul:
Nein, das nicht, weil ich lüge ja nicht oder ich erfinde ja nichts, sondern es sind schon auch Dinge, die mich in meinem Leben bewegen. Aber ich möchte jetzt nicht, dass die Leute ungefähr wissen, wie es mir aktuell emotional gerade geht.

Jonas:
Bei mir war es so, dass ich mit Instagram zum Beispiel angefangen habe, weit bevor ich meine Behinderung erworben habe. Und ich kann mich noch daran erinnern, dass der erste Instagram Post war immer… dann wurde einem vorgeschlagen, das Bild zu nehmen, was man als Profilbild genommen hatte. Und ich habe mich damals entgegen dazu entschlossen, nicht auf Instagram als Person sichtbar zu sein. Und das ziehe ich bis heute durch. Es gibt bei Instagram kein einziges Foto von mir, zumindest in den Beiträgen, wo ich selber zu sehen bin, sondern ich habe mich wirklich darauf reduziert, nur… Bilder von Toiletten oder von verlassenen Orten, oder…

Judyta:
Je öfter du das betonst, desto mehr überlegt man sich, was steckt dahinter?

Jonas:
Ich weiß es wirklich nicht…ich mache viele Fotos von verlassenen Orten auch. Und das sind vielleicht dann eben auch verlassene Örtchen. Ich weiß es nicht, aber bei dir Judyta, du warst bisher zumindest irgendwie auch noch sichtbar, aber weniger aktivistisch.

Judyta:
Ja, mir kann man gerne für meine Pflanzen folgen. Die werden sich freuen. Also davon poste ich immer mal wieder etwas. Natürlich auch im Urlaub. Ich bin so die typische Instagramer*In, die im Urlaub schöne Bilder postet, um irgendwie die anderen eifersüchtig zu machen. Aber das will ich eigentlich gar nicht. Aber ich freue mich dann einfach das im Urlaub bin und schöne Dinge sehe. Aber ab und zu mache ich das auch und ich trenne das so ein bisschen in der… also jetzt, wenn wir bei Instagram bleiben, da gibt es ja die Bildfunktion und auch die Story-Funktion, also die kurzen Filme, kurzen Eindrücke. Wo man vielleicht auch mal verlinkt wird. Und die Storys sind bei mir auch eher mit der Arbeit verbunden, weil da wird man ja eher verlinkt und gesagt: Hier, ich bin mal wieder auf einem Panel…

Raul:
Aber die verschwinden nach 24 Stunden.

Judyta:
Ja, aber ich habe das auch in meinen Highlights. Die Highlights sind ja so das, was man so anwenden kann, was ich so mache. Also man wird schon… ich glaube, wenn man auf mein Profil geh, kann man schon irgendwie eine Idee bekommen, dass ich nicht nur zuhause sitzen und Pflanzen habe.

Raul:
Ich muss halt als jemand, der das wirklich beruflich macht und auch als Teil seiner bezahlten Arbeit sieht, sagen, dass diese ganzen Trends, die sich gern in den sozialen Medien abzeichnen, dass wir immer weiter weg von Fotos und immer mehr hin zu Videos gehen, dass mich das schon auch stresst, weil Videoproduktionen schon einen bisschen größeren Aufwand bedeutet für mich als jemand, der das regelmäßig machen soll, als einen Post oder einen Text oder ein Foto zu machen. Weil Video natürlich auch Voraussetzungen hat, zum Beispiel, dass man Untertitel macht, dass das Bild einigermaßen okay ist und die Umgebung ruhig ist und dass ich auch ständig neue Ideen habe. Aber wenn ich einfach ein Foto posten würden könnte, dann kann ich halt auch einfach um die eine Vorlage basteln, das Vorplanen und dann auch einfach einen Text reinlegen und das visuell schön gestalten. Das ist mit Video ein bisschen komplizierter, und diese Zeit, die habe ich in meinem Alltag nicht.

Jonas:
Du hast damals immer häufig gesagt, dass du jetzt nie so der Berufs-Behinderter werden wolltest. Jetzt ist es aber trotzdem so, dass du auf Social Media vielleicht, ja, das schon bist inzwischen. Wann war so der Punkt für dich, wo du gesagt hast, okay, das ist wirklich jetzt nicht mein Freizeit-Social Media Account, wo ich das letzte Essen, den letzte Urlaub – was man auch immer irgendwie da teilen möchte mit der Community, sondern dass du eher darauf gegangen bist zu sagen, okay, das ist meine Arbeit, das ist mein Beruf, ich bin eine Person der Öffentlichkeit und muss hier auch in Anführungsstrichen diese Reichweite von 106.000 irgendwie nutzen.

Raul:
Ich glaube, dass hat vor so zehn/zwölf Jahren in dem Schnitt angefangen, wo ich dann einfach auch gemerkt habe, okay, dann ist jetzt vielleicht der Kampf verloren, kein Berufs-Behinderter zu sein, sondern da bin ich dann jetzt halt der, aber dann eben nur online. Privat habe ich natürlich auch noch andere Themen. Ich habe das vorhin vielleicht auch so ein bisschen zu stark voneinander getrennt. Wenn ich etwas Persönliches poste, dann ist das schon auch mein Leben. Da sind ja auch emotionale Sachen dabei gewesen. Aber es ist nicht Echtzeit. Das finde ich wichtig zu sagen. Also, ich habe ja über meine Unfälle gesprochen in den letzten Monaten und das, was man da online liest und so ungefähr sechs Wochen/acht Wochen Zeit versetzt, sodass ich natürlich auch genug Zeit hatte, darüber zu reflektieren und nachzudenken, will ich das jetzt in die Öffentlichkeit tragen und wenn ja, wie? Aber ich möchte auch zeigen, ich bin einer wie viele andere Menschen mit Behinderung auch. Also ich habe auch Schmerzen und auch bei mir springt der Tod von der Schippe oder ich dem Tod von der Schippe, wenn man vom Auto angefahren wird. Auch mir passiert so was. Und dass das oft übersehen wird, dass behinderte Menschen einfach anderen und größeren Gefahren ausgesetzt sind im Straßenverkehr, war mir ein wichtiges Anliegen.

Judyta:
Wir haben auch Janina Nagel befragt. Sie ist so eine Influencerin bei Instagram, 30 Jahre alt, und ihr findet sie bei Instagram unter. @Janin_ii, und sie postet zu Fitness, aber auch Mode und eben auch ableismuskritische Infos. Und sie hat uns erzählt, wie das alles zustande gekommen ist,

Janina:
Weil ich tatsächlich gemerkt habe, dass so der sportliche Konsens in dem Sinne halt irgendwie nicht so meine Passion ist. Also meine Passion ist, Sport zu machen und auch den Leuten zu zeigen, dass ich das gerne mache. Aber wie ich schon gesagt habe, so ich bin halt irgendwie keine klassische Fitness-Influencerin. Dann müsste ich ja, um irgendwie ein Schritt weiterzugehen, quasi so wie im anderen Berufsleben auch zu sagen, hey, ich will irgendwie weiter mich entwickeln, müsste ich mir jetzt überlegen, lade ich jetzt auf YouTube eigene workouts hoch? Mache ich jetzt irgendwie so Personal Training. Also was ist jetzt so der nächste Step? Und das sehe ich halt nicht. Aber ich habe gemerkt, dass Leute mir auch in den Nachrichten ganz oft halt schreiben, so: Hey, Janina, ich habe ein kleinwüchsiges Kind, ich habe deinen Account entdeckt. Ich wollte dich fragen, wie gehst du mit Situation XY um? Oder: Hey, ich bin selber kleinwüchsig. Ich hab dich gerade gefunden. Ich bin 16, ich bin gerade mitten in der Pubertät. Hast du das auch schon mal erlebt? Wie reagierst du da? Was sagst du da?
Und ich gemerkt habe, dass das ganz viel überhandnahm. Und irgendwie war ich dann wie so ein Service-support in meinen dm’s – quasi also meinen Nachrichten unterwegs. Und so: okay, wenn das so viele Leute interessiert, warum besprecht ihr es nicht für alle? Weil irgendwie hat es ja auch für alle Vorteile. Also gerade wenn ich Leute, die eigentlich Fitness-Accounts folgen, mir folgen, dann vielleicht noch was mitnehmen für ihre persönliche Entwicklung und was über ableismus oder Diskriminierung lernen und sich selbst reflektieren, das ist eigentlich das Beste, was passieren kann. Weil wie oft ist es halt so, wenn man sich auf was versteift, das halt nur die eigene Community einem folgt und das supported und nicht die Leute die es eigentlich betrifft. Und da habe ich gemerkt, dass diese Videos, die ich dann manchmal teilweise so ein bisschen ironisch gemacht habe oder halt versucht hab, es noch lustig zu machen und jetzt nicht irgendwie so trocken, wie so ein Vortrag irgendwie, dass es halt sehr gut ankam und dann dachte ich, okay, dann mach ich es irgendwie öfter. Mach halt so den Mix, also den Mix aus irgendwie so ein bisschen Fitness manchmal und halt auch irgendwie Aufklärung.

Jonas:
Finde ich in dem Sinne spannend, weil sie in dem Sinne quasi diese Chance entdeckt hat, die Chance, Leute zu erreichen und Themen zu setzen, die etwas mit Jahr eben ableismus oder auch quasi mit Rechten für Menschen mit Behinderung zu tun hat.

Raul:
Ich bin selber ein großer Janina-Fan und folge ihr auch schon seit vielen Jahren auf Instagram, als sie noch gar nicht so viel Reichweite hatte, wie sie es jetzt hat. Und ich muss ergänzend sagen, dass diese kostenlose Aufklärungsarbeit bis zu einem bestimmten Punkt geleistet werden kann, aber wenn man 106.000 Follower hat, dann ist es zu viel. Also ich merke, ich komme nicht mehr hinterher. Die Erwartungen an mich sind sehr groß, dass ich Sonntagabend noch schnell kurz beantworten kann. Und ich versuche jetzt, eher so regelmäßig wiederkehrende Fragen im Post dann abzuhandeln und dann eben zu sagen, guck mal hier, schau mal da und auch ganz klar zu differenzieren zwischen privaten Interessen – also was möchtest du im Umgang in deinem Alltag wirklich wissen? – hin zu Firmeninteressen – also wenn Marken mich fragen um Rat – auch oft gerne Sonntag Abends – Marken mich um Rat fragen, wie man denn jetzt mit XY-Situation am Montagmorgen umgehen soll, weil man vergessen hat, behinderte Menschen mitzudenken. Die Anfragen lehne ich dann in der Regel ab oder sage: Buchen Sie uns gerne gegen Geld! Und das finde ich, da müsste man eigentlich auch mal eine Sendung drüber machen. Ich finde es teilweise echt unverschämt, wie Universitäten ihre Studierenden auf behinderte Menschen losschicken, um irgendwelche Masterarbeiten, Hausarbeiten, Diplomarbeiten oder Bachelorarbeiten machen zu können, weil ihnen gesagt wird, ja, ihr müsste aber auf jeden Fall die Perspektive von behinderten Menschen reinnehmen.

Und dann schreiben mir ungelogen 20/30 Studierende in der Woche, dass sie gerade irgendeine Arbeit machen müssen und mich gerne interviewen wollen würden. Und ich finde das nett. Aber auf der anderen Seite denke ich so: ihr fragt jetzt kostenlos Menschen mit Behinderung, die damit ihren Alltag gestalten könnten, ihren Berufsalltag komplett vollmachen könnten, so viele Anfragen wie es da gibt, anstatt dass sie selber behinderte Menschen als Studierende aufnehmen oder als Dozierende beschäftigt. Das ist ein großes Problem, das behinderte Menschen oft dann auch als, ja, wie soll ich mal sagen, kostenlose Informationsquelle im Internet ausgenutzt werden. Und dieses Spiel versuche ich immer weniger mitzumachen. Und ich würde auch alle anderen motivieren wollen, wenn das überhandnimmt, dann wehrt euch dagegen und sagt, das ist zu viel, das geht nicht.

Judyta:
Ich finde aber, da sind zwei verschiedene Sachen, die wir so ein bisschen differenzieren müssen. Einmal das Empowerment unter behinderten Menschen selber. Dass man sich da sehr schnell auch empowered fühlen kann und einfach Sachen wiedererkennt, Probleme wiedererkennt, Gedanken wiedererkennt, die man immer schon hatte und mit denen man sich einfach austauschen kann mit völlig fremden Menschen. Aber man hat trotzdem so einen common ground und kann trotzdem etwas davon mitnehmen. Andererseits eben auch die Leute, die wirklich auch gezielt eben diese Aufklärungsarbeit für nichtbehinderte Menschen auch leisten, das muss man ja auch sagen. Aber sie machen es ja auch irgendwo freiwillig. Also klar, es ist viel Arbeit, und man denkt manchmal: Ah, ich muss nur noch das erklären, dann wird es vielleicht besser. Ich glaube aber, wir sollten so ein Stück damit aufhören, weil es gibt einfach… jede Frage zu Behinderung wurde schon beantwortet im Netz.

Raul:
Absolut! Genau da triffst du des Pudels Kern. Wir sollten gar nicht mehr so viel aufklären. Wir sollten einfach viel mehr über das reden, was uns wirklich interessiert, was uns bewegt, was unsere Hobbies und Leidenschaften sind und so viel zur Wahrheit dazu: Mein Hobby und meine Leidenschaft ist nicht meine Behinderung.

Jonas:
Ach…okay…

Raul:
Also ich gucke unglaublich gern schlechte Hollywood-Filme, am besten Blockbuster mit viel Action…

Jonas:
Mit viel Explosion und Rumgeschieße.

Raul:
Rumgeballere. Comedy…

Judyta:
Und denkst du dir da nicht manchmal so: wie könnte ich meinen Rollstuhl irgendwie explodieren lassen?

Raul:
Ne.

Jonas:
Warum?

Judyta:
Ja, macht keinen Sinn.

Raul:
Ich interessiere mich unglaublich gerne für Technik. Ich würde unglaublich gerne mal über Technik reden.

Jonas:
Lego-Technik?

Raul:
Lego-Technik, Computertechnik, Autotechnik, Mobilitätstechnik, alles Mögliche in Technik… großartig, bin sehr interessiert. Aber mir fällt auf, ich habe eigentlich kaum Hobbys.

Jonas:
Ich finde, da könnten wir…

Raul:
Das schneiden wir raus…

Jonas:
Um dich mal selber zu zitieren, welche Folgen-Ideen wir immer quasi haben. Ich finde, das ist eben auch ein Punkt, was für Hobbys wir haben. Ich meine, wir haben schon häufig über Pflanzen ja auch gesprochen

Judyta:
Eine Podcast-Folge über Pflanzen….über Schlösser…Reisen…

Raul:
Fußball…

Jonas:
Können wir drüber reden. Aber deshalb finde ich, ist es eben so interessant, dass man ja eben auf Social Media häufig eigentlich ja auch über Hobbys eben auch spricht. Beziehungsweise das dann eben bebildert. Und jetzt wird mir einiges klar, warum du, Raul, dich dann eben entschlossen hast vielleicht zu sagen, okay, ich mache dann doch eher aufklärerischen Kontent, als über irgendwelche Hobbys oder Freizeit zu sprechen. Die ganzen Social-Media-Accounts, über die wir sprechen im Laufe dieser Sendung – auch unsere eigenen natürlich – haben wir euch auf jeden Fall noch auf unseren shownotes verlinkt, auf www.dieneuenorm.de.
Und wir haben nicht nur mit Janina Nagel gesprochen, sondern auch mit Lydia Zoubek. Sie ist blind und ist auch auf Instagram unterwegs. Jetzt werden einige Leute sich vielleicht fragen okay, ein Social Media Portal, was rein auf Bilder und Videos spezialisiert ist, warum sind dort ja auch blinde und sehbehinderte Menschen unterwegs? Aber ja, das sind sie und werden später im Verlauf auch noch einmal über Barrierefreiheit sprechen. Und sie ist auch ein bisschen aufklärerisch unterwegs und posted ab und zu so Barrieren aus dem Alltag auf die sie stößt, zum Beispiel taktile Blindenleitsysteme an Bahnhöfen, die direkt auf eine Wand zusteuern, wo die Tür zwei Meter daneben ist. Also solche Fails in dem Sinne. Oder dass zum Beispiel häufig die Müllabfuhr ihre Mülltonnen eben auf diese Leitstreifen stellt und das dann eben einfach ja Barrieren im Alltag sind für blinde Menschen. Und sie ist aber der Meinung, dass es quasi nicht unbedingt so ist, dass Menschen mit Behinderung verpflichtet sind, diese Aufklärungsarbeit zu machen.

Lydia Zoubek:
Niemand muss Influencer sein, niemand muss auf Social Media unterwegs sein. Und jeder kann und darf das posten, was er für nötig hält und wieviel er für nötig hält, wo sind meine Grenzen, was dann die Öffentlichkeit sieht und was lieber nicht. Ich z.B. halte es so, dass ich Dinge poste, die ich über den Marktplatz rufen würde, die findest du auf Social Media. Aber so meine privaten Dinge – da gibt es eine Grenze – da möchte ich dann nicht.

Jonas:
Judyta, du hast eben davon gesprochen, dass eben Social Media Accounts von Menschen mit Behinderungen auch sehr, ja empowernd sein können für einen selbst, der eine Behinderung hat. Aber ist es dort dann ni,cht eben auch trotz allem wichtig, gerade in eine sehr private Ebene zu gehen, also Empowerment, über private Erfahrungen zu sprechen, das funktioniert ja nur, wenn man die Leute auch sehr nah an sich heranlässt.

Judyta:
Ja, das stimmt auf jeden Fall. Dafür gibt es ja vielleicht auch noch mal so Foren und Gruppen, da kann man dann noch mal wirklich sehr intimes nochmal besprechen. Aber auch die Außensicht, die es schon gibt, die hilft manchmal auch schon sehr. Oder hat mir geholfen, wenn ich das gelesen habe. Und es ist auch eine Entscheidung natürlich von den Menschen jeweils, was sie preisgeben. Und es geben dann eben auch viel preis, aber es hilft einem auch so unendlich weiter. Und das wissen, glaube ich, die Leute auch. Und deswegen machen Sie es.

Jonas:
Gleichzeitig sagen wir ja häufig in unserem Podcast ja auch: jede zehnte Person in Deutschland hat eine Behinderung. Aber wenn wir in unserer Gesellschaft gucken oder auch in unserem Freundeskreis, dann haben wir selten so eine große Vielfalt. Oder man trifft so selten eben auf Menschen mit Behinderung im Alltag, weil es eben immer noch diese Sondereinrichtung gibt wie Förderschulen, Wohnheime für Menschen mit Behinderung, Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Ist deswegen Social Media eben diese besagte Chance, dass wir sagen können, okay, hier kann man… wie findet eine größere Vielfalt statt? Man muss es ja nicht einmal auf Behinderungen beziehen, sondern generell über alle so genannten marginalisierten Gruppen, dass man sagen kann, okay, hier haben eben auch mobilitätseingeschränkte Personen die Chance, sich auszutauschen, Sichtbarkeit zu schaffen, ohne jetzt vor die Tür zu gehen.

Judyta:
Ja, ich glaube, für diese Leute ist es eher ein Vorteil, wenn wir an blinde Menschen denken, was wir ja auch gleich noch besprechen werden, oder an taube Menschen, die ja eher in Gebärdensprache kommunizieren. Also sie brauchen ja das Forum oder dass das Medium Video, um sich zu unterhalten. Also das ist da nicht mal schnell gemacht. Das heißt, eher für bestimmte Leute gilt das, nicht für alle.

Raul:
Was ich da so interessant finde, dass ich sehr, sehr vielen behinderten Menschen auf Instagram und Co. folge und das dann beschleunigt wird durch den Algorithmus, der mir immer mehr Menschen mit Behinderung vorschlägt, so dass ich manchmal den Eindruck habe, Instagram ist voller behinderter Menschen und so ein wirkliches Bubble-Phänomen gerade passiert. Und dann gibt es ja diese Seite, wo dir neue Leute vorgeschlagen werden. Und da gibt es teilweise 20 aufeinanderfolgende Pauls, nur Kontent weltweit mit dem Thema Behinderung, dass es schon wieder für mich auch zu viel ist, überhaupt alles zu schaffen. Und viele von denen sind gehörlos und die unterhalten sich dann per Video in Gebärdensprache. Und da fehlen dann Untertitel und…

Judyta:
Exklusion.

Raul:
Das ist eine Exklusionserfahrung, wo ich aber denke, so, das ist auch okay, weil ich muss… Das ist halt dann so eine Art Selbstbeweis von denen und ich kann merken, dass ich Gebärdensprache lernen könnte, viel eher als sie vielleicht Lautsprache lernen könnten. Und das es dann vielleicht auch meine Verantwortung ist, da mir entsprechend Hilfe zu suchen, anstatt das jetzt umzukehren als: na, ihr sorgt ja auch nicht für Barrierefreiheit. Das ist auch manchmal ein Vorwurf, den ich nicht mitkriege, der dann für mich oft zu kurz greift. Da wo ich kann, versuche ich in meiner Social Media Arbeit Barrierefreiheit zu erzeugen. Muss dazu sagen, dass es sehr viel Arbeit ist. Ich erwarte dafür keinen Dank. Es ist aber der Grund, warum ich zum Beispiel wenig Videos mache, weil ich dafür die Zeit nicht habe und die Untertitel zu erstellen. Deswegen mache ich gar keine Videos und mache dann eher Fotos oder Posts mit Bildbeschreibungen. Und die kann ich einfach leichter in meinen Arbeitsalltag integrieren, wobei die Bildbeschreibungen auch sicherlich immer auch verbesserungswürdig sind. Ich weiß manchmal nicht genau, wie beschreibe ich das Bild? Bin einfach nicht besonders gut in Beschreibungen.

Jonas:
Auch da gibt es ja gewisse Richtlinien.

Judyta:
Genau, die hab ich mal mitgebracht vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. Die haben so vier Punkte aufgeschrieben, die wichtig sind bei der Bildbeschreibung. Zuerst die Pflicht. Also wie würdest du es ganz, ganz knapp jemandem ein Telefon beschreiben das Foto, ohne viele Details? Danach die Kür – nennen Sie das. Das heißt, dann auch so ein bisschen mehr, dass du es vor dem geistigen Auge wirklich auch hast, um ein paar Details zu nennen. Dann ein Tipp: auf klare Sprache achten und Fremdwörter vermeiden. Und die vierte Sache ist eben, die eigene Meinung zurückzuhalten. Also wenn du so ein schwarz-weißes Bild hast eines Waldes und sagst, oh, das sieht ja mystisch aus, da könnte was passieren! Dann ist das ja eine Interpretation, und das sollst du eben nicht machen.

Raul:
Also ich war in der Schule schon immer schlecht in Inhaltsangaben und der Zusammenfassung. Ich merke wirklich, dass mir das schwerfällt. Ich übe, ich übe, ich über.

Jonas:
Ja, mir ist aufgefallen, dass zum Beispiel – um jetzt noch einmal das soziale Netzwerk zu wechseln und auf Twitter zu gehen – bei Twitter ist es jetzt ja so, dass man ja auch Bildbeschreibung machen kann, auch schon länger. Aber jetzt immer dann, wenn eine Bildbeschreibung hinterlegt ist auf dem Bild, so ein Label ist Alt, steht da für Alternativtext, und man kann sich das jetzt auch anzeigen lassen. Also nicht nur, wenn man quasi mit einem Screenreader drüber geht, kann man sich das vorlesen lassen, sondern es ist quasi auch für nicht blinde Menschen sichtbar, was dort für ein Alternativtext unterlegt ist. Und ich mache das manchmal gerne, einfach aus Spaß mal drauf zu gehen und zu gucken, weil jetzt, dadurch, dass es quasi angezeigt ist, dass dort ein Alternativtexte hinterlegt ist und dass eine Sichtbarkeit da ist, dass man wirklich dann auch dieses Label hat und man quasi geoutet wird dadurch, wenn man eben diesen Alternativtext nicht benutzt, um es einfach klar ist okay, bedenkt man das oder nicht, finde ich es manchmal so spannend, okay, was schreiben die Leute zu dem Foto? Also dadurch, dass ich eine Sehbehinderung habe, bin ich nicht zwangsläufig auf einen Alternativtext angewiesen. Aber ich bin halt sensibilisiert für das Thema und schaue mir das Bild trotzdem an. Und mir fällt halt eben genau das, was Judyta eben gesagt hat, mit dem „eigene Meinung zurückhaltend“, so ein bisschen manchmal auf, dass dieser Alternativtext bei Twitter häufig als noch mal versteckte Meinungsfläche genutzt wird. Also man ist bei Twitter einfach sehr eingeschränkt in seiner Zeichenzahl. Und dann wird quasi in dem Alternativtextfeld noch mal eine Message versteckt oder eben interpretiert oder dann auch mal eine zusätzliche Meinung platziert. Und das finde ich problematisch.

Raul:
Ich habe mal einen Post gemacht, wo ich eine Bildbeschreibung gemacht habe und als letzten Satz: „Wer diese Bildbeschreibung liest, bekommt von mir ein Buch geschenkt.“ Und wollte einfach mit dieser Bildbeschreibung testen, wie viele Leute das wirklich aktiv lesen und ich habe 40 Bücher verschenken müssen.

Judyta:
Ist das jetzt gut oder schlecht?

Jonas:
Von wie vielen Leuten die dir folgen?

Raul:
Also das war jetzt auf Twitter, das waren jetzt… keine Ahnung, wie viele Follower ich da habe. Ich weiß auch nicht, wie viele Likes dieser Tweet gemacht hat, aber die 40, die hat mich schon echt überrascht, dass es so viel ist. Dass so viele Menschen das gekriegt haben und gelesen haben, sodass ich seitdem immer jeden Post das mache, also Bildbeschreibung nicht Buchverlosung, sondern Bildbeschreibung und jetzt auch Twitter so eingestellt habe, dass es mich erinnert, wenn ich eine Bildbeschreibung dran dabei grade zu vergessen, dass es dann so einen Alarm gibt: Du musst erst die Bildbeschreibung machen, bevor du es posten kannst. Das ist absolut sinnvoll.

Judyta:
Ich finde das auch so ein wichtiges Zeichen von Twitter und so was von Disability Mainstreaming, dass Behinderung wirklich auch mitgedacht wird. Und ich bin natürlich auch diejenige, die sich immer diese Alt-Texte dann immer noch einmal durchliest und bin dann auch immer regelmäßig enttäuscht, wenn accounts, die ich wirklich sehr, sehr lieb habe, einfach bei Gifs, das ist dann diese automatisch generierte… der Alternativtext sozusagen, also dieses Cartoon Gift steht dann da also, und dann steht da nicht. Es ist eine Ente, die irgendwie davonrast oder so, und das enttäuscht mich immer so, weil ich mir denke, Ah, die haben jetzt auch Alternativtext gemacht. Nein, haben Sie eben nicht.

Jonas:
Genau. Bei Instagram ist es noch bei weitem nicht so weit. Da muss man wirklich dann, wenn man etwas postet in Erweiterte Einstellung gehen, ganz nach unten scrollen, dann ist da Thema Barrierefreiheit. Also das ist wirklich schwer zu finden. Generell jetzt aber auch nochmal der Hinweis, wenn man Alternativtexte benutzt – also bei Twitter steht es ja gerade auf dem Foto noch mal groß dies Label Alt – wenn man sich aber sonst in sozialen Netzwerken bewegt, wo man eben den Alternativtext nicht auslesen kann, wenn man jetzt nicht gerade die Voice-Over-Funktion am Smartphone benutzt, oder einen Screenreader am PC, dass man trotzdem noch mal ein Statement abgibt, dass man den Alternativtext hinterlegt hat. Entweder ist es so, dass man den Alternativtext nochmal bewusst da drunter schreibt, was wie gesagt wir eben ja auch schon von so einem gewissen Empowerment oder Aufklärung gesprochen haben, dass eben auch Menschen, die nicht darauf angewiesen sind, trotzdem sehen, okay, wie wird das beschrieben, weil wir bekommen da häufig Fragen. Und deshalb muss auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband das auch noch einmal immer wieder erklären, was ein Alternativtext bedeutet, weil es einfach keine guten Beispiele gibt, weil es halt nicht in der Öffentlichkeit stattfindet, sondern er eher ein Hilfsmittel ist, was versteckt ist und deswegen entweder den Alternativtext noch mal posten oder halt durch das Zeichen, Ausrufezeichen und ein großes B – was man häufig in Social Media eben auch sieht, was noch mal ein Zeichen ist, dass hier ein Alternativtext hinterlegt wurde. Man sieht ihn dann zwar nicht, aber es ist nochmal ein Zeichen, das quasi bei diesem Post daran gedacht wurde. Und das finde ich einen guten Weg, noch mal einfach ein persönliches Statement einfach zu setzen.

Raul:
Ich würde auch noch vielleicht ergänzend dazu sagen zu Judyta, dass es ja diese automatischen Bildbeschreibungen gibt von Instagram und Facebook, glaube ich – die bieten das jetzt ja an, das ist totaler Quark. Das funktioniert überhaupt nicht. Und wir müssen auch so ehrlich sein, dass diese Automatisierung, die ja dann solche Technologien anbieten, nicht die Lösung sind. Es gilt auch für Untertitel. Wenn wir Videos produzieren oder Podcasts machen und dann durch irgendeine Software automatische Untertitel generieren lassen, da ist immer noch sehr, sehr viel Müll drin, den man dann korrigieren muss, beziehungsweise spezifizieren muss, um ausführlicher und besser zu sein. Es reicht nicht, einfach die automatisch generierte Datei irgendwo hochzuladen oder zu posten, sondern das bedarf schon eines menschlichen Schritts der Korrektur und der Redaktion. Und da möchte ich eigentlich auch alle Menschen, die Medien betreiben, größere Reichweiten haben, dafür sensibilisieren, dass es eben nicht mit diesem einen Schritt getan sein darf, weil das fühlt sich dann für viele Menschen, die es nutzen, erst recht an, wie nicht ernst gemeint, nicht zu Ende gedacht, sondern einfach eher so, ja, so als Pflichtaufgabe abgehakt. So ähnlich wie die hässlich rangeklebte Rampe an einem Neubau, anstatt Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken. Und ich merke es halt auch bei meinen Auftritten, sowohl im Web als auch im Podcast. Das ist Arbeit. Ich bin auch noch nicht angekommen. Ich versuche, immer besser zu werden von Mal zu Mal. Es ist alles ein einziges Lernen, auch weil die Technologie noch am Entstehen ist.

Judyta:
Genau. Das meinte Janina Nagel auch zu mir, dass sie eben auch so Firmen wie Meta, also der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, eben auch so in der Pflicht sieht, besser zu sein. Ich meine, sie bieten ja schon sehr, sehr viele Hilfen an, dieses automatisierte. Aber da kommt halt eben auch noch sehr viel Kauderwelsch noch raus. Und deswegen hat sie uns erzählt, wie sie es macht.

 

Janina:
Ich muss sagen, bisher hat mir auch noch niemand geschrieben: Hey, ich bin gehörlos, und ich kann deine Storys nicht hören und es wäre mir super wichtig, dass du Untertitel, automatisch sind. Dann wäre ich wahrscheinlich auch noch mal so…Du hast vollkommen Recht. Es tut mir leid, ich bin da echt sehr egoistisch, mache ich. Da bisher nix kam, bin ich so… okay, dann probieren wir das noch weiter mit den Inhaltszusammenfassungen. Ich weiß, dass es nicht optimal ist, aber es ist halt tatsächlich, da muss ich sagen, ich weiß es ist nicht gut und ist nicht okay. Aber zumindest als Ausrede für mich ist einfach so ein bisschen die Zeit – ich arbeite und einen Fulltime-Job habe, wenn ich da Feierabend habe, beginnt der andere Job. Und irgendwie will ich halt auch noch zwischen diesen zwei Jobs Freizeit haben. Und dann ist halt leider das das, was darunter leidet. Was nicht okay ist, wirklich nicht, aber ich arbeite daran zumindest – ist ja ein Prozess. Es ist ein Prozess.

Judyta:
Da muss ich eben auch sagen, wer transkribiert denn bei Instagram Stories jedes Wort? Also Inhaltszusammenfassungen sind doch eigentlich ganz normal, wenn ich sie konsumiere, oder?

Jonas:
Ja, es kommt drauf an. Man transkribiert ja nicht jedes Äh und Em, aber es ist schon eher das gesprochene Wort statt Schriftsprache. Und natürlich hat Janina Nagel recht, das ist ja das, was du, Raul, auch schon gesagt hast, es ist Arbeit und aufwendig. Aber ich persönlich würde jetzt, dass das Argument „bislang hat sich noch niemand beschwert“, nicht gelten lassen. Und ich finde, genauso wie wir den Ansatz haben, das Eigentum verpflichtet, finde ich auch, dass eine gewisse Reichweite verpflichtet. Also wenn ich schon quasi Influencer*in bin oder beziehungsweise auf Social Media eine große Reichweite habe, das quasi auch ein Zweitjob oder Nebenjob für einen ist, ist es besonders wichtig, noch mal drauf zu achten, beziehungsweise, auf Barrierefreiheit zu achten ist immer wichtig, aber ich finde dieses „bislang hat sich noch niemand beschwert“, ist so ein bisschen „Wir brauchen keine Rampe vor unserem Café. Es war sowieso noch nie ein Rollstuhlfahrer*In hier.“

Raul:
Bei mir stirbt auch immer innerlich jemand, wenn ich bestimmte Sachen rauskürze in den Untertitel oder so, weil ich denke so, vielleicht ist es aber dann auch dieses eine Fünkchen an Information, die jemanden anderen entscheiden lässt, ob ich sympathisch bin oder nicht. Und wenn ich die einfach rauslösche, was ich ja bei dem Video nicht rausschneiden würde, dann ist es ja auch so eine Art Vorenthaltung oder redaktionelle Entscheidung und Filter. Ich versuche, Filme vorher wie möglich auch zu untertiteln, aber ich merke, dass dann auch komisch aussieht. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie man damit umgehen soll.

Jonas:
Ich finde es so spannend, was du gesagt hast. Im Endeffekt ist ja zum Beispiel, wenn wir es noch mal sehen, dass blinde Menschen bei Instagram unterwegs sind. Und bei Instagram jetzt ja auch jetzt nicht, außer vielleicht den inhaltlich wertvollen Posts von dir, Raul…

Judyta:
Oder von dir, Jonas.

Jonas:
Absolut, absolut! Also schaut gerne mal vorbei, also, ich kann es euch nur empfehlen. Da ist ja auch viel Nonsens dabei. Der X-te Sonnenuntergang, das X-te Essen, irgendwelche Sachen, die Lifestyle sind, wo man jetzt sagt, okay, wie genau kann man das jetzt als Bildbeschreibung beschreiben? Also was für einen Mehrwert hat das? Und ist es für Blinde oder sehbehinderte Menschen – ist der Alternativtext da wirklich sinnvoll, wenn man dann sagt, ja, es ist schon wieder der Strand mit dem Sonnenuntergang. Und das sieht schön aus, yeah, also so. Wo man dann vielleicht den Gedanken hat, okay, da ist der Alternativtext überhaupt nicht so wichtig oder hat nicht eben so diesen Mehrwert. Lydia Zoubek sagt aber wiederum als betroffene Person, dass dieser Alternativtext eben dafür sorgt, dass man eben auch selber entscheiden kann.

Lydia Zoubek:
Also, der Alternativtext ist auch grundsätzlich dafür da, dass wir selber entscheiden können, was wir uns antun und was nicht! Das heißt, es oft mal die gleichwertige Teilhabe, was ich, genauso wie ein nicht blinder Mensch den Alternativtext lese und mir das 50. Essen immer noch gefällt und kann das liken oder drüberwegscrollen.

Jonas:
Also dass sich das antut, was man auf Social Media sieht. Ist manchmal auch sehr passend. Aber weil wir eben über automatisierte Barrierefreiheit, beziehungsweise automatisierte Hilfsmittel gesprochen haben und uns ja auch noch mal einig waren, dass das eben nicht die Lösung sein kann, weil da eben sehr viel, sehr viel Unfug eben auch rauskommt. Aber ich finde generell, dass diese automatisierten Sachen vielleicht in manchen Aspekten eben auch ein Anstoß sein können. Also wenn man zum Beispiel sagt, okay, ich möchte nicht das YouTube-Video, was ich jetzt hochladen möchte, komplett abtippen und das als Untertitel zur Verfügung stellen, dann kann man das Video hochladen, von YouTube automatisiert die Untertitel entstehen lassen, was auf jeden Fall dann noch korrigiert werden muss, diese lädt man dann runter, korrigiert dort, wo YouTube das eben ja nicht wirklich gut gehört hat und noch viele Fehler sind und lädt es dann wieder korrigiert hoch. Und so hätte man quasi diese Automation genutzt, um vielleicht ein paar Schritte zu sparen. Aber man ruht sich eben nicht auf diesen nicht guten Untertiteln eben auch aus. Also es kann eine Möglichkeit sein. Es kann aber natürlich sein, dass manche Leute sagen, okay, das Ganze zu korrigieren, das ist so viel Arbeit, dann mache ich es eben selbst. Aber es wäre auf jeden Fall eine Option.

Raul:
Dann ist es natürlich auch wichtig: Es gibt Plattformen, wie zum Beispiel Twitter, die es nicht so leichtmachen, dass man Videos untertitelt, beziehungsweise die Untertitel- Datei dann dazu extra hoch lädt. Da empfehle ich, diese Untertitel dann entsprechend einzubrennen, so nennt sich das, da gibt es auch spezielle Software für auf dem Smartphone. Benutze ich zum Beispiel Mixed Caption, wo auch Untertitel automatisch erstellt werden können und dann eben auch in das Video eingebrannt werden. Das bedeutet, die sind dann fest hinterlegt und aufgelegt in dem Video und können nicht ausgeblendet werden. Das ist dann so eine Art und Weise, wie man damit umgehen kann.

Jonas:
Wobei mich jetzt seit Neuestem totalen nervt wirklich, dass die ganzen unterschiedlichen Social-Media-Plattformen bei Videos in unterschiedlichen Formaten hantieren.

Raul:
Hochformat….Querformat…

Jonas:
Also wir hatten das ja eh immer schon, dass bei Instagram hat man immer quadratische Fotos gehabt auf seiner Profilseite angezeigt, aber in der Timeline war es aber wenn es dann trotzdem Querformat war, dann war trotzdem mehr zu sehen. Aber Instagram hat jetzt seit Neuestem so, dass alles das, was man als Video hoch lädt, ist direkt ein Real, also direkt ein Video, direkt im Hochformat. Heißt also quasi, auch wir machen es ja so, dass wir nach dem Podcast noch mal ausgewählte Stellen noch mal auf unseren Social-Media-Kanälen bei Facebook, Twitter und Instagram posten. Und bei Facebook und Twitter nehmen wir das quadratische Format, weil das einfach sehr gut passend ist und weil man alles sehen kann. Wenn wir das aber wiederum dann bei Instagram hochladen würden, würde das aufgrund des Hochformats links und rechts abgeschnitten. Und du siehst die Untertitel nicht mehr. Also quasi eingebrannte Untertitel… ist auf der einen Seite… finde ich immer total gut, aber sobald du quasi einen Formatwechsel hast, kannst du es vergessen!

Raul:
Ja, wobei, ich bin jetzt nicht sicher, vielleicht bin ich da ein bisschen zu optimistisch, wir befinden uns ja auch gerade mitten in der Zeit, wo sich solche Technologien gerade entwickeln. Und ich kann mir schon vorstellen, dass sich früher oder später da dann auch bestimmte Standards heraus entwickeln, wo Untertitel angezeigt werden sollen, wie hoch die ins Bild reinragen dürfen. Was ist Hochformat, was ist Kleinformat? Und dass es da wahrscheinlich auch in Zukunft leichter werden wird.

Jonas:
Meine Hoffnung ist, dass es eben nicht deutsche Konzerne sind und es da noch mal andere Richtlinien gibt im Ausland.

Judyta:
Wenn ihr jetzt Lust bekommen habt, Influencer*nnen zu werden auf diesen Sozialen Medien und alle Format-Probleme überwinden wollt, dann könnt ihr euch jetzt noch mal anhören, wie Janina Nagel dazu gekommen ist.

Janina Nagel:
Es wird immer so oft Werbung da reingeblendet zwischen verschiedenen Storys und so, auch damals schon und dann habe ich halt irgendwie eine Firma entdeckt, die ich ganz cool fand, die Klamotten und Sportbekleidung und Bikinis hergestellt hat und hab mir einen Bikini gekauft und hab die dann verlinkt, so: Guckt mal – ey, cool, ich habe den. Und dann haben die mir halt geschrieben, so, Ey, Janina, wir würden das Foto gern verwenden, können wir das reposten? Und ich so, Ja! Dann ist aber ewig nichts passiert. Und irgendwann bin ich dann mal zu Instagram so drei, vier Wochen später, und ich so, WOW – was ist denn hier passiert? Da hatte ich, keine Ahnung, vielleicht knapp 1000 Follower oder so und davon war die Hälfte vielleicht irgendwelche Bots oder so. Also dann war so auf einmal ganz viel Zuspruch, Anfragen. Ich so: Was denn los? Dann habe ich, dass die es eben auf ihrem Feed gepostet haben. Und dass der Zuspruch bei der Community halt richtig gut war. Klar, so halt das Klischee: Bikini muss jetzt von so einer durchtrainierten Model-schlanken Person präsentiert werden, so ein bisschen durchbrechen. Sondern ich als kleinwüchsige Frau steh da und zeigt den Bikini, der auch mir passt. Und das fanden halt alle ganz cool und die Kommentare waren irgendwie viermal so viel wie bei allen anderen und also nur positiv. Und dann wurde mir quasi die erste Kooperation angeboten in dem Zusammenhang. Und dann habe ich so langsam versucht, das ernst zu nehmen und verstanden, okay, da kann ich auch ein bisschen mehr mit machen und vielleicht auch die ein oder andere Koop angenommen, wo ich im Nachhinein denke…Oh Gott…

Jonas:
Das, was sie anspricht, ist auch nochmal, dass auf Social-Media inzwischen ja auch sehr gegen den Lookismus vorgegangen wird, also quasi gegen gewisse Schönheitsideale, dass die Social-Media-Kanäle immer mehr versuchen, immer mehr real zu werden, also authentisch zu werden. Und jetzt es jetzt nicht mehr um das perfekte Foto geht und so, wie sie sagt, und quasi nicht den vielleicht, den Normkörper zu haben, sondern dass eben diese Vielfalt auch immer mehr ankommt. Judyta, welches Unternehmen müsste Dir… dich fragen, ob sie ein Foto von dir verwenden, wollen, würden, dürften, damit du anfangen würdest…

Judyta:
Also …ja…Kooperation.

Jonas:
Gardena.

Judyta:
Ja, solche Sachen, genau. Irgendwie die tollsten, selbst bewässernden Töpfe.

Raul:
Seramis…

Judyta:
Ein Exklusiv-Abo auf neue Pflanzen, die noch so vor den Öffnungszeiten so, dass ich mir das angucken kann, dann einfach nehmen kann, was ich möchte. Dann die ganzen Rollstuhlfirmen, dass die mir endlich mal einfach so einen neuen Rollstuhl sponsern. Ich probier den natürlich nur für sie aus und dann darf ich den…

Jonas:
…was heißt nur so, das steht dir doch zu…

Judyta:
…behalten. Ja, aber man muss ja den Weg über die Behörden und Krankenkassen gehen. Und das ist ein steiniger Weg.

Jonas:
Krankenkassen-Influencerin.

Judyta:
Ja, aber das klingt nicht so cool. Deswegen also ich würde mich da, glaube ich, eher auf Pflanzen beschränken und Reisen. Da hatten wir ja auch unsere Kollegin Adina Herrmann ja mal hier. Und sie hat ja auch darüber erzählt, dass sie quasi auch auf Reisen eingeladen würde und dann auf Social Media darüber berichtet.

Raul:
Wo ich grade so ein bisschen mit hadere: setzt Influencer*in sein voraus, dass man dafür bezahlt wird, oder ist man Influencer*In nicht auch schon, wenn man bestimmte Themen, sagen wir mal repräsentiert, also muss da eine Bezahlung von einer großen Firma im Hintergrund stehen? Oder bin ich nicht auch schon eine Influencer*In, wenn ich für ein Thema überhaupt einstehe? Und dann habe ich grundsätzlich aber ein Problem mit dem Wort Influencer.

Jonas:
Weil es erinnert dich an Grippe.

Raul:
Ne, ja, auch. Aber es klingt auch so ein bisschen nach Propaganda oder so. Also irgendwie das, dass ich jemanden manipulieren…

Jonas:
Gedanken einpflanzen.

Raul:
Ja, genau. Und, und das will ich ja gar nicht, sondern möchte einfach nur meine Perspektive zu einem Thema aufzeigen. Und so wie halt wie, keine Ahnung, Christian Drosten für mich auch kein Influencer ist, sondern einfach Virologe, bin ich vielleicht kein Influencer, sondern Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit und wen es interessiert, kann es gerne lesen, wen es nicht interessiert, kann gerne weitergehen.

Judyta:
Auf jeden Fall. Du setzt sich ja für eine Sache ein, du erhoffst viele Menschen darüber zu erreichen und dass sie das zum Umdenken bewegt.

Raul:
Wobei ich auch schon bezahlte Kooperation gemacht habe… mal so ganz nebenbei… aber auch nur dann, wenn es sich auch wirklich mit meinem Leben, ja, wie soll man sagen, im Einklang befindet. Also Aufzüge. Ich habe einen Aufzug bei mir in der Wohnung, da hab ich mal für ein Video Pate gestanden und das auch schon, weil ich von dem Produkt überzeugt bin.

Judyta:
Er funktioniert.

Raul:
Er funktioniert. Ja, genau, das, was Aufzüge tun sollten.

Jonas:
Wenn ihr dieses Posting sehen möchte von Raul, dann folgt uns auch gerne auf unseren Social Media Kanälen. Die haben wir, wie gesagt, in unseren Shownotes auf www.dieneuenorm.de verlinkt. Und dort findet ihr auch noch mal alle anderen Social-Media-Kanäle, über die wir heute gesprochen haben. Und wenn ihr Tipps habt persönlich, was gute Social Media Kanäle sind, denen man auf jeden Fall folgen sollte, dann schreibt sie uns. Gerne entweder eine Mail an [email protected]  oder [email protected]. Und wenn ihr euch wünschen würdet, dass wir mal eine Podcast-Folge zum Thema: Was sind unsere Hobbys…zum Beispiel machen würden, dann…

Judyta:
Einen Pflanzen-Podcast…

Jonas:
Ja, oder einen Fußball-Podcast oder… jetzt kommst du, Raul,…

Raul:
Technik Podcast…

Jonas:
Genau. Dann können wir das auch gerne machen. Also schreibt uns gerne Themenvorschläge und dann gucken mal, ob wir das vielleicht in Zukunft umsetzen und werden euch dann natürlich auf unseren Social Media Kanälen auf dem Laufenden halten.
Das war die neue Norm, der Podcast für diese Ausgabe. Und wir freuen uns, wenn wir beim nächsten Mal wieder mit dabei seid.

Judyta, Raul & Jonas:
Tschüß

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