Kürzlich wurde in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. In Sachsen liegt die CDU knapp vor der AfD, in Thüringen gewinnt die in Teilen rechtsextreme Partei, in Brandenburg ist die AfD bei der Landtagswahl fast stärkste Kraft geworden. Als Magazin, das sich mit Inklusion und Disability Mainstreaming beschäftigt, interessiert uns: Wie geht es Menschen mit Behinderungen, queeren, Schwarzen, FLINTA* und BIPoC mit diesen Ergebnissen? Wie geht es Menschen, die sich für Demokratie und Vielfalt einsetzen? Was sind ihre Erlebnisse, Befürchtungen und Ängste? Aber auch: Was gibt ihnen Kraft? Wir haben einige Stimmen hier versammelt.
„Als Selbstvertretungsgruppe von geflüchteten Menschen mit Behinderungen erleben wir die Wahlergebnisse in Sachsen, Thüringen und Brandenburg mit großer Besorgnis. Die AfD und andere rechtsextreme Kräfte stellen nicht nur unsere Rechte als Menschen mit Behinderungen infrage, sondern auch unser Existenzrecht als Geflüchtete. Dennoch schöpfen wir Kraft aus unserer Gemeinschaft und der Solidarität vieler in der Zivilgesellschaft. Wir werden weiterhin für eine inklusive, vielfältige und menschenwürdige Gesellschaft kämpfen, in der niemand aufgrund von Herkunft oder Behinderung ausgeschlossen wird.“
Gruppe NOW! Nicht Ohne das Wir
„In Thüringen spüren Menschen mit Migrationsbiographie den zunehmenden Druck durch den wachsenden Zuspruch für die rechtspopulistische und (in Thüringen) erwiesen rechtsextreme AfD. Es herrschen Ängste vor weiterer Ausgrenzung, Gewalt und Diskriminierung, sowohl in der Gesellschaft, im Alltag, als auch auf struktureller Ebene. In einem zunehmend polarisierten politischen Klima sehen wir die Vielfalt als unsere größte Ressource. Kraft schöpfen wir aus der Solidarität innerhalb unserer Netzwerke und der Unterstützung durch andere zivilgesellschaftliche Akteure. Dennoch brauchen wir verstärkte politische Rückendeckung von den demokratischen Parteien, finanzielle Stabilität und mehr gesellschaftliche Aufklärung, Anerkennung und Sichtbarkeit, um unsere Arbeit langfristig fortführen zu können.“
Bulganchimeg Nyamaa, Referentin für Demokratiearbeit, MigraNetz Thüringen e.V.
„Als LIGA Selbstvertretung Thüringen e.V, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzt, haben wir die Entwicklungen bei den Wahlen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Unsere Sorge gilt dabei vor allem dem sozialen Zusammenhalt und der gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen. Ohne Scheu und Angst vor Stigmatisierung müssen fehlerhafte Entscheidungen in der Vergangenheit aufgearbeitet werden, denn Vertrauen und Transparenz ist die Grundlage unseres Zusammenlebens. Wir appellieren an alle politischen Akteure, sich für eine Gesellschaft einzusetzen, in der Vielfalt als Bereicherung gesehen wird und niemand aufgrund von Herkunft, Behinderung oder sozialem Status benachteiligt wird.“
Alexander Brick, Geschäftsstellenleiter, LIGA der politischen Interessen- und Selbstvertretung von Menschen in Thüringen e.V.
„Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sind besorgniserregend, denn mit der AfD wird eine autoritär-populistische Partei immer stärker und rechtsextreme Positionen salonfähig. Unsere Demokratie steht unter Druck, viele Menschen leben in Sorge. Wir wollen dagegenhalten und fordern mit unserer „Leipziger Erklärung für Demokratie” die Landtage auf, die Demokratie durch Sicherungsmechanismen, Innovationen und mehr Beteiligung zu schützen und stärken.“
Mehr Demokratie e.V.
„Mit dem Bruch der Ampelkoalition, dem Ausgang der US-Wahl und einem besorgten Blick auf die Thüringer Koalitionsverhandlungen befürchten wir herbe Einschnitte für die Thüringer Demokratiearbeit. Demokratie und Gesellschaft werden angegriffen und die notwendige Bildungsarbeit für ein gutes Miteinander in Vielfalt, für gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen, für eine demokratische Gesellschaft und einen verlässlichen Rechtsstaat steht auf dem Spiel. Wir fordern die gewählten Abgeordneten auf, ihre Verantwortung gegenüber unserer Gesellschaft wahrzunehmen und sich dringend für die Verabschiedung der Haushalte einzusetzen. Angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation ist eine Absicherung der Demokratiearbeit über den Jahreswechsel existenziell.“ Link zum vollständigen Statement.
MigraNetz Thüringen e.V.
Thüringer, thadine e.V., LAG Bildung für nachhaltige Entwicklung Thüringen, Netzwerk Demokratiebildung in Thüringen
„Wir als queere Mitarbeitende sorgen uns vor allem um die vulnerabelsten Gruppen: queere Geflüchtete Personen, queere Bi_PoC, queere Kinder und Jugendliche und vor allem solche, die im ländlichen Raum leben. Als Verein sehen wir, wie viel Arbeit Initiativen und Einzelpersonen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gerade da reinstecken, gegen den Rechtsruck zu arbeiten und die Folgen dessen aufzufangen. Hoffnung gibt uns gegenseitige Solidarität und Gemeinschaft.“
RosaLinde Leipzig e.V.
„Als feministische Fachstelle mit Fokus auf intersektionale Mädchenarbeit sehen wir mit großer Sorge, wie rechtsextreme Tendenzen nicht nur den Raum für marginalisierte Gruppen weiter einschränken, sondern auch den gesamten gesellschaftlichen Diskurs nach rechts verschieben. Menschen, die mehrfach diskriminiert werden – insbesondere Frauen, BIPoC, queere und trans Personen, Menschen mit Behinderungen – sind durch diesen Rechtsruck noch stärker bedroht und erleben vermehrt Ausgrenzung und Gewalt. Unsere Kraft schöpfen wir aus der Solidarität untereinander und dem unerschütterlichen Glauben daran, dass Vielfalt und Inklusion unsere Gesellschaft bereichern. Wir wünschen uns eine klare, lautstarke und nachhaltige Unterstützung durch die Zivilgesellschaft und die Politik, um dem Rechtsruck entschieden entgegenzutreten.“
Fachstelle Mädchenarbeit und Genderkompetenz der LAG Mädchen* und junge Frauen* in Sachsen e.V.
“Solange Menschen zusammen musizieren, solange wie beim gemeinsamen Singen andere Stimmen nicht stören, sondern gemeinsamen Wohlklang bilden, lebt unsere Demokratie von dieser Vielfalt. Es gibt immer auch eine andere Stimme aka andere Meinung – und die muss genauso hörbar sein wie unsere Meinung. Für Hass und Ausgrenzung ist kein Platz!”
Wolfram Korr, Brandenburgische Sommerkonzerte
„Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen machen die jüngsten Wahlergebnisse Angst. Angesichts dieser Entwicklung fühlen sie sich immer weniger willkommen. Weil sich Hass und Hetze rasant ausbreiten in unserer Gesellschaft, wird das öffentliche Eintreten für die Demokratie immer wichtiger. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hatte daher vor allen Wahlen in diesem Jahr eine klare Empfehlung gegeben: Teilhabe statt Ausgrenzung. Keine Stimme für die AfD.“
Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Bundesministerin a.D.
„Menschen, die im Alltag mit Diskriminierung konfrontiert sind, schauen sorgenvoll in die Zukunft. Nach den Wahlen ist die Angst vor Rückschritten in der Arbeit, die für Partizipation, Teilhabe, Selbstbestimmtheit und Vielfalt schon erreicht wurde, die Angst vor Diskriminierung und Schutzlosigkeit wieder ein Stück konkreter geworden. Hoffnung gibt, dass zwei Drittel der Thüringer Wähler*innen keine rechtsextreme Partei gewählt haben. Seit Jahrzehnten gibt es viele Menschen, Bündnisse, Vereine und Netzwerke, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren und die sich für Teilhabe, Antidiskriminierungsarbeit und Diskriminierungsschutz in Thüringen einsetzen. Alle prodemokratischen Akteur*innen in Politik, Zivilgesellschaft, Behörden, Wirtschaft und sonstigen Bereichen stehen nun, stärker denn je, gemeinsam in der Verantwortung, dies zu intensivieren. Und das, mehr als bisher, durch die Partizipation der Menschen, die wissen, was es heißt Diskriminierung zu erleben.“
Dr. Janine Dieckmann, stellv. wissenschaftliche Leitung Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft
„Wir sehen gerade, wie wichtige menschenrechtliche Prinzipien wie der Flüchtlingsschutz ins Wanken geraten. Dasselbe gilt für unsere Verpflichtung, niemanden von der Existenzsicherung auszuschließen. Sie gilt auch für geflüchtete Menschen, umso mehr, wenn sie eine Behinderung haben. Es besorgt uns, dass unsere Gesellschaft kälter und gespaltener zu werden scheint und, dass menschenrechtliche Argumente für viele an Bedeutung verlieren.
Selbst aktiv werden und sich vernetzen
Ihr wohnt in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg und wollt euch gerne vernetzen und euch für Demokratie und Teilhabe einsetzen? Wir haben euch ein paar übergeordnete Links zusammengestellt, über die ihr eine Vielzahl an Vereinen und Initiativen finden könnt, die sich in diesem Bereich engagieren. Schreibt uns gerne, wenn ihr euch auch mit einem kurzen Statement beteiligen wollt. Zusammen sind wir stark!
Sachsen
LAG Mädchen* und junge Frauen* in Sachsen: Frauen* und Organisationen im Kontext von Gleichstellungsarbeit und Jugendhilfe
Lebenshilfe Brandenburg: Verein für Menschen mit geistiger Behinderung
Netzwerk für Demokratie und Courage: Politische Bildung und Beratung gegen Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit
Orte der Demokratie Sachsen: Orte des Gemeinwesens stärken & Menschen verbinden
RosaLinde Leipzig e.V.: Verein für queere Begegnung, Bildung und Beratung
Tolerantes Sachsen: Überblick über verschiedene Vereine und Initiativen nach Regionen
Thüringen
Denk Bunt: Landes-Demokratiezentrum Thüringen
Gemeinsam gegen Rechts Thüringen: Thüringer Bündnisse, Initiativen und Netzwerke gegen Rechts
IDZ Jena: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft
LAG Bildung für nachhaltige Entwicklung
LIGA Thüringen: Zusammenschluss der freien Wohlfahrtspflege
MigraNetz Thüringen: Landesverband der Migrant*innenorganisationen
MOBIT: Mobile Beratung in Thüringen. Für Demokratie – gegen Rechtsextremimus
Netzwerk Demokratiebildung in Thüringen
thadine e.V.: Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk e.V.
Brandenburg
Brandenburg zeigt Haltung: Organisationen, Einrichtungen, Unternehmen, Verbände und Vereine, die „Brandenburg zeigt Haltung!“ unterstützen
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung: Informationen, Veranstaltungen und Ausstellungen im Kontext Demokratiebildung
Brandenburgische Sommerkonzerte: Musikfestival
NOW! Nicht ohne das Wir Selbstvertretungsgruppe von geflüchteten Menschen mit Behinderung
Tolerantes Brandenburg: „Partnerschaften für Demokratie“ sind regionale Bündnisse für Demokratie und Toleranz