Als Kind wollte unser Kolumnist Leon Amelung immer Teil der Skateboard-Szene sein – als Erwachsener im Rollstuhl lebt er diesen Traum endlich aus. Er berichtet von seinen ersten Skate-Versuchen, dem Einfluss inspirierender Vorbilder wie Aaron Fotheringham und David Lebuser und dem Ankommen in einer inklusiven Skate-Community.
Ich saß nicht immer im Rollstuhl. Im Kindes- und Jugendalter konnte ich noch laufen und spielte mit meiner Gehbehinderung Fußball. In den Pausen stand ich immer im Tor. Da ich behinderungsbedingt häufiger stürzte als die anderen Kinder, hatte ich auch kein Problem mit Torwartparaden und konnte mich gut abfangen. In meiner Jugend wollte ich dann Skateboard fahren lernen. Mein Vater hatte noch ein altes Skateboard in der Garage stehen, kaufte mir Schoner und ich begann zu üben auf dem Skateboard zu stehen. Ich war ehrgeizig und wollte das Board unbedingt fahren können, aber irgendwann musste ich es einsehen: Wegen meiner Behinderung konnte ich das Gleichgewicht auf dem Board einfach nicht halten.
Ich begann dann Roller zu fahren. Jahre später, als ich im Alltag immer mehr auf den Rollstuhl angewiesen war, weil ich die Sturzgefahr beim Laufen minimieren wollte, musste ich mich erstmal an die Situation gewöhnen. Ich konnte kein Fußball mehr spielen, stolperte öfter und fiel hin. Dann tauschte ich mein Fahrrad gegen ein Handbike. Gleichzeitig sah ich die ersten Videos von Aaron Fotheringham und traute meinen Augen nicht. Der ist doch tatsächlich mit seinem Rollstuhl im Skatepark rumgefahren. Wie geil ist das denn? Aber ich werde das wahrscheinlich nie können. dachte ich. Aaron war für mich ein Ausnahmeathlet und Ausnahmen bestätigen nunmal die Regel. Dann fing David Lebuser mit Sit’N’Skate an, die ersten Workshops im Rollstuhlskaten in Deutschland zu veranstalten und mir war klar, dass ich mir das ansehen musste. Sollte sich mein Traum, als Jugendlicher Teil der Skateboardszene sein zu können, nun doch noch erfüllen? Ich besuchte mehrere Workshops von Sit’N’Skate und lernte dort von David und seinem Team die grundlegenden Techniken, die man braucht, um im Skatepark mit dem Rollstuhl fahren zu können. Außerdem schaute ich mir noch Lehrvideos von Sit‘N’Skate auf YouTube an, in denen ein paar Tricks und wie man sich im Skatepark verhalten sollte erklärt werden. Außerdem halfen mir auch die Videos der Sit‘N’Skate Rollstuhlfahrschule, um ein paar allgemeine Basics zu verbessern. Nachdem ich die Grundlagen in einem Skatepark in Hannover bei Workshops von Sit’N’Skate lernte, war für mich klar, dass ich häufiger im Skatepark fahren wollte. Am liebsten jeden Tag und nicht nur bei der monatlichen Sit’N’Skate Session. Der Skatepark, auf dem Sit’N’Skate die Sessions veranstaltet, ist kein öffentlicher Skatepark, sondern ein Vereinsgelände. Ich schrieb den Vereinsvorsitzenden an und fragte ihn, ob ich Mitglied werden und dann öfter als einmal im Monat fahren dürfte. Ich hatte die Befürchtung, dass mein Erbitten abgelehnt werden würde, weil auf dem Skatepark nur Skateboarder*innen fahren dürfen. Also keine BMXer*innen etc. Ich hatte Angst, dass ich die Rückmeldung bekommen würde: „Hör zu, bei den Sessions ist das okay, aber im normalen Betrieb mit den anderen Skatern nicht.“ Zum Glück wurde ich nicht enttäuscht. Man gab mir die Zusage und ließ mich einfach machen und mitfahren. Wenn man aufeinander achtet, klappt das auch.
Ich bin froh, dass ich durch meinen Rollstuhl, Wheelchair Motocross (WCMX), Sit‘N‘Skate, Aaron Fotheringham und David Lebuser mir nun doch einen Traum aus der Jugend erfüllen konnte: In einem Skatepark zu fahren und Teil der Skatecommunity zu sein. Manchmal eröffnet einem der Rollstuhl auch ganz neue Möglichkeiten auf die man als Fußgänger*in nicht gekommen wäre. Manchmal hält das Leben für einen echt noch Überraschungen bereit. Hätte man mir irgendeine Person damals gesagt, dass ich als Erwachsener mit einem Rollstuhl durch den Skatepark fahren würde, ich hätte es nicht für möglich gehalten.