Die Morde im Oberlinhaus in Potsdam, der rechtsradikale Anschlag auf eine Einrichtung in Mönchengladbach, zahlreiche Missbrauchsfälle. In dieser Folge unseres Bayern 2 Podcasts sprechen wir über Gewalt. Wir fragen uns, ob die Gewalttaten an Menschen mit Behinderungen alle nur Einzelfälle sind, was die Zeit des Nationalsozialismus mit den heutigen Gewaltfällen zu tun hat und wie wir Menschen mit Behinderung besser vor Gewalt schützen können.
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Der aktuelle Anlass für diese Folge war der rechtsradikale Anschlag auf eine Einrichtung der Lebenshilfe in Mönchengladbach in der Nacht zum 27. Mai. Mitarbeitende entdeckten am Morgen einen Ziegelstein mit der Aufschrift „Euthanasie ist die Lösung“ neben einer beschädigten Tür.
Der Fall in Mönchengladbach ist allerdings nur einer von vielen, bei denen Gewalt in stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen passiert ist. Das Projekt #AbleismusTötet von Abiliytwatch e.V. dokumentiert diese Fälle von Gewalt an Menschen mit Behinderungen. Über den Rechtsruck in ganz Europa (und die Sorge vor zunehmender rechter Gewalt an Menschen mit Behinderungen) sprechen wir unter anderem auch in unserer Folge zu den Europawahlen.
#51 Europawahl 2024
Die Europawahlen finden am 09.06.2024 statt. Wir haben uns gefragt: Warum ist es denn gerade für behinderte Menschen so wichtig zu wählen? Welchen direkten Einfluss hat die Europapolitik für Menschen mit Behinderung in Deutschland? Die kurze Antwort: einen sehr großen. Was alles im Europaparlament entschieden wird und wie diese Entscheidungen sich in Deutschland widerspiegeln, darüber sprechen wir in dieser Folge unseres Bayern 2 Podcasts.
Es gibt aber auch noch viele andere Formen von Gewalt, die letztlich alle ihren Ursprung in der (ziemlich ableistischen) deutschen Geschichte haben. Denn ableistisches Gedankengut verfestigte sich bereits in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs in Form von Eugenik, was so viel heißt wie “von edler Abstammung”. Im ersten Weltkrieg wurden unter dem Deckmantel der Eugenik 360.000 behinderte Menschen zwangssterilisiert, von denen tausende an den Folgen starben. Es folgte das Euthanasieprogramm, das dazu benutzt wurde, systematisch behinderte Menschen zu töten. Der geworfene Stein in Mönchengladbach spiegelt genau diese Ideologie wieder.
Risikofaktoren für Gewalt sind unter anderem die Faktoren Behinderung und stationäre Einrichtung, aber auch das Geschlecht. Frauen sind generell häufiger von Gewalt betroffen. Eine kürzlich viral gegangene Social-Media-Diskussion darüber, ob Frauen nachts im Wald lieber einem Bären oder einem Mann begegnen wollen würden, ergab wenig überraschend (zumindest unter den Frauen) fast einstimmig: der Bär ist weniger bedrohlich. Kommt der Faktor Behinderung hinzu, vor allem bei Frauen mit Lernschwierigkeiten und mehrfachen Behinderungen, steigt das Risiko von Gewalt exponentiell an. Die Dunkelziffer ist immens hoch. Wir haben mit Kaja von der österreichischen Organisation Ninlil, die Frauen mit Lernschwierigkeiten zum Thema Gewalt beraten, gesprochen.
In Österreich ist die Situation ähnlich wie in Deutschland und es gibt kaum Hilfestellen für Frauen mit Lernschwierigkeiten, die gleichzeitig zu großen Teilen in Einrichtungen leben. Frauen mit Lernschwierigkeiten wird häufig auch nicht geglaubt, wenn sie von erlebter Gewalt berichten. Raúl erzählt von einem Urteil des Berliner Landesverfassungsgerichts, das einer Frau mit Lernschwierigkeiten Recht gab. Die Frau hatte 2020 ihren Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung angezeigt und wurde wegen “kognitiver Beeinträchtigung” für nicht aussagefähig gehalten. Sie hat sich gegen die Entscheidung gewehrt und gewonnen.
Außerdem hat Raúl einmal selbst undercover in einer Einrichtung recherchiert und berichtet davon, wie wenig Selbstbestimmung er dort erlebt hat. Wir haben auch schon mal über Wohnheime in Episode 16 unseres Podcasts gesprochen. Zudem hat die Redaktion von andererseits vor Kurzem eine umfangreiche Recherche zum Thema sexualisierte Gewalt an Menschen mit Behinderung abgeschlossen.
#16 Behindertenwohnheime
Nachdem vier Bewohner*innen in einem Pflegeheim in Potsdam getötet wurden, ist der mediale Aufschrei verklungen. Wir beleuchten in unserem Bayern 2-Podcast, wie über die Tat berichtet wurde. Außerdem stellen wir uns die Frage, welche strukturellen Probleme in solchen Einrichtungen herrschen und welche alternativen Wohnformen es gibt.
Ninlil ist die einzige beratende Stelle für Frauen mit Lernschwierigkeiten in Österreich und hat einen Ratgeber zu Gewalt in Leichter Sprache herausgegeben, den Kraftrucksack. In Deutschland gibt es das Mädchenhaus Bielefeld, das barrierefreie Schutzräume für Mädchen mit Behinderung anbietet. Auf der Seite www.ableismus.de gibt es auch recherchierte Hilfsangebote sortiert nach Bundesländern, sowie einen Ratgeber bei erlebter oder beobachteter Gewalt für Betroffene, Mitarbeitende in Einrichtungen, Mitbewohner*innen und Angehörige.
Eine Antwort
Als Frau mit chronischer psychischer Erkrankung braucht man auch nicht zur Polizei gehen … egal wer einen sexuell belästigt hat. Im Zustand der Dissotiation ist man praktisch willenlos und auch ohne KO-Tropfen leicht zu allem “überredbar”. Auch etablierte Beratungsstellen und Interventionsstellen raten Frauen mit psychiatrischer Vorgeschichte von Anzeigen bei der Polizei ab, weil man sowieso nicht glaubwürdig ist wenn man seine Erkrankung ehrlich erwähnt. Selbt Anwät*Innen durch den Weißen Ring bezahlt raten oft von Anzeigen ab weil sie selbst nicht ertragen können mitanzuschauen wie Frauen nach sexuallisierten Übergriffen von Gerichten verbal erneut misshandelt werden.
Achso als chronisch Kranke in der Wohnungslosenhilfe sieht die Gewalt zwar anders aus ist aber nicht weniger Würde und Selbstwert zersetzend. Wenn man nicht leistet ist man schon heute kein vollwertiger Rechtsstaatbürger mehr und das war auch noch nie anders in diesem Kadaver von einem Sozialstaat.