Wie das Buch „Hits Different“ von der gehörlosen Autorin Tasha Ghouri und der autistischen, nicht-binären Autor*in Lizzie Huxley-Jones mit Diversität und Authentizität überzeugt. Eine Rezension des Liebesromans mit gehörloser Hauptfigur von Melissa Wessel, Chefredakteurin der Deutschen Gehörlosenzeitung.
Taube Autorinnen im Literaturbetrieb
Bücher mit tauben Hauptfiguren gibt es viele –aber bei solchen Büchern, die von tauben Personen geschrieben wurden, schrumpft die Zahl beachtlich. Mit „Hits Different“ von Tasha Ghouri reiht sich ein weiteres Buch in die Kategorie „Taube Autorinnen“ ein. Das englischsprachige Buch wurde gemeinsam von der gehörlosen Tänzerin und in Großbritannien bekannten Persönlichkeit Ghouri und Lizzie Huxley-Jones, autistisch und nicht-binär, geschrieben.
Worum es geht
In dem Buch geht es um Cassie, die einenverhassten Job hat und mit einem Mann ausgeht, dem sie eigentlich völlig egal ist. Sie träumt davon, Tänzerin zu werden. Für Cassie sind es nur Träume, bis sie die Gelegenheit hat, Hintergrundtänzerin für einen Superstar zu werden. Diese Chance führt sie nach Ibiza, wo sie nicht nur in die Tanzwelt eintaucht, sondern auch die wahre Liebe findet. Auf 350 Seiten wird eine Geschichte erzählt, die die Leserschaft schnell in seinen Bann zieht.
Gehörlosigkeit und CI authentisch dargestellt
Der Klappentext verrät nicht, dass die Hauptprotagonistin gehörlos ist und ein CI – die Hörprothese Cochlea-Implantat – trägt. Das erfährt man erst nach rund zehn Seiten. War man am Anfang noch skeptisch, dass das CI – wie in so vielen Büchern aus hörender Feder –lobgepriesen wird, wird man schnell eines Besseren belehrt: Es wird als technisches Hilfsmittel beschrieben, das aber keinesfalls ein Wunderwerk ist. Die vielen Übungseinheiten, um sich an das CI zu gewöhnen sowie Kopfschmerzen und Müdigkeit werden oft erwähnt. Auch wird man beim Lesen positiv überrascht, dass die Britische Gebärdensprache (BSL) mehrmals erwähnt wirdund das in einem positiven Kontext.
Tanzen, Liebe und innere Konflikte
Da es eine Tanzromanze ist, steht zwar das Tanzen im Vordergrund – andere Themen kommen jedoch nicht zu kurz. Im Gegenteil: Die lesende Person erfährt viel über Cassies inneren Kampf mit der Gehörlosigkeit. An sich akzeptiert sie ihre Gehörlosigkeit, versteckt ihr CI aber und erzählt neuen Bekanntschaften auch nicht sofort, dass sie gehörlos ist. Dies führt unwiderruflich zu Situationen, die eigentlich vermeidbar gewesen wären.Die Geschichte überzeugt inhaltlich, hat auch einige unerwartete Wendungen zu bieten.

Das Buch versucht nicht, auf Teufel komm raus aufzuklären, sondern die Personen einfach so dargestellt werden, wie sie sind.
Melissa Wessel
Diversität ohne erhobenen Zeigefinger und Repräsentanz durch eigene Perspektiven
Auch Diversität wird im Buch großgeschrieben: Cassies engste Vertrauensperson ist Pen, eine nicht-binäre Person mit den Pronomen they/them. Pen wird nicht groß als nicht-binär vorgestellt, das wird erst geflissentlich erwähnt. Es kommen auch weitere Minderheitsgruppen vor. Das Ganze wird dadurch angenehm gestaltet, dass das Buch nicht versucht, auf Teufel komm raus aufzuklären, sondern die Personen einfach so dargestellt werden, wie sie sind. Hier merkt man deutlich den Einfluss von Ghouri und Huxley-Jones. Repräsentanz funktioniert eben doch am besten, wenn es von Angehörigen der marginalisierten Gruppen selbst kommt. Auch negative Erfahrungen wie Ableismus oder Diskriminierung kommen vor, was dem Buch mehr Authentizität verleiht.
Realismus und kleine Schwächen
Einziger Makel vielleicht: Cassie scheint vieles zu verstehen und hat augenscheinlich kaum Probleme, andere zu verstehen, außer es sind große Gruppen. Da fragt man sich an der einen oder anderen Stelle, wie realistisch das wirklich ist. Andererseits gibt es tatsächlich Personen, die ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit haben oder das Hören bzw. Verstehen sehr gut trainiert haben.
Fazit
„Hits Different“ ist eine empfehlenswerte Lektüre für alle mit guter Englischkompetenz, die Lust auf einen Liebesroman mit authentischer Diversität haben. Eine deutsche Übersetzung des Buches ist laut Verlag derzeit nicht geplant – aber was nicht ist, kann ja noch werden. Schön auch die Kernbotschaft: Das Leben kann viel schöner sein, wenn man an sich glaubt und sich selbst liebt.
Das Buch kann als Taschenbuch erworben werden, beispielsweise hier.
Dieser Artikel ist zuerst in der Deutschen Gehörlosenzeitung (Ausgabe 05/2025) erschienen.