Ich will doch nur aufs Konzert

Das Logo von die neue Norm auf gelbem Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Alexandra Koch.
Lesezeit ca. 3 Minuten

Ich bin gern unterwegs, gehe auf Konzerte, zu Lesungen, ins Kino oder Kabarett. Doch der Weg zu Tickets für diese Veranstaltungen ist als Rollstuhlfahrerin oft lang und steinig. Nachdem ich noch voller Vorfreude die Homepage der Veranstaltung öffne, nimmt das Drama seinen Lauf, sobald ich buchen möchte. Denn Onlinebuchungen für Rollstuhlplätze sind fast nie vorgesehen.

Oft kritisiere ich auf meinem Blog, dass Menschen im Rollstuhl in der Literatur als traurig am Fenster sitzende Gestalten gezeigt werden. Getrennt von allem und deprimiert vom Leben starren sie nach draußen. Vielleicht hängen sie aber einfach noch in der Warteschleife irgendeiner Hotline und haben es nicht geschafft, Tickets für ein Event zu buchen…

Zum Beispiel beim Vorverkauf für ein Konzert im Oktober 2022. Die Tickets sind heiß begehrt. Auf der Website des Veranstalters kann ich Plätze in allen Preiskategorien buchen, aber nicht die Rollstuhlplätze. Dafür gibt’s eine Hotline. Ich rufe also schnell an und erlebe die erste Enttäuschung. 

“Hallo, ich möchte Tickets buchen, für eine Rollstuhlfahrerin und Begleitperson.”

“Geht nicht.”

Was folgt ist lang und nervenaufreibend, die Kurzfassung: Tickets für die Rollstuhlplätze kann man nicht sofort buchen, die müssen erst “angelegt” werden. Was auch immer das heißt. Ich soll mich später am Tag wieder melden, vielleicht geht’s ja dann. Spoiler: Wird es nicht. Ich werde immer wieder hingehalten und vertröstet. Das läuft so einige Tage, bis eine nette Mitarbeiterin an der Hotline Mitleid hat. Sie verspricht, sobald es möglich ist, für mich zu reservieren. Nach einer Woche Hin und Her erhalte ich schließlich die Buchungsbestätigung und freue mich riesig.

Über eine weitere Woche später ruft mich ein anderer Mitarbeiter der Hotline zurück. Rollstuhltickets wären jetzt buchbar, leider aber auch schon ausgebucht. Ich bin verärgert. Darf mein Konzertbesuch von der Motivation einzelner Mitarbeiter*innen abhängig sein, nur weil ich einen Rollstuhl benutze?

Ähnliches erlebe ich bei der Buchung von Tickets für die kleine Lesung eines lokalen Veranstalters. Zunächst finde ich online weder Informationen zum Hygienekonzept noch zur Barrierefreiheit. Über eine Woche vor Öffnung der Buchungen schreibe ich eine Mail an den Veranstalter. Eine sehr nette Mitarbeiterin gibt alles, um mir zu helfen, muss aber feststellen, dass ihr die Informationen zum Teil selbst nicht vorliegen. 

Nach einigem Hin und Her haben wir alles geklärt und ich bitte sie, für mich zu reservieren. Doch sie kann nur das Ticket für meine Begleitperson wählen. Ich hätte meine Karte über das Ticketportal buchen müssen. Dort sind sie mittlerweile ausverkauft. 

Das ist alles umständlich, kompliziert und ich bin genervt! Aber das passiert immer wieder, so auch bei Tickets für die Show eines Kabarettisten. Die sind ebenfalls begehrt, aber drei Monate vor der Veranstaltung sind online noch Restplätze verfügbar. Ich kann es ja mal probieren. Online kann ich die Rollstuhlplätze wie immer nicht buchen. Ich kenne das Spiel, also rufe ich bei der Tickethotline an.

Dann die erste Überraschung. Eine Bandansage weist mich darauf hin, dass man das erhöhte Anrufaufkommen nicht bewältigen könne und verweist Kund*innen zur Buchung auf die Homepage. Die Verbindung wird automatisch getrennt. Vielleicht habe ich die falsche Hotline angerufen? Ich probiere es mit der Nummer unter der Überschrift “Barrierefreiheit” erneut. Es bleibt beim selben Ergebnis.

Eine Lösung nur über eine Hotline ist sowieso nicht wirklich barrierefrei. Denn was machen beispielsweise Rollstuhlfahrer*innen mit Hörbehinderungen? Aber eine nicht erreichbare Hotline für die Reservierung von Rollstuhlplätzen und die fehlende Möglichkeit, diese Tickets online zu buchen, schließt Rollstuhlfahrer*innen praktisch von Veranstaltungen aus.

Schließlich bekomme ich über Umwege eine spezielle, beinahe geheime Nummer für Rollstuhlfahrer*innen. Und endlich erreiche ich jemanden. Leider kann auch der Mitarbeiter dieser Hotline nicht direkt sehen, ob noch Rollstuhlplätze frei sind. Ich soll Geduld haben, man würde mich zurückrufen. Ob das wohl klappen wird?

Ich will doch nur mit meinen Freund*innen am gesellschaftlichen Leben teilhaben und keinen Hindernisparcour überwinden. 

Liebe Veranstalter*innen, bitte schreibt Informationen zur Barrierefreiheit auf eure Webseiten, lasst mich online buchen und Sitzplätze aussuchen, wie alle anderen auch! Ist das wirklich so viel verlangt?

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6 Antworten

  1. Schöner und interessanter Beitrag von Alexandra. Leider wohne ich wohl nicht in Ihrer region – gerne hätte ich sonst für Sie 8aber auch jemanden anderen) das Buchen übernommen (soweit das geht) und geguckt ob das überall gleich (schwierig) ist. Bei dem Konzert für das ich gestern nach Ermäßigungen oder tickets für behinderte menschen gucktwe stand daß es aufgrund von technischen Grenzen sage ich jetzt mal nur telefonisch gehen würde. Eine Barriere die natürlich nicht nur für (taub-)stumme Menschen sondern z.B. auch für viele Autisten. Mit einem Online-Buchen alleine ist aber denke ich auch nicht jedem behinderten Konzerthungrigem gedient – wie Alexandra richtig schrieb sind Einschränkungen dafür einfach viel zu sehr individuell.

  2. Liebe Alexandra,
    ganz genau das sind auch meine Erfahrungen beim Versuch, online Tickets als Rollifahrerin zu kaufen. Einzig positive Ausnahme habe ich in der Elbphilharmonie erlebt, wo es zwar auch über (tatsächlich erreichbare) Hotline lief, aber dafür sogar kurzfristig sehr preisgünstige Rolliplätze plus Begleitperson möglich waren.

    1. Hallo und danke für diesen Beitrag (endlich sagt es mal einer 🙂 ),

      du sprichst mir aus der Seele mit deinem Beitrag. Habe vor kurzem noch solche Erfahrungen gemacht. Wäre gern auf ein Musikkonzert hier in der Nähe gefahren.Im Internet werden die Rollstuhl Plätze angezeigt sind aber darüber nicht buchbar . Also Rolli Hotline angerufen ,ellenlang ( glaube ganzen Vormittag ) in der Warteschleife . Dann ging jemand ran , müssten die erst bei Veranstalter anfragen .Würden mir Rückmeldung geben . Nach 2 Wochen und nochmaligem kontaktieren des Services ,rief eine Dame zurück und meinte alle weg. Aber wenn es so lange dauert ist es ja auch kein Wunder. Warum wird ein so komplizierter Weg gewählt ,für die Gruppe der Gesellschaft ,die es sowieso schon schwer genug hat auf dieser Welt . Echt ärgerlich und macht mich wütend .

  3. Hallo und danke für diesen Beitrag (endlich sagt es mal einer 🙂 ),

    du sprichst mir aus der Seele mit deinem Beitrag. Habe vor kurzem noch solche Erfahrungen gemacht. Wäre gern auf ein Musikkonzert hier in der Nähe gefahren.Im Internet werden die Rollstuhl Plätze angezeigt sind aber darüber nicht buchbar . Also Rolli Hotline angerufen ,ellenlang ( glaube ganzen Vormittag ) in der Warteschleife . Dann ging jemand ran , müssten die erst bei Veranstalter anfragen .Würden mir Rückmeldung geben . Nach 2 Wochen und nochmaligem kontaktieren des Services ,rief eine Dame zurück und meinte alle weg. Aber wenn es so lange dauert ist es ja auch kein Wunder. Warum wird ein so komplizierter Weg gewählt ,für die Gruppe der Gesellschaft ,die es sowieso schon schwer genug hat auf dieser Welt . Echt ärgerlich und macht mich wütend .

  4. ich find es so dermaßen traurig, wie man mit Rollifahrer bei Konzerten umgeht. Zum einen ist schon der Ticketkauf ein Hindernisslauf, das hast du super geschrieben. Aber zum anderen ist es auch echt ne Zumutung wo die Rollifahrer in der Halle oder Open Air abgestellt werden. Entweder ganz hinten oder an den Seitenenden, wo sie dann trotzdem nichts sehen, da andere vor Ihnen evtl. aufstehen und ihnen die Sicht versperrt.
    Man spricht immer von Inklusion und Integration, aber da fehlt bei Konzerveranstaltungen noch ganz ganz viel.
    Mir kommt es manchmal so vor wie wenn die Lokation einfach Rolliplätze ausschreibt, egal wo und ob es dort überhaupt Sinn macht. Soweit denkt das Fußvolk nicht, hauptsache man kann sagen `wir haben Rolliplätze ausgewiesen, dann sind wir aus dem Schneider`. Es ist höchst Traurig was man erleben muss und das sollte mal an die Öffentlichkeit und Puplik gemacht werden. Sollen doch mal die, die solche Sitzpläne planen, in einen Rollstuhl sitzen und mal selber erleben wie es so ist mit fahrbarem Untersatz.

  5. Ich bin auch seit längerem frustriert und fühle mich total diskriminiert. Dabei hat das Buchen von Tickets doch früher geklappt. Woran liegt es also? Wir haben das Buchen von Tickets für drei diesjährige Events nach mehrmaligen Bemühungen entnervt aufgegeben.

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