Inklusion wird aus Mut gemacht

Das Logo von Die Neue Norm auf grünem Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Sina Eghbalpour.
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„Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen“, dieses Zitat von Walt Disney habe ich mir schon als kleines Mädchen sehr zu Herzen genommen, denn ich habe davon geträumt, wie in einem rosa-goldenen und glitzernden Disney-Film zu leben, zaubern zu können und Prinzessin zu werden. Heute träume ich immer noch gerne von meiner Zukunft. Einige Träume sind schon wahr geworden, aber es sind auch neue Visionen dazu gekommen: Ich träume von einer inklusiven Gesellschaft und von gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung. Ich träume davon, dass wir den Begriff „Inklusion“ irgendwann gar nicht mehr benutzen müssen. Das Zitat von Walt Disney nehme ich mir dabei immer noch zu Herzen. 

Mein Name ist Sina Eghbalpour, ich bin 28 Jahre alt, und mit Osteogenesis imperfecta, den sogenannten „Glasknochen“ auf die Welt gekommen. Deshalb benötige ich im Alltag meinen Rollstuhl. Ich habe zwar zerbrechliche Knochen, aber mein Wille ist unzerbrechlich. Und mein Leben ist wunderschön, genauso wie es ist. Meine Beeinträchtigung ist ein Teil von mir und das ist gut so. Ich bin zwar keine Prinzessin geworden, aber ich habe gelernt, dass wir auf unterschiedlichsten Ebenen „zaubern“ können. Denn wir können verzaubern mit unserem Lächeln, mit unserem Optimismus, mit unseren Visionen, mit Mut, mit Willensstärke und mit unseren persönlichen Geschichten. Ich wünsche mir, dass Menschen mit Beeinträchtigung nicht aufhören ihre Träume zu verwirklichen, weil sie denken, ihre Beeinträchtigung oder Gesellschaft könnte sie daran hindern.

Ich habe Sozialpädagogik studiert, meinen Master gemacht und arbeite als Sport-Inklusionsmanagerin. Mittlerweile habe ich eine Vollzeitstelle, forsche zum Thema Inklusion und schreibe an meiner Promotion. Ich habe meinen Führerschein gemacht, fahre Auto, spiele in meiner Freizeit Rollstuhlhandball und gehe reiten. Ich zähle diese Dinge auf, weil ich nicht glaube, dass jemals jemand gedacht hätte, dass ich das mit meiner Beeinträchtigung schaffen kann. Außer ich selber. Ich bin stolz, dass ich genug Mut hatte, all diese Dinge auszuprobieren und so viele Erfahrungen zu machen. Und das gegen alle Prognosen und auch gegen den Rat meiner Ärzte. Hätte ich immer nur darauf gehört, was andere für mich für am besten halten, wäre ich nicht dahin gekommen, wo ich heute stehe. Und dafür habe ich nicht mal die Zauberkraft benötigt, von der ich früher geträumt habe. Ich war nur mutig und habe mich mit unbeugsamem Willen gegen Paternalismus gesträubt.

In genau diesem Paternalismus sehe ich eine große Herausforderung auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Ganz bestimmt meinen es viele Menschen „nur gut“, machen ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen. Der Grat zu guten Ratschlägen, Empfehlungen und zur Fürsorge ist schmal. Dennoch, der Paternalismus, mit dem sich Menschen mit Beeinträchtigung oft konfrontiert sehen, führt dazu, dass wir entmündigt und übergangen werden. Solange Menschen ohne Beeinträchtigung für uns Menschen mit Beeinträchtigung entscheiden und meinen, dass sie besser wissen, was gut für uns ist, als wir selbst, können wir uns nicht auf Augenhöhe begegnen. Wie oft hat es sich für mich so angefühlt, als würde man mir Entscheidungen nicht zutrauen? Wie oft habe ich schon dieses Gefühl der Ohnmacht gespürt, wenn ohne mich und stattdessen für mich entschieden wurde? Und wie oft hatte ich ein Gefühl der Wut, wenn meine Begleitung angesprochen wurde, und nicht ich? Wie oft habe ich diese Frustration rausgelassen und damit die Diskrepanz zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung nur vergrößert?

Nach vielen negativen Emotionen habe ich meine Sichtweise geändert. Ich habe gelernt, meine Frustration ins Gegenteil zu kehren. Mir ist klar geworden, was für eine Zeitverschwendung in zu viel Negativität und Pessimismus steckt, in Frustration über Menschen, die es gar nicht besser wissen, weil ihnen die Begegnungen fehlen, weil sie es nie anders gelernt haben. Die meisten Menschen sind unsicher, überfordert und hilflos im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung. Und anstatt meine Frustration zu offenbaren, begegne ich ihnen mit Freundlichkeit, mit einem Lächeln. Ich bin überzeugt, dass Inklusion nur durch positive Begegnungen gelingt. Wenn wir Menschen begegnen, die es nicht besser wissen, sollten wir sie nicht erziehen, sie mit unserer Wut oder Frustration überschütten. Wir sollten gelassen bleiben und ihnen zeigen, wie es besser geht. Wir sollten sie einladen, neue Erfahrungen zu machen. Und ich bin mir sehr sicher, dass positive Erfahrungen besser in Erinnerung bleiben.

Ich bin überzeugt, nur wenn wir die Begegnungen positiv halten, können wir unsere Gesellschaft auf Dauer sensibilisieren und ein neues Bewusstsein schaffen. Dann brauchen wir den Begriff „Inklusion“ nicht mehr. Bisher ist das nur ein Traum, aber alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, Ihnen zu folgen.  

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