Gibt es irgendwann keine behinderten Kinder mehr? Sterben behinderte Menschen aus, weil wir bald alle Behinderungen schon vor der Geburt testen können? Und was macht das mit unserer Gesellschaft? Welchen Einfluss Pränataldiagnostik auf behindertes Leben hat, darüber sprechen wir unter anderen mit unserer Gästin Lisa in dieser Folge unseres Bayern2-Podcasts.
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Als Pränataldiagnostik werden alle Untersuchungen des Embryos/Fötus bezeichnet, die während der Schwangerschaft nach verschiedenen angeborenen Krankheiten und/oder Behinderungen suchen. Darunter z. B. Ultraschalluntersuchungen unter anderem zur Messung der Nackentransparenz, Chorionzottenbiopsie (eine kleine Gewebeentnahme direkt an der Plazenta), die Amniozentese (die Entnahme von Fruchtwasser aus der Fruchtblase) und die sogenannten nicht-invasiven Pränataltests (NIPT), die das Blut der schwangeren Person auf z. B. Trisomien testen. Diese verschiedenen Tests können ganz unterschiedlich nützlich oder riskant sein.
Von Aktivist*innen kritisiert werden vor allem die NIPTs, die seit letztem Jahr von der Kasse übernommen werden können. Das sind Blutuntersuchungen, mittels derer berechnet wird, wie wahrscheinlich es ist, dass (unter anderem) die Trisomien 21 (Down-Syndrom), 13 (Pätau-Syndrom) und 18 (Edwards-Syndrom) vorliegen. Die Trisomien 13 und 18 führen oft zu schweren Mehrfachbehinderungen bzw. zum Sterben des Embryo/Fötus während der Schwangerschaft.
NIPTs stehen so hoch in der Kritik weil sie keinen medizinischen Nutzen haben, denn aus dem Wissen um das Vorliegen einer Trisomie ergibt sich keinerlei medizinische Behandlung oder Therapie, da Trisomien nicht heil- oder behandelbar sind. Außerdem haben sie eine hohe Falsch-Positiv-Rate: Für die Trisomie 21 in der 16. Schwangerschaftswoche: für eine schwangere Person, die 22 Jahre alt ist, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis korrekt ist, bei 49 Prozent. Wenn das Testergebnis negativ ausfällt, ist die Wahrscheinlichkeit 99 Prozent, dass das korrekt ist. Bei Trisomie 18 liegt die Falsch-Positiv-Rate bei 80 Prozent und bei Trisomie 13 bei 90 Prozent.
In manchen Ländern, in denen NIPTs Standardtests sind, werden so gut wie keine Kinder mit Down-Syndrom mehr geboren. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2022 insgesamt 103.927 Schwangerschaftsabbrüche, davon waren 2373 sogenannte Spätabbrüche nach der 12. Wochen und 740 nach der 22. Woche.
Außerdem gibt es mittlerweile auch schon Tests, die andere angeborene Behinderungen vorhersagen können, wie z. B. auf Sexchromosomenanomalien: also alles was auf X oder Y Chromosomen passiert, wie zum Beispiel das Klinefelter-Syndrom (XXY), Turner-Syndrom (X0) und Triple-X-Syndrom (XXX). In einer Studie aus Taiwan, die Eltern autistischer Kinder befragt hat, haben 53% angegeben, dass sie eine weitere Schwangerschaft abbrechen würden, würde pränatal Autismus diagnostiziert.
Mehr über die Kritik rund um NIPTs, gibt es auf der Seite vom Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik, Bündnis #NoNIPT oder dem gen-ethischen Netzwerk. Jonte Lindemann, Referent*in für Medizin, hat in diesem Podcast die O-Töne beigetragen. Außerdem hat Raúl dazu eine YouTube Reportage gemacht und Karina hat gemeinsam mit der Redaktion andererseits einen Artikel über Pränataldiagnostik geschrieben, den es auch in Einfacher Sprache gibt.
Pränataldiagnostik – Nur noch “Norm”-Kinder durch “Norm”-Tests?
Lisa Zattler bringt zwei behinderte Kinder zur Welt. Beide Male wurde ihr vorher eine Abtreibung angeboten. Jedesmal entscheidet sie sich anders. Mittlerweile gibt es Pränataltests, die bestimmte Behinderungen vor der Geburt erkennen können. Was diese Tests für Menschen mit Behinderungen bedeuten und warum sie ableistisch sind, erklären Karina Sturm von Die Neue Norm und Nikolai Prodöhl von andererseits.
Eine hilfreiche Quelle für Lisa während ihrer Schwangerschaften war unter anderem das Forum “Weitertragen”.
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