Gefühle sind politisch. Das zeigt die derzeitige Debatte um das freie und lebensbejahende Lachen von Kamala Harris. Das die Erzählung aber auch umgekehrt wird und oft, gerade an FLINTA-Personen oder Menschen mit Behinderung herangetragen wird, sie sollen doch mal lächeln oder etwas dankbarer sein – davon und wie diese toxische Positivität Menschen negativ beeinflussen kann, berichtet Kolumnistin Lela Finkbeiner.
Emotionen auf Anweisung?
FLINTA-Personen wird oft gesagt: „Lächel doch mal!“ Behinderten und chronisch kranken Menschen wird häufig vermittelt: „Denk positiv!“ Ehrlich nervt mich dieser Spirit. Warum? Weil dieses „Good Vibes Only“-Mantra oft mehr schadet als nützt, besonders behinderten und chronisch kranken Menschen. Wie jetzt? Lächelt doch mal, liebe Leser*innenschaft.
Oft werden Emotionen von FLINTA-Personen in der Öffentlichkeit generell bewertet und als unprofessionell markiert. Donald Trump etwa versuchte unlängst, seiner Kontrahentin Kamala Harris zu unterstellen, sie sei verrückt, weil sie herzhaft lache: „You ever watch her laugh? … She’s crazy“. Anderen FLINTA-Personen, die in Gedanken sind, schlechte Laune haben oder einfach nicht in Stimmung sind, wird, meist von weißen Cis-Männern verordnet: „Lächel doch mal!“
Unterdrückte Gefühle können sich negativ auf die Psyche auswirken
Was passiert, wenn man versucht, gezwungen zu lächeln, ständig glücklich und dankbar zu sein? Wir unterdrücken unsere echten Gefühle. Behinderte und chronisch kranke Menschen erleben täglich Herausforderungen, von Diskriminierungen bis zu Mikroaggressionen. Vorurteile und Ableismus sind historisch gewachsen, tief verwurzelt in unserer Gesellschaft, sind verfestigt in unserem Denken und Handeln. Davon sind wir alle betroffen, auch politische Selbstvertretungen. Einige politische Selbstvertretungen vermeiden es, anzuecken und Stellung zu beziehen, aus Angst, ihre Fördergelder zu verlieren. Sie agieren eher als „Außenstellen“ der Ministerien, anstatt echte Veränderungen zu fordern. Das Ergebnis? Schwammige Forderungen und ein freundliches Lächeln. Bringt uns das weiter? Eine Runde Kaffee trinken und „nett, dass wir darüber gesprochen haben“. Außer Spesen nix gewesen. Wir brauchen klare, mutige Stimmen, die für unsere Rechte kämpfen, ohne sich durch toxische Positivität mundtot machen zu lassen. Probleme und Gefühle verschwinden nicht, nur weil wir sie mit einem Dauergrinsen überspielen. Wem würde das nutzen? Werden wir so eine Veränderung herbeiführen? Wohl kaum. Das ist so, wie wenn du einen Zahn gezogen bekommst und jemand sagt: „Sei doch froh, dass du überhaupt Zähne hast!“ Genau so fühlt sich toxische Positivität für mich an.
Taube Perspektive
Menschen, die neu Gebärdensprache lernen: Da ist klasse! Aber bitte, bitte, tut nicht so, als ob das die Lösung aller Probleme wäre. „Sei dankbar, dass wir uns die Mühe machen, deine Sprache zu lernen.“ Ja, toll. Aber was ist mit echter Inklusion, Mitbestimmung und Respekt der Kultur? Wir wollen keine Schauobjekte sein, die man bewundert, weil wir alle so schön gebärden. Aber warum? Weil wir es gewohnt sind, dass man uns sagt, wie wir zu fühlen haben? „Sei froh, dass du überhaupt dabei sein kannst, dass wir Dolmetschende gefunden haben, dass wir sie finanziert bekommen! Was denn noch? Jetzt lach doch mal. Mein Gott, immer diese Extrawurst.“ Nein, wir wollen nicht nur dabei sein, wir wollen aktiv mitgestalten. Dankbarkeit ist schön, aber sie darf nicht als Maulkorb dienen. Alle Menschen haben das Recht auf alle Gefühle, die positiven wie die negativen. Sie zu unterdrücken, weil sie nicht in das „Good Vibes Only“-Schema passen, ist nicht gesund. Negative Gefühle sind nicht unser Feind, sondern ein Signal, dass etwas nicht stimmt und geändert werden muss. „Good Vibes only“ hat ein System.
Wir wollen echte Gefühle
Echte Positivität bedeutet, die Realität anzuerkennen, mit all ihren Höhen und Tiefen. Es geht darum, authentisch zu sein und Raum für alle Emotionen zu schaffen. So wie beispielsweise meine Tauben Communities. Wir brauchen Gebärdensprache und echte Partizipation, z. B. durch politische Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als Minderheitensprache und ein Umfeld, das Gefühle und Erfahrungen respektiert. Bitte nehmt unsere Gefühle und unsere Forderungen wahr. Schluss mit der Maskerade – her mit der Authentizität!
„Good Vibes Only“? Nein danke. Wir wollen echte, tiefe und ehrliche Vibes, Rechte und Anerkennung!