Humor und Behinderung – Transkript

Lesezeit ca. 24 Minuten

Die Neue Norm: „Drei Journalist*innen, zwei Rollstühle und eine Sehbehinderung: Die Journalist*innen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 37: „Humor und Behinderung“

Raul:
Kennt ihr schon den: Nach zahlreichen dramatischen Flugerfahrungen benötigen Assistenz-Tiere inzwischen selber Assistenz-Tiere.

Trailer:
Die Neue Norm, eine Sehbehinderung, zwei Rollstühle oder… drei JournalistInnen. Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft. Ein Podcast von Bayern 2.

Jonas:
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast. Humor und Behinderung – wie passt das eigentlich zusammen? Darf man über Menschen mit Behinderung Witze machen? Sorgt Humor eher für Gemeinsamkeit und Inklusion? Oder kommen Witze auf Kosten von Menschen mit Behinderung eher nicht so gut an, weil sie Diskriminierung und Klischees fördern? Darüber möchten wir heute sprechen. Ganz humorvoll mit Judyta Smykowski und Raul Krauthausen.

Judyta & Raul:
Hallo…

Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa. Wir haben auch noch mal echte Expert*innen gefragt, die sich mit dem Thema Humor…

Judyta/Raul:
…endlich mal…

Jonas:
… die sich wirklich damit auskennen und nicht einfach nur so platte Witzemacher. 

Raul:
Einmal mit Profis arbeiten…!

Jonas:
Genau! Das ist zum einen Eva Ullmann, sie ist Leiterin und Gründerin des Deutschen Instituts für Humor. Und wir haben mit Dr. Michael Titze gesprochen. Er ist Psychotherapeut und arbeitet unter anderem für den Verein Humorcare, der sich mit dem Thema therapeutisches Lachen auseinandersetzt. 

Raul:
Das aber nicht Lach-Yoga, oder?

Jonas:
Nee, aber es geht schon darum, wie man Lachen einsetzen kann und Humor einsetzen kann und daraus etwas Positives ziehen kann. Also zum Beispiel auch die Tatsache, dass in Krankenhäusern Clowns unterwegs sind, zum Beispiel auf Kinderstation, um ein bisschen Leichtigkeit hineinzubringen in das ganze Thema.

Raul:
Dann heißt es: Herr Tietz macht nen Wieeeetz…

Judyta:
Das fängt ja schon gut an. 

Jonas:
Aber das ist jetzt zum Beispiel ein Wortspiel, das du benutzt hast, was ja überhaupt nichts mit dem Thema Behinderung zu tun hat. Hat in eurem Humor-Kosmos, in eurer Witze-Bubble das immer irgendetwas mit Behinderung zu tun, weil ihr Menschen mit Behinderungen seid?

Raul:
Also, wenn ich so höre, ganz kurz, wenn ich höre, dass Humorforschung Gelotologie heißt, das klingt jetzt aber auch wie eine chronische Krankheit. „Oh ja, sie haben Gelotologie…Oh, ja da müssen Sie mal zum Gelotologen.“

Jonas:
Ja, dachte ich auch, ich war sehr überrascht. Also für mich war das auch ein neues Themenfeld, und ich war sehr, ich sage mal, amüsiert darüber, mit welchen Themen man sich überall beschäftigen kann, auch rein wissenschaftlich.

Judyta:
Ich finde es auch so witzig, dass es für alles in Deutschland ein Institut gibt. Also dann bist du legitimiert, oder? Wenn du ein Institut hast.

Raul:
Aber ich glaube, das kann jeder aufmachen. Oder?

Judyta:
Ja, bestimmt!
Ich finde, Humor und Behinderung muss nicht unbedingt zusammen sein, ist aber natürlich so ein Mechanismus, um damit irgendwie auch klarzukommen, um mit den schlechten, anstrengenden Seiten vielleicht von Behinderung auch klarzukommen. Den wirklich guten Behindertenwitz habe ich selbst noch nicht gefunden. Aber darauf können wir ja bestimmt im Laufe der Sendung noch zu sprechen kommen. Was mir manchmal so auffällt ist eben, dass behinderte Menschen oft humorvoll sind oder Witze machen müssen, weil sie irgendwie auch so das Eis brechen wollen in zwischenmenschlichen Situationen. Auch wirklich auf der Seite der behinderten Person, dass die sagt, so ich muss jetzt ein bisschen witziger sein. Ich muss jetzt ein bisschen aus mir rauskommen, damit das hier ein schönes Gespräch wird. Und das finde ich irgendwie ja auch seltsam irgendwo und würde mir natürlich wünschen, dass wir in so einer Norm leben würden, wo es eben normal ist und wo nicht behinderte und behinderte Menschen eben nicht so viele Berührungsängste haben, um diese Witze nicht zu überstrapazieren. Also, das ist auch sehr anstrengend, wenn man, glaube ich, keine witzige Person ist und trotzdem Witze die ganze Zeit machen muss.

Raul:
Und oft vor allem auf eigene Kosten. 

Judyta:
Genau das ist eben diese Steilvorlage, erst einmal von sich aus wahrscheinlich so ein bisschen so auch sich zu erniedrigen. Kann das sein, dass man so ein bisschen so eine Stufe runtergeht, um zu sagen, so ich signalisiere dir jetzt erst mal so ein bisschen so eine Normalität. 

Raul:
Hast du ein Beispiel? 

Judyta:
Naja, dass man irgendwie das überspielt. Ich weiß nicht, ob ich das… ich habe das bestimmt auch schon mal gemacht. Na also, wenn ich irgendwo nicht gut reinkomme und dann irgendwie da ächze mit meinem Rollstuhl und dann so… „Aber jetzt bin ich auch drin!“ Irgendwie so – ist jetzt kein Witz, aber so eine locker-flockige Bemerkung.

Raul:
Also, ich erwische mich ja manchmal so dabei, wenn ich so Witze mache wie, ja, ich komme da leider nicht ran, Arme zu kurz. Kennst du ja –  keine Arme – keine Kekse.

Judyta:
Ja, genau. Der Spruch muss ja eigentlich nicht sein, du könntest einfach beschreiben: Ich komm da nicht ran.

Jonas:
Ich finde es interessant, Raul, du hast mal im Rahmen deiner Fernsehsendung „Krauthausen face-to-face“, wo Christian Ulmen zu Gast war, auch mal darüber diskutiert oder sogar mal so philosophiert, ob Witze immer auf Kosten von irgendetwas, einer Person oder auch sogar auch Gegenständen gemacht werden. Zu welchem Schluss seid ihr denn damals gekommen? 

Raul:
Also, Christian Ulmens These war, dass es keinen Witz gibt, der nicht auf Kosten von irgendeinem anderen Charakter geht. Natürlich muss es kein Mensch sein. „Gehen 2 Zahnstocher durch den Wald, kommt ein Igel vorbei, sagt der eine Zahnstocher zum anderen: Ich wusste nicht, dass hier Busse fahren.“ Dann ist hier kein einziger Mensch aufgetaucht. Der Witz ist aber trotzdem witzig, aber er geht definitiv auf die Kosten eines anderen Zahnstochers. Und das heißt, die Witze funktionieren, so hat er das zumindest erklärt, immer so, dass eine Person letztendlich die Verliererrolle hat, oder Verlierer*innenrolle. Und das ist letztendlich dann die humorvolle Ebene.

Jonas:
Ich fand es so spannend, weil ich mich im Rahmen der Recherche so ein bisschen damit auseinandergesetzt habe, wo das auch herkommt. Also wo Humor herkommt, wie sich das entwickelt hat und der eben angesprochene Dr. Michael Titze hat zum Beispiel davon erzählt, das Humor und das Komischsein, ja schon einen sehr weiten und außerdem antiken Ursprung hat. Und das zum Beispiel früher es so war, dass Menschen es komisch fanden, wenn sie etwas gesehen haben, was nicht so gut funktionierte, also andere Menschen gesehen haben, die dann, ja, gestottert haben oder generell eigentlich eine Behinderung hatten und das dann früher dann dazu geführt hat, dass es Vorstellungen gab, Theaterstücke, wo Schauspieler*innen… in dem Sinne könnte man zusammenfassen, die Behinderung imitiert haben und dadurch eben so ein gewisser Abwärtsvergleich stattgefunden hat.

Dr. Michael Titze:
Diejenigen, die jetzt als Zuschauer dabei waren, konnten sich im Sinne eines Abwärtsvergleich, also der Abwärtsvergleich ist sehr wichtig. Das hat Aristoteles definiert. Er hat gesagt, diejenigen, die sich an den unglücklichen Mitmenschen, die weniger vom Schicksal ausgestattet worden als sie selbst, vergleichen, werden dann feststellen, dass es denen schlechter geht und den Zuschauern besser geht. Und dieser Vergleich ruft ein Gefühl der Überlegenheit, der freudevollen, lustvollen Überlegenheit hervor, lustvoll und lustig hängt dann miteinander zusammen. Und sie können unbeschwert drüber lachen und dann gehen sie dann nach Hause und fühlen sich besser. Natürlich ist das moralisch nicht gerechtfertigt. Aber Aristoteles meint, alle wissen, dass es ja nur Schauspieler sind. Und man lacht ja nicht wirklich über diese armen Menschen, sondern man offeriert ihnen eben diesen Abwärtsvergleich. Und das ist genau das, was heute auch in den Comedys und in vielen Angeboten im Fernsehen und in den Medien angeboten wird. Dass, denken wir zum Beispiel an Little Britain oder Serien wie Dr. House und so weiter, wo genau dieses Angebot dann gemacht wird, dass der Zuschauer, der vielleicht nicht in einer so guten Stimmung ist, weil das Leben es mit ihm nicht so gut gemeint hat, dann kurzfristig eben offeriert bekommt: es gibt Menschen, denen es schlechter geht als dir, und deswegen kannst du mit deinem Schicksal eigentlich relativ zufrieden sein.

Raul:
Das gibt es ja auch in nicht humorvoller Form bei RTL II oder so diese ganzen Sensationsdokus: Der kleinste Mensch der Welt…Der Mann mit dem Baumknochen…, wo man auch immer denkt, oh Gott! Oder die ganzen Hartz IV- Fernsehprogramme wie wir sie kennen, glaube ich, nennt man sie ein bisschen despektierlich so, wo man einfach als Zuschauer sich zurücklehnen kann. Und eben denkt: Also eigentlich geht es mir doch ganz gut.

Jonas:
Genau. Also, ich fand das so, so spannend, was er gesagt hat. Also dass es wirklich diesen Ursprung ganz weit in der Antike hat. Und dass es in abgewandelter Form, egal, ob es jetzt quasi Comedy ist, wo man sich über irgendwie Personen/ Personengruppe lustig macht oder eben Fernsehen guckt und dort Leute sieht, denen es eben im Vergleich schlechter geht als einem selbst. Dass das so, ja, wirklich gang und gäbe ist. Findet ihr das verständlich oder findet ihr es gut oder nachvollziehbar?

Judyta:
Ja, das Pendant zu RTL II ist ja dann auch der Behindertenwitz. Also weil die weit verbreitete Meinung ist, dass behinderten Menschen es automatisch schlechter geht. Und wenn wir uns das vergegenwärtigen, geht es den nicht behinderten Menschen dann besser, weil sie sich aufwerten können. Fertig ist die Spirale.

Jonas:
Schön fand ich aber auch, dass Herr Titze gesagt, dass ist moralisch eher… geht so. 

Judyta: Natürlich.

Raul:
Was ich an der ganzen Sache jetzt so interessant finde, dass für mich aber ein guter Witz mit dem Thema Behinderung meistens der ist, wo die Nichtbehinderten Menschen die Opfer sind. Also es gibt auch gerade in dieser ganzen Humordebatte: Was darf man denn noch sagen? Worüber darf man denn noch Witze machen von diesen alten Herren, Dieter Nuhr und Co, die sich die ganze Zeit darüber echauffieren, das jetzt irgendwie wir alle woke sein müssen und man nicht mehr über bestimmte Menschen die Witze machen kann. Und das ja alles total anstrengend wird. Gibt es aber trotzdem jetzt neue Comedians, die jetzt quasi auftauchen, zum Beispiel auch Herr Mertz oder so, der das einfach weiterdreht und sagt okay…

Judyta:
Du meinst Friedrich Merz gerade?

Raul:
Nee, Aurel Mertz!

Judyta (lacht):
Ach so…ich war gerade irgendwie bei Politikern. 

Raul:
Ich glaube, er heißt Aurel auf Instagram… und dass wir quasi Aurel nehmen und sagen, worüber er Witze macht, das ist einfach schon nextlevel Humor. Er macht ja Witze darüber, dass unsere Gesellschaft nicht damit klarkommt, politisch korrekt zu werden oder zu sein und mal nicht nach unten zu treten hat, weil die wahren Probleme ganz woanders liegen, nämlich oben. Und nach oben zu treten vielleicht jetzt in der Comedy und nicht mehr nur in der Satire angekommen ist. These!

Judyta:
Total – geht mir aber genauso. Also als jemand, der sich damit sehr viel beschäftigt mit Diskursen, mit Sprache, habe ich schon so ein kleines Alarmlämpchen bei Satiresendungen, bei Comedysendungen. Also ich kann es gar nicht mehr genießen, weil bestimmt irgendetwas wieder kommt, weil bestimmt wieder ein ableistischer Begriff kommt. Und dann schalte ich halt weg. Also diese Konsequenz habe ich mir auch angewöhnt, weil sich sonst nichts verändert. Aber es freut mich natürlich trotzdem, dass immer mehr darüber gesprochen wird und diese Diskurse: Was darf man dann noch sagen? – das finde ich übrigens auch die falsche Frage. Na also, warum fragt man sich das: Was darf ich noch sagen? Sondern: Was ist der Hintergrund dazu? Warum frage ich mich das, das muss man sich eher fragen. Das bedeutet ja, dass bestimmte Menschen jetzt irgendwie nicht einfach so den Freifahrtschein haben, alles zu sagen und über alle zu lachen und alle Sprüche zu klopfen, die sie machen wollen. Also das heißt, es bewegt sich eigentlich was zum Guten.

Raul:
Hoffentlich. 

Jonas:
Ich habe auch noch mal im Rahmen der Vorgespräche eben dann auch Dr. Michael Titze gefragt, wie das dann ethisch vertretbar ist. Also wir haben ja eben auch über Moral gesprochen. Das jetzt vielleicht dieser Abwärtsvergleich nicht immer so optimal ist, aber trotzdem gang und gäbe eben ist. Er hat aber gesagt, dass das wiederum aber eigentlich in Ordnung ist.

Dr. Titze:
Dazu möchte ich sagen, dass kein Geringerer als Freud den Humor so definiert hat – er ganz kurz und bündig gesagt: Humor ist erspartes Mitleid. Henri Bergson, der ein großartiges Buch über das Lachen geschrieben hat, ein französischer Soziologe, der den Nobelpreis bekam, sprach von einer Anästhesierung des Herzens. Aber bitte, es geht immer noch darum, dass das im Grunde künstlich arrangierte Veranstaltungen sind, Comedies oder antike Komödien oder auch Karikaturen, Witze und so weiter, die zunächst mal keine konkrete Person treffen, sondern einfach dieses Gefälle von oben nach unten herstellen und damit eine psychologische Entlastungsfunktion anbieten.

Jonas:
Also da finde ich irgendwie sehr interessant, das anscheinend dort in der Theorie einfach ganz klar unterschieden wird, mache ich Witze über eine gewisse Personengruppe oder mache ich Witze über eine konkrete Person und in welchem Kontext findet es statt? Weil, ich meine, wir haben gerade eben auch schon über Comediens, Kabarett und so weiter gesprochen. Aber Humor findet ja auch statt, oder Witze finden ja auch statt, wenn einfach man mit Freunden unterwegs ist, zum Beispiel und dort einfach auch Sprüche macht.

Raul:
Also, ich glaube, ich habe neulich auf Nightwash zum ersten Mal den Comedian Toby Käp gesehen, der gehörlos ist oder eine ausgeprägte Hörbehinderung hat und sein Intro so aufbaut, dass er seine Behinderung benutzt, um die Nichtbehinderten lächerlich zu machen. Und das finde ich wiederum einen interessanten Weg, weil es mal nicht auf seine Kosten geht, sondern meistens auf die Kosten der nicht behinderten Menschen. Hier ein Ausschnitt:

Toby Käp:
Gleich vorab – gleich vorab, damit ihr keine Angst habt. Ich bin hörgeschädigt, das ist ein Hörgerät. Und das habe ich auf der anderen Seite auch noch einmal. Also hier…so. Ich habe zwei Hörgeräte, und vor der Show habe ich mir das Publikum noch so ein bisschen angeguckt und bin mir ziemlich sicher, der eine oder andere kennt das Gerät….(Lachen im Publikum)…von seinen Eltern, ja. Aber ich bin auch leider nur zu knapp 50 Prozent hörgeschädigt. So gesehen bin ich zu behindert, um normal zu sein und zu normal, um behindert zu sein und würde das doch gern als Win-Win-Situation verkaufen. Ist aber eher so eine klassische Loose-Loose-Situation. Und ihr seid alle in einer wunderbaren Loose-Loose-Situation. Ihr wisst es nur noch nicht… weil… heute ist es egal, ob ihr lacht oder nicht lacht – ihr diskriminiert mich in beiden Fällen. Wenn euch was nicht gefällt, ihr müsst mit eurem Nachbarn gar nicht flüstern, sag es ruhig laut, krieg es eh nicht mit.

Raul:
Ich fand den Witz deswegen witzig, weil ich mich sofort da leicht hineinversetzen konnte, weil ich schon sehr oft das Feedback von nicht behinderten Menschen bekommen habe, dass sie dann diese Unsicherheit quasi umdrehen und sagen: Ja, aber wie mache ich es denn jetzt richtig? Ich weiß ja gar nicht, wie man es richtig macht… wie man es macht, man macht es falsch. Und das hat er, finde ich, in diesem Witz eigentlich ganz gut verpackt. Lacht man oder lacht man nicht? Ist es dann ein Auslachen? Oder ist es ein: Ich habe das jetzt nicht verstanden, trau mich aber das nicht zu sagen, oder es war einfach nicht witzig. Und wenn es nicht witzig war, lag es daran, weil er behindert ist und so weiter und so fort.

Judyta:
Ich fand es eigentlich gerade spannender, die Leute zu beobachten, ob sie sich trauen und sich zugestehen, lachen zu dürfen. Das ist ja auch immer das.

Raul:
Ja, da gibt es ja auch dieses besondere Lachen….hohohoho…

 Jonas:
Ja, aber ich glaube, es ist genau diese Diskussion im Sinne von, ja, darf man darüber lachen? Also lässt man die Leute teilhaben am Witz, am Humor, und durch das Lachen und dieses positive Ausdrücken zeigt man ja auch Anerkennung und dass die Person einfach dabei ist oder macht man es eben nicht und diskriminiert dadurch? Oder ist das Lachen ein Auslachen in dem Sinne? Und ich finde diesen Aspekt, dass er eben ja selber Sachen thematisiert, einfach so, den Gegenentwurf zu diesem, zu diesem Abwärtsvergleich. Und als ich das nochmal so gehört habe, fand ich so diesen Aspekt von, dass Menschen mit Behinderung – oder wie es in den Tönen zu hören war, einfach Menschen, denen es vielleicht gerade irgendwie nicht so gut geht, dass die dafür herhalten für den Abwärtsvergleich. Und das hat mich so ein bisschen an unsere Podcast-Folge, wo es um Religion und Behinderungen ging, erinnert, dass wir Menschen mit Behinderung dafür da sind, damit nicht behinderte Menschen Gott danken, dass sie keine Behinderung haben und es denen so gut geht und …

Judyta:
…aber wartet ab!

Jonas:
Ja, aber sind wir dafür da? Da sind wir Menschen mit Behinderungen dafür da, damit sich Leute lustig machen können und sich dafür einfach besser fühlen?

Judyta & Raul:
Nein! Ein klares Nein!

Judyta:
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber in der Vorbereitung war eins, worüber ich wirklich sehr herzhaft gelacht habe, eine Liste von Menschen, die selber betroffen sind und über ihre chronischen Erkrankungen Witze machen. Das fand ich am witzigsten. Zwei Beispiele: Einmal eine Person, die erzählt: Durch ihre Krankheit hat sie keine Fingernägel mehr, und deswegen kann sie sich auch nicht in die Augen stechen, wenn sie die Kontaktlinsen reinmacht. Oder ärztliches Personal, was irgendwie in dem Diagnostik-Gespräch einfach mal alle Krankheiten, die dann da rauskamen aus den Tests, in alphabetischer Reihenfolge vorgetragen haben.

Raul:
Das ist wirklich witzig!

Judyta:
Raul lacht….

Raul:
Das ist dann so eine Situationskomik wahrscheinliche, die nur Leute nachempfinden können, die es selber haben. Oder man stellt sich das dann mal vor…ja, es stecken in Behinderungen ja auch Vorteile, seien wir mal ehrlich! Also wenn du keine Fingernägel hast, dann musst du dich halt auch nicht darum kümmern, dass du den richtigen Nagellack zu Hause im Schrank hast.

Judyta:
Oder um den Dreck unter den Fingernägeln…
Diese ganzen Unterhaltungen…dürfen wir das jetzt? Dürfen wir jetzt gerade mit dir hier lachen? Die habe ich ja auch sogar mit dir, Jonas, also darf ich jetzt über sehbehinderte Menschen lachen? Darf ich jetzt irgendwie über dich lachen? Und wollen wir uns jetzt wirklich über die Behinderung an sich unterhalten? Wie ist das und machen wir das auf irgendeine humorvolle Weise?

Jonas:
Darfst du eher über das Thema Sehbehinderung lachen, weil du selber keine Sehbehinderung, aber eine Behinderung hast? Legitimiert sich das mehr dadurch? 

Judyta:
Finde ich nicht. Also selbst Raul und ich könnten ja sagen, wir als beide Rollstuhlfahrer*innen haben irgendwie mehr gemeinsam. Aber – Nein, also, wir wissen nicht die persönlichen Grenzen von dem anderen. Wir wissen nicht, wie wir mit der Behinderung umgehen und ob wir das überhaupt auf humorvolle Weise machen. Ich glaube, es hat eher was auch mit Vertrauen und Freundschaft zu tun, nicht mit Behinderung. Auf welchem Level du in der Beziehung stehst mit der Person.

Raul:
Richtig gut gesagt, richtig gut gesagt. Ich habe mich trotzdem gefragt, ob jemand ohne Behinderung mir/uns trotzdem mehr durchgehen lassen würde, auch wenn es mich oder dich verletzen würde.

Judyta:
Ob wir ihm mehr durchgehen lassen?

Raul:
Nee, ob die Person ohne Behinderung, uns letztendlich eher die Legitimation gibt, uns gegenseitig mit Behindertenwitzen zu bombardieren. Auch wenn es dich oder mich verletzen würde, als er oder sie ohne Behinderung das tun würde.

Judyta:
Ich glaube, die Person wäre erst mal ganz still, wenn wir uns so gegenseitig so Zuballern mit Witzen. Ich glaube, da würde erst mal gar nichts kommen von der Person.

Raul:
Was ich manchmal sehr anstrengend finde und deswegen bin ich mit so Witzen vorsichtig geworden, dass das dann die Einladung ausspricht für Nichtbehinderte, auch endlich Witze machen zu können. Und dann kommen da so 20 einer Reihe, und dann denkst du auch so, die Dosis macht das Gift. Also das ist ein dann wirklich anstrengend.

Jonas:
Ich habe manchmal das Gefühl, wenn ich auf Social-Media-Kanälen unterwegs bin und zum Beispiel frage ich mich häufig, wenn ich zum Beispiel bei Instagram Mathias Meester sehr, der kleinwüchsig ist und sehr erfolgreicher Speerwerfer, Para-Speerwerfer, war und der sehr, sehr viele Instagram Stories machte, Reels, wo das Thema seiner Körpergröße eine Rolle spielt. Und der sehr humorvoll damit umgeht und ich schon mal miterlebt habe, dass andere Menschen, die keine Behinderung haben, gesagt haben, ja, der ist so cool, weil der eben so locker ist und selber auf einer schon so humorvollen über-Behinderung-Witze-machen-Ebene war, wo ich gesagt habe, ja, aber er macht es aus seiner eigenen Perspektive. Er macht die Witze über sich selbst und über Kleinwüchsigkeit dann im Allgemeinen. Aber das legitimiert dann nicht dich, genauso darüber irgendwie Witze zu machen oder fordert dich nicht irgendwie dazu auf, das eben genauso zu tun. Und ist es das, was du meintest, Raul, so ein bisschen dieses… wenn man selber dann öffentlich auch vor wie gesagt anderen, nicht behinderten Menschen vielleicht auch sehr, sehr derb miteinander umgeht, weil man einfach vielleicht auch die Ebene hat oder quasi selber weiß, wie sich das Gegenüber irgendwie fühlt, dass das dann eher so eine nicht gemeinte Einladung ausspricht?

Raul:
Genau. Ja, was Jonas sagt!

Judyta:
Ich habe noch einen Witz gefunden. Es ist auch wieder eine behinderte Person, die über sich spricht. Haben Girma, die ist taubblinde Anwältin in den USA, und sie war auf einem Empfang und ihr wurde Wein angeboten. Und sie hat gesagt: „Ich bin schon taubblind. Ich brauche kein Wein, um noch irgendwie betrunken zu werden.“
Also schlecht erzählt – aber ich hoffe, ihr wisst, was ich meine. 

Jonas:
Ich musste auch neulich drüber nachdenken: Sänger Stevie Wonder ist mal aufgetreten bei einer Wahlkampfveranstaltung von Barack Obama, in so einem großen Stadion oder Halle. Die hatten so einen Laufsteg, und er ist von diesem Steg runtergefallen. Und hat dann später, als er dann irgendwelche Worte gesagt hat, sich noch mal in Anführungsstrichen dafür entschuldigt, dass er da quasi runtergefallen ist, weil er in dem Moment nur Augen für Michelle Obama gehabt hat.

Raul:
Das ist aber auf einer Art auch sexistisch, oder?

Judyta:
Ja…. Das ist so eine Übersprungshandlung, also, da kommen wir wieder an den Anfang zurück. Immer irgendetwas überspielen zu wollen und das nochmal zu kommentieren und dabei sich selber so ein bisschen zu… vielleicht ja auch zu erniedrigen, finde ich nicht so gut.

Raul:
Erinnert ihr euch – vielleicht vor zwei Jahren war das oder anderthalb Jahren, da gab es auch diesen National-Warn-Tag, wo in ganz Deutschland in allen Städten zum gleichen Zeitpunkt dieses Notwarn-Signal sein sollte, wenn irgendeine Katastrophe ausbricht oder ein Krieg. Und es hat doch beim ersten Mal nicht geklappt und dann hat der Gehörlosenverband getwittert: „Also, wir haben nichts gehört!“ – und das fand ich sehr witzig,

Jonas:
Das finde ich aber auch eine irgendwie intelligente Art von Humor, also es ist in einem Kontext lustig und hat aber auch ja diesen Seitenhieb in sich, weil eben diese Warn-App in dem Sinne einfach nicht barrierefrei ist. Oder dass das reine Abspielen eines Tons….

Raul:
Beziehungsweise damals war. Aber jetzt haben sie es, glaube ich, langsam hinbekommen. Aber müsste man noch mal eine Sendung zu machen. 

Jonas:
Aber ich finde, dass eben Humor und Witzeerzählen ja eben nicht nur, ja, despektierlich sein kann oder diskriminierend sein kann, sondern eben auch für eine gewisse Gemeinsamkeit und eine gewisse Verbundenheit sorgen kann, sagt zumindest auch Eva Ullmann.

Eva Ullmann:
Humor kann auch sehr aufwertend sein. Also ich kann mich selber aufwerten. Aber ich kann auch jemand anderes aufwerten. Und da braucht man nicht erst eine Behinderung oder eine Beeinträchtigung dazu, sondern da reicht natürlich auch schon ein Missgeschick. Wenn Ihnen ein Glas Wasser umfällt und ich sage: Sie können aber gut loslassen – da muss ich jede Woche zum Yoga, da mache ich eine Form von sozialem Humor. Das heißt, ich mache einen liebevollen, aufwertenden Humor, der nicht eine Abwertung braucht, um jemanden zum Schmunzeln zu bringen. Und das ist was, egal ob es jetzt um das Thema Gleichstellung, Frauenquote, um ein Diskriminierungs-Thema, oder Beeinträchtigung, oder eine Behinderung geht, das ist ein Humor, der ganz oft natürlich unterstützt, um einfach erstmal Aufmerksamkeit oder Nähe zu erzeugen, dass ich einfach etwas Leichtes mache, wo nicht die Voraussetzung ist, dass irgendjemand abgewertet wird. Ja, ich mache mich nicht lustig über ihre Hautfarbe, über ihr Aussehen, über ihre Sprache, über eine Beeinträchtigung, sondern ich mache einfach etwas, was witzig ist. Ich bringe einfach eine Person oder eine Gruppe zum Lachen, indem ich aufwertenden oder sozialen Humor mache. Und das ist was, da gibt es einfach eine Humorentwicklung. Also ein Christian Lindner hat mit seinem Altherrenwitz, mit dem er seine Generalsekretärin verabschiedete, das hat er auch schon gegenüber Claudia Roth vor fünf Jahren gemacht. Da hat kein Hahn danach gekräht. Heute wird er halt von den Journalisten und Journalistinnen in der Luft zerrissen, weil er steht auf einer Bühne, er hat einen hohen Status, sie sitzt im Publikum, sie hat kein Mikrofon und er macht einen Witz darüber, dass sie 300 Tage im Jahr zusammen aufgewacht sind. Also er macht einen Witz mit einer sexuellen Konnotation. Das funktioniert heute nicht mehr so einfach oder so ungefährlich, weil Humor auch selbstbewusster wird und Humor sich auch weiterentwickelt. Und das finden wir eigentlich eine sehr begrüßenswerte Entwicklung, dass man eben auch so wegkommen von diesen Stammtisch-, Blondinen-, Ostfriesenwitzen.

Raul:
Ich finde es ja bemerkenswert in solchen Zeiten, wo sich so etwas ganz offensichtlich gerade ändert, man dann anfängt, Dinge zu gucken, die man als Teenager oder jüngerer Mensch geguckt hat und unfassbar witzig fand, wie ich mich dann manchmal dabei erwische und denke: Alter, was hab ich denn damals für einen Scheiß gesehen. Es ist ja gar nicht lustig…

Jonas:
Was fandst du lustig?

Raul:
Von „Stirb langsam“, einfach nur ein Beispiel. Oder überhaupt alle Sylvester Stallone Filme, alle Filme mit Bruce Willis, würde ich mir jetzt mal sagen, die sind wahrscheinlich sogar noch einigermaßen okay, weil es noch viel schlimmere Filme gibt. Aber selbst die tun mir schon weh. Oder ich habe Top Gun gesehen. Und Top Gun ist ja auch so eigentlich der letzte Film, für den ich bewusst viel Geld ausgegeben habe, wo ich einfach mal gucken wollte, wie ist denn der neue Top Gun geworden im Vergleich zum alten, und das ist einfach nur so eine Hommage an die Vergangenheit, Männer im Krieg, Männer im Einsatz und retten die Welt mehr oder weniger. Und man hatte dann auch irgendeine Pilotin dabei, weil das ist ja so dieser Zeitgeist. Aber eigentlich geht es um Männer. Und das habe ich jedenfalls schon als der schmerzhaft empfunden, als ich den Film gesehen habe. Passt jetzt zwar überhaupt nicht in diese Folge rein, aber viel mir einfach auf. Aber vielleicht noch mal, um das mit anderen Bildern zu vergleichen. Ich bin ein großer Fan von Maren Kroymann. Die hat ja auch in der ARD auch so eine Comedy-Sendung, die heißt „Kroymann“. 

Und da ist im Prinzip…so jeder Sketch hat gemein mit den anderen Sketchen von ihr, dass es eigentlich um Alter geht, dass sie als alte Frau oder als alter Mensch so viel Weisheit in sich trägt, dass eigentlich alle anderen als inkompetent rüberkommen. Und sie halt weiß, wie die Frauenbewegung funktioniert. Sie halt weiß, was Digital Detox ist und so weiter. Und all diese ganzen Begriffe, die jetzt wieder hochkommen, sie eigentlich schon durchhat. Und da drin steckt ein großes Comedy-Potenzial. Und gleichzeitig ist sie aber auch manchmal ein bisschen überfordert mit dieser neuen Welt. Und dann kommt immer Annette Frier und erklärte ihr gerade wie es läuft, und das ist einfach sehr witzig, weil es auch auf so einer Alters-Ageism-Welle reitet. Aber eben nicht so: wir machen uns lustig über „die Alten“, sondern es ist oft auch genau umgekehrt. Oder eben auch bei Mertz, der Witze darüber macht, als Person of Color, wie unlustig weiße Menschen sein können, wenn sie ihre Privilegien nicht hinterfragen und dann einfach die Dinge auch umdrehen. Und ich glaube, in diesem Umdrehen von diesen Machtverhältnissen steckt in Zukunft das große Comedy-Potenzial.

Judyta:
Amen.

Raul:
Wir haben ja gerade eben schon viele Comedians genannt oder quasi Leute, die oft auf Bühnen sich stellen, die eine Behinderung haben und das auch wissen, dieses Momentum einfach umdrehen und dann sowohl Witze über ihre eigene Behinderung machen und eben auch über diesen Zwiespalt oder diesen Vergleich nicht weiter nach unten, weil vielleicht sind Menschen mit Behinderungen ja schon ganz am Ende angekommen und können gar nicht mehr einen weiteren Abwärtsvergleich machen, sondern eben Witze über nicht behinderte Menschen machen. Aber ich finde es noch einmal so spannend oder so wichtig, ist denn das generell förderlich? Also sorgt dieses Disability Mainstreaming, wovon wir so häufig reden, dass Menschen mit Behinderung in der Humorszene stattfinden, dass Menschen mit Behinderung in Witzen auftauchen, sorgt das eher für ein Wahrnehmen und für ein Normalisieren, dass Menschen mit und ohne Behinderung auf dieser Welt zusammenleben? Oder ist es eben ein, ja, wenn wir quasi auch als Mensch mit Behinderungen Witze über deine eigene Behinderung machen, dann sind es ja vielleicht häufig auch mal die Defizite, die Sachen, die eben nicht funktionieren, worüber man sich eben lustig macht. Und wir haben ja eben diesen einen Ton gehabt, wo es dann quasi um Hörgeräte geht und die Problematik damit, um das ja um das Defizitäre halt. Und kann das nicht aber auch ein bisschen diesen Blick einfach darauflegen, was wir eigentlich auch nicht wollen?

Judyta:
Also wenn Komiker*innen mit Behinderung ihre Behinderung dazu nutzen, um da irgendwie die Rampe für die Nichtbehinderten zu machen, aufzuklappen sozusagen, dann hat es für mich ein bisschen etwas von Erniedrigung. Also, das ist jetzt ein starkes Wort. Aber ich finde, es hat so etwas, so, okay, ich lege euch den Teppich raus, ihr dürft jetzt lachen. Ich möchte einer von euch sein. Bitte nehmt mich auf in den Club. Also ich finde es problematisch.

Jonas:
Würdest du dir eher wünschen, wenn Humorschaffende mit Behinderung auf einer Bühne stattfinden und Witze machen, wo ihre Behinderung gar kein Thema ist?

Judyta:
Das wäre natürlich streng genommen Disability Mainstreaming.

Raul:
Es gibt in einem Sketch von Tan Caglar, Rollstuhlfahrer, da steht er auf der Bühne, sagt: „Ja, Hallo, mein Name ist Tan Caglar, man sieht mir mein Diskriminierungsmerkmal an. Ich bin Türke. Und dann denke ich so, ja, aber ist es jetzt besser?

Judyta:
Nein.

Jonas:
Es ist einfach noch mal eine andere Ebene. Also ich glaube, da bewegen wir uns wieder auf der Ebene, das wir, glaube ich, das, was wir heute hier diskutieren oder besprechen, wir ja auch adaptieren könnten auf andere Bereiche. Also wir könnten natürlich die Frage stellen: Müssen Leute wie Bülent Ceylan oder Kaya Yanar, müssen die dann Witze machen, wo es irgendwie um die Türkei geht, so zum Beispiel. Also das ist dann…

Judyta:
Müssen sie nicht. Aber das hat ja auch mit rassistischen Strukturen zu tun. Also, dass man sich da auch wieder anbiedert.

Jonas:
Genau, das meine ich ja. Also quasi in dem Sinne…ein Tan Caglar wechselt den Blick von Behinderungen auf Migration. Aber das ist quasi einfach nur ein anderes Feld, was man auch einzeln für sich betrachten kann. Und genau die gleiche Diskussion ist,

Raul:
Halten wir vielleicht mal fest: Humor zu verbieten ist vielleicht keine gute Idee. Aber wo fängt man an? Und wo hört man auf mit den Verboten? Aber wir könnten schon als Gesellschaft besser werden, Humor sensibler einzusetzen und nicht immer nur entweder auf eigene Kosten, weil ich einer Minderheit angehöre – reite ich ja die ganze Zeit darauf rum – oder aber nach unten tretend, sondern dass wir beim Versuch, ein bisschen unerwarteter den Humor zu machen, der dann auch gar nichts damit zu tun haben muss. Oder aber ein bisschen seltener auch. Also wie gesagt: die Dosis macht das Gift. Aber als behinderter Darsteller/Comedien/Darsteller*in, gleich damit einzusteigen, framed ja auch die Situation. Und dann wartet man als nicht behinderte Zuschauer*in vielleicht auch auf den nächsten Witz auf dessen Kosten. Aber wenn es einfach gar kein Thema ist, sondern am Ende, wäre das vielleicht etwas anderes. These!

Judyta:
Ich finde, das hast du total gut zusammengefasst. Ich würde nur noch ergänzen, Humor auch nicht zu überladen mit den Funktionen, gesellschaftlich etwas kitten zu wollen. Das kann Humor nicht alleine.

Jonas:

Und gleichzeitig kann sich sicher auch vieles entwickeln. Also ich finde immer gerade das, was du, Raul, auch schon gesagt hast, dass, wenn man mal zurückblickt und guckt, was hat man früher irgendwie lustig gefunden. Wenn ich schaue, was war in meiner Jugend? Was waren es eben für Witze, die einfach gängig waren, also von Blondinenwitzen zu Ostfriesenwitzen oder das typische, was finde ich, glaube ich auch so vielleicht auch Kalter Krieg konnotiert ist …ein Deutscher, ein Russe und ein Amerikaner gehen in eine Bar… zum Beispiel, dass der Humor sich einfach sehr entwickelt. Und wir einfach, glaube ich, in ein neues Humor-Bewusstsein bekommen und einfach sensibel sind für Sprache. Und was das auch bewirkt.

Raul:
Ich habe nur noch den Gedanken, weil Judyta gerade gesagt hat, dass man Humor ja auch nicht überladen darf, im Sinne von Humor soll jetzt quasi unsere Gesellschaft entkrampfen und wir sollen irgendwie alle gesellschaftlichen Probleme mit Humor lösen – definitiv. Es gibt aber auch ein anderes Überladen, das vielleicht so ein bisschen da auch mit zusammenhängt, nämlich, dass man nur noch witzig ist, also eine Art Zynismus, Sarkasmus, dass es quasi …die Welt ist so schlecht, dass ich nur noch lachen will. Und alles ist absurd. Und alles muss letztendlich auch teilweise bis zur Selbstausbeutung in so einer Art Humor gepackt werden. Das ist vielleicht auch gefährlich.

Jonas:
Und im Endeffekt ist ja Humor auch ein sehr individuelles Feld, auf das man sich begibt. Und im Rahmen der Recherche, beziehungsweise es waren nicht Recherchen, sondern der YouTube- Algorhythmus hat mir etwas vorgeschlagen… nämlich ich ein Zitat von Bernd Stromberg, also Christoph Maria Herbst als Bernd Stromberg in der gleichnamigen Serie, der ja über die Individualität von Humor etwas sagt:

Bernd Stromberg:
Äh, Humor ist wie Gulasch. Da wo der eine sagt: War mir zu scharf, sagt der andere: Lecker und der dritte: überhaupt kein Fleisch. Also lacht er nur an hohen Feiertagen.

Jonas:
Was macht für euch Humor aus? Hat Humor und Behinderung grundsätzlich etwas miteinander zu tun? Was ist vielleicht auch euer Lieblingswitz, in dem Behinderung vorkommt, schreibt es uns gerne entweder an [email protected] oder [email protected] und die ganzen Beispiele, die wir in dieser Folge benannt haben, haben wir euch auf einer extra eingerichteten Webseite bereitgestellt, nämlich auf behindert.lol – dort findet ihr alles zu dieser Podcast-Folge. Habt ihr noch einen Witz?

Raul:
Ja. „Warum schleudern sie ihren Hund durch die Gegend? Sagt der Blinde: „Ich schaue mich nur um.“

Judyta & Jonas:
Der war gut!

Jonas:
Das war Die Neue Norm, der Podcast. Und wir freuen uns, wenn ihr auch beim nächsten Mal wieder mit dabei seid.

Raul & Judyta & Jonas:
Tschüss

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