Eine Taxifahrt

Das Logo von die neue Norm auf rosa Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Leon Amelung.
Lesezeit ca. 3 Minuten

Ich wollte eine Wohnung besichtigen. Weil meine Mutter meinen Rollstuhl nicht in ihr Auto heben konnte und eine Fahrt mit dem ÖPNV zu umständlich war und zu lange gedauert hätte, beschloss ich, ein Taxi zu rufen. Ich erkundigte mich bei der Taxizentrale, wie viel eine Fahrt zu der Adresse kosten würde. 23 Euro. So weit so gut. Der Rollstuhl wurde hinten in den Kofferraum gepackt und ich setzte mich auf die Rückbank. Ich nannte dem Taxifahrer die Adresse. Da ich bei der Zentrale Bescheid gesagt hatte, wohin ich wollte, ging ich davon aus, dass sie die Information an ihn weitergegeben hatte. Meine Mutter fuhr vor und ich sagte ihr, dass wir uns am Zielort treffen würden. Der Fahrer bekam das mit. 

Schon zu Beginn der Fahrt begann ich, mich unwohl zu fühlen. Der Fahrer fuhr nicht die gleiche Strecke, wie meine Mutter. “Naja”, dachte ich, “manchmal kennen Taxifahrer ja so Schleichwege.” Das kannte ich schon von anderen Fahrten. Aber dieser Fahrer tuckerte mir etwas zu sehr durch die Gegend. Er fragte mich, was ich denn vorhabe. Er war wohl einer von den neugierigen Fahrern. Ich antwortete noch nett und freundlich: “Wohnungsbesichtigung”. Ich wollte ihm damit auch zu verstehen geben, dass ich einen Termin habe und es mir wichtig ist, pünktlich am Zielort anzukommen. 

Irgendwann kam ich dann an. Allerdings nicht dort, wo ich hin wollte. Ich wusste, wie das Gebäude aussieht, weil ich mit meiner Mutter schon mal daran vorbeigefahren war und ich wusste, dass der Fahrer mich zu einer falschen Adresse gebracht hatte. Ich wies ihn darauf hin. Er meinte: “Aber das ist doch die Adresse die sie mir genannt haben.” Trotz der Maske, die er trug, erahnte ich sein Grinsen. Ich bekam das Gefühl, dass er mich absichtlich zur falschen Adresse gefahren hatte. Warum er das tat, war mir nicht sofort klar, weil ich merkte, wie ich Angst vor diesem Typen bekam. Ich fing an zu zittern. Ich wusste nicht, wo genau ich mich befand. Durch meine Behinderung habe ich auch Probleme mit meinem Orientierungssinn. Welche Optionen hatte ich? Ihn bitten, mich aussteigen zu lassen und ein neues Taxi zu rufen? Nein. Das würde zu lange dauern. Meine Mutter ist bestimmt schon bei der Adresse angekommen und machte sich Sorgen. Mit zittrigen Händen wählte ich ihre Nummer. 

Das Gruselige war ja, dass die Adresse stimmte. Nach einem Telefonat meiner Mutter wusste ich, dass es die Straße und die Hausnummer zweimal mit verschiedenen Postleitzahlen gibt. Der Fahrer merkte, dass ich Angst bekam und sagte, es sei kein Problem, aber es wäre meine Schuld gewesen. Ich hätte ihm die Postleitzahl geben sollen. Das Navi sei kaputt. Ich hörte nicht richtig zu. Hielt es aber für besser, ihm nicht zu widersprechen. 

Am Zielort nahm er mir doppelt soviel Geld ab wie anfangs angekündigt. Ich wusste, wenn ich nicht zahle, würde er meinen Rollstuhl nicht aus dem Auto heben. In diesem Moment fühlte ich mich hilflos, dem Fahrer ausgeliefert, wütend. Meine Mutter kam zum Taxi gerannt und beschimpfte den Fahrer. Er sollte ihr eine Quittung ausstellen, was er verweigerte. Nachdem meine Mutter den Fahrer angeschrien hatte, fuhr er schnell weg. 

Nach der Besichtigung half jemand vor Ort meinen Rollstuhl in den Kofferraum des Autos meiner Mutter zu heben und ich fuhr mit ihr nach Hause. Ich schrieb der Taxizentrale eine Mail und schilderte den Vorfall. Ein paar Tage später meldete sich der Chef bei mir. Der Fahrer sei in der Vergangenheit schon öfter wegen sogenannter “Fahrpreisübervorteilungen” aufgefallen. Ich werde mein Geld wiederbekommen. Der Fahrer hätte mich nach der Postleitzahl fragen sollen. 

Das Unangenehme an der Situation war für mich, dass der Fahrer meine Mobilitätseinschränkung ausnutzte. Ein nichtbehinderter junger Mann hätte sich anders wehren können, als ich. Der wäre wahrscheinlich ausgestiegen und hätte sich ein anderes Taxi gerufen. 

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Eine Antwort

  1. Die Handlung des Taxifahrers ist eine Frechheit. Ich kann die Angst und Empörung von Herrn Amelung gut nachvollziehen. Mein Name ist Jeannette und ich bin stark sehbehindert. Wenn ich allein unterwegs bin trage ich ein Verkehrsschutzzeichen und meine Behinderung ist daher erkennbar.
    Was ich nicht verstehe ist die Motivation. Was bringt Menschen dazu, Personen mit Einschränkungen in die Irre zu führen. Erst neulich hatte ich einen langersehnten Facharzttermin. Ich wollte die Tram nehmen. Es waren 2 angezeigt, die zur selben Zeit eintreffen sollten. Gegen die Sonne konnte ich nicht erkennen, welche zuerst kommt. Also bat ich eine Frau um Hilfe. Die Antwort kam prompt. Das sie gelogen war merkte ich erst, als die Tram geradeausfuhr statt abzubiegen. Auf meine Frage , warum ich falsch informiert wurde bekam ich zur Antwort:”Weil Du zu blöd bist, eine Zahl zu lesen!” Zu meinem Termin kam ich fast zu spät.

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