“Du siehst aber gar nicht blind aus!”

Das Logo von die neue Norm auf orangem Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Nadine Rokstein.
Lesezeit ca. 2 Minuten

Bei der Sinnesbehinderung „Blindheit“ suchen Menschen oftmals nach einem Merkmal oder Hinweis, der auf die Blindheit schließen lässt. Ob geschlossene Augen, starre Augen, weiße-milchige Augen oder die klassische Sonnenbrille – Menschen haben die unterschiedlichsten Vorstellungen von Blindheit. 

Gerade in den Medien wird kaum eine blinde Person ohne eine dunkle Brille dargestellt. Denken wir an blinde Personen, kommen uns Bilder von Berühmtheiten wie Stevie Wonder oder Ray Charles in den Kopf. Persönlichkeiten, die eine dunkle Brille tragen und das Bild von Blindheit geprägt haben. Dies zeigt, dass wir mehr Repräsentation von behinderten Menschen in den Medien brauchen, um so verschiedene Lebensrealitäten abbilden zu können. Wir finden Beispiele in der Serie/Film „Daredevil“ oder „Don‘t look up“. In „Don‘t look up“ griff ein FBI-Agent auf dieses Stereotyp zurück, um eine blinde Person darzustellen. Ein weiteres Beispiel findet sich in dem Tatort „Blind Date“ (2021). Dort spielte die Schauspielerin Henriette Nagel eine blinde Jurastudentin und auch hier wurde sich dem Stereotyp einer dunklen Brille bedient.

Viele Augenerkrankungen gehen mit einer Blendempfindlichkeit einher. Für diese stehen Kantenfilterbrillen mit verschiedenen Tönungen als Hilfsmittel zur Verfügung. Denn Blindheit ist mehr als „Nichts-Sehen“. Blindheit ist ein Spektrum mit verschiedenen Abstufungen.

Natürlich gibt es auch Personen, die Sonnenbrillen tragen. Blinde Personen werden jedoch durch diese Bilder in den Medien stigmatisiert dargestellt, statt auf individuelle Weise. Hierbei machte ich die Erfahrung, dass Personen von plötzlicher Genesung sprechen, wenn ich meine Brille ausnahmsweise nicht trug. Die Behinderung wird dann teilweise abgesprochen, da sie nur mit Brille vorhanden sein kann. Hilfe wird schneller erteilt, da man mit der Brille als blind gelesen wird. Um daher auch als „blind“ erkannt zu werden, bekam ich schon den Tipp, die Brille zu tragen, da der Stock nicht immer erkannt wird. Jedoch darf Stigmatisierung nicht die Lösung sein. 

Gerade in Zeichentrickserien werden Personen mit weißen milchigen bzw. hellblauen Augen dargestellt (zum Beispiel Toph aus den Avatar-Animes) und auch in der Mystery-Serie „Supernatural“ wurden die Augen von blinden Menschen milchig dargestellt. Diesem Klischee bedienen sich noch weitere Filme- und Serien. Dabei muss eine Blindheit oder Sehbehinderung nicht zwangsläufig an den Augen erkennbar sein. Viele Erkrankungen oder Gendefekte zeigen keine visuellen Anzeichen. Hier kommt auch oft der verletzende Satz „Du siehst aber gar nicht blind aus.” Das führt zu einer Absprache der Behinderung und das Pressen in ein stereotypes Bild, das verinnerlicht wurde. Doch wie sieht eine blinde Person aus? Woher nimmt eine Person das Recht, mir zu sagen, wie ich auszusehen habe? Es gibt nicht das eine Bild von blinden/sehbehinderten Menschen. Und deshalb sollten auch Darstellungen von blinden Menschen vielfältiger werden, statt Stereotype zu bedienen.

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4 Antworten

  1. immerhin gibt es mehr blinde Kommissare und Rechtsanwältinnen als blinde Medienschaffende, nicht mal in Magazinen die sich für Inklusion und Teilhabe beschäftigen- vor allem nicht in den Schaltstellen sprich Redaktionen.

  2. Frage: Wie sollen denn Ihrer Meinung nach in den Medien blinde Menschen optisch dargestellt werden? Ehrlich gesagt finde ich die dunkle Brille in dem Fall nicht dramatisch. Genau wie ich die Aussage ‘Du siehst aber gar nicht blind aus’ nicht als verletzend sehe. Sie bietet doch die Möglichkeit eines aufklärenen Gesprächs. Ich bin Rollstuhlfahrer und ab und an bekomme ich auch schräge Aussagen ab. Der letzte Brüller war ‘Du gehst arbeiten??? So Leute leben doch normal in Einrichtungen’. Ich hätte da jetzt beleidigt sein und ‘Ableismus’ kreischen können – ich habe mich beherrscht nicht laut über diesen Bildungsmangel loszulachen und die gute Frau mal kräftig aufgeklärt.
    Ich finde es überheblich von jedem auf absolutistische Weise zu verlangen, daß er über jede Behinderung und ihre Auswirkungen Bescheid weiß. Mir reicht es vollkommen, wenn sich die Leute aufklären lassen. Macht man jedesmal, wenn einer Mist redet, einen Aufstand, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Leute einen Bogen um Behinderte machen, weil sie es ja doch nicht recht machen können.

    1. Hallo und vielen Dank für Ihre Fragen
      Einerseits finde ich es schwierig, wenn Sie es nicht “dramatisch” finden wie blinde Mneshen dargestellt werden, wenn Sie selbst nicht zu der Gruppe gehörten. Wie wir dargestellt werden sollten? Am besten vielfältig und realtistisch.
      Persönlich finde ich, ist es doch das Schöne, das behinderte Menschen individuell sind und jede Person Ihre eigene Meinung hat. Es ist doch vollkommen okay, dass Sie diese Fragen nicht stören. Genauso okay ist es aber, wenn diese Fragen und Vorurteile stören. Letzendlich zeigen diese Fragen und Vorurteile, dass es an Begegnungen fehlt. Warum ich diese Frage problematisch finde, habe ich ja bereits in der Kolumne beschrieben.
      Viele Grüße

      1. Hallo Frau Rokstein, ja, ich bin nicht blind. Rollstuhlfahrer werden durchaus auch steriotyp dargestellt. Jedoch habe ich in den letzten Jahrzehnten durchaus Verbesserungen festgestellt. Die berühmte karierte Decke, meist rot-grün, sieht man bei neueren Produktionen kaum noch. Die Schauspieler lernen vorher das Rollstuhlfahren. Es gibt mittlerweile auch Rollen mit Rollstuhl, bei denen der Rollstuhl nicht ununterbrochen im Vordergrund steht. Die Tränendrüse wird auch nicht mehr so oft bedient. Zugegebenermaßen habe ich die Entwicklung der Darstellung Blinder nicht so sehr verfolgt. Aber ich meine, es gäbe eine Serie mit einer blinden Anwältin ohne dunkle Brille, die wohl recht gut rüberkommt.
        Wenn die Erlebnisse der ‘anderen Art’ heute noch so häufig wären, wie vor 30 – 40 Jahren, dann würde mir das auch auf den Geist gehen und ich hätte keine Lust mehr immer wieder das Gleiche zu erklären. Aber so oft passiert das wirklich nicht mehr.

        Noch etwas: Es freut mich, daß Sie reagiert haben

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