Klimakrise – Transkript

Lesezeit ca. 23 Minuten

Die Neue Norm: „Drei Journalist*innen, zwei Rollstühle und eine Sehbehinderung: Die Journalist*innen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 24: „Klimakrise“

Jonas:
Sagt mal, Raúl und Judyta, ward ihr schon mal auf einer Klimademo?

Raúl:
Ich war schon zweimal dort, ja. Und ich muss sagen, unglaublich voll. Bei der letzten Demo, da hatte ich große Probleme, Leute wiederzufinden, was auch eine ziemlich dumme Idee ist, auf einer Millionen-Demo oder zumindest 100.000 Demo jemanden zu suchen wie die Nadel im Heuhaufen, aber wir haben uns schlussendlich doch gefunden – dank der Hilfe der Polizei.

Judyta:
Ich war noch auf keiner, weil ich mir ehrlich gesagt demonstrieren im Allgemeinen nicht zutraue. Im Rollstuhl im großen Pulk, ich dazwischen, ich 50 Zentimeter kleiner als alle anderen. Da habe ich echt Angst, dass mir die Luft ein bisschen wegbleibt.

Jonas:
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast. Es ist die erste Folge in diesem Jahr. Und obwohl wir schon einige Wochen des Jahres überstanden haben, wünschen wir euch trotzdem noch alles Gute für das Jahr 2022. In dieser Episode möchten wir uns einem Thema widmen, das in der Corona Pandemie ein bisschen – zumindest gefühlt – in Vergessenheit geraten ist. Aber mindestens genauso wichtig ist, nämlich die Klimakrise. Wir möchten klären, was jede einzelne Person für den Klimaschutz tun kann und was auch Menschen mit Behinderung für den Klimaschutz tun können. Reicht es vielleicht einfach aus, auf Plastikstrohhalme zu verzichten? Oder ist das Ganze totaler Humbug? Darüber sprechen wir mit der Klimaaktivistin Cécile Lecomte. Außerdem blicken wir zurück auf die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und schauen, ob Menschen mit Behinderung vom Klimawandel besonders stark betroffen sind. Mir zugeschaltet sind Judyta Smykowski und Raúl Krauthausen.

Raúl & Judyta:
Hallo!

Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa. Raúl, du hast gesagt, du warst schon mal auf so einer Klimademo bei Fridays for Future. Ist es das einzige, wie du dich, sage ich mal, engagierst? Und war das für dich ein guter Schritt, gegen den Klimawandel auf die Straße zu gehen?

Raúl:
Ja, es hat das Klima natürlich nicht einfach verbessert, weil ich auf der Demo war. Aber es war für mich ein Zeichen der Solidarität und ich war wirklich beeindruckt, wie viele jungen Menschen auf die Straße gegangen sind. Aber eben nicht nur junge Menschen sondern auch deren Großeltern und Eltern. Ganze Schulklassen und Kindergartengruppen waren da. Und ich finde es umso erstaunlicher und schockierender, wenn es so viele Menschen auf die Straße treiben kann, wie wenig dann bis heute auch politisch umgesetzt wird. Hoffen wir mal, dass die neue Regierung da ein bisschen Tempo reinbringt. Und es waren sehr wohl auch behinderte Menschen auf den Demos zu sehen.

Jonas:
Es ist ja auch trotzdem so, dass das Thema immer noch, beziehungsweise ja die ganze Zeit sehr aktuell ist, also gerade in den letzten Wochen war ja auch die Meldung, dass in Australien die auf der Südhalbkugel höchste Temperatur mit 50,7 Grad gemessen wurde. Also nur, weil wir aktuell eine Corona-Pandemie auf der Welt haben, macht der Klimawandel ja auch keine Pause. Also es ist ein Thema, was wirklich immer noch sehr präsent ist oder beziehungsweise noch mehr präsenter sein sollte. Deshalb haben wir uns auch entschlossen, in das neue Jahr mit diesem Thema zu starten. Aber es ist, wie du Judyta ja gesagt hast, dass das Demonstrieren ja zwar ein sehr großes Privileg ist und ja auch wichtig ist, eben die Meinungsfreiheit auch auszuleben. Aber das ist ja nicht die einzige Möglichkeit, wie man sich, sag ich mal, engagieren kann. Gibt es denn abgesehen von Demonstrationen auch etwas, wo du sagst, okay, da hat für dich ein Umdenken oder ein Bewusstsein stattgefunden?

Judyta:
Ich persönlich verzichte zum Beispiel auf Fleisch seit einem Jahr, und ich versuche auch wirklich, das Thema Mülltrennung konsequenter anzugehen. Also ich glaube, das macht auch viel aus. Also ich will mich jetzt nicht selber loben, aber wenn wir das echt konsequent machen würden, wäre das vielleicht auch eine gute Sache. Und mir fällt dabei auch gleichzeitig immer auf, wie wenig Informationen auch da sind auf Verpackungen. Bei manchen Herstellern weiß man wirklich, wo was hin soll. Der Deckel weg vom Becher zum Beispiel oder so. Aber diese Informationen gibt es noch viel zu wenig. Es wird den Verbraucher*innen jetzt auch nicht so leicht gemacht, finde ich, in dem Bereich.

Jonas:
Bei Mülltrennung fallen mir immer ein diese unsäglichen Werbebroschüren, die nochmal in Plastikfolie eingeschweißt sind, wo viele Leute das einfach so, wenn sie eine blaue Tonne oder einen Papiercontainer haben, einfach so reinschmeißen und man jederzeit irgendwie… ja, wenn man das bekommt und direkt wegschmeißen muss, immer auseinander packen muss. Die Folie in die gelbe Tonne, das Papier in die blaue Tonne. Und es gab ja auch mal eine Petition, beziehungsweise eine Forderung, dass man eben nicht mit diesen Werbeanzeigen praktisch auch vollgemüllt wird. Und das immer sofort, ja, eigentlich sofort in der Tonne landet. Bei mir persönlich ist es so, dass auch aufgrund der Tatsache, dass ich wegen meiner Sehbehinderung jetzt nicht selber Auto fahren kann, aber wir relativ selten – eigentlich sehr, sehr selten mit dem Auto unterwegs sind und eigentlich uns sehr mit dem öffentlichen Personennahverkehr und mit Bus und Bahn fortbewegen durchs Land, ich aber wiederum finde, und da kommt die Verbindung zwischen, sage ich mal, Klimaschutz, Umweltschutz und Behinderung, man ja auch immer angewiesen ist auf die Barrierefreiheit und es ja so ist, dass Bus und Bahn nicht unbedingt barrierefrei sind. Es einfach ein größerer Aufwand ist, beziehungsweise auch teilweise überhaupt nicht funktioniert. Und dann die Option, sage ich mal, dann das Auto zu nutzen, dann doch die einfachere, die komfortablere und auch manchmal auch die einzige Lösung ist, sich von A nach B zu bewegen.

Judyta:
Ja, ich finde es auch schwierig, jetzt behinderten Menschen vorzuschreiben, sie sollen alle den ÖPNV nur benutzen, gerade weil du ja auch gesagt hast, das ist oft nicht barrierefrei, gerade auf dem Land. Auf der anderen Seite habe ich viele Bekannte mit Behinderung, die gerade das Auto nicht missen wollen und das einfach ein Stück Inklusion für sie ist und ein Stück Freiheit. Also, das sollte man nicht gegeneinander ausspielen.

Raúl:
Man könnte die Frage stellen, warum zum Beispiel Fahrzeuge nicht elektrisch sind für behinderte Menschen. Also es gibt sehr wenig Auswahl, beispielsweise an barrierefreien Fahrzeugen, die Rampe haben und elektrisch sind. Da tut sich momentan zwar Einiges, aber das ist alles noch in den Kinderschuhen, und ich denke auch, wir sollten jetzt behinderte Menschen nicht – wie sollte man sagen – noch mehr unter Druck setzen und vielleicht sogar verantwortlich dafür machen, wenn sie das Klima nicht mit ihren Autos schützen, weil es einfach auch gerade wenig Optionen gibt.

Jonas:
Ich musste die ganze Zeit immer darüber nachdenken… ich weiß nicht, ob das süffisant ist… Aber Raúl, du fährst ja einen Elektrorollstuhl…

Raúl:
Ja.

Jonas:
Lädst du den mit Ökostrom?

Raúl:
Ich lade meinen Rollstuhl tatsächlich mit Ökostrom, weil wir zuhause Ökostrom haben. Ich habe neulich mal ausgerechnet, was der an Strom braucht und der braucht so viel Strom wie ein Kühlschrank im Jahr. Also ungefähr zwischen 80 und 100 Euro. Ist aber zu vernachlässigen viel oder wenig.

Jonas:
Zur Not kann man ja auch sagen, selbst wenn du jetzt keinen Ökostrom genommen hättest, immerhin bist du elektromäßig unterwegs und hast keinen Benziner in deinem Rollstuhl.

Raúl:
Weil ich ja auch in der Wohnung keinen Benziner haben will.

Jonas:
Naja, das stelle ich mir trotzdem sehr lustig vor.

Judyta:
Apropos Benzin, beziehungsweise Kerosin. Ich weiß nicht, ob ihr das auch habt. Aber dieses Thema Flugscham, was so ein bisschen auch während der Corona-Pandemie oder kurz davor auch aufkam, das hat mich auch viel beschäftigt. Und 2020 wurde uns die Entscheidung ja auch so ein bisschen abgenommen, ob wir fliegen sollen, weil es ging halt quasi nicht. Und wir haben ja auch beim Thema Mobilität schon darüber gesprochen, dass Rollstühle manchmal ja auch nicht heil ankommen, wenn man fliegt. Das sind irgendwie alles Faktoren, die man da immer wieder überlegt. Aber das ist bei mir auch ein großes Thema geworden. Also diese Frage, ist der Flug notwendig? Kann man nicht erst einmal die Ziele abklappern, die man so erreicht? Ich würde also nicht so weit gehen. Ich beneide so ein bisschen Leute, beziehungsweise ich habe Respekt für die Entscheidung, die sagen, sie fliegen nie wieder, weil ich irgendwie noch so denke, ich möchte die Welt noch ein bisschen sehen. Und auf der anderen Seite kann man natürlich sagen, haben wir das Recht dazu, die Welt sehen zu wollen und sie damit zu verpesten?

Jonas:
Auf der anderen Seite gäbe es ja Möglichkeiten, die Welt zu sehen, auf anderen Wegen.

Raúl:
Ich überlege ernsthaft, innerhalb Europas eigentlich nur noch mit der Bahn zu fahren. Aber wenn man dann umsteigen muss und mit einem Rollstuhl unterwegs ist, dann ist das Risiko, dass du an irgendeinem Bahnhof strandest einfach für mich sehr groß. Weil vielleicht Mobilitätshilfe vergessen wurde, ein Zug ausfällt oder es gar keine Mobilitätshilfen gibt und das Risiko will ich noch nicht eingehen. Also intereuropäischer Bahnverkehr, das wäre meine Sache.

Jonas:
Generell, sage ich mal, muss das Thema Barrierefreiheit mitgedacht werden, wenn wir beim Thema Klimaschutz die Verkehrswende mitthematisieren. Also es ist so, dass wir sagen, okay, wie wollen wir, dass die Menschen in Deutschland, beziehungsweise dann groß gedacht, auf der ganzen Welt natürlich irgendwie umsteigen, das Auto häufiger stehen lassen, weniger mit dem Flugzeug fliegen, andere Arten der Mobilität nutzen, dass das eben auch barrierefrei mitgedacht wird, damit das eben auch für alle gilt. Und wir nicht nachher einen Planeten haben, wo vielleicht alle Menschen ohne Behinderung schön mit der Bahn durch die Welt cruisen und alle Menschen mit Behinderung mit dem eigenen Auto unterwegs sind, weil das die einzige Möglichkeit ist, barrierefrei von A nach B zu kommen.

Raúl:
Da kann eine neue Zweiklassengesellschaft entstehen, meinst du?

Jonas:
Zum Beispiel.

Raúl:
Ich hoffe auch, dass der ÖPNV barrierefrei wird, bevor wir das Auto komplett abschaffen.

Judyta:
Der muss ja auch barrierefrei schon sein, das ist ja der Witz an der Sache. Also gesetzlich ist es schon geregelt, dass ab diesem Jahr oder letztem Jahr – ich weiß es nicht genau…

Raúl:
Ab diesem.

Judyta:
Ja, ab diesem soll es schon barrierefrei sein. Und ich wage die steile These, dass es noch nicht so ist. Und ich habe im Vorfeld mit Cécile Lecomte gesprochen. Sie ist Umweltaktivistin aus Frankreich und lebt aber schon ganz lange in Deutschland, Jahrgang 1981. Sie ist Kletteraktivistin im Rollstuhl und engagiert sich sehr in der Anti-Atomkraft-Bewegung. Das heißt, sie baumelt schon mal über den Gleisen bei den Castor-Transporten, um sie aufzuhalten. Und ich habe sie genau das auch gefragt: Was kann jeder und jede Einzelne tun, um die Klimakrise so ein bisschen aufzuhalten?

Cécile Lecomte:
Ich selbst zum Beispiel achte schon darauf, möglichst im Einklang mit meinen politischen Ideen zu leben. In einer Wohngemeinschaft, wo man Ressourcen teilt. Das ist übrigens im Hinblick auch auf Behinderung und Pflege ein sinnvolles Konzept, finde ich, in Zeiten von Pflegekraftmangel, weil einen Teil der Unterstützung bekomme ich ja durch meine Mitbewohner*innen. Ich würde deutlich mehr externe Unterstützung benötigen, wenn ich nicht in Gemeinschaftsform leben würde. Ich fliege nicht. Ich bin zum Beispiel für den Wiedereinsatz von zahlreichen Nachtzügen. Ich bin da schon öfter damit gefahren, der Rollstuhlwagen, wenn er da vorhanden ist, super, da kann ich schlafen. Steige abends ein, schlafe durch, kann meine Treffen tagsüber wahrnehmen. Ich habe sogar deutlich weniger Rückenprobleme. Es ist für mich auf jeden Fall, was mein Rheuma angeht, ganz gut. Und dann kann ich abends vielleicht wieder in den Zug einsteigen und zurückfahren. Leider gibt es viel zu wenige davon, weil die eher abgebaut werden sollen, diese Züge. Und wenn es jetzt einen Trend gäbe, die wieder einzusetzen, wäre es super. Genau, solche Kleinigkeiten. Oder ich mache zahlreiche Anfragen zum Thema ÖPNV und Barrierefreiheit in dem und dem Landkreis, versuche damit Druck aufzubauen, damit ich eben nicht auf das Auto zurückgreifen muss und ein passendes ÖPNV-Angebot habe. Aber man kann nicht alles machen, weil eben manchmal die Infrastruktur einfach fehlt und das ist ja verständlich. Wofür ich kein Verständnis habe ist, wenn man auch nicht versucht dafür zu kämpfen, dass sich etwas verbessert.

Raúl:
Also ich finde, an ihrem Beispiel merkt man ganz, ganz klar, dass natürlich auch Menschen mit Behinderung sich klimaaktivistisch und politisch engagieren sollten und auch können sollten. Und dass das auch geht, wenn man, sagen wir mal auch entsprechend den Mut hat, beziehungsweise auch das Netzwerk, so wie es sich in den letzten Jahren auch aufgebaut hat, dann nutzt. Ich denke und das fand ich bei ihrem Beispiel besonders beeindruckend, dass es aber eben auch verschiedene Formen des Aktivismus geben kann, also sich jetzt irgendwo anzuketten und auf Bäume zu klettern, ist auch nicht jedermensch Sache.

Jonas:
Das hast du doch auch schon mal gemacht.

Raúl:
Ja, aber in anderen Kontexten und auch ein bisschen sicherer und auch nicht gegen Polizeigewalt, weil wenn man sich da die Erfahrungen von Cécile auf Twitter und so durchliest, das ist auch nicht nur Zuckerschlecken, was sie da macht. Sie legt sich oft auch mit der Deutschen Bahn, mit der Polizei an – finde ich sehr beeindruckend.

Jonas:
Wenn ihr übrigens jetzt irritiert seid und sagt, okay, Klimaaktivistin im Rollstuhl und klettern, wie funktioniert das? Wir haben euch auf unseren Shownotes, auf www.dieneuenorm.de, mal sowohl den Blog von Cécile als auch auf ihre Social-Media-Kanäle verlinkt, wenn ihr ein bisschen mehr über sie erfahren möchtet.

Judyta:
Ich finde das auch krass, auch persönliche Einschnitte, die sie macht, die sie sich so vorgenommen hat und aktiv auch so beschlossen hat, dass sie zum Beispiel in einer WG lebt und dort eben auch die Ressourcen teilt. Also die Ressource Mensch eigentlich, dass ihre Mitbewohner*innen ihr helfen und sie dadurch weniger Assistenz einstellen muss. Ist das auch eine Frage eigentlich fürs Klima? Ressourcenschonend – menschliche Ressourcen?

Jonas:
Ich glaube, wenn es darum geht, wirklich zu sagen, wieviel Raum muss der Mensch einnehmen, kann man sicherlich darüber diskutieren. Also brauche ich, als zum Beispiel Zwei-Personen-Haushalt, eine 200 Quadratmeter-Wohnung, wo ich im Winter alle Räume beheize, damit es muckelig warm ist? Kann man natürlich irgendwie darüber diskutieren. Aber wenn es jetzt rein um die Ressource Mensch geht und man sagt… ich wohne in einer WG, damit ich jetzt vielleicht irgendwie keine Assistenz benötige, sondern das quasi von Mitbewohner*innen gemacht wird und man teilt sich das… Es ist auf der einen Seite schön, wenn so etwas funktioniert. Aber es sollte nicht dann von außen finde ich der Anspruch sein, beziehungsweise das, wohin wir wollen. Es wäre ja eine moderne Art und Weise von Behindertenwohnheim in dem Sinne, wenn man sagt, man ist einfach an einem Ort zusammen und ressourcenschonend, so wie es auch in solchen Einrichtungen ja teilweise ist. Vom Betreuungsschlüssel her wird einfach da geschaut, dass viele Menschen mit Behinderung auf einem Fleck sind.

Raúl:
Ich glaube auch, dass da zwei Ebenen miteinander vermischt werden. Also es kann ja sein, dass die Mitbewohner*innen von jemandem das gar nicht wollen. Also in diese Abhängigkeit geraten, jemanden, der Mitbewohner ist und Hilfe braucht zu helfen. Vielleicht ist man auch einfach erst mal nur Mitbewohner*in und nicht gleich auch noch automatisch Assistenz. Ich glaube, es ist schon sinnvoll, dass Assistenz in der Regel von außen dazukommt und auch Geld dafür erhält. Würde ich jetzt nicht unbedingt als ressourcenschonend als eine meiner ersten Maßnahmen einleiten, um das Klima zu schützen. Aber sicherlich Wohnfläche, Benutzen von Waschmaschinen – macht sicherlich Sinn, wenn man das gemeinsam teilt, anstatt dass jeder seine eigene Waschmaschine hat.

Judyta:
Ich finde in dem Zusammenhang kommt da häufig auch das Thema Strohhalme. Also Strohhalme und behinderte Menschen. Es gibt ja dieses Strohhalmverbot, das Plastikstrohhalmverbot. Und da haben mir auch viele Menschen mit Behinderung gesagt, das ist der falsche Ansatz, das zu verbieten. Wir sind darauf angewiesen. Die Leichtigkeit, also wirklich die Grammzahl von Strohhalmen hilft uns. Und wir können zum Beispiel Strohhalme aus Glas nicht benutzen. Raúl, da weißt du mehr.

Raúl:
Die Strohhalm-Debatte, eine Debatte, die unglaublich emotional geführt wird, vor allem von nichtbehinderten Menschen, wo dann ständig Vorschläge gemacht werden. Was es denn für Alternativen zum Plastikstrohhalm gibt, ob es Silikon ist oder Glas oder Nudeln. Und es wird nie zugehört den behinderten Menschen, die sagen, haben wir alles ausprobiert, ist nicht das Gleiche wie der gute alte Plastikstrohhalm. Hört auf, uns ständig immer wieder in der Hinsicht zu belehren und vor allem so zu tun, als würde behinderten Menschen der Umweltschutz nicht tangieren. Aber Fakt ist eben auch, dass es eine gewisse Freiheit bedeutet für Menschen mit Behinderung, selbständig etwas zu trinken. Und wenn das mit alternativen Lösungen noch nicht geht, dann ist das auch zu berücksichtigen. Und da müssen wir, glaube ich, viel mehr auch einander zuhören und Menschen mit Behinderungen glauben.
Die ganze Debatte haben wir auch noch mal verlinkt in den Shownotes über das sogenannte Strohhalmverbot, beziehungsweise über „Den letzten Strohhalm“, wie er da heißt. Die Sache ist aber die und da bin ich ganz bei Clara Mayer oder Luisa Neubauer von der Fridays for Future-Bewegung in Deutschland. Wir dürfen uns auch nicht einlullen lassen von der Politik oder von der Industrie, zu glauben, dass durch den anderen Konsum oder durch andere Strohhalme wir auch nur annähernd das Klima gerettet bekommen. Also das sind eigentlich Stellvertreterdiskussionen, das sind Debatten, die geführt werden, um bloß nicht die wahren Ursachen und Probleme anzugehen, nämlich den Verzicht auf Rohöl, nämlich die Abschaffung von Kohle-Energie und so weiter und so fort.
Und dann ist es natürlich immer leichter, in den Medien und auch politisch zu fordern, dass man ja Plastiktüten, Plastikstrohhalme und so weiter verbietet. Aber wie Luisa Neubauer sagt, die Bambuszahnbürste, die wird das Klima nicht retten, sondern es sind andere Maßnahmen, die wir tun müssen. Aber da traut sich die Politik eben nicht so gerne ran. Und in den USA ist die Debatte schon viel, viel weiter, was Klimaschutz und Behinderung angeht. Aber auch aus bestimmten Zwängen heraus. Dort gibt es ja viele Waldbrände, viele Wetterumschwünge, die auch ganz klar dem Klima zuzuschreiben sind. Oder dem Klimawandel. Und da ist es zum Beispiel so, dass es regelmäßig im Jahr Stromausfälle gibt, weil es zum Beispiel einen Waldbrand gibt oder irgendwelche Stromleitungen von irgendeinem Orkan niedergerissen wurden und das wirklich messbar Menschen mit Behinderung umbringt, weil dann Atemgeräte plötzlich nicht mehr funktionieren, weil die Notversorgung plötzlich zusammenbricht für ein paar Tage. Und wenn du ein Atemgerät brauchst oder andere Hilfsmittel, die elektrisch sind und keinen Strom hast, dann kannst du vielleicht für einen halben Tag noch ein Dieselaggregat zur Sicherheit bereitstellen. Aber du kannst es vielleicht nicht eine Woche lang betreiben. Und dass da vor allem behinderte Menschen, unterprivilegierte Menschen, arme Menschen oder Menschen, die ja vielleicht auch der individuellen Bevölkerung abstammen, die einfach auch wirtschaftlich und finanziell unterprivilegiert sind, mehr betroffen sind als die reichen Rich Kids, muss auch in dieser ganzen Debatte mitberücksichtigt werden.

Jonas:
Ich finde, auf der einen Seite, nochmal bei dem Thema Strohhalme und bei den Diskussionen, und wo der Fokus darauf gelegt wird, finde es immer noch sehr spannend, das ich dort irgendwie so das Gefühl habe, dass zwei Gruppierungen dann immer gegeneinander ausgespielt werden. Also auf der einen Seite dann der Klimaschutz, beziehungsweise, dass man eben die Plastikstrohhalme nicht benutzen sollte. Und dann auf einmal Menschen mit Behinderungen, die vielleicht darauf angewiesen sind, erinnert mich so ein bisschen an die Genderdebatte, wo auf einmal Leute, die gegen das gendern sind, auf einmal wahnsinnig aufgeladen sind, was das Thema Barrierefreiheit eingeht und sagen, ja, wenn man das Gendersternchen benutzt, dann ist es nicht kompatibel mit Screenreadern für blinde oder sehbehinderte Menschen. Also dass dann auf einmal eine Diskussion geführt wird, die eigentlich überhaupt nichts mit dem eigentlichen Thema oder mit dem, was wir bezwecken wollen, zu tun hat, sondern die einfach so, wie du es, Raúl, gesagt hast, einfach davon jetzt so ein bisschen ablenkt und so Stellvertreterdebatten sind.

Raúl:
Und vor allem… noch mal kurz zum Thema Strohhalme: Es ist schon auch noch ein Unterschied, ob ich bei McDonald’s oder Burger King zu jedem verdammten Milchshake einen Strohhalm bekomme oder ob ich einen Strohhalm bekomme, weil ich ihn brauche. Und pauschal Strohhalme zu verbieten hilft nicht. Wir können verbieten, dass es eben nicht standardmäßig zum Milchshake gehört. Wir können verbieten, dass Plastikbecher immer benutzt werden, standardmäßig doppelt und dreifach, weil es sonst zu heiß in der Tasse wird. Das können wir verbieten. Aber nicht das Kinde mit dem Bade ausschütten, wie man so schön sagt.

Judyta
Raúl, was du auch gesagt hast, in den Notfallsituationen habe ich sowieso als behinderte Personen das Gefühl, dass ich da nicht mitgedacht werde. Egal, wo ich bin. Also komme ich in ein Hotel und benutze den Fahrstuhl, da ist immer das Schild „In Brandfällen nicht benutzen“. Und ich lese es jedes Mal und jedes Mal habe ich diesen Blitzgedanken, ja, was dann? Was ist denn dann? Was ist denn im Brandfall? Was passiert denn mit mir? Und ich habe kein Vertrauen und ich weiß auch, oder ich bin mir fast sicher, dass niemand in diesem Hotel Systeme hat und weiß, was dann mit mir passiert. Und das ist eben noch ein Luxusproblem in Hotels. Es geht ja jetzt, wie du gesagt hast, wenn es dann um Umweltkatastrophen geht, gibt es auch nicht einfach barrierefreie Warnsysteme und Informationen. Die Journalistin Andrea Schöne hat dazu auch recherchiert. Da werden wir euch auch einen Artikel in den Shownotes verlinken. Es gibt sie nicht. Es gibt keine barrierefreien Informationen im Katastrophenfall, weil wir eben dann auch nicht mitgedacht werden. Und das ist schon ein sehr beängstigender Gedanke.

Jonas:
Aber es steht ja: „Im Brandfall nicht benutzen“, nicht im Waldbrandfall, das ist ja auch jetzt noch mal ein Unterschied…
Und da haben wir dann auch ja viel darüber diskutiert, wie Menschen mit Behinderung tatsächlich von der Klimakrise bedroht sind. Und es war so, dass natürlich die Thematik Barrierefreiheit und auch barrierefreie Informationen, also das haben wir jetzt auch schon wieder erlebt mit dem Tsunami von dem Vulkan, der im Pazifik ausgebrochen ist und wo die Welle ja auch auf Neuseeland getroffen ist. Wenn man sich da die Pressekonferenz anguckt zu den Hilfsmaßnahmen und so, da steht immer ein Gebärdensprachdolmetscher, eine Gebärdensprachdolmetscherin direkt daneben bei der Pressekonferenz und ist im Bild zu sehen und solche, sag ich mal, barrierefreie Informationen gibt es einfach sehr selten in Deutschland – eigentlich überhaupt nicht. Und das ist aber ja etwas, was ein grundlegendes Problem ist. Und weniger explizit, sage ich mal, mit dem Klimawandel oder mit der Klimakrise zu tun hat. Und auch die Tatsache, dass wenn eine Flutkatastrophe ist, das dann Menschen mit Behinderung ihre Häuser verlieren, ist ja auch kein spezifisches Problem, sondern auch Menschen ohne Behinderung verlieren ihre Häuser. Und im Rahmen dieser Diskussion, die wir geführt haben, kam dann die Flutkatastrophe im Westdeutschland, beziehungsweise in der Eifel im Ahrtal, wo dann eben in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung in der Nacht zwölf Mitbewohner*innen ertrunken sind, weil ihnen nicht geholfen wurde. Beziehungsweise, weil sie sich nicht selber vor den Fluten retten konnten. Und das war das Ereignis oder eins der Ereignisse, wo man eben gemerkt hat oder explizit gemerkt hat, dass Menschen mit Behinderung von der Klimakrise auch noch einmal im Speziellen betroffen sind.

Raúl:
Und das war ja sogar angeblich so, dass die Feuerwehr geraten hatte, dass man die Menschen doch aus diesen Einrichtungen rechtzeitig evakuieren solle und es einfach nicht gemacht wurde. Vielleicht aus Überforderung oder weil man dachte, es wird schon gut gehen. Aber Fakt war, dass es nur eine Pflegekraft an dem Abend gab für die zwölf Bewohner*innen, und diese eine Person hat die nicht alleine retten können. Schlimm fand ich, was dann im Nachgang in den Medien zu hören und zu sehen war, wie dann Nachbar*innen erzählt haben, dass sie in dieser Einrichtung Schreie gehört haben und Rufe gehört haben, dass sie nicht sterben wollen. Und das sie aber nicht rauskommen, weil das Wasser von außen so gegen die Tür gedrückt hatte. Und das muss ein super grausamer Tod sein, wenn man das Gefühl hat, man wird einfach zurückgelassen oder vergessen.

Was ich problematisch finde in Deutschland, dass die ganze Klimadebatte oder diese ganzen Klimakatastrophen…wir glauben halt immer, das passiert in anderen Ländern, das passiert woanders. Das betrifft nur die anderen. Aber dass, keine Ahnung, der Aufzug im Brandfall nicht funktioniert oder nicht benutzt werden darf, ist ein reales Problem auch hier. An meiner alten Schule gibt es die Geschichte, weiß nicht, hab nur die Geschichte gehört, dass es einen Schüler im Rollstuhl gibt oder gab, der, als es Feueralarm in der Schule gab – und es war nur ein Probealarm – so Angst bekommen hatte, dass er mit seinem Elektrorollstuhl die Treppe runtergefahren ist und sich schwer verletzt hat. Das heißt, weil es kein Konzept für ihn gab und er einfach Angst bekam. Ich war vor ein paar Wochen in einem Hotel, da waren die Corona-Maßnahmen noch nicht so streng, da war das noch möglich. Und da gab es auch einen Feueralarm im Hotel. Und dann hieß es, nee, das ist ein Fehlalarm, bleiben sie ruhig in ihrem Zimmer. Und dann dachte ich so, okay, da habe ich ja gerade noch mal Glück gehabt…oder was? Was wäre jetzt eigentlich die Option gewesen, wenn es kein Fehlalarm wäre? Die Feuerwehr wusste es auch nicht, die vorbeikam. Dabei gibt es Lösungen. Es gibt Lösungen im Ausland. Ich habe in den USA gelesen, dass es da zum Beispiel sogenannte Panicrooms gibt, also das sind dann Zonen im Gebäude, die extra vom Architekten so gebaut und geplant sind, dass man solange dem Feuer standhalten kann, bis die Feuerwehr von außen das Feuer gelöscht hat. Das sind praktisch dann die Alternativen zum feuerfestem Aufzug, den man auch installieren könnte, die aber oft nachgerüstet werden müssen, beziehungsweise teurer sind oder eben dann von der Feuerwehr benutzt werden müssen.

Judyta:
Ja, und da wird mir dann doch wieder klar, dass wir eben als behinderte Menschen nicht mitgedacht werden in solchen Katastrophenfällen. Wir beziehen uns ja jetzt gerade auf Feuer in Gebäuden. Aber Feuer ist ja auch ein Teil von Klimakrise. Also, dass es immer mehr Feuer gibt und dass Menschen flüchten müssen aus ihren Häusern.

Raúl:
Oder Hochwasser – kann genau das gleiche sein, klar.

Judyta:
Genau. Und dass es da eben noch nicht diesen Standard gibt, den wir als Gesellschaft auch irgendwie formulieren müssen. Und wo wir behinderte Menschen wahrscheinlich wieder so ein bisschen die Aufgabe haben zu sagen, Hallo, wir sind auch noch da. Wir müssen jetzt hier mal für den Ernstfall proben und Systeme finden. Das macht schon sehr, sehr bedrückend, wenn man so drüber nachdenkt.

Jonas:
Das zeigt aber eigentlich ja auch wieder im Sinne des Disability Mainstreaming, dass Behinderung bei allen Themen mitgedacht werden oder mitgedacht wird, wie wichtig es eben ist oder wie elementar das Thema Klima und Umwelt ist. Wie wichtig ist es dort eben auch, das Thema Behinderung mitzudenken und eben auch, dass man die Möglichkeit hat, dabei zu sein. Also dass eben auch Menschen mit Behinderung sich bei der Thematik engagieren und dabei sind, um vielleicht dann erstmalig den Anstoß, den Denkanstoß zu geben, um zu sagen: Hallo, wir sind auch noch da. Und dass auch dieses Bewusstsein in die Gruppierung der Klimaaktivist*innen oder generell in die Thematik des Klimaschutzes reinzubringen hat, dass das Thema Klima und Behinderung miteinander verschmilzt und mitgedacht wird.

Raúl:
Absolut.

Judyta:
Genau, das habe ich auch Cécile Lecomte gefragt, wie sie es sieht in den Organisationen, in den Treffen, wo sie dabei ist, ob sie es als barrierefrei und inklusiv empfindet.

Cécile Lecomte:
Meine Erfahrung ist, dass das Thema Zugänglichkeit, Barrierefreiheit nur sehr langsam ankommt, insbesondere in der politischen Klimabewegung. Und dass es noch viel Arbeit und Aufklärung zu dem Thema bedarf. Deswegen mache ich auch häufiger Vorträge zum Thema Inklusion und Aktivismus, also ganz gezielt, um die Probleme aufzuzeigen. Die Probleme fangen häufig damit an: ist der Treff-Ort überhaupt zugänglich? Ist da eine Treppe oder ist da ein Aufzug? Komme ich überhaupt dahin? Oder finde ich jemanden, der für mich die Telefonkonferenz gebärden kann, also natürlich je nachdem, welche Behinderungen man hat. Deswegen ist es nicht so einfach. Da wird nicht immer mitgedacht oder in deren Kommunikation ist sehr häufig wie auf Social Media die Bildbeschreibung, also simple Sachen, wie die Bildbeschreibung fehlt.
Wenn man darauf hinweist – in der Regel wird das positiv aufgenommen, und ich glaube, das ist eine Sache, die Stück für Stück ihren Weg findet. Meine konkrete Erfahrung ist, es ist im Moment schon noch sehr, sehr oft so, dass ich als Betroffene die Barrierefreiheitszugänglichkeit einfordern muss, weil die Leute nicht von sich aus daran denken. Und danach, ich bin der Meinung, ich bin zwar Expertin in eigener Sache und kann sehr gut sagen, wie die Bedürfnisse sind, aber es ist trotzdem eine gemeinsame Aufgabe, das umzusetzen. Also findet ein Treffen statt, finden wir jemanden, der Assistenz leistet, finden wir einen barrierefreien Raum und und und. Ich bin der Meinung, dass ich nicht unbedingt die sein muss, die immer überall rumtelefoniert, um das zu finden, dass wir das gemeinsam zu finden haben. Und das funktioniert je nach Gruppen unterschiedlich gut. Ich habe auch positive Erfahrungen und wo es einfach riesen viel Spaß macht. Häufig funktioniert es am besten bei mir, finde ich, auch bei eher kleineren, informellen Gruppen, weil man sich kennt, und die Bedürfnisse bekannt sind, und man sich ohne großes Trala anpassen kann, nach Lösungen gemeinsam suchen kann, ohne dass man sich rechtfertigen muss.
Bei größeren Gruppen ist es deutlich schwieriger, weil … ich finde, irgendwie in der Masse habe ich immer mal wieder das Gefühl, dass es häufig unerhört verhallt. Aber das kommt auch ganz auf die Gruppen an. Ich hab’s mir als Vorgabe gemacht, zu sensibilisieren für das Thema, dass es sich verbessert. Und es gibt zum Beispiel in Berlin für die Menschen, die in Berlin sind, im Umfeld von Ende-Gelände die Antikohleproteste, die Inklusions AG, die sich vorgenommen hat, Proteste zugänglicher zu machen, barrierefreier und zwar im Sinne von unterschiedlichen Arten von Barrieren und das finde ich eine supertolle Initiative, dass es das gibt. Und jede größere Organisation sollte eigentlich eine eigene Inklusions-AG haben, um ganz bewusst sich mit den Problemen zu beschäftigen, damit es Normalität wird, dass das zugänglich ist und dass ich nicht mehr extra fragen muss: Ach ja, ihr macht ein Treffen, kann ich da teilnehmen? Ist das und das gewährleistet? Toll wäre, wenn es gleich auf der Homepage stünde, wo das Treffen stattfindet. Ja, wir sind so und so. Ach ja, okay, da ist eine Stufe – ist das noch machbar für mich oder nicht? Wo kann ich mir Unterstützung holen? Also, dass die Informationen da sind, ohne dass ich hinterherrennen muss, um rauszufinden, ob ich teilnehmen kann. Und da, glaube ich, ist noch viel Arbeit.

Raúl:
Aber was mir Hoffnung macht, vielleicht bin ich da auch naiv, aber was mir Hoffnung macht ist, dass ich den Eindruck hab, dass da die Klimaschutzbewegung wesentlich offener ist für das Thema Vielfalt und sich auch der Privilegien bewusst ist, die momentan noch vorherrschen in der Klimaschutzbewegung. Also, dass es eine weiße, nichtbehinderte Bewegung ist. Aber dass zum Beispiel auch sehr viele Frauen sich engagieren, mehr als es früher in anderen Bewegungen der Fall war und dass dort auch ein Bewusstsein sich zu entwickeln scheint, Minderheiten auch mehr Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu geben und sie vor allem auch für sich selber sprechen zu lassen. Ich hoffe, es bleibt nicht bei dieser naiven Einschätzung, sondern das ist auch eine Realität, die immer besser wird.

Jonas:
Aber kann das jetzt auch – provokant gefragt – vielleicht ein bisschen daran liegen, dass man sich ein Engagement im Klimaschutz erstmal leisten muss? Also jetzt nicht vom Finanziellen her. Aber dass vielleicht, wie dort, wo noch so wenig Vielfalt herrscht, weil einfach zum Beispiel Menschen mit Behinderungen noch „ganz andere Probleme haben“? Also in dem Sinne, dass zum Beispiel People of Colour, dass die erst mal versuchen, gegen Rassismus vorzugehen und dann irgendwann kommt Klimaschutz und Menschen mit Behinderung gegen Ableismus und dann kommt irgendwann der Klimaschutz? Also, dass das eigentlich ein Thema ist, was uns alle betrifft. Aber das natürlich irgendwie jede Gruppierung, jede Community, ja auch noch mal ganz andere Themenfelder hat, wo man sich engagiert und wo es sich auch eben lohnt, auf die Straße zu gehen?

Raúl:
Ja klar, ich denke auf jeden Fall, dass das ein Faktor ist, den wir immer berücksichtigen müssen. Zumal ja – jedenfalls meine These – behinderte Menschen sich sowieso schon überproportional ehrenamtlich engagieren. Jede Fahrt, jeder Gang zum Arbeitsplatz, wenn der Aufzug kaputt ist, ist Ehrenamt, die von nicht behinderten Menschen mitgeleistet werden müssen und mitgeleistet wird, wenn es darum geht, dass der Aufzug wieder geht. Das ist dann immer die Arbeit der Betroffenen.

Judyta:
Ich glaube, das geht aber auch Hand in Hand. Also Cécile Lecomte sagt ja auch, sie selber engagiert sich als Umweltaktivistin innerhalb ihrer Reihen gegen Ableismus und vertritt da diese Position. Und gleichzeitig hat sie auch gesagt, sie möchte das nicht immer. Und das sagen wir ja auch an dieser Stelle häufig, dass wir nicht immer nur für Behinderungen einstehen wollen, für die Rechte von behinderten Menschen. Aber ich glaube, den Job haben wir noch lange.

Raúl:
Ich wollte damit auch eher zum Ausdruck bringen, dass ich Verständnis habe für Menschen, die nicht die Kapazitäten haben, abends sich auch noch fürs Klima einzusetzen. Das gilt auch für Alleinerziehende, die auch wenig Kapazitäten haben und erst mal gucken müssen, wie sie selbst über die Runden kommen. Also ich finde es total spannend, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Auch in den ganzen Intersektionalitäten, die da drinstecken, und empfehle allen Hörerinnen und Hörern, sich die Social-Media-Accounts von Cécile anzugucken und die Artikel, die Andrea Schöne zu dem Bereich geschrieben hat, die sich auch zunehmend in diesem Bereich engagiertund recherchiert. Und vor allem – und das ist mir ein wichtiges Anliegen – wenn ihr bei Klimaschutzbewegungen aktiv seid, stellt immer die Frage: wer ist eigentlich dabei? Und wie können behinderte Menschen beispielsweise sich dort mitengagieren?

Jonas:
Diese ganzen Artikel haben wir für euch verlinkt in unseren Shownotes auf www.dieneuenorm.de und wir freuen uns, wenn ihr euch für das Klima einsetzt und beim nächsten Mal auch wieder mit dabei seid bei unserem Podcast Die Neue Norm. Bis dahin…

Jonas, Judyta & Raúl:
Tschüss

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