Ableismus ist nicht witzig!

Nizar Akremi, Luke Mockridge und Shayan Garcia sitzen in Sesseln und sprechen in Mikros.
Äußerten sich im Podcast "Die Deutschen" ableistisch: Nizar Akremi, Luke Mockridge und Shayan Garcia. (v. l. n. r.) Foto: Screenshot Die Deutschen / YouTube
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Luke Mockridge war im Podcast „Die Deutschen” zu Gast und äußerste sich zusammen mit den beiden Hosts Nizar Akremi und Shayan Garcia ableistisch und menschenverachtend über Para-Sportler*innen und Menschen mit Behinderung. Jonas Karpa fasst die Ereignisse kommentierend zusammen.

Seit Jahrzehnten setzen sich Menschen mit Behinderung für eine klischee- und diskriminierungsfreie Repräsentation in den Medien ein. Insbesondere zu den wiederkehrenden paralympischen Spielen, bei denen das Thema Behinderung überdimensional im Fokus steht, wird für eine sensible Berichterstattung geworben. Das Projekt Leidmedien.de – seinerzeit zu den Paralympics 2012 in London gegründet – weist in seinen Leitfäden regelmäßig darauf hin, welche Stereotype doch bitte vermieden werden sollten. Dazu gehören das fast schon obligatorische „Leid“, was Menschen aufgrund ihrer Behinderung zu empfinden haben, oder die Inspiration, ja gar die heldenhafte Tapferkeit, die sie tagtäglich aufwenden, um ihr „Schicksal zu meistern“. Oft ist es aber auch schlichtweg die schamlose Benennung sämtlicher Diagnosen, die eine Person hat.

Auch aktuellen Para-Sportler*innen ist diese Art der Berichterstattung ein Dorn im Auge.

„Viele Medien stellen leider nicht meine Sportart Schwimmen oder meine Leistungen im Wettkampf in den Vordergrund, sondern meine Behinderung. Sätze wie ‚Wahnsinn, was sie trotz ihrer Behinderung alles erreicht hat' möchte ich nicht lesen. Ich mache diesen Sport nicht trotz meiner Behinderung, sondern aus genau denselben Gründen wie alle anderen auch. Ich liebe ihn und möchte erfolgreich sein.“

Berichterstattung, Sprache, Wörter können verletzend, diskriminierend und vor allem ableistisch sein. Welche extremen Formen das annehmen kann, zeigte gerade der Comedian Luke Mockridge und offenbarte seine menschenverachtende Haltung auf Inklusion und das Leben von Menschen mit Behinderung. Zu Gast im Podcast „Nizar & Shayan – die Deutschen“ redete er über die Paralympics in Paris.

„Ich finde das ist ein tolles Event für Inklusion, aber der Erste, der die Idee hatte, der ein anderes Land angerufen hat und gesagt hat ‚Ihr habt doch auch Behinderte in eurem Land? Sollen wir mal mal gucken, wer schnellere hat? Sollen wir die mal in einem Wettrennen gegeneinander antreten lassen?‘ Diese Idee ist wild! […] Es gibt Menschen ohne Beine und Arme und dann wirft man die in ein Becken… […] und der, der als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen.“

Zunächst sei anzumerken, dass die paralympischen Spiele nur wenig mit Inklusion zu tun haben. Ein inklusives Sportereignis würde bedeuten, dass Sportler*innen mit und ohne Behinderung an derselben Veranstaltung teilnehmen würden. Mockridge hat also nicht verstanden, was gelebte Inklusion wirklich bedeutet. Aber das nur am Rande. Viel schwerwiegender ist die ableistische, ja menschenverachtende Haltung Mockridges.

Das belustigende Thematisieren von ertrinkenden Menschen, das herzhafte Lachen über fehlende Gliedmaße, die kindliche Freude, sich dem Thema Behinderung zu widmen, als würde es als Zoobesuch betrachtet werden. All dies lässt einen beim Hören des Podcasts ganz anders werden. Auch dann, wenn sich im Laufe der Episode dann im vermeintlichen Scherz (sic!) darüber köstlich echauffiert wird, dass ja leider der Weitwurf von kleinwüchsigen Menschen durch die bösen Menschenrechtsorganisationen verboten wurde. Zudem stellen sie sich die Frage, wie wohl Kinder von Menschen, bei denen eine Person kleinwüchsig ist, aussehen würden. Gedanken, die an das sehr frühe 20. Jahrhundert erinnern, in denen behinderte Menschen in sogenannten „Freakshows“ zur Schau gestellt wurden. 

Es ist aber nicht nur Mockridge, der sich hier als Podcast-Gast im Ton vergreift. Besonders die beiden Hosts, der Comedian Nizar Akremi und YouTuber Shayan Garcia, fallen nicht zum ersten Mal mit Geschmacklosigkeit auf. Nizar Akremi lebt auf seinen Social Media Kanälen offen Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit zur Schau stellt, wie Nicole Ankelmann kürzlich in einem Beitrag auf ntv ausführt. Ein augenscheinliches Markenzeichen, Diskriminierung unter dem Deckmantel des Humors als Massengauglich zu verkaufen. Kalkuliert, diffamierend und ekelhaft.

„Luke Mockridge war heute im Podcast. Macht euch bereit, Woke Bubble. Wie es sich für einen Kobold gehört, habe ich eine ganz ekelhafte Seite rausgekitzelt. Ich freue mich auf das Rumgeheule.“

Statt dem Rumgeheule gab es Kritik. Heftige Kritik. Und das zurecht. 

“Für die Frage, warum Menschen sich den Mund fusselig reden, weil es immer noch welche gibt, die eine so menschenverachtende Sch** erzählen und behinderte Menschen einfach so niedermachen.”

“Luke Mockridge und seine beiden Mitstreiter haben Pech, dass Menschenverachtung, Ignoranz und Geschmacklosigkeit nicht paralympisch sind. Sonst hätten sie diese tollen Spiele als Athleten erleben können und wären heiße Gold-Kandidaten gewesen.”

“Solche herabwürdigenden Äußerungen sind absolut inakzeptabel und verdienen scharfe Verurteilung.”

“Wir möchten dazu ermuntern, sich Para-Sport live anzuschauen, um zu erleben, zu welch beeindruckenden Leistungen Menschen mit Behinderungen in der Lage sind - und, um zu verstehen, welche Bereicherung sie für unsere Gesellschaft sind.”

“Ist das das Ergebnis, wenn man seinem Kind zu oft vorgaukelt, es sei etwas ganz Besonderes: besonders unterhaltsam, besonders witzig, besonders spitzbübig charmant.. was weiß ich alles?! Luke, das bist du alles nicht! Du bist nur ein armes Würstchen!”

Man könnte die Liste endlos weiterführen. Die Empörung war und ist so groß, dass sie – zu Recht –  zu direkten Konsequenzen für die drei „Künstler“ geführt hat. Sat.1 strich die neue Show „Was ist in der Box?“, die von Luke Mockridge gehosted werden sollte und seine Auftritte bei „Nightwash“ und im Theater „Springmaus“ – immerhin gegründet von Bill Mockridge, dem Vater von Luke – wurden abgesagt. Die Sprachlernapp Babbel beendete zudem das Sponsoring vom Podcast „Die Deutschen“ und das Berliner Bezirksamt Reinickendorf sagte einen geplanten Auftritt des von Nizar Akremi ab.

Mockridge selbst meldete sich bei der aufkommenden Kritik auch mit dem Versuch einer Entschuldigung bei Instagram zu Wort.

“Selbstverständlich war es nie meine Absicht, Menschen mit Behinderung ins Lächerliche zu ziehen – besonders während dieser großartigen Paralympischen Spiele. Die Jokes habe ich gemeinsam mit einem paralympischen Sportler und Comedian erarbeitet, um darauf aufmerksam zu machen, dass Mitleid oft die schlimmste Form der Ausgrenzung ist. Der Zuspruch – gerade von Menschen mit Behinderungen – war enorm und durchweg positiv. […] Aus meiner eigenen Erfahrung bei der Arbeit mit behinderten Menschen habe ich immer einen scharfen, schwarzen Humor erlebt, den ich gefeiert habe. Dass es mir nicht gelungen ist, das richtig zu vermitteln, und dass ich Menschen verletzt habe, tut mir wirklich leid. Es fuckt mich auch ab, dass Medien zum Ende dieser Paralympischen Spiele mehr über mich sprechen und nicht über das Turnier. Die Einladung des Deutschen Behindertensportverbands nehme ich sehr gerne an und freue mich auf den Perspektivwechsel und darauf, aktiv zu lernen.”

Ein Statement, das es noch schlimmer macht und nochmal mehr aufzeigt, dass Mockridge die Sachlage nicht verstanden hat und anscheinend auch nicht über sein eigenes Handwerk, etwa über die verschiedenen Ebenen von Humor, Bescheid weiß. So ist es ein elementarer Unterschied, ob man über sich selbst lacht oder ob andere über einen lachen. Natürlich darf auch über Behinderung gelacht werden, aber es ist ein Unterschied, ob ich über meine Behinderung lache, oder ob andere über meine Behinderung lachen. Die Zugehörigkeit zu einer von Diskriminierung betroffenen Gruppe ist dabei übrigens nicht die Legitimation, sich über eine andere diskriminierte Gruppe lustig zu machen. Der damals von Comedian Chris Tall vertretene Ansatz als übergewichtige, und damit diskriminierte Person, auch über alle anderen Personen mit Vielfaltsmerkmalen Witze zu machen, ist eben ein Ansatz, aber kein guter.

Die Echauffierung, dass jetzt Medien mehr über ihn sprechen als über die ach so tollen Sportler*innen liest sich hier wie der blanke Hohn und schließt auf ein vollkommen verqueres Selbstbild – überheblich und selbstgerecht. So ist es doch Mockridge selbst, der sich durch seine Aussagen über die Sportler*innen stellt, sie abfällig und minderwertig behandelt. Die Berichterstattung über die paralympischen Spiele in diesem Jahr in Paris waren größtenteils – und das ist eine tolle Entwicklung – rein sportlicher Natur. Die Medienkritik von Mockridge ist hier absolut fehl am Platz, da es sich um zwei ganz unterschiedliche Themenfelder handelt, die sehr gut nebeneinander stattfinden können. 

Mehrere Menschen mit Behinderung sitzen zusammen, stoßen mit Getränken an und lachen fröhlich.

#37 Humor und Behinderung

Humor und Behinderung – passt das eigentlich zusammen? In dieser Episode unseres Bayern 2- Podcasts sprechen wir darüber, wie Humor zum einen so manche awkward Situationen auflockern kann und dennoch auch Klischees und Diskriminierung reproduziert.

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Der von Mockridge angesprochene paralympische Sportler ist übrigens der ehemalige Welt- und Europameister im Para-Speerwurf Mathias Mester. Mockridges Versuch der Legitimierung widerspricht Mester in seiner Gegendarstellung via Instagram.

“[…] Es sind Äußerungen gefallen in dem Podcast, die absolut nicht ok sind. Die diskriminierend sind. Die Grenzen überschreiten. Ich habe mit diesen Aussagen nichts zu tun und möchte mich davon abgrenzen. […] Ich mache sehr gerne Witze über mich selber. Über meine Behinderung. Und ich finde es wichtig, dass man selber über sich lachen kann. […] Mit Spaß hätten diese Aussagen im Podcast nichts zu tun.”

Die Einladung des Deutschen Behindertenverbands, auf den sich Mockridge in seinem Statement noch verheißungsvoll freute, um einen „Perspektivwechsel“ zu bekommen, beruht wohl auf einem Missverständnis und wird nicht zu Stande kommen. Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), erteilte dem Treffen mit Mockridge bei RTL eine Absage:

„Das ist missinterpretiert worden. Es ist gesagt worden, er soll sich Parasport ansehen. Wir werden ihm einen Terminkalender schicken, wo Parasport-Veranstaltungen drin sind. Da kann er sich dann still und mit großer Demut auf den Weg machen und mal sehen, ob sich dann in seinem Kopf etwas verändert.“

Ob sich wirklich etwas verändert, bleibt abzuwarten, sollte Mockridge irgendwann auf die Bühne zurückkehren. Der Tickethändler Eventim erklärt auf Nachfrage von Die Neue Norm, dass man als „Unternehmen mit klar definierten Werten“ die Diskussion begrüße, aber selbst nicht daran teilnehmen würde. Außerdem heißt es:

“[…] Gleichzeitig sind wir Verfechter der im Grundgesetz verankerten Kunstfreiheit, einer wichtigen Säule unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Als Ticketing-Dienstleister übt CTS EVENTIM im Rahmen dessen, was legal und nicht verboten ist, weder Zensur aus, noch agiert das Unternehmen als ästhetischer oder kultureller Gatekeeper. […]”

Die Anschutz Entertainment Group – Betreiber der großen Uber Arena in Berlin und der Barclays Arena in Hamburg – und der Veranstalter S-Promotion wollten sich auf Anfrage nicht zu den Vorfällen und den ausstehenden Veranstaltungen äußern. 

Die beiden Podcast Hosts Nizar Akremi und Shayan Garcia hingegen haben sich inzwischen geäußert. Medienwirksam kündigten sie auf ihrem Instagram ein „Statement“ an. Zwar gaben sie zu, dass sie sich dieses Mal „einfach übernommen“ hätten. Sie müssten sich eingestehen, dass es „nichts zu retten“ gäbe. Schnell wird aber klar: eine Entschuldigung sieht anders aus. Die mediale Berichterstattung über ihren Podcast hätte ihnen „natürlich den Boden unter den Füßen weggezogen“ und ihnen bliebe nun keine andere Wahl als sich zu äußern. Von Einsicht, Verständnis oder gar eigenem Antrieb, sich zu den Vorfällen zu äußern, keine Spur. Stattdessen volle Breitseite für ihre Kritiker:

“Wir werden uns bei der Cancel Culture nicht entschuldigen. Da könnt ihr lange warten. Ihr habt anscheinend eh nichts zu tun, außer den ganzen Tag im Internet gegen uns zu hetzen.”

und weiter

“Wir respektieren und schätzen alle. Wir grenzen niemanden aus. Das ist wahre Inklusion […] Selbst wenn sich der eine oder andere angegriffen fühlt – es ist immer noch Humor.”

Interessant, dass zwei Personen, die sich dermaßen herabwürdigend über Menschen äußern, jetzt erklären, was Inklusion bedeutet. Schließlich drohen sie auch damit, rechtliche Schritte gegen diejenigen einzuleiten, die „Rufmord“ begangen haben. Denn ein „geschmackloser Witz“ würde kein Menschenleben zerstören, eine „Hetzkampagne“ jedoch schon. Dabei sprechen sie auch direkt die ehemalige Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel an und werfen ihr vor, mit ihrer Kritik selbst nur Klicks generieren zu wollen, um damit ihr neues Kinderbuch zu bewerben. Ein klarer Fall von Unfähigkeit, Kritik anzunehmen.

Am Ende des 12-minütigen Videos dann auf einmal doch versöhnliche Töne? Sollten sich Personen durch ihre Aussagen verletzt gefühlt haben, täte ihnen das leid. Es wäre niemals ihre Absicht gewesen und sie hoffen, ihre Entschuldigung würde angenommen werden. Welche Entschuldigung? Sie versuchen ihren Kritiker*innen schon von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen und behaupten, dass man ihnen diese Entschuldigung eh nicht abkaufen würde. Das Video strotzt vor Rechtfertigung und Kritik an ihren Kritikern. Die Richtung scheint klar: alles weiter wie bisher. Keine Änderung in Sicht.

Die beiden Hosts wünschen sich mehr (direktem) Austausch. Dafür laden sie alle behinderten Menschen, die Interesse haben, in ihren Podcast ein, um mit ihnen zu sprechen. Austausch ist wichtig. Eine Debatte über Antidiskriminierung auf allen Ebenen – vor allem auch intersektional. Bestimmt haben die beiden Hosts auch selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht und man könnte gegenseitig Ally sein. Deshalb ist es umso erstaunlicher, dass sie dennoch auf ihre Freiheit zu diskriminieren beharren. 

Denn eine Debatte kann nur geführt werden, wenn endlich nicht mehr unter dem Deckmantel des Humors diskriminierende Inhalte transportiert werden. Damit sich in Sachen Ableismus in den Medien und im öffentlichen Raum etwas ändert, hat ein Bündnis von Aktivist*innen mit Behinderung, die Petition Stoppt Luke Mockridge und Co.! Kein Platz für Behindertenfeindlichkeit in den Medien! ins Leben gerufen.

Die Kritik an Luke Mockridge und den beiden Podcast-Hosts Nizar Akremi und Shayan Garcia hat übrigens nichts mit der oft und auch von ihnen selbst heranbemühten Cancel Culture oder „Wokeness“ zu tun. Humor darf vieles sein: derb, flach, spitz, schwarz. Humor darf aber niemals diffamierend und menschenverachtend sein. Sollte er es doch einmal sein, muss die Kritik dazu ertragen werden. 

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