Wie ich gelernt habe, für mich einzustehen

Das Logo von Die Neue Norm auf pinkem Grund. Rechts davon steht: die Neue Kolumne. Unten steht: von Gracia Foddis.
Lesezeit ca. 3 Minuten

Mein Name ist Gracia. Ich bin 37, selbständig und Mama von zwei bezaubernden Kindern. Seit mehr als 25 Jahren lebe ich mit einer Rückenerkrankung, einer ausgeprägten Skoliose, die mein Leben – ich sage es ganz unverblümt – mitbestimmt. 

Als ich zwölf war, musste ich lernen, damit umzugehen, dass ich „anders“ war als meine Freunde und Bekannten. Ich war körperlich nie so belastbar wie andere Menschen in meinem Alter. Was für die einen ein cooler Shoppingnachmittag war, brachte mich körperlich an meine Grenzen. So lernte ich ihn näher kennen, den Schmerz. Ich beobachtete, dass er sich verstärkte, wenn ich die Bedürfnisse meines Körpers nicht wichtig nahm. Aber auch, wenn ich mich unwohl fühlte oder gestresst war.

Es gab Zeiten, in denen ich versuchte, meine Erkrankung zu ignorieren. Doch das gelang nie wirklich. Irgendwann verstand ich, dass ich so nicht weiterkomme. Die Erkrankung war und ist da und begleitet mich. Heute habe ich das akzeptiert und sorge gut für mich. 

Wie ich dahin gekommen bin? – An einem Tiefpunkt in meinem Leben vor etwa zehn Jahren fasste ich einen Entschluss: „Ich lasse es nicht zu, dass die Tatsache einer Erkrankung mein Leben auch nur ein Quäntchen weniger lebenswert macht, als das anderer Menschen!“ An jenem Tag setzte ich mir ein großes Ziel: Ein möglichst erfülltes Leben zu führen! Mit der gesundheitlichen Einschränkung, die mein Leben prägt.

Das war nicht immer einfach, da ich jetzt mit der Krankheit konfrontiert war. Nach und nach deckte ich auf, was ich Belastendes über mich und meinen Körper dachte. Zum Beispiel: Ich bin nicht gut genug. Oder: Ich bin nicht liebenswert. Einmal identifiziert, ging es darum, mit diesen Gedanken zu arbeiten. Dabei half mir eine simple und zugleich großartige Methode: The Work von Byron Katie. Die Begründerin dieser Methode hat eine Erfahrung gemacht: Dass belastende Gefühle die Folge einschränkender Gedanken sind. Werden diese mit vier einfachen Fragen untersucht, kann sich eine Menge Stress lösen.

Über Monate arbeitete ich mich durch meine Überzeugungen hindurch und nach und nach wurde es mir leichter ums Herz. Bald drückte ich belastende Gedanken nicht mehr weg, wenn sie auftauchten, sondern schaute mit einem neugierigen Blick darauf. Denn ich wusste: Ich habe ein wertvolles Werkzeug zur Verfügung, das mir helfen wird, damit umzugehen. Auf diese Weise konnte ich letztlich viel emotionalen Ballast loszulassen.

Was in dieser Zeit noch passierte: Ich lernte mich selbst und meine Bedürfnisse besser kennen. Schritt für Schritt begann ich, mehr auf diese zu hören und für mich einzustehen. Niemals werde ich den Moment der Erleichterung vergessen, als ich mich ganz bewusst für mich entschied und meinen Job, der mir körperlich nicht guttat, endlich kündigte. Gegen die Erwartungen der anderen. Und gegen die Erwartungen an mich selbst. Meine eigenen Erwartungen hielten mich lange in diesem Job. Ich sagte mir:„Du hast studiert und übst jetzt einen gut bezahlten sozialversicherungspflichtigen Job aus. Sei dankbar und stell dich nicht so an. Du willst eine Familie gründen, also brauchst du diesen Job. Auch wenn du vor Schmerzen kaum mehr kannst. Versuch es zu ignorieren. Vielleicht hilft das Tape bald. Die Schmerzmittel wirken doch ganz gut.“ 

An meiner körperlichen Schmerzgrenze angekommen, begann ich auch diese Gedanken zu hinterfragen. Ich verstand, wie rücksichtslos und streng ich mich meinem Körper gegenüber verhalten hatte. Und machte Schluss mit dem Job. Das war ungemein befreiend. Und eine Wohltat für Körper und Seele. 

Ich lebe kein Bilderbuch-Leben. Und doch bin ich heute froh, sagen zu können: Mein Leben ist erfüllt! Der Weg dorthin erforderte vor allem eines: Verantwortung zu übernehmen, für mich, meine Gedanken und meinen Körper. In der Praxis war und ist das oft herausfordernd. Ich muss zum Beispiel beim Thema Bewegung stets diszipliniert bleiben. Zwei- bis dreimal Sport die Woche müssen drin sein, damit ich mich in meinem Körper wohlfühlen kann. Gebe ich dem Impuls der Bequemlichkeit nach, so erreichen die Rückenschmerzen schnell ein Niveau, das mich ziemlich lahmlegen kann. 

Wie es bei mir derzeit um das Thema Schmerzen steht? – Es geht bergauf! Ganz ehrlich, es war hart durch den langen Herbst und Winter zu kommen – ohne Schwimmbad, Sportstudio und Sauna. Der lange Lockdown brachte meine Balance zwischen Arbeit, Bewegung und Entspannung stark ins Wanken. Die Schmerzen wurden mehr. Das war herausfordernd. Doch nun befinden wir uns mitten im Sommer 2021, die Corona-Fallzahlen sind runter und mein Fitnessstudio ist wieder geöffnet. Genauso wie die Berliner Freibäder! Deshalb buche ich jetzt gleich nen Termin und auf geht’s ins kühle Nass!

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