Nachricht 1:
Ich war bettlägerig und hausgebunden. Durch eine Off-Label-Therapie, die angeschlagen hat, hat sich mein Zustand etwas verbessert. Ich kann mich wieder zu Hause fast alleine versorgen und bin nur noch auf Hilfe außerhalb meiner vier Wände angewiesen. Aber dieser Zustand ist geliehen, denn der Körper wehrt sich oft gegen die Medikamente und zwingt mich viele Stunden zurück ins dunkle Zimmer. Das heißt wieder einfach aushalten und durchhalten. Es gibt nichts, was dir da hilft. Ich will durchhalten und ich will hoffen, dass die Forschung mich nicht im Stich lässt. Ich will glauben, dass es etwas geben wird, dass ich zurückkommen kann. Zurück als Mutter, als Ehefrau und als Kollegin, denn ich will unbedingt zurück. Ich will ein Leben vor meiner Haustür.
53 Jahre alt
Nachricht 2:
Ja, hallo. Ich bin jetzt 62 Jahre alt. Mich quält seit 39 Jahren dieses Krankheitsbild. Es begleitet mich in meinem Leben dahingehend, dass ich ein ganz vielfältiges Geschehen habe, was mich begleitet von Schlafstörungen, Temperaturstörungen, also ich kann Hitze absolut nicht tolerieren, Durchschlafstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Kreislaufstörungen, Darmprobleme, ganz massiv, fürchterlich. Von jetzt auf gleich Allergien, Grippe-ähnliche Symptome, die auftauchen und dann aber auch wieder verschwinden von jetzt auf gleich. Ich habe Atemnot ganz schnell, also ich leide schnell unter Atemnot, habe Gelenk- und Muskelschmerzen. Wenn ich ins Bett gehe, bleibe ich oft unter kalten Füßen, Hände nicht so, aber kalte Füße. Das Schlimmste ist, ich versuche schnell zu machen, körperlich, vom Kopf her, aber der Körper macht nicht mit. Das ist wie das Duracell-Häschen. Ich renne im Kopf und renne und renne, aber der Körper macht nicht mit. Der hört irgendwann auf zu rennen und kann nicht mehr, macht einfach nicht mit. Ich bin unglaublich schnell erschöpft, dahingehend, dass ich einen Tag viel gemacht habe und ein, zwei, drei Tage später zu nichts mehr fähig bin. Nach dem Duschen muss ich mich wieder hinlegen, zumindest mal noch für ein paar Minuten, um durchzuatmen, damit es mir wieder besser geht. Was wünsche ich mir für die Zukunft? Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir mit diesem Krankheitsbild ernst genommen werden. Long Covid, das Wort kann ich im Moment nicht hören, da habe ich gerade Hass drauf, weil das, was wir haben, das gibt es schon so lange und das wird von den Neurologen negiert. Wir werden als Spinner dargestellt und das finde ich entwürdigend. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir ernst genommen werden, dass wirklich Hilfe gefunden wird. Meiner Meinung nach ist bei vielen, wie auch, glaube ich, bei mir, das Ganze durch den Epstein-Barr-Virus verursacht. Forscht doch einfach mehr, nehmt uns ernst, bitte nehmt uns ernst. Uns ist unser Leben genommen worden. Danke.
62 Jahre alt
Nachricht 3:
Hallo, ich bin 20 Jahre alt und leide jetzt seit fast zwei Jahren an schwerem MWCFS. Das bedeutet ganz konkret, dass ich 24/7 bettlägerig bin, aber ich kann noch auf die Toilette gehen, selbstständig. Wie mein Alltag aussieht, das ist je nach Tag verschieden oder eher gesagt je nach Phase. Wenn ich eine gute Phase habe, dann kann ich einmal in der Woche eine Freundin sehen und kann mich pro Tag 30 Minuten am Stück unterhalten. Ansonsten kann ich dann auch die Schlitze von meinem Rollo öffnen und wenn ich eine schlechte Phase habe, dann liege ich den ganzen Tag im ganz dunklen, also mit Rollo zu und teilweise auch noch mit Schlafmaske auf. Außerdem mache ich dann eigentlich gar nichts. Ich nehme halt meine Medikamente, gehe auf die Toilette und esse was und das war es dann in der schlechten Phase. Mein größter Wunsch für die Zukunft ist, dass es endlich ein Medikament gibt oder vielleicht sogar mehrere. Das wäre natürlich wünschenswert.
20 Jahre alt
Nachricht 4:
Ich bin seit 2023 ME/CFS erkrankt durch eine Corona-Infektion und mein Alltag sieht so aus, dass ich viele Schmerzen immer habe, viel Brain Fog, Termine nur bedingt wahrnehmen kann. Jetzt endlich meinen Rollator bekommen, habe einen Pflegestufe 2 und hoffe darauf, dass es doch wieder besser wird. Ich habe zwischendurch nochmal meinen Beruf ausüben können, ein paar Stündchen in der Woche, hatte dann aber einen schweren Rückfall und bin seitdem noch schlimmer dran als vorher. Ja, das war's. Ich wünsche mir, dass alles besser wird.
55 Jahre alt
Nachricht 5:
Ich bin 62 Jahre alt und seit März 2022 an ME/CFS erkrankt, infolge von einer COVID-Infektion. Auf die Frage, wie ich meinen Tag gestalte, habe ich folgende Antwort. Morgens nach dem Aufwachen wird kurz gecheckt, wie ist die Lage, sprich, wie fühle ich mich, was bin ich in der Lage zu leisten und dann wird ein Plan erstellt, im Kopf natürlich. Was sind die Herausforderungen des Tages, was will ich auf jeden Fall machen, was muss ich machen, wobei kann ich mir helfen lassen, was lässt sich auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Dabei, das habe ich im Laufe der Jahre gelernt, ist für mich tatsächlich mein eigenes Wohlbefinden an erster Stelle, sprich Treffen von Freunden, Arbeit für meinen Körper, also Physiotherapie, Bewegungsbad, Massagen, Dinge, die mir gut tun und natürlich auch die Geselligkeit, also Familie treffen, Freunde treffen, in der Natur sein, Dinge, die einem wirklich gut tun, das ist das Wichtigste. Ansonsten ganz entscheidend zu lernen, dass man auf Hilfe anderer angewiesen ist und diese auch in Anspruch nimmt. Das können organisatorische Dinge sein, eben dass man sich nicht mehr um den Haushalt kümmert, dass man nicht zum Einkaufen fährt oder geht, dass man sich diese Dinge alle abnehmen lässt und auch über Mängel im Haushalt hinweg schaut. Diese nicht mehr mit dieser Präzision, die man vorher an den Tag gelegt hat, irgendwie wahrzunehmen, sondern zu sagen, gut, dann ist das so und es ist nicht entscheidend, ob einmal in der Woche oder jeden Tag das Bad geputzt wird. An den Tagen, an denen man ans Bett gefesselt ist, weil ein harmloser Infekt oder eine Anstrengung eines Tages zu überfordernd war und einen wieder zurückwirft, geht es darum, wirklich die Ruhe zu bewahren. Das heißt, liegen zu bleiben, sich wieder von allen, in allen Aktivitäten helfen zu lassen, sei es, dass das Essen zubereitet wird und dann ans Bett gebracht wird, dass man ins Bad geschoben wird, wenn man zur Toilette muss, eben diese Handgriffe einem abgenommen werden und dann an diesen Tagen tatsächlich so entspannt wie möglich zu bleiben. Das heißt, in meinem Fall bedeutet das, Hörbücher über Hörbücher hören, alle möglichen Podcasts und tatsächlich, ihren kannte ich noch nicht, aber werde ich mich mit zukünftig befassen und Zeitungen mir vorlesen zu lassen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass große Zeitungen inzwischen diesen Service anbieten und sich zu entspannen, möglichst viel Schlaf zu finden, denn auch das ist ja eine Folge dieser Krankheit, dass obwohl man sehr viel Energie benötigt, man diese durch Schlaf nicht gewinnen kann. Also auf jeden Fall schwierig und jede Minute Nutzen, die es irgendwie am Tag ermöglicht, zu Schlaf zu finden. Nun zu ihrer nächsten Frage. Was wünsche ich mir für die Zukunft? Darüber habe ich tatsächlich länger nachgedacht und habe letztendlich zu dieser Antwort gefunden. Die Charité in Berlin ist ja dabei herauszufinden, wie diese Krankheit auf den Körper wirft und Mittel zu finden, diese zu heilen. Und das ist tatsächlich mein größter Wunsch, dass diese Forschungsgruppe den Weg möglichst bald findet, der so vielen von uns helfen könnte. Ein Medikament zu finden, was dem Immunsystem wieder auf die Sprünge hilft, denn sobald das wieder richtig arbeitet, das Immunsystem, kann der Körper sich erholen und das Leben ist wieder möglich, so wie wir es vor unserer Erkrankung kannten. Davon bin ich überzeugt.
62 Jahre alt
Nachricht 6:
Hallo, ich bin 29 Jahre alt und vor drei Jahren schwer an ME erkrankt durch die Corona-Impfung. Ich war ein sehr aktiver Mensch und Altenpflegerin. Mein Alltag besteht daraus, dass ich den ganzen Tag liege, entweder im Bett oder auf der Couch. Fernsehen geht nicht immer, da es meine Symptome extrem verstärkt. Lesen ist leider auch nicht möglich. Ich probiere immer, den Kontakt mit meinen Freunden zu halten, aber selbst das verstärkt leider meine Symptome. Ich habe Gott sei Dank einen ganz tollen Partner an meiner Seite, der meine komplette Pflege übernimmt. Sei es waschen, Haare waschen, Haare föhnen, rasieren, das ganze Programm. Er sorgt dafür, dass ich Essen bekomme, dass das Essen kleingeschnitten wird, da ich das nicht mehr schaffe und übernimmt auch den ganzen Haushalt, Einkaufen. Also, es ist schon Wahnsinn, was er alles leistet und nebenbei geht er noch Vollzeit arbeiten und kommt mittags noch zu mir nach Hause, um mich auch zu versorgen. Ich bewege mich im Rollstuhl fort, im Elektrorollstuhl, da ich nicht mehr viel Kraft habe zu laufen und ja, das auch meinen Zustand wieder verschlechtert. Also, wenn mal ein paar Schritte gehen, gehe ich sie auch, aber ich muss halt sehr stark aufpassen, da ich sonst wieder tagelang im Dunkeln liege. Letztendlich habe ich 24/7 super starke Symptome, die einfach nie verschwinden, sondern nach jeder Kleinigkeit so viel stärker werden können und ich muss enorm auf meine vorhandene Energie achten, die natürlich super wenig ist und bin 100% hausgebunden. Ich kann auch nicht mehr raus. Selbst das kann meinen Zustand massiv verschlechtern und wenn es mal geht, dann muss ich halt auch wieder einplanen, dass ich danach tagelang mich auskurieren muss und manchmal auch Wochen. Das längste war, glaube ich, drei Monate.
Mein allergrößter Wunsch ist, dass die Forschung vorankommt. Vor allem auch mehr Verständnis von den Mitmenschen, von den Außenstehenden. Weniger Verurteilung, einfach eine Aufklärung bezüglich dieses schweren Krankheitsbildes. Wir liegen nicht und halten nicht die schweren Symptome aus, weil wir wollen, sondern weil wir müssen. Und was wir alle wollen, das ist wieder Leben. Ein gesundes, schönes Leben. Und dafür halte ich jeden Tag durch.29 Jahre alt
Nachricht 7:
Mein Alltag mit MCFS beginnt damit, dass ich zwischen 11 und 13 Uhr aufwache und dann meine Gesundheitsdaten am Handy überprüfe und meine Mutter rufe, damit sie mir mein Frühstück und meine Medikamente bringt. Nach dem Frühstück bringt sie mich aufs Klo im Rollstuhl und gibt mir meine Spritze. Danach putze ich meine Zähne im Bett, weil ich nicht so lange sitzen kann. Das machen wir auch alles im Dunkeln, weil ich nicht so viel Licht ertrage. Das sind meine beiden Hauptsymptome. Nach dem Zähneputzen mache ich Mittagsschlaf und danach gibt es Mittagessen. Die Zeit nach dem Mittagessen verbringe ich mit Lesen und teilweise Videos, schauen, dass ich das Hörbuch höre. Um ca. 19 Uhr bekomme ich mein Abendessen und um ca. 22 Uhr habe ich dann noch einen kleinen Snack, damit ich dann nachts keinen Hunger bekomme. Mein Tag endet um zwischen 12 und 1 Uhr, wenn ich dann endlich schlafe. Was ich mir für die Zukunft wünschen würde, wäre, dass ich irgendwann wieder so gesund bin, dass ich regelmäßig Sachen unternehmen kann bzw. vielleicht sogar eine Kehre anfangen kann. Ich würde gerne studieren, einfach um erlebt zu haben, wie es ist zu studieren und um mir zu beweisen, dass ich das kann. und das ist das, was ich gerne tun würde.
19 Jahre alt
Nachricht 8:
Ich wäre Anfang letzten Monats fast verdurstet, weil ich crashbedingt nicht mehr schlucken konnte und entsprechend weder trinken noch essen ging. Meine Ärzte waren der Meinung, dass das ja bedeutet, dass ich sterben möchte. Ich lebe nur, weil mein privates Umfeld sich auf den Kopf gestellt hat, um mich zu retten. Ich wünsche mir, dass das Überleben für alle ME-Patienten gesichert ist.
33 Jahre alt
Nachricht 9:
Ich bin 49 Jahre und seit Dezember '23 nach meiner zweiten COVID-Infektion an ME, das bedeutet myalgische Encephalomyelitis, erkrankt. Eine schwere neuroimmunologische Multisystemerkrankung, für die es weder genug Ärzte gibt, die sich damit auskennen, noch Medikamente und Therapien, die Heilung bringen. Zusätzlich habe ich noch weitere Erkrankungen durch die Covid-Infektion bekommen, wie das POTS, also Posturales Orthostatisches Tachykardiesyndrom, bedeutet, sobald ich aufstehe, schießt mein Puls auf über 110 bis 150 Schläge pro Minute. Ich bekomme dann Herzrasen, Schwindel, mein Blut versackt in der senkrechten Position in den Füßen und daher kann der Kreislauf nur sehr schwer aufrecht gehalten werden. Zusätzlich habe ich Small-Fiber-Neuropathie, wo die Nerven betroffen sind, die ebenfalls für das Versacken des Blutes in den Füßen verantwortlich ist. Eine Mikrozirkulationsstörung, Dysautonomie, mitochondriale Zytopathie, MCAS, Mastzellaktivierungssyndrom, ich verzichte schon auf Zucker, Histaminhaltige, Lebensmittel, Glutenhaltige und habe also einen sehr abgespeckten Speiseplan. Trotzdem spielt mein Darm immer wieder, verrückt habe dann wochenlang Bauchschmerzen und Durchfälle, die nur schwer wieder in den Griff zu bekommen sind. Alles Diagnosen, an die ich nur durch selbst zu zahlende Untersuchungen bei einem Privatarzt gekommen bin. Habe mittlerweile über 12.000 Euro ausgegeben für Diagnostik, Off-Label-Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und Zuzahlungen an Hilfsmitteln wie Rollator, Duschstuhl etc. Ein Elektrorollstuhl wurde von der Krankenkasse abgelehnt, weil sie mir die Fähigkeit absprechen, so ein Gefährt längere Zeit eigenständig führen zu können, aufgrund der Symptomatik wie Schwindel, Brain Fog etc. Und das, obwohl sich ein Sanitätshaus davon überzeugt hat, dass ich sehr wohl dazu in der Lage bin. Natürlich nur an guten Tagen, aber das versteht der medizinische Dienst ja nicht. Ich muss 20-23 Stunden des Tages liegend verbringen. Wenn ich doch mal mehr machen muss, sei es einen Arzttermin oder einen Antrag ausfüllen und Unterlagen dazu zusammenstellen, dann rächt sich das in Form von PEM, die sogenannte postexertionelle Maläse. Und meine Symptome wie Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen am ganzen Körper, totales Grippegefühl, absolute Entkräftung, als wäre einem der Stecker gezogen, als hätte man an jedem Abend 10 Kilo Mehlsäcke dranhängen, Brainfog, Reizempfindlichkeit, zum Teil kann ich dann auch keine Berührung mehr ertragen, verschlimmern sich dann extrem und unverhältnismäßig stark zu der auslösenden Überlastung. Je nach Schwere reicht ein Gespräch, ein Geräusch, zu viel Licht oder zu oft umdrehen im Bett. Dieser Zustand dauert Tage bis Wochen an, sodass man gar nichts machen kann außer atmen und hoffen, dass dieser Zustand wieder weggeht. Ich kann nur maximal eine Stunde auf sein, dann aber auch nur sitzend und nur wenige Meter gehen und brauche immer wieder Pausen. Sobald ich die Arme und Hände benutze, steigt mein Puls und ich muss solche Tätigkeiten nach 30 Sekunden unterbrechen und für 30 bis 60 Minuten, um nicht in die Überlastung zu kommen. Daher kann ich mich auch nicht mehr alleine duschen, kann nicht kochen, keine Wäsche waschen, weil das alles zu viel Belastung für meinen Körper ist und sich mein Zustand sonst weiter verschlechtern würde. Habe einen Pflegegrad 2 und bin überwiegend hausgebunden und bettgebunden bei meinem Freund in Pflege und finde keinen Arzt, der sich meiner Erkrankung annimmt und sich weiterbildet. Seit dem Studium wurde die Erkrankung bisher gar nicht behandelt. Dabei ist sie seit 1969 von der WHO als neuroimmunologische Multisystemerkrankung anerkannt. Die Forschung wird zu wenig finanziell unterstützt, noch dazu ist mit dem Begriff Long-Covid alles in einen Topf geworfen worden, so dass bei den Studien meist keine homogenen Kohorten zusammengestellt werden, was wiederum zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Kardinalsymptom ist und bleibt die postexerzionelle Malaise, welche Zeit verzögert einsetzt und somit nicht mit Belastungsintoleranz gleichzusetzen ist. Ich habe einen Schwerbehindertenantrag gestellt, erhoffe mir 60 als Ergebnis und das Merkzeichen G, schätze aber einmal, dass ich im ersten Anlauf wie viele andere Betroffene auch nur 20 bekomme und das auch nur aufgrund von anderen Erkrankungen wie zum Beispiel Asthma. Die Erkrankung ME ist auch da bei den Behörden noch nicht angekommen. Die Befunde werden angezweifelt, man wird zu Gutachtern geschickt, die die Erkrankung nicht kennen oder gar leugnen und psychologisieren, was wieder eine Verschlechterung des Zustands bedeutet. Wir brauchen dringend Fortbildung der Ärzteschaft, damit eine flächendeckende Versorgungsstruktur aufgebaut werden kann. Wir brauchen ruhige, abgedunkelte Warte- und Behandlungszimmer oder noch besser Hausbesuche und TD-Medizin. Ich suche seit sieben Monaten nach einem Physiotherapeuten, der Hausbesuche macht, da ich nicht jede Woche selbst irgendwo hin kann und meinen Zustand damit verschlimmern würde. Ich finde keinen, bisher nur Wartelisten oder komplette Absagen. Das ist kein Einzelfall. Wir suchen alle verzweifelt nach Anlaufstellen, wo man uns ernst nimmt und wenigstens versucht, unser Leid zu lindern in Form von Off-Label-Medikamenten, die wir immer noch selbst bezahlen müssen nach anderthalb Jahren Diskussionen am runden Tisch seitens der Politik. Und es werden immer mehr Betroffene, mit jeder Infektionswelle. Für 2025 lautet die Prognose 1 bis 1,5 Millionen. Vor der Pandemie waren es 250.000. Wenngleich auch diese Zahl unterrepräsentiert gewesen sein dürfte, da viele Betroffene die richtige Diagnose gar nicht oder erst nach jahrzehntelanger Odyssee erhalten. Ich werde in nächster Erwerbsminderungsrente beantragen müssen, da ich nach fast anderthalb Jahren keine signifikante Verbesserung erzielen konnte. Mir ist es lediglich gelungen, den Status halbwegs stabil zu halten, was bei unserem Gesundheitswesen, wo Betroffenen geraten, wird sich mehr zu bewegen, Sport zu treiben und Rehas immer noch auf Aktivierungstherapien setzen schon ein Wunder ist.
49 Jahre alt
Nachricht 10:
So sieht ein Tag in meinem Leben aus. Zwischen 9.30 Uhr und 10 Uhr wache ich meistens auf. Ich begrüße den Tag, indem ich mich fürs Aufwachen bedanke. Amen. Namaste. Bis ich so halbwegs aufgewacht bin und etwas klarer im Kopf, ist es ungefähr 11 Uhr. Neben mir liegen von meinem Schatz und gleichzeitig Pfleger vorbereitete Waschschüssel und Waschutensilien. Ich wasche mich im Bett sitzend. Die vorbereitete bequeme Kleidung ziehe ich danach an. Ich liebe bequeme Kleider und ich liebe es, mich auch für mich herzurichten. Danach nehme ich meine Medikamente. Jetzt wird dann mal liegen zwei Stunden ausgeruht. Als Frühstück trinke ich zwischendurch meinen Haferdrink. Gegen 13 Uhr nutze ich meine tagesabhängige unterschiedliche Kraft und Papierkram, sprich ansuchen, Post, Briefe, E-Mails, checken, eventuell antworten, mein Symptom-Tagebuch schreiben. Ca. eine halbe Stunde im 30/30 Rhythmus. Um 14 Uhr nehme ich meine Asthmasprays und raste mich wieder für mindestens eine Stunde intensives Pacing aus. Dann gibt es Mittagessen von Essen auf Rädern, das ich sechsmal die Woche in Anspruch nehme. Ich esse mehrmals am Tag kleinere Portionen, je nachdem wann ich hungrig bin. Halte mich an keine bestimmten Zeiten. Bis 17 Uhr verbringe ich dann liegend im Bett. Active Pacing, das heißt: stille, abgedunkeltes Zimmer, Augen geschlossen, absolute Ruhe. Zwischen 18 und 19 Uhr gibt es Abendessen, es findet alles im Bett statt. Es läuft tagsüber weder Radio noch Fernseher. Es spielt sich alles im Bett ab, entweder im Schneidersitz sitzend oder liegend. Bleibt mir bis zum Abend etwas Kraft übrig, baue ich eine Instastory oder einen Bericht. Bin in mehreren ME-Online-Gruppen und Selbsthilfegruppen unterwegs. Ab und zu ist es mir möglich, einen Hauptabendfilm anzusehen, nur mit Untertiteln, denn den Ton vertrage ich nicht. Ich trage ganztägig eine Blaulichtfilterbrille. Da sich mein Tag-Nacht-Rhythmus verschoben hat, schalte ich meist zwischen 23 und 24 Uhr das Licht aus, um zu schlafen. Zuvor nehme ich meine Abendmedikamente. Zweimal täglich mache ich, wenn kräftemäßig möglich, einen bewussten, langsamen Spaziergang von einem Zimmer ins nächste Zimmer und auf den Balkon, wo mir mein Schatz eine Wohlfühloase eingerichtet hat. Duschen, Haare waschen. Ich werde geduscht, Haare werden mir gewaschen und gefüllt. Höchstens einmal im Monat, für öfter reicht die Kraft nicht. Was ist mein größter Wunsch? Dass ich ein halbwegs stabiles Leben führen kann, ohne von einem Crash in den nächsten zu fallen. Und dass ME endlich von allen sozialen und gesundheitlichen Institutionen sowie der Politik als Erkrankung anerkannt wird und dies der Bevölkerung auch vermittelt wird.
60 Jahre alt
Nachricht 11:
Ich verbringe meinen Tag in einem abgedunkelten Zimmer mit einer Augenmaske und einem Gehörschutz auf, um mich vor den Reizen zu schützen. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es endlich Hilfe und Medikamente gibt und wir nicht länger unter der Erkrankung leiden müssen.
51 Jahre alt
Nachricht 12:
Wie sieht ein Tag in meinem Leben aus? Als Tag nehme ich jetzt mal die Zeit, die ich wach bin. Das heißt, zur Zeit ist das so von 2 Uhr morgens bis 18 Uhr abends. Aber das rotiert durch. Das verschiebt sich alle paar Tage um 2 bis 4 Stunden, sodass ich nie weiß, wann ich in den nächsten Tagen oder in der nächsten Woche überhaupt wach sein werde. Ich lebe im Bett quasi. Ich bin also bettgebunden, lebe im abgedunkelten Schlafzimmer, weil ich kein Tageslicht ertragen kann und trage auch oft Schallschutzkopfhörer, um mich von Umweltreizen so gut es geht abzuschirmen. Denn wenn ich Energie haben möchte für mich, um etwas zu tun, was mir Freude bereitet, oder auch nur, um mich zu waschen oder regelmäßig das Bad aufzusuchen, dann muss ich alle Reize reduzieren und das bisschen Energie, was ich habe, entsprechend planen und rationieren. Mein Tagesablauf orientiert sich an der Medikamenteneinnahme. Das heißt, dass ich morgens nach dem Aufstehen zusammen mit meinem Kaffee die Morgendosis nehme und dann meistens nach 2 Stunden in kompletter Dunkelheit liegen bleibe. Wenn ich einen guten Tag habe, kann ich dabei Hörbuch hören. In dieser Zeit geht es mir in gewisser Weise am schlechtesten, weil ich nicht mal genug Energie habe, um mich umzudrehen, um die Toilette aufzusuchen, um etwas zu tun, was normale Menschen tun. Nach diesen 2 Stunden ist bei mir Mittagszeit. Das heißt, nach 2 Stunden kriege ich Hunger. Manchmal kann ich mir Essen in der Mikrowelle erwärmen. Meistens macht das mein Mann für mich. Nach dem Mittagessen und der Mittagsdosis beginnt für mich eigentlich die schwierigste Zeit des Tages, denn ich bin nicht mehr so erschöpft, dass ich mich nicht mehr rühren kann. Aber ich spüre weiterhin alle Schmerzen, die in meinem Körper wohnen. Ich bin meistens unruhig, ich will endlich was tun, ich hasse es, einfach nur rumzuliegen. Und wenn ich aber zu viel tue oder irgendwas tue, dann kommt es schnell dazu, dass ich den Rest des Tages gar nichts mehr machen kann und über diesen Status gar nicht hinauskomme. Wenn ich mich disziplinieren kann, wenn ich dieses Krankheitsgefühl und Unruhegefühl in den Griff kriege, dann nutze ich diese Zeit gerne, um meine Projekte durchzudenken, um Ideen zu sammeln, um auch mal Gedanken nachzuhängen und notiere mir, was ich da später aufschreiben möchte, digital. Was ich vielleicht auch googeln möchte, denn die Zeit am Bildschirm ist für mich sehr limitiert. Und es ist so, dass ich sehr, sehr lange Zeit, also jetzt wahrscheinlich drei Jahre lang, vier Jahre fast, gar kein Bildschirmgerät mehr benutzen konnte seit meiner Virusinfektion. Mit der Abenddosis, acht Stunden nach dem Aufstehen, beginnt langsam die gute Zeit des Tages. Das heißt, wenn die Medikamente wirken, was so nach 30 bis 45 Minuten der Fall ist, dann beginnt meine aktive Zeit. Dann kann ich an einem guten Tag vielleicht zwei bis drei Stunden an meinen Projekten arbeiten. Das heißt, ich kann Texte schreiben oder auch lesen. Ich kann Paper lesen und Medikamente recherchieren, von denen ich denke, dass sie mir vielleicht was bringen könnten, um diese dann meinen behandelnden Ärzten vorzuschlagen. Ich muss dokumentieren oder ich möchte dokumentieren, wie es mir geht. Und ich muss auch beachten, dass ich bestimmte Verhaltensregeln einhalte. Das heißt, dass ich nicht nur mein Energielevel überwache, sondern auch meine Herzfrequenz, meine Wasseraufnahme, meine Medikamentendosis und meine Bedarfsmedikation, sodass ich meinen Körper fortwährend in einem Zustand halte, in dem die Medikamente, die ich hier halte, ihre volle Wirkung entfalten können und das ME/CFS nicht massiv schlimmer wird durch eine Überanstrengung. Und das muss ich ausbalancieren mit meinem psychischen Wunsch, mit meiner inneren Motivation, etwas zu tun, mich zu bewegen, etwas Sinnvolles in dieser Welt zu tun, die Welt da draußen zu sehen und auch den ganz alltäglichen Sachen wie Duschen, Haare waschen. Ich habe das alles schon vergessen, was so ein normales Leben ausmacht, ehrlich gesagt. Haare waschen ist bei mir vielleicht einmal alle zwei, drei Monate drin. Und dann muss ich dafür drei Tage Energie sparen im Voraus bzw. im Nachhinein die Energie, den kleinen Crash, der damit verbunden ist, abwettern, um nicht wieder einige dieser Privilegien, die ich jetzt habe, wie zwei Stunden pro Tag, mich mit etwas intensiv, mental, kognitiv zu beschäftigen, wieder aufgeben zu müssen.
Was ist mein größter Wunsch für die Zukunft? Ganz ehrlich, ich will einfach nur, dass das endlich aufhört. Dass die medizinische Forschung Interventionen findet, die mir und all den Millionen anderen betroffen weltweit einen, und wenn es ein kleines Leben ist, ein kleines Leben ermöglichen, indem ich aufstehen kann, indem ich mich duschen und anziehen kann, indem ich mich vielleicht sogar selbst versorgen kann und auch indem ich die Sonne sehen kann. Die Natur, die Welt da draußen ist so wunderschön und wir können sie nicht wahrnehmen, wir können sie nicht sehen, wir können sie nicht fühlen, wir können sie nicht hören, wir können sie nicht riechen und wir können sie nicht schmecken, weil unsere Sinne davon komplett überfordert sind. Und dieses große Geschenk, was uns gegeben ist, nicht wahrnehmen zu können, das macht mich fertig. Außerdem würde ich mir total wünschen, dass Freunde und Familie mir zuhören würden und mich ernst nehmen würden und mir nicht immer nur erzählen würden, dass es positiv eine kleine Verbesserung ist, wie einmal im Monat das Wohnzimmer aufsuchen zu können, sondern auch ernst nehmen, wie ich mich dabei fühle, was ich mir wünsche, wie ich mir mein Leben vorgestellt habe. Denn das wäre ein bisschen anders als das, was es jetzt ist. Und dass sie nicht nur die Fortschritte anerkennen, sondern auch mein Leid und meinen täglichen Kampf. Und dass sie das nicht einfach beiseite wischen, weil sie es selber nicht aushalten, wie es mir geht. Das würde ich mir wünschen. Nicht mehr allein sein, nicht mehr gefangen sein, in meinem Körper, in meinem Schlafzimmer, wieder Teil sein dieser Welt, dieser wunderbaren Welt da draußen.31 Jahre alt
Nachricht 13:
Ich habe nach einer Tumoroperation vor zehn Jahren eine drastische Zustandsverschlechterung erlitten. Stark eingeschränkt war ich schon lange vorher. Dazu hatte ich immer wieder schlimme Infekte. Doch seitdem gab es nicht mehr einen einzigen Tag mehr ohne Schmerzen, ohne Unwohlsein, eine ausgeprägte Körperschwäche und völlig unverhältnismäßige Erschöpfung, Verdauungsbeschwerden, sensorische Überempfindlichkeit und kognitive Probleme. Alle Symptome, also auch die genannten, schwanken je nach Belastungsgrad immer wieder in ihrer Intensität. Die restlichen jedoch, meine persönliche, komplette persönliche Aufstellung zählt genau 50, treten immer wieder phasenweise auf. Der Alltag mit schwererem ME/CFS ist unvorstellbar mühsam. Etwa so, als müsste man ausnahmslos jedes Mal, wenn man ins Bad oder zur Haustür hinaus will, erst einmal einen gigantischen Sandhaufen beiseite schaufeln, während man gleichzeitig mit äußerster Vorsicht durch sein Leben balancieren muss, als wäre der Boden voller giftiger Schlangen. Ich beginne jeden Tag mit bestenfalls 10 bis 15, im schlimmsten Fall mit nur etwa 5 Prozent der Energie, die ich haben müsste, um ihn ohne nennenswerte Probleme durchstehen zu können. Pausenlos muss ich planen und taktieren und priorisieren, um alles Notwendige irgendwie hinzubekommen, vernachlässige aber trotzdem ständig viele Dinge, weil mein Zustand immer wieder auch stärker schwankt. Im letzten Jahr hatte ich eine längere, sehr üble Phase, während mir das zum ersten Mal nicht mehr möglich war, aber normalerweise stehe ich morgens zeitig auf. Meist zwingen mich es ohnehin Schmerzen aus dem Bett und so kann ich noch etwas Zeit mit meiner Familie verbringen, bevor sie das Haus verlässt. Ich erledige dann meist ein paar kleine Dinge, tue aber niemals etwas länger als allerhöchstens 15 Minuten. Dadurch und zudem einen möglichst ständigen Haltungs- und Belastungswechsel, etwa zwischen Finger, Beinen, Augen oder Oberarmmuskulatur, komme ich etwas weiter mit meiner Energie und schaffe mehr, als wenn ich eine Stunde lang das gleiche tue. In einer Crashphase, also während einer Überlastungsreaktion, kann ich allerdings oft nicht einmal mehr die Vögel im Garten beobachten. Meine Kaumuskeln schmerzen dann beim Essen, sogar Lachen oder Weinen verschlimmert meinen Zustand unmittelbar und selbst Dinge wie Sitzen, Hören oder Zähneputzen und Kämmen werden zur Qual, immer vorausgesetzt natürlich, dass ich überhaupt noch aufstehen kann. In der Regel muss ich mich noch am Vormittag zum ersten Mal wieder hinlegen. So stückelt sich jeder Tag in mehrere Abschnitte. Wenn es gut läuft, ergeben sich drei Aktivitätsphasen, aber in schlimmen Zeiten kann ich nur drei bis fünf Minuten aktiv sein, bevor ich mich wieder ausruhen muss. Generell jedoch nutze ich an jedem Tag mein stark begrenztes Leistungsvermögen vollständig aus. Das mag klug sein oder auch nicht. Ich muss es tun, um das Gefühl haben zu können, noch am Leben zu sein. Trotz langjähriger Erfahrung ist es aber oft nicht einfach. In der Regel, sobald ich zu viele Symptome gleichzeitig ertragen und managen muss oder sobald eine depressive Phase hinzukommt, droht mein dauerhaft wackeliges Kartenhaus der Krankheitsbewältigung zusammenzustürzen. Denn nicht jedes Unvermögen lässt sich kompensieren und auch nicht jeder Verlust. So bin ich froh und dankbar, wenn ich an guten Tagen für ein paar Minuten mit meinem Hund draußen sein kann, auch wenn richtige Spaziergänge ausgeschlossen sind, ebenso wie Autofahrten und somit Reisen und Ausflüge aller Art, Arztbesuche, Einkäufe und sonstige Erledigungen es nun bereits seit sieben Jahren für mich sind. Allerdings verhindern meine heftig belastenden Erschöpfungsreaktionen auch einen passiven Aufenthalt im Freien, was oft nicht verstanden wird. Für eine spürbare Verbesserung meines Befindens muss ich mein stets abgedunkeltes, ruhiges Schlafzimmer aufsuchen. Ich habe das Glück, ganz gut mit der Eintönigkeit eines solchen Lebens zurecht zu kommen, trotzdem fehlen mir viele Dinge schmerzlich. Unbeschreiblich schwer fällt mir bis heute der leider meist vollständig nötige Verzicht auf Musik, die quasi von Geburt an die größte Leidenschaft meines Lebens ist und ohne die Krankheit womöglich sogar meine größte Begabung darstellen würde. Leider werde ich das niemals erfahren. Selbst wenn ich es einmal schaffe, Musik zu hören, zu singen oder mich für ein paar Minuten aufs Klavier spielen zu konzentrieren, wird das meist von einem enormen Verlustgefühl begleitet. Auch keine Bücher mehr lesen zu können, weil meine Augen extrem schnell ermüden, bedauere ich sehr. Als äußerst aktiven Menschen fehlt mir zudem Bewegung, vor allem Wandern, Tanzen, Schwimmen und Radfahren. Doch zumindest kann ich häufig mal für ein paar Minuten in meinem Garten herumbasteln, was mir auch sehr viel bedeutet und mir körperlich wie seelisch sehr gut tut. Den überwiegenden Teil meiner äußerst begrenzten Energie habe ich seit meiner Diagnose allerdings dafür aufgewendet, über die Krankheit zu informieren und für ihre Anerkennung und Erforschung zu kämpfen. Denn auch oder gerade mit den starken Einschränkungen durch schwereres ME/CFS braucht man einen Sinn im Leben. Vor vielen eigentlich ganz normalen Dingen, die mich allerdings schwer und nachhaltig belasten, muss ich regelrecht fliehen, was meine Umwelt selbst heute noch immer wieder von psychischen Ursachen ausgehen lässt. Was mir noch möglich ist, muss verkürzt und vereinfacht werden. Mein Alltag besteht aus Verzicht, Verlust, Einsamkeit und ständigen Befindlichkeitsstörungen. Es gibt keine Pause, kein Aufatmen. Dazu kommt meine Angst vor einer erneuten Krebserkrankung, die mich besonders belastet, weil ich leider nicht mehr genug Kraft habe, um noch einmal eine Tumortherapie durchzustehen. Allerdings kann ich sowieso kein Krankenhaus aufsuchen, weshalb sie in jedem Fall ein sicheres Todesurteil wäre. Mein größter Wunsch ist, dass niemand mehr ein so leidvolles Leben wie meines führen muss. Niemand darf jahrelang als Spinner oder Hypochonder oder Sozialschmarotzer, als zimperlich in Nerven säge oder als nur zu faul zum Arbeiten betrachtet, bezeichnet und behandelt werden, obwohl er oder sie schlicht und einfach krank ist. Medizinisches Personal darf sich nicht mehr hinter Nichtwissen verstecken können, damit Erkrankten nicht weiterhin durch Fehlbehandlung und kontraindizierte Empfehlungen geschadet wird und sie nicht mehr gezwungen sind, mitunter jahrzehntelang immer wieder völlig verzweifelt ihre Schwierigkeiten zu beteuern. So etwas ist ein unfassbares körperliches wie seelisches Martyrium. Mein Nierentumor konnte nur deshalb völlig unbehelligt Apfelgröße erreichen, weil mein Arzt schon seit vielen Jahren überzeugt war, dass es sowieso nicht lohnt, mir zuzuhören. Ich schilderte die typischen Probleme, vor allem die maßgebliche Belastungsintoleranz seit 2001, dem Geburtsjahr meines Sohnes. Doch diagnostiziert wurde ich erst 21 Jahre später im Alter von 50 Jahren und auch nur, weil ich zufällig über ME/CFS gelesen hatte. Ich fühle mich diskriminiert, misshandelt, entwürdigt und um mein Leben betrogen. Und ME/CFS ist eine Krankheit, die nicht selten tödlich endet, weil sie die Infekt- und auch Tumorabwehr deutlich herabsetzt, Herz- und Kreislauf stark belastet und viele Menschen in den Suizid treibt. Dennoch passiert, was ich erlebt habe, auch weiterhin. Das ist absolut unmenschlich und muss schnellstens aufhören. Dankeschön. Bis dann.
53 Jahre alt
Nachricht 14:
Durch meine Erkrankung kann ich meinen Alltag kaum bewältigen. Ich muss ungefähr die Hälfte des Tages liegen mit Schlafbrille und Ohrschützern. Ich wohne im dritten Stock ohne Fahrstuhl, das heißt ich kann maximal einmal am Tag die Treppe schaffen. Und kann dann nur eine kleine Runde im Hof gehen, um die 300 Meter mit vielen Pausen. Ich kann mir mein Essen nicht selber zubereiten, da ich wahnsinnige Schmerzen und Schwächegefühl in den Händen und Armen bekomme. Wenn ich mich zu sehr anstrenge, dann habe ich danach Schmerzen im ganzen Körper. Ich kann mich auch kaum konzentrieren, wenn ich zu lange etwas lese oder Filme schaue, dann habe ich danach wahnsinnige Kopfschmerzen, Sehstörungen. Und ich bin wahnsinnig reizempfindlich auf sämtliche Reize. Autofahren geht nur im Liegen mit Schlafbrille und Ohrschützern, weil ich nicht nach draußen schauen kann, weil die vorbeiziehende Landschaft zu viel für mich ist. Meinen Kindern kann ich leider auch nichts vorlesen, weil meine Mundmuskulatur dazu nicht ausreicht. Und wenn ich zu viel am Stück spreche, dann fühlt sich mein Mund an wie völlig betäubt und ich habe überall Schmerzen im Mund und im Gaumenbereich.
34 Jahre alt
Nachricht 15:
Wie sieht ein Tag in meinem Leben aus? Ich bin fast immer zu Hause. Ich kann meine Wohnung fast gar nicht mehr verlassen und bin zudem im vierten OG ohne Aufzug. Morgens mache ich mir Kaffee. Ich habe derzeit noch keinen Rollstuhl in der Wohnung und deswegen probiere ich beim Kaffee machen und so zumindest alles sitzend zu machen. Meinen Tag verbringe ich dann in meinem Tagesbett. Ich mache alles liegend. Also ich nehme alle Mahlzeiten liegend ein. Alles was es zu organisieren gibt, mache ich liegend. Mein Zimmer ist komplett verdunkelt, aber zusätzlich trage ich häufig eine Schlafmaske und die Fenster sind geschlossen, weil doch die Geräusche von draussen zu anstrengend sind. Ja, ich bin viel damit beschäftigt, halt mit Hilfsmitteln bekommen, wie Rollstuhl, Kompressionsstrümpfe, Badewannensitz und so weiter. Ich kann mich fast nicht mehr selbst versorgen. Ich kann mich nur noch ganz eingeschränkt durch die Wohnung bewegen. Ich habe Unterstützung von Freund*innen, aber das reicht nicht für meinen Bedarf. Mein Pflegegrad ist komplett abgelehnt worden. Ich bin im Widerspruch. Das heißt, dass ich mich ständig überlaste. Ich mache alles von meinem Bett aus. Also Kontakte habe ich fast nur noch per Sprachnachrichten oder Textnachrichten bei Signal, wobei ich die Nachrichten diktieren muss. Neben meinem Bett habe ich einen Wasserspender und Wasserkocher, damit ich auch weniger aufstehen muss. Einiges an Essen. Also ich probiere möglichst alles griffbereit zu haben, damit ich mich einfach wirklich nur ganz, ganz wenig bewegen muss. Ich kann nur noch ganz, ganz eingeschränkt sitzen. Und mein Highlight ist es, wenn ich auf den Balkon kann und dort in so einer halb liegenden Position bin. Ich habe mich mit Krähen angefreundet und mein Highlight ist es, wenn die zu mir auf den Balkon kommen und aus dem Wassernapf trinken oder eine Erdnuss holen oder verstecken. Ja, das ist für mich wunderschön. Untertitel von Stephanie Geiges
Der Gedanke an meinen größten Wunsch macht mich sehr traurig. Das ist sehr schmerzhaft und ich glaube, also für mich gibt es nicht, es gibt nicht den einen größten Wunsch. Aber ich würde mir halt sehr sehr wünschen, dass diese schwere Erkrankung mehr Anerkennung bekommt, dass es nicht ein dermaßen großer Kampf ist, von diesem Gesundheitssystem Pflegegrade zu bekommen. Ich würde mir einfach mehr Unterstützung wünschen, wenn die Krankheit schon zu schwer ist und es derzeit nicht wirklich eine evidenzbasierte Therapie gibt, nicht wirklich Medikamente gibt und es mental teilweise ganz schön schwer zu tragen ist, dieses Leben, was ich jetzt führe. Dann wünschte ich zumindest, dass wir alle Unterstützung bekommen, die wir kriegen können. Pflegegrad, keine schädliche Reha, dass die Rente bewilligt wird, dass Taxifahrten zu Arztterminen bezahlt werden. Ein großer Wunsch von mir ist es, oder es wäre einfach so schön, wenn ich überhaupt wieder mehr Menschen sehen könnte, wenn ich mich sozial engagieren könnte, wenn ich mit meinem Patenkind überhaupt Zeit verbringen könnte. Ich gestehe mir eigentlich gar nicht ein, was ich alles vermisse. Ich probiere das Beste daraus zu machen aus der Situation und einfach zu schauen, was jetzt möglich ist und nicht zu schauen, was alles nicht möglich ist. Aber deswegen ist die Frage nach dem größten Wunsch so schmerzhaft. Bis zum nächsten Mal.43 Jahre alt
Nachricht 16:
Ein Tag in meinem Leben ist unfassbar langweilig, aber für mich trotzdem total anstrengend. Ich lege die ganze Zeit im Bett, bin immer müde und kann nichts tun, was mir Spaß macht. Ich schaffe es nicht mal ins Bad nebenan zu laufen, kann nur im Bett auf diesen zwei Quadratmetern sein, dort etwas reden, essen und Videos schauen, mehr kann ich nicht. Ich möchte mehr tun, ohne danach unzählige Symptome zu haben, wieder malen, basteln, lernen und rausgehen können, wann ich will. Ich will wieder backen und kochen können, einfach so einen Spaziergang machen und meine Freunde treffen können. Ich vermisse Schreiben mit einem Stift und Lesen.
18 Jahre alt
Nachricht 17:
Stillstand
An solchen Tagen, an denen Dein Körper durch die Symptome
so kraftlos und erschöpft ist, dass Du nur im Bett liegen kannst,
sich alles um Dich herum dreht und es unter Dir schwankt, als seist Du auf hoher See,
die Glieder schmerzen,
der ganze Körper innerlich schmerzend brennt,
das Atmen ein Kraftakt ist,
Deine Muskeln streiken,
Dir kalt ist,
Dein Gehirn benebelt ist...,
steht Deine Zeit still.
Alles, was Du machen wolltest, bleibt stehen und liegen, als würde jemand die Zeit anhalten. Error... Akku komplett leer.
Stillstand.
Lebendig im eigenen Körper begraben, alleine, sozial isoliert und irgendwie falsch auf dieser Welt.
Du kannst nur daliegen, während das Leben ohne Dich weitergeht. Du hast Deins verloren, ohne gestorben zu sein...
In solchen Zuständen ist jeder Sinnesreiz mehr als eine Folter für Deine Wahrnehmungssynapsen! Kognitiver Totalausfall, Menschen, Kontakte, Gespräche, Informationen, Geräusche und Licht too much.
Du liegst isoliert im abgedunkelten Zimmer, die Stunden ziehen sich wie Kaugummi, die Symptome feiern die Party in Dir, die Du schon lange nicht mehr feiern kannst.
Draußen wartet Dein Garten, die Natur, Dein Kunsthandwerk und der Wald auf Dich.
Aber...
Deine Zeit steht still…
Du müsstest einkaufen, um den Lebensmittelvorrat zu sichern, Du müsstest aufräumen, Du würdest gerne mit dem Hund gehen, ein bisschen rumwerkeln, was Schönes kochen...
An solchen Tagen geht aber nichts.
Denn Deine Zeit steht still...
Du kommst ins Grübeln, wann- und ob dieser Zustand wieder besser wird. Er ist existentiell bedrohlich, lässt Dich innerlich verrückt werden und so endlos tieftraurig und verzweifelt.
Das ist kein Leben, das ist nur ein Überleben.
Was ist, wenn der Zustand irgendwann dauerhaft so ist? Schließlich kommt er regelmäßig, mal länger, mal nur kurzfristig.
Egal, wie lange er anhält; Deine Zeit steht dann still…
Dein Zustand macht Dir Angst und Du fühlst Dich gefangen in Deinem eigenen Körper, bist hilflos. Es kommt eine Platzangst im eigenen Körper hoch. Etwas schreit in Dir, dass es raus will und wieder am „Leben“ teilhaben will.
„Leben“, was schon an guten Tagen auf Bett, Haus, Hof und dem näheren Radius in kleinen Zeitfenstern mit permanenten Pausen und täglich 18 Stunden Aufenthalt im Bett stattfindet.
Das ist Dein „normales Leben“
Aber Deine jetzige Zeit steht still...
Und so bleibt Dir auch dieses mal nichts anderes übrig, als im Bett zu liegen, traurig, einsam, voller Angst und verzweifelt.
Trotzdem bist Du noch da und versuchst tapfer die Ruhe zu bewahren und abzuwarten, dass wieder Kraft in Deinen Körper einzieht und Du weitermachen kannst, weitermachen mit leben…
Denn momentan steht Deine Zeit auf
Stillstand.
Ein Text von Aika