Banden bilden mit Raúl Aguayo-Krauthausen: „Auch nicht-behinderte Menschen haben ein Recht darauf, mit behinderten Menschen zusammenzuleben.“

Der Aktivist Raul Krauthausen ist als Halbporträt vor schwarzem Grund zu sehen. Er sitzt im Rollstuhl, trägt eine Brille, einen Bart und eine Schiebermütze. Es fällt blau-rotes Licht auf ihn.
Raúl Krauthausen ist Deutschlands bekannteste Stimme, wenn es um Inklusion geht. Foto: Anna Spindelndreier.
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Er ist Deutschlands bekanntester Inklusions-Aktivist und Gründer der Sozialheld*innen. Mit Raúl Aguayo-Krauthausen starten wir die Interview-Reihe „Banden bilden mit…“, in der wir mit Aktivist*innen aus verschiedenen Communities sprechen. Uns interessiert, wo sich ihre Anliegen unterscheiden, was wir voneinander lernen und wie wir uns solidarisieren können. Mit Raúl sprechen wir über Beziehungsarbeit, systemische Inklusion und Dinge, auf die er stolz ist. Und er nominiert die Aktivist*in, mit der wir als Nächstes sprechen…

Was beschäftigt dich gerade?

Die Frage, wie wir Inklusion nicht nur thematisch, sondern systemisch und nachhaltig verankern können, beschäftigt mich. Es reicht nicht aus, wenn wir uns mit dem Thema punktuell oder ausschließlich auf der Aufklärungsebene auseinandersetzen – wir müssen uns fragen, warum wir Barrieren aufrechterhalten und wie wir diese abbauen können. Sei es technisch oder rechtlich. Dabei denke ich oft an die vielen Stimmen von Menschen, die strukturelle Benachteiligungen erleben, und wie wir sie vollumfänglich in Entscheidungsprozesse in allen Ebenen und Bereichen einbeziehen können.

Was hast du von deiner Community, von Freund*innen oder deinem Aktivismus gelernt?

Ich habe gelernt, dass echte Veränderung von Beziehungen lebt. Begegnungen und Dialoge sind der Schlüssel, um Vorurteile abzubauen und gemeinsam Perspektiven zu erweitern. Die Community hat mir gezeigt, dass jeder Mensch Stärken und Wissen besitzt, die Welt ein bisschen besser zu machen – ob durch kleine Gesten oder große Aktionen. Es kommt darauf an, gemeinsam zu kämpfen.

Welche Projekte oder Aktionen sind dir wichtig?

Ich mag Projekte, die marginalisierten Gruppen eine Stimme geben und aktiv an Veränderungen arbeiten. Zum Beispiel die Wheelmap, eine Onlinekarte für rollstuhlgerechte Orte. Sie macht Barrierefreiheit sichtbar und bringt für behinderte Menschen einen direkten Nutzen im Alltag. Ich mag auch die Plattform Die Neue Norm – ein journalistisches Online-Magazin, das gesellschaftspolitische Mechanismen behandelt und hinterfragt. Und das Projekt JOBinklusive hilft Menschen mit Behinderungen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Diese Projekte erkennen strukturelle Probleme und zeigen Lösungen auf.

Porträt von einem Mann mit Brille und Bart. Er trägt eine schwarze Schiebermütze und ein hellgrau harriertes Hemd und lächelt leicht.

Raúl Aguayo-Krauthausen

ist Deutschlands bekannteste Stimme, wenn es um Inklusion geht. Wer ihn auf der Bühne erlebt oder seine medienübergreifenden Statements und Aktionen verfolgt, nimmt jede Menge Inspiration, Motivation und gewitzte Denkanstöße mit. Als studierter Kommunikationswirt und Design Thinker arbeitet er in der Internet- und Medienwelt. Das Netz ist sein zweites Zuhause. Dort schreibt er über die Dinge, die ihn bewegen. Mal humorvoll, mal ernst und mal mit spitzer Zunge. Immer mit Haltung und Schiebermütze.
Foto: Anna Spindelndreier

Wenn die Kultur sich verändert, zieht die Politik nach.

Auf welchen Moment bist du stolz?

Das ist schwer zu beantworten. Ich glaube, es ist die Summe aller kleinen und größeren Aktionen und Taten. Etwas, das mich dabei sehr stolz macht, ist, mit wie vielen tollen Menschen ich zusammenarbeiten darf. In meinem Verein und in den Organisationen, in denen ich mich engagiere, treffe ich auf fantastische Mitstreiter*innen. Es macht mich stolz, mit diesen Menschen an einem Strang zu ziehen, um unsere Gesellschaft inklusiver zu gestalten.

Gibt es ein Buch, einen Podcast, einen Film oder etwas anderes, das dich in deinem Aktivismus geprägt hat?

Das Buch von Anne Gersdorff und Karina Sturm „Stoppt Ableismus“ hat mir nochmal gezeigt, dass es nicht reicht, einfach nur über behinderte Menschen und ihre Themen zu reden. Es ist wichtig zu verstehen, dass es auch um Taten geht, die große Unterschiede machen können. Als Zweites kann ich die Serie 1 Meter 20 sehr empfehlen. Es geht um eine 17-Jährige, die im Rollstuhl sitzt und sich nach ihrem ersten Mal sehnt. Ich mochte die selbstbestimmte Perspektive auf Sexualität und Behinderung.

Welcher Satz steht auf deinem Demo-Plakat?

Auch nicht-behinderte Menschen haben ein Recht darauf, mit behinderten Menschen zusammenzuleben.

Was gibt dir derzeit Hoffnung?

Das Culture Hack Lab – als Aktivist erlebt man es oft, dass man an den politischen Stellen auf Granit stößt. In der aktuellen Regierung sind kürzlich wieder die Belange behinderter Menschen hinten runtergefallen. Das Culture Hack Lab setzt bei der Kultur an und versucht dort, mit effektiven und inklusiven Aktionen, Umbrüche zu erwirken. Wenn die Kultur sich verändert, zieht die Politik nach. Das ist ein Ansatz, der in der Umsetzung auch Spaß machen kann.

An wen gibst du den Staffelstab weiter und warum?

Ich gebe den Staffelstab an Cécile Lecomte weiter. Sie ist eine in Deutschland lebende französische Umweltaktivistin, die Klimaschutz und Inklusion zusammenbringt.

Meine Frage an Cécile Lecomte: Wann hast du dich zuletzt in deinem Engagement selbstwirksam gefühlt?

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