Wir brauchen eine Anti Ableismus Kampagne

Das Logo von die neue Norm auf grünem Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Leon Amelung.
Lesezeit ca. 2 Minuten

In Deutschland lebten 2021 ca. 7,8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung. Dies entspricht 9,4 Prozent der Bevölkerung. Also hat in Deutschland statistisch gesehen (fast) jeder Zehnte eine Behinderung. Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch mit Behinderung irgendwann Ableismus erlebt, weil Ableismus einem im Alltag überall begegnen kann: In den Bereichen Schule, Ausbildung, Studium, Beruf, aber auch im Gesundheitswesen. Deswegen fordere ich eine bundesweite Aufklärungskampagne mit Broschüren, Plakaten, Radio- und Fernsehbeiträgen zum Thema Ableismus.

Ich selbst habe erst vor ca. 4 Jahren von dem Ableismus Begriff erfahren und dies nur durch Zufall. Ich habe mir, aus allgemeinem Interesse, postalisch Informationsmaterial von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben über die Behindertenbewegung zuschicken lassen. Zufällig war eine Broschüre über Ableismus dabei, die auch im Internet abrufbar ist. Vorher habe ich noch nichts über diesen Begriff gehört. Ich las mir die Broschüre durch und habe verstanden, dass Ableismus eine Diskriminierungsform ist, die oft nicht gleich sichtbar ist, sehr subtil sein kann und dass dieser Begriff in den Medien noch zu selten thematisiert wird.

Von meinen Freund*innen ohne Behinderung kannte niemand den Begriff. Eine solche Kampagne wäre auch nicht nur für einen kleinen Personenkreis interessant, da jede*r in unserer Gesellschaft etwas über Ableismus lernen sollte. Der Ableismusbegriff muss in Deutschland bekannter werden, damit ableistisches Verhalten erkannt und damit reduziert werden kann. Vielen Menschen ist ihr ableistisches Verhalten gar nicht bewusst und manche verhalten sich unabsichtlich ableistisch. Ein Beispiel: Wenn man als Mensch mit Behinderung darauf hingewiesen wird, wie toll es doch sei, dass man trotz seiner Behinderung eine Sportart ausübt, ist das vielleicht nett gemeint, aber man wird durch diese Äußerung auf seine Behinderung reduziert und das ist Ableismus. Wenn man für seine sportlichen Leistungen respektiert wird, ist das schön, aber wenn man dafür respektiert wird, dass man trotz einer Behinderung Sport macht, ist das ableistisch. Weitere negative Beispiele in den Medien und wie es besser geht, zeigt das Projekt Leidmedien.

Deswegen fordere ich die Bundesregierung dazu auf, eine bundesweite Aufklärungskampagne über Ableismus zu entwerfen, damit diese Form der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung bekannter wird und ableistisches Handeln reduziert wird. Dies soll natürlich mit Inklusionsaktivist*innen, Behindertenbeauftragten und Selbstvertretungsorganisationen für Menschen mit Behinderung geschehen. Schließlich gilt in Deutschland die UN Behindertenrechtskonvention, die besagt: “Nicht ohne uns über uns.”

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7 Antworten

  1. Wir sind alle gleich. Aber wir sind nicht alle gleich behindert (in dieser Welt). Ich unterstütze diese Kampagne immer gerne und sofort und danke hier für die Erklärung bzw. Aufklärung. Eine einzelne Person kann allein leider nur wenig ausrichten.

  2. Kampagne finde ich klasse. Ich weiß nicht, ob es auch unter Ableismus fällt: Mir wird immer ganz schwummerig, wenn jemand sagt “Er ist Türke, aber total intelligent” oder “Sie ist Polin, aber richtig nett”.
    Vielleicht nicht ganz, weil das Wort “aber” vielleicht einfach falsch genutzt wird, vielleicht aber eben doch…
    Ich finde es wichtig, sich damit auseinanderzusetzten, was gesagt wird, was gemeint ist und wie das, was zwischen den Zeilen steht oft das ist, was hängenbleibt.
    Ja, lasst uns eine Kampagne machen!!
    Vielleicht eine Aktion für eine “Nachtschicht”? Das sind Aktionen, bei denen in verschiedenen Städten Kreativagenturen eine Nacht für soziale Projekte kreativ sind.

    1. „Ich bin kein Nazi, aber …“ passt auch, d.h. die Person teilt rechtsextreme Ansichten und möchte nicht als ‘Nazi’ stigmatisiert werden, weil das (noch?) gesellschaftlich verpönt ist.
      Auf das Thema Ableismus übertragen bedeutet das, eigentlich möchte man keine Menschen mit Handicap im persönlichen Umfeld haben, nur kann eine solche Ansicht dem eigenen Ansehen schaden.
      Persönlich finde ich den Begriff kontraproduktiv, weil die meisten Menschen die Bedeutung nicht kennen. Besser ist m.E. die unterschiedlichen Formen von Diskriminierung an konkreten Beispielen zu veranschaulichen.

  3. Wieder so ein neues Wort, das von Sprachausgaben falsch ausgesprochen wird. Wenn ich jemandem Ableismus vorwerfe und er oder sie nicht weiß, was ich meine, diskriniere ich doch auch. Oder? Wir wenden uns schlicht dagegen, diskriminiert zu werden, schlicht und einfach ohne einen neuen Anglizismus.

    1. „Ich bin kein Nazi, aber …“ passt auch, d.h. die Person teilt rechtsextreme Ansichten und möchte nicht als ‘Nazi’ stigmatisiert werden, weil das (noch?) gesellschaftlich verpönt ist.
      Auf das Thema Ableismus übertragen bedeutet das, eigentlich möchte man keine Menschen mit Handicap im persönlichen Umfeld haben, nur kann eine solche Ansicht dem eigenen Ansehen schaden.
      Persönlich finde ich den Begriff kontraproduktiv, weil die meisten Menschen die Bedeutung nicht kennen. Besser ist m.E. die unterschiedlichen Formen von Diskriminierung an konkreten Beispielen zu veranschaulichen.

  4. Mir begegnete der Begriff letztes Jahr, als ich auf die Homepage dreier Damen aufmerksam gemacht wurde, die in allem Ableismus sahen, was man unbedingt bekämpfen müsse, und trotzdem eine Homepage gestalteten, die an Ableismus nicht zu überbieten war. Ein Mensch ohne höhere Schulbildung hatte keine Chance die Texte zu lesen. Alles war gespickt mit Fremdworten. Ganz ehrlich geht mir das in Allem etwas Negatives und ganz Schlimmes zu sehen gewaltig auf den Geist. Haben wir nicht noch genug wirkliche Probleme, gegen die wir ankämpfen können? Ich zumindest finde auch so genug Gründe Emails zu schreiben.
    Und dieses ‘trotz der Behinderung.. ‘ hat doch nur damit zu tun, daß die Leute keine Eigenerfahrung mit der Behinderung haben und denken, wenn sie selbst betroffen wären, bekämen sie den Hintern nicht mehr hoch. Läßt man ihnen Zeit, lernen sie meist durch Beobachtung eine ganze Menge. Ich lebe in einer kleinen Gemeinschaft von Naturliebhabern und am Anfang gab es schon Dinge, die den Geschmack von Ableismus hatten. Ich habe nie ein Faß aufgemacht und war nur behutsam pädagogisch tätig. Nein, sie reden keinen Mist mehr und haben auch gelernt, was ich kann und was nicht. Und wenn von denen jetzt einer sagt, daß ich trotz des Rollstuhls meine Hecke selbst schneide und nicht auf behindert mache, dann sagt er es eben. Mir ist es lieber, die Leute bleiben natürlich, wie wenn sie Angst vor Zensur hätten. Oder mir wegen der 1000 Möglichkeiten Fehler zu machen aus dem Weg gehen.

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