Die ganze Welt um mich herum weint! – Und nein, das tut sie nicht, weil sie ein einziges Jammertal geworden ist, sondern weil sich die vollen Windeln und das Babygeschrei in meinem Umfeld häufen. Ich merke wie ich stetig älter werde, wenn die Menschen in meiner Umgebung plötzlich anfangen, von Heirat, Kindern und dem Hauskauf zu sprechen. Genauso plötzlich endet das dann in realem Nachwuchs, der Dir von einem Tag auf den anderen mit seinen Kulleraugen den Atem verschlägt. Das alles rauscht wie ein D-Zug an mir vorbei: der Sekt, die Verlobung, ein schwarzweißes Ultraschallbild, der erste Ziegel ist gesetzt und schon kommt der Dachstuhl obendrauf.
Fast ist es mir unangenehm und ich empfinde Fremdscham, wie gleichförmig sich dieses Theater abspielt. Ein obligatorisches Abfeiern der immer gleichen Prozedere. Es ist spießig und ebenso befremdlich und dennoch – es tut weh!
Ich habe schon einmal davon geschrieben, wie ich es als Kind und Jugendliche genoss, diesen Fluss ganz unbeteiligt zu beobachten, was Familie und Freunde aus ihrem Leben berichteten. Völlig unbehelligt von Smalltalk konnte ich bei Familienfeiern essen und trinken und schweigen. Wie man so schön sagt, war ich „satt und sauber.“. Ich wollte einfach meine Ruhe haben!
Natürlich hätte ich Einiges zu erzählen, aber ich hatte keine Lust auf inspiration exploitation (früher: inspiration porn). Ich hatte keine Lust darauf, bewundert zu werden, was ich doch trotz Allem für ein tolles Mädchen geworden sei. Immer mit einem unterschwelligen Unglauben in der Stimme und der Unterstellung, meine Mutter müsse zwangsläufig mit meinen Talenten angeben und prahlen, weil sie nun mal meine Mutter sei.
Es entstand eine Parallelwelt, die ich mitunter aus Selbstschutz erschuf, um nicht ständig Aufklärungsarbeit leisten zu müssen. Mir hing der Ableismus schon aus dem Hals noch bevor ich dieses Wort jemals gehört hatte. Nach fast dreißig Jahren würde ich nun meine Wünsche und Träume für die Zukunft gerne teilen. Mit meinem erwachsenen ICH, voller Zuversicht und Vorfreude berichten, was ich mir innerlich schon alles ausgemalt hatte. Wie ich mich als Frau in meinen Körper fühle und was in der Zeit, zwischen verschwiegenem Knödelessen, meiner Pubertät und dem „Jetzt“ eigentlich alles in mir gewachsen ist.
Und dann wäre auch endlich der Moment gekommen, in dem ich danach gefragt werde: „Katy, was wünscht Du Dir eigentlich? Einen Partner, ein Kind, ein Haus?“ Doch Nichts – es ist still. Keiner stellt mir diese Fragen. Niemand traut mir etwas Spießigkeit für mein Leben zu. Zu lange habe ich mich verstellt, weil ich keine Lust hatte, meine Umwelt zu belehren oder aufzuklären. Der Ableismus hat uns alle stumm geschaltet.