Kriminelle Assistenz

Das Logo von die neue Norm auf gelbem Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Patricia Koller.
Lesezeit ca. 4 Minuten

Auf der Suche nach einem neuen Assistenten wurde mir Mirko (Name geändert) über einen sozialen Verein ans Herz gelegt. Beim Vorstellungsgespräch hatte er ein „Attest“ einer adeligen Ärztin dabei und einen relativ inhaltsleeren „Lebenslauf“, den er – wie sich später herausstellte – nicht einmal selbst verfasst haben konnte. Er ließ sich als sozialer Gutmensch darstellen, der ehrenamtlich bei der Tafel hilft und gerne eine Stelle in der Pflege hätte. Ab Januar könne er aber eher nicht mehr Vollzeit arbeiten, denn da studiere er Musik an der Münchner Musikhochschule, erzählte er.

So falsch informiert und geschickt manipuliert, stellte ich ihn ein, wunderte mich aber schon bald, warum er auf meine interessierte Nachfrage hin überhaupt keine eigenen Musikstücke vorweisen konnte.

Es folgten sieben unfassbare Tage, in denen ich permanent vor den Kopf gestoßen wurde. 

Mirko bediente sich – ohne zu fragen – einfach an meinen Lebensmittelvorräten, so als sei er hier zuhause und hätte sie bezahlt. Auch dem Glühwein war er sehr zugetan und bediente sich mehrfach selbst. Es gibt dazu eine klare schriftliche Vereinbarung, die besagt, dass meine Assistent*innen nur zum Essen / Trinken eingeladen sind, wenn ich das ausdrücklich sage. Selbstbedienung ist also definitiv nicht erlaubt.

Er kann nach 10 Jahren in Deutschland so schlecht Deutsch, dass er anstatt des Wortes männlich „menlich“ in den Personalfragebogen eintrug. Den angeblichen Hochschulabschluss bezweifelte ich also.

Während einer meiner Videokonferenzen hätte er eine Liste von Tätigkeiten in der Küche abzuarbeiten gehabt. Nach einer Stunde war exakt nichts davon erledigt. Nicht einmal angefangen. Diese Zeit galt aber als Arbeitszeit. Er erledigte stattdessen immer wieder seine privaten Telefonate. 

Wie sich im Laufe der Tage noch herausstellte, ist der Kerl obdachlos und hat weder eine Adresse noch ein Konto. Mirko befolgte keine Anweisungen und hielt sich auch nicht an Vereinbarungen. Er hat Zeit geschunden und nutzte meine Wohnung als Wärmestube. Doch damit nicht genug. Er stöhnte und meinte, er hätte Angst, wenn er jetzt Geld verdiene, könnten wieder  Leute hinter ihm her sein. Offensichtlich erwartete er von mir, sein Problem zu lösen. Ich erklärte ihm, dass ich damit ja nichts zu tun hätte, fragte aber nach, wie viele Schulden er denn habe. Die Antwort: 160.000 Euro! Seine Ex sei schuld…

Er machte für sich etwas zu Essen in meiner Küche. Ich wurde durch die dicken Rauchschwaden, die durch meine Wohnung bis zu mir ins Schlafzimmer zogen, darauf aufmerksam. Beißender Brandgeruch und dichte Wolken in der Küche. Mirkos Erklärung dazu: Das Brot war schuld! Meine Wohnung stank danach tagelang nach Rauch. Zum Glück hat niemand die Feuerwehr geholt.

Wenn er mal tatsächlich etwas arbeitete, brachte er beim angedeuteten Putzen mein Eigentum auffällig durcheinander und es war nicht mehr zu erkennen, was wo gestanden hatte. Somit hatte man keine Kontrolle mehr darüber, ob etwas fehlte. Er hätte sich dafür mit mir absprechen müssen, was er aber nicht getan hat. Man findet auch nichts mehr, da alles woanders steht als vorher. Dabei flogen auch mehrere Gegenstände aus meinem Besitz einfach in den Müll, obwohl es die klare Anweisung gibt, nichts ohne meine Erlaubnis wegzuschmeißen. Dieser Anweisung hatte er mit Vertragsunterzeichnung schriftlich zugestimmt. Das abgestaubte Bücherregal war auch hinterher noch staubig, aber er betonte triumphierend, dass er meinen Schmuck gefunden habe und hielt die Kiste hoch, in die er sich ungefragt einfach Einblick verschafft hatte.

Auf freundliche Bitten erhielt ich unverschämte Antworten.

Ich: „Mach bitte die Vorhänge zu, wenn Licht brennt.“

Er: „Wovor hast Du Angst?! Zuhause laufe ich nackt herum!“

Nebenbei berichtete er, während er meine Schränke durchwühlte, davon, dass er sich in einem Kaufhaus eingekleidet habe. Er sei mit seinen alten Klamotten rein, hätte sich dort umgezogen und sei mit den neuen Sachen wieder raus. Als ich ihn entsetzt ansah, meinte er, Gott hätte da nichts dagegen.

Vermutlich hat Gott auch nichts dagegen, dass er seine stinkende Schmutzwäsche mitbrachte und sie klammheimlich in meiner Waschmaschine wusch und dabei vorgab, meine Wäsche zu waschen. Natürlich hat er mich nicht gefragt, ob er das darf. Sicherheitshalber hat er immer etwas von meiner sauberen Wäsche genommen und diese davor gehangen, damit es – falls ich mal in die Küche käme – so aussähe, als handele es sich um meine Sachen, die auf dem Wäscheständer zum Trocknen hängen. Er erklärt anscheinend seine Arbeitgeber einfach zu seinen ganz persönlichen Deppen, die sich von ihm ausnehmen lassen sollen.

Beleidigend wurde der Kerl auch noch. Als er meine Beine sah, die unter meinem langen Nachthemd hervorlugten, meinte er, ich solle sie rasieren, denn das sei “eklig”. Ich bin blond und man sieht die Haare nicht mal. Ich hielt ihm daraufhin einen Vortrag, dass das nicht seine Angelegenheit sei, es ihn nichts angehe und ich mehr Respekt erwarte. Am nächsten Tag fragte er in seiner dreisten Distanzlosigkeit erneut, ob ich meine Beine rasiert hätte.

Am siebten Tag erzählte er schließlich von seiner Knast-Erfahrung. Im Gefängnis sei es echt cool gewesen. Er habe dort viel gelernt. Acht Monate hat er gesessen. Ein Autounfall sei der Grund gewesen. Natürlich waren wieder andere schuld…

Ich konnte dem Wahnsinn nur noch mit einer fristlosen Kündigung ein Ende setzen und ihm obendrein Hausverbot erteilen. Seither fordere ich ein polizeiliches Führungszeugnis von meinen Bewerber*innen.

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11 Responses

  1. Danke für diesen Bericht, liebe Patricia. Das Thema Assistenz ist für mich noch total neu und ich fürchte mich etwas davor: Wen lasse ich in mein privates Leben nach Hause?

  2. Wirklich echt krass, was sich manche unserer vermeindlichen Assistent*innen raußnehmen. Das sind in meinen Augen keine echten Assistent*innen, sondern nur Verschwender*innen unserer kostbaren Lebenszeit.

  3. und hoffentlich hast du diese sozialen (aber offenbar auf allen kanälen blinde) verein darüber informiert, wen sie dir da vermittelt/empfohlen haben. eigentlich müssten sie dir schadenersatz zahlen.

  4. Hallo,
    darf ich erfahren, warum Euch mein Kommentar von vor ein paar Tagen nicht genehm war?
    Dürfen Assistenten hier nicht kommentieren?
    Schon seltsam…

  5. Vielen Dank für diesen schönen Bericht! Ich könnte auch ein ganzes Buch verfassen! Diebstahl, Respektlosigkeit, Lügen, Sachbeschädigung, sogar ein Pädophieler war dabei. Ich finde das sehr schade, dass man in Arbeitszeugnis nicht die unverblümte Wahrheit schreiben darf.

  6. Hallo Patricia,
    zweiter Versuch:
    So eine Erfahrung ist natürlich äußerst unangenehm.
    Ich verstehe nur nicht, daß Du so eine Engelsgeduld mit dem hattest. Solche Flitzpiepen muß man am ersten Tag eliminieren, denn wenn die erstmal merken, mit was sie alles durchkommen, kennen die keine Grenzen.
    Ich empfehle daher Probearbeitstage, an denen man sich kennenlernen kann, während noch vertrauensvolle Leute vom Stammteam dabei sind. Und selbst wenn die Pappenheimer sich an DEM Tag besser benehmen als sonst, können sie doch nicht zu 100% ihre Art verbergen und man merkt es recht schnell, an wen sie zuerst denken: An den Assistenznehmer oder sich selbst.
    Also lieber nicht sofort einstellen, sondern Probe arbeiten lassen. Dann weiß man, ob man miteinaander kann.
    Ich halte es als Assistentin auch immer so und es hat sich bewährt.
    Alles Gute für Deine Zukunft! 🙂

    Frangipani

  7. da es Anfragen gab ich habe seit 2020 Frau Koller als Assistent geholfen. bin selbst 80 % schwerbehindert und beziehe harz 4. erst ehrenamtlich na ja mit Taxi mit fahren 2 mal ein essen und 3 Getränke. dann 2021 die Idee rechnungen schreiben den ich habe ja Gewerbe und steuernummer als die ersten rechnungen für meine Arbeit geschrieben waren reichte sie diese beim Bezirk ein. teilte mir mit die zahlen die nicht. seltsam taxirechnungen zahlen die. auch die Sachbearbeiterin beim Bezirk nannte das seltsam. Frau Koller verbot mir den Kontakt mit dem Bezirk. aber gut wir versprach mir eine Anstellung Minijob. was auch so kam.nun war ich ihr Sklave wenn sie rief müsste ich da sein ihre Meinung harzer sind faul müssen immer Zeit haben.leider wurde es immer schlimmer das ich rechte habe als Mitarbeiter egal. es gab für mich keinen dinstpläne die 4 Tage frist arbeitsanmeldung gab es auch nicht sie pfeift ich musste springen nannte sie Arbeit auf zu Ruf bereitschaftszeit müsste ich i. ihrer Nähe verbringen.ich musste sogar mit in teure lokale wo ich saß mit meinem Glas Wasser. verdinst hä 4 Stunden 50 euro davon das Amt 40 euro fahrgeld und Wasser weg 0 verdinst aber egal. nach 4 monaten wurde ich in der Probezeit gekündigt diese schickte sie erst mal an eine andere Adresse einen Monat später an mich.nachdem sie schon alles an das Jobcenter geschickt hatte Kündigung Ende rechnung. nun geht die Sache vor Gericht Arbeit auf zu Ruf von heute auf morgen oder früh auf gleich gibt es im Arbeitsrecht nicht.sie wird verklagt auf 10 Monate festes gehalt 20 Stunden Woche so wie es das Arbeitsrecht vorsieht. das ganze wird ihr eine Lehre sein wie man mit Menschen umgeht die selbst schwerbehindert sind ach ja da gibt es 1 Klasse und 2 Klasse sie kann man ausbeuten und betrügen. und das Recht auf würde so was gibt es bei der Dame auch nicht. kein Wunder das sie keinen findet der sklavenarbeit verrichten soll auf Kosten des Bezirks. im Vorstand eines behinderten Verbandes hat diese Dame nichts zu suchen. denkt kommt aus reichen Hause und arme sind dumm. hoffe der Richter erklärt ihr mal alles.

  8. Als pflegender Angehöriger einer Schwerstbehinderung ( die Assistenz in solchen Fällen werden manchmal positiv aber sehr oft sehr negativ beschrieben und macht uns sehr unsicher ) seit über 23 Jahren bin ich schockiert über das, was Frau Koller schreibt. Wobei ich von Anfang an in diesem Fall wohl anders gehandelt hätte ( keine Einstellung ). Da ist aber leicht geschrieben. Auch wir wissen, wie schwierig es ist selbst ( Situation bei uns ), eine Verhinderungspflege oder auch eine Haushaltshilfe zu bekommen. Die hier aber auf eigene Kosten bezahlt werden müßte, eben weil wir nicht die Assistenz haben. Zusätzliche in Aussicht gestellte Gelder wie z.B. die Pauschale für eine Haushaltshilfe sind Augenwischerei der Politik. Da nur zertifizierte (!) Firmen, Org. etc. in Frage kommen wird da z.B. schnell klar, dass “Putzen” z.B. nicht angeboten wird, die Preise oft so hoch sind, dass pro Monat allenfalls 2-3 Std. “Hilfe” herauskommen würden, die ja dann auch noch angewiesen werden muß + bürokratischer Aufwand als Ergebnis: Keine wirkliche Hilfe als Ergebnis dasteht. Wir hatten gehofft, das wäre bei der Assistenz nun anders. Mit solchen Schwierigkeiten wie bei Frau Koller hätten wir dabei nicht gerechnet. Wir glauben, dass so manche Politiker, Behörden etc. keine Ahnung haben, mit wieviel Aufwand, Schwierigkeiten und bürokratischen Hürden die Betroffenen hierbei konfrontiert sind.

  9. Ich habe mir jetzt mehrfach diesen Beitrag und auch die Kommentare dazu durchgelesen. Ich frage mich, wenn Sympathie zu solch einem Mitarbeiter nicht einmal vorhanden ist beim vorstellungsgespräch, warum arbeitet mit man solchen Leuten zusammen? Warum kommen sie noch weiter als einen Tag?
    Wenn doch schon offensichtlich ist das bei dem Typen hinten und vorne was nicht stimmt?

    Das erste was ich in meinem bauchgefühl angedeckte als ich diesen Bericht gelesen habe war, dass irgendwas hier nicht stimmt. Als ich dann den Bericht des Herren gelesen habe der bei der Geschädigten gearbeitet hat wurde mir so einiges klar. Ich denke hier hat nicht nur der Kriminelle ex-assistent ohne zu Hause ein Problem sondern die Dame selbst auch Punkt denn eine Medaille hat immer zwei Seiten eine die schön poliert ist und eine die weniger glänzt.

    Ich bin selbst persönliche Assistentin und das seit mehreren Jahren, ich habe alles erlebt vom kiffenden Bewerber bis hin zur nicht waschenden Assistentin, eine Assistentin die Folge guckst auf die Arbeit kam und ein entzugserscheinung auf der Toilette bekam, ich wundere dran saliert von Klienten oder deren Angehörigen, auch in meinem aktuellen arbeitsverhältnis habe ich manchmal das Bedürfnis mir die Ohren zuzukleben und einfach nur freundlich lächeln und zu winken und zu a******** zu denken, aber der Respekt voreinander ist gegeben. Die Anerkennung, die Rücksichtnahme und die respektierung des jeweils anderen. Das hat alles in diesem arbeitsverhältnis gefehlt und die Autorin ist sehr bedacht darauf den durchaus kriminelle Herren als den einzigen Täter dastehen zu lassen. Wenn man aber genau zwischen den Zeilen liest, wird man schnell merken dass da zwei Täter sind

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