Nehmt mich als Vorbild!

Das Logo von die neue Norm auf mintfarbenen Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Anna-Luisa Maischberger.
Lesezeit ca. 3 Minuten

Jede*r darf mich als Vorbild nehmen. Jede*r darf mich als Inspiration und/oder Motivation nehmen. Ich habe mir meinen öffentlichen Instagram-Account nicht nur zugelegt, um das Medizinstudium mit Behinderung zu normalisieren, sondern auch um das Vorbild zu sein, was mir gefehlt hat. Ich verfolge natürlich auch andere Menschen mit Behinderung auf Instagram und bei einigen habe ich etwas zum Thema “Inspiration Porn” gelesen. Ein Thema und vor allem eine Diskussion, die ich grundsätzlich für sinnvoll erachte, aber dennoch möchte ich hier den ein oder anderen Punkt kritisieren. 

Vereinfacht gesagt geht es bei Inspiration Porn darum, dass Menschen mit Behinderung und alles, was sie machen, als inspirierend betitelt wird – selbst banale Dinge, wie einen “normalen” Alltag zu leben. Auf Wikipedia steht dazu auch noch, dass es dabei um Bilder, Schriftzüge, Videos etc. geht, bei denen Menschen mit Behinderung als Vorbilder für Menschen ohne Behinderung genutzt werden (frei nach dem Motto: Was die erreichen können, dass kannst du auch erreichen / Wenn die das schaffen, schaffst du das schon lange). Ein verschobenes Bild, was so nicht sein sollte – da muss ich zustimmen. 

Dennoch taucht in meinem Kopf immer wieder die Frage auf, warum mich Menschen mit und ohne Behinderung nicht als Vorbild nehmen sollen? Mein Weg bis hierhin war wahrlich nicht einfach und ich weiß, dass er es auch nicht bleiben wird. Viele Steine wurden mir in den Weg gelegt und es werden noch einige zu überwinden sein, bis ich dort hinkomme, wo ich hin möchte und das ist doch grundsätzlich bewundernswert? Es ist doch grundsätzlich inspirierend, wenn Menschen sich gegen alle Hindernisse für ihren Weg entscheiden und diesen gehen – oder nicht? Menschen sollten sich ihre Vorbilder nicht unbedingt danach aussuchen, ob diese es “schlechter” haben, als sie selbst oder ob sie “kränker” oder “weniger gesund” sind (ob die Wortwahl reden wir mal an anderer Stelle). Menschen sollten sich ihre Vorbilder danach aussuchen, ob sie einen ähnlichen Weg gegangen sind oder ob sie besonders viele Hindernisse in ihrem Leben zu überwinden hatten oder ob sie einfach inspirierend und motivierend sind. Wenn ich mal meine Einschätzung an dieser Stelle geben dürfte: Ich glaube, dass das ganze viele Menschen schon so machen. Die Rückmeldungen, die ich bekommen habe, sind nämlich nicht nur auf meine Behinderung bezogen, sondern schlicht und ergreifend auf die Tatsache, dass viele Hindernisse auf meinem Weg lagen, die ich alle überwunden und ich nie aufgegeben habe. Klingt ganz nach der typischen Beschreibung eines Vorbildes, nicht wahr? 

Ich möchte an dieser Stelle nochmal sagen, dass es mir nicht darum geht, dass Menschen mit Behinderung medial oft falsch dargestellt werden, dass wir oft falsch angesprochen werden und dass sich die Sprache uns gegenüber ändern muss. Mir geht es darum aufzuzeigen, dass Menschen mit Behinderung durchaus ein Vorbild sein können. Ganz gleich, ob sie “einfach nur ihren Alltag” leben oder ob sie einen wirklich schwierigen Weg verfolgen. Mein Leben mit Behinderung ist nie einfach. Es ist geprägt von anstrengenden Krankheitsphasen, Behördengängen, Krankenkassen-Wirrwarr, Ärger, Stress, Wut, Unverständnis und dazu noch begrenzten Ressourcen. Da kann der Alltag schon mal zur Herausforderung werden und warum ist es dann nicht bewundernswert, wenn wir uns trotzdem durch all das durchkämpfen und am Ende des Tages nie aufgeben? 

Warum können wir uns nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass Menschen ohne Behinderung zu uns aufschauen und sich denken: “Wow, diese Person muss unheimlich stark sein. DAS bewundere ich”? Warum müssen wir uns von dem freimachen und jeglichen Gedanke, der in diese Richtung geht, ablehnen? Ich finde es schade, dass einige Menschen mit (und ohne) Behinderung so kritisch sind, wenn es um Inspiration Porn geht. 

Schlussendlich ist es doch so, dass uns der Alltag oft unnötig schwer gemacht wird, dass uns Behörden, Krankenkassen etc. Steine in den Weg legen, wo keine sein müssten und dabei nicht den Kopf hängen zu lassen, ist nun mal bewundernswert und für viele Menschen eine erstrebenswerte Haltung. Also sollten wir manchmal das Kompliment annehmen, was nicht heißt, dass wir mit der Inklusionsaufklärung aufhören sollten. Das Eine muss das Andere nicht ausschließen. 

In diesem Sinne: Nehmt mich als Vorbild, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr eins braucht!

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Eine Antwort

  1. Inklusionsmenschen als Vorbild nehmen, gefällt mir. Es braucht allerdings viel Geduld und Zeit mit den anderen “behinderten” Menschen, um das Ziel als “UNbehinderter” zu erreichen.

    ,Doof geboren ist niemand’

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