Er ist Comedian, Filmproduzent und tauber Schauspieler. Für die nächsten Avatar-Filme erfindet er sogar eine komplett neue Gebärdensprache. Das Beispiel des CJ Jones zeigt: Es ist nie zu spät für einen Durchbruch. Ein Porträt von Melissa Wessel von der Deutschen Gehörlosenzeitung.
Sein Name und ein Foto machten Anfang Oktober in den sozialen Medien die Runde: Es zeigte den tauben US-Schauspieler CJ Jones – meistens nur CJ genannt – im Gespräch mit dem weltbekannten Filmproduzenten und -regisseur James Cameron am Set von Avatar. CJ, der mit bürgerlichem Namen Charles Paul Jones heißt, wurde als einer von sieben hörenden Kindern gehörloser Eltern in der US-amerikanischen Stadt St. Louis, Missouri geboren. Mit sieben Jahren ertaubte er nach einer schweren Gehirnhautentzündung. Danach wechselte er auf die Missouri School for the Deaf. Dies geschah aber nicht ganz ohne Mühen: Sein Vater musste für einen Platz an der Schule kämpfen, da sein restliches Gehör zu gut für die Gehörlosenschule gewesen sei.
„An der Gehörlosenschule habe ich mich wohlgefühlt. Dort fand ich meine Identität und mein Selbstbewusstsein“, gebärdet der Schauspieler. Anschließend studierte er am National Technical Institute for the Deaf, der ersten und größten technologischen Hochschule für Gehörlose in Rochester. Im Video, in dem er die DGZ–Fragen beantwortet, kommt CJ als lässiger und sehr sympathischer Mensch rüber. Seine Antworten kommen in typischer Manier eines Kaliforniers, ganz cool und stets mit einem Lächeln auf den Lippen.
Durchbruch mit 66
Erst mit 66 Jahren hatte er seinen Fernsehdurchbruch – mit seiner Rolle des Joseph im Film Baby Driver (2017). In diesem Actionfilm geht es um Miles – von allen nur Baby genannt – der ein hochtalentierter Autofahrer ist und sich als Fluchtwagenfahrer bei Raubüberfällen sein Brot verdient. Mit seiner Rolle als Miles‘ tauber Adoptivvater wurde CJ zum ersten schwarzen tauben Schauspieler in einem internationalen Blockbuster (= Publikumserfolg). „Ich hoffe, dass ich dadurch Türen für andere schwarze gehörlose Schauspieler öffnen und sie motivieren konnte“, so der heute 70-Jährige. Außerdem setzt er sich für Diversität ein: Er nimmt an Podiumsdiskussionen teil und hält Vorträge zu diesem Thema.
Durch Edgar Wright, dem Regisseur von Baby Driver, habe CJ viele gute Kontakte erhalten. „Er nahm mich immer zu Podiumsdiskussionen und Meetings mit. Er arbeitet jetzt an einem möglichen zweiten Teil und möchte mich unbedingt wieder dabeihaben“, verrät er. Viele Zuschauer seien von seiner Rolle im Film begeistert gewesen.
Als Komödiant hatte CJ zuvor drei Showformate im Stand-up-Comedy (= Improvisationskomödie) entwickelt, mit denen er national sowie international tourte. Der US-amerikanische TV-Sender CNN nannte ihn eine „Legende im Showgeschäft“ und porträtierte ihn in einer Folge der Dokumentarfilmserie United Shades of America. Darin sagte CJ, dass er 35 Jahre lang auf der ganzen Welt als Stand-up-Komiker tourte und sich somit sein Brot verdient habe.
Produzent, Regisseur, Autor, Entertainer – die Liste an Fähigkeiten ist lang
Im Video gebärdet der Angeleno (= Einwohner von Los Angeles/USA), dass Familie und Freunde ihn als „geborenen Schauspieler“ bezeichnen. Er habe die Schauspielerei schon immer geliebt und dass er Leute zum Lachen bringen konnte, sei für ihn die perfekte Motivation gewesen. Nach Baby Driver spielte er 2019 eine der Hauptrollen im Horrorfilm Door in the Woods sowie in drei Folgen einer Streaming-Serie namens Castle Rock, die auf den Büchern vom Horror-Schriftsteller Stephen King basiert. Außerdem hatte CJ auch einen Gastauftritt in der US-amerikanischen Gehörlosenserie This Close.
Neben der Schauspielerei in Film und Theater ist CJ unter anderem auch Produzent und Regisseur, Autor und Entertainer. Die Liste seiner Fähigkeiten auf seiner Webseite ist lang und sein Engagement endet dort nicht: Er gründete zwei Firmen, Signlight und SignWorld Studios. Bei Signlight handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, Beschäftigungsmöglichkeiten für hörende gebärdensprachkompetente Personen sowie für gehörlose und schwerhörige Talente zu bieten. SignWorld Studios ist eine Filmproduktionsfirma für die vielfältige Gebärdensprachgemeinschaft. Sie konzentriert sich auf die Produktion von Filmen sowie Dokumentationen in Gebärdensprache und „bietet Arbeitsmöglichkeiten für gehörlose und schwerhörige Schauspieler, Regisseure und Autoren“, wie es in einer Medienmitteilung lautet. Auch aus Deutschland wünscht er sich viele motivierte gehörlose Filmemacher, mit denen er irgendwann zusammenarbeiten kann.
Fiktive Gebärdensprache für den Film Avatar
Derzeit wirkt der vielfältige Künstler am Set von Avatar mit. Auf dem Foto, das Anfang Oktober durch die Medien ging, demonstriert er Cameron die neue Na’vi Gebärdensprache (NSL). Im Film sind die Na’vi die Einwohner des Mondes Pandora. CJ hatte den Auftrag, eine fiktive Gebärdensprache – die NSL – zu erfinden. „Für diese Gebärdensprache habe ich ungefähr 350 Gebärden kreiert. Diese werden vor allem im zweiten Teil von Avatar zu sehen sein, vielleicht auch ein bisschen im dritten Teil“, erzählt CJ mit leuchtenden Augen.
Auf die Frage, ob er auch eine schauspielende Rolle in den nächsten Avatar-Filmen einnehmen wird, antwortet der US-Amerikaner nicht. Jedoch geht aus mehreren Internet-Quellen hervor, dass er im zweiten Teil eine Rolle als Dolmetscher der Metkayina, einem Na’vi-Clan, übernehmen wird. Avatar 2 hätte eigentlich nächstes Jahr in die Kinos kommen sollen, wurde aber aufgrund der Corona-Pandemie auf 2022 verschoben. „Ich freue mich sehr auf den Film. Aber 2022 ist noch so lange hin!“, meckert CJ in seiner Videoantwort.
In seiner Biografie steht, dass CJ niemals stillsitzt. Den Eindruck bekommt man auch von seinen Videoantworten. Zum Abschluss des Videos gebärdet er lebhaft: „Ich arbeite Montag bis Samstag. Aber am Sonntag ist Ruhetag! Da stelle ich alles beiseite, schalte das Internet ab und gehe an den Strand.“ Spaziergänge am Strand und die warme Sonne seien Balsam für seine Seele. Dort sei es so friedlich: „Ich mag es, wenn alle friedlich miteinander umgehen. Hass und Gewalt sollte es nicht geben, es braucht mehr Liebe und Unterstützung.“ Im Endeffekt seien alle Menschen gleich.
Neben der Schauspielerei setzt er sich auch für die Belange der US-amerikanischen Gehörlosengemeinschaft ein. So war er zum Beispiel Ende September gemeinsam mit anderen bekannten gehörlosen Künstlern wie Lauren Ridloff, Nyle DiMarco und Sean Forbes in einem Video zur vergangenen US-Präsidentschaftswahl zu sehen. In diesem Video erklären sie den Ablauf der Briefwahl, ein für die US-Amerikaner kompliziertes Wahlsystem, in Amerikanischer Gebärdensprache (ASL).
Mit Kreativitär durch die Corona-Krise
Auf die Frage, welchen der zwei Kandidaten – Donald Trump oder Joe Biden – er seine Stimme gegeben hat, lacht CJ herzhaft: „Ganz klar Biden! Er setzt sich für diverse und inklusive Belange ein und will alle, ungeachtet deren Hautfarbe, vereinen. Trump spaltet die Gesellschaft. Er ist schlecht. Die letzten vier Jahre waren eine Katastrophe!“, und schüttelt dabei den Kopf. Mit Biden könne man Fortschritte machen. Liebe sei das Schlüsselwort, die Hautfarbe solle keine Rolle spielen. Die Vereinigten Staaten sollen wieder vereint werden, die Armen und Reichen sich auf Augenhöhe begegnen, so der Schauspieler. „Sollte Biden Präsident werden, wäre ich sehr erleichtert. Er steht für Frieden. Ich glaube nicht an Aggressivität und Zwiespalt. Egal ob als Republikaner oder Demokrat, Amerika braucht Liebe.“
Die jetzige Corona-Situation sei natürlich schwierig. Aber mit Kreativität ist alles möglich. So unterrichtet er derzeit online gehörlose Kinder in Schauspielerei. „Mein Traum ist es, dass gehörlose Kinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen und ein gutes Leben haben“, erklärt CJ voller Leidenschaft. Während der Corona-Pandemie müsse man sie bei Motivation halten. Es sei wichtig, Träume und Hoffnungen zu haben.
Dieser Artikel ist zuerst in der Deutschen Gehörlosenzeitung (Ausgabe 11/2020) erschienen.