Leichte Sprache – Transkript

Lesezeit ca. 35 Minuten

Die Neue Norm: Eine Sehbehinderung, ein Rollstuhl, eine chronische Erkrankung. Oder: drei Journalist*innen. Jonas Karpa, Raul Krauthausen und Karina Sturm sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 54: „Leichte Sprache“

Jonas:
Achtung, der folgende Podcast kann Spuren von Leichter Sprache enthalten.

Raul:
Und Nüssen!

Sprecher:
Die neue Norm – eine Sehbehinderung, ein Rollstuhl, eine chronische Erkrankung oder: drei JournalistInnen. Jonas Karpa, Raul Krauthausen und Karina Sturm sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft. Ein Podcast von Bayern 2.

Jonas.
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast. Zu hören natürlich auch in der ARD Audiothek.
Heute sprechen wir über Leichte Sprache. Leichte Sprache ist eine besondere Art zu sprechen und zu schreiben. Sie soll für alle Menschen gut und verständlich sein. Bei mir sind Karina Sturm und Raul Krauthausen.

Karina + Raul:
Hallo!

Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa, und wir haben uns heute Gäst*innen eingeladen, um über Leichte Sprache zu sprechen. Und eine dieser Gäst*innen ist Anne Leichtfuß. Sie ist Übersetzerin in Leichte Sprache und ist quasi Expertin, was das Ganze angeht. Und sie hat den Podcast, den wir auf dem Puls-Festival gemacht haben, simultan in Leichte Sprache übersetzt. Hallo. 

Anne:
Hallo!

Jonas:
Und außerdem haben wir noch zwei weitere Personen bei uns hier in der Runde. Es sind zum einen Natalie Dedreux und Paul Spitzeck. Sie arbeiten mit Anne zusammen und prüfen Texte auf Leichte Sprache. Also, ob die wirklich verständlich sind. Und beide haben das Down-Syndrom. Hallo ihr Beiden.

Natalie und Paul:
Hallo!

Jonas:
Um anfangs erst einmal zu klären – was ist denn Leichte Sprache? Beziehungsweise, stellt euch doch noch mal gerne vor am Anfang.

Anne:
Okay, dann fange ich mal an. Ich bin Anne Leichtfuß, ich lebe und arbeite in Bonn und bin Dolmetscherin und Übersetzerin für Leichte Sprache. Natalie, dann würde ich an dich weitergeben.

Natalie:
Ja, genau, auch noch mal Hallo an alle. Genau, ich bin Natalie Dedreux. Ich bin Aktivistin, Journalistin und Bloggerin. Ja, ich kämpfe auch wirklich stark für Inklusion und auch für den Einsatz von Menschen mit Down-Syndrom und Behinderung, genau.

Anne:
Paul, machst du weiter? 

Paul:
Ich heiße Paul Spitzeck, bin 30 Jahre alt, ich arbeite in Köln, ich wohne auch in Köln, und ich arbeite in einer Gastronomie.

Jonas:
Ja, schön, dass ihr dabei seid und mit uns über Leichte Sprache sprecht. Was ist denn Leichte Sprache? Was macht das aus? Was steckt hinter diesem Begriff?

Anne:
Natalie, magst du anfangen? Was bedeutet für dich Leichte Sprache?

Natalie:
Naja, also für mich bedeutet die Leichte Sprache irgendwie schon sehr, sehr viel und so, weil generell in der Tagesschau ist es halt so, da wird viel zu schnell gesprochen. Da ist auch die Leichte Sprache wichtig. Bei der Bahn auch – dieses Ganze hin und da informieren, das ist halt schon ein bisschen schwierig und auch im Internet.

Anne:
Paul, was ist Leichte Sprache für dich?

Paul:
Leichte Sprache ist für mich, dass man alles gut lesen kann und auch gut sehen, mit Bildern, und dass man Schwere Sprache auch versteht, weil mir das wichtig ist.

Anne:
Also so ganz grundsätzlich kann man sagen, es ist eine vereinfachte Form der deutschen Sprache. Die Sätze sind ganz kurz. Ich habe immer nur eine Information in einem Satz. Ein Hauptsatz reiht sich an den nächsten. Wenn man nach diesen Fremdsprachen-Niveaus geht, dann entspricht es etwa dem Sprachniveau A2.

Jonas:
Wir reden jetzt ja natürlich quasi aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung. Aber Leichte Sprache ist ja auch etwas, was vielen anderen zugute kommt.

Anne:
Das stimmt, ja, die Zielgruppe ist viel größer. Im Moment sagen Studien, es sind etwa 17 Millionen Nutzer*innen in Deutschland, die Leichte oder Einfache Sprache brauchen. Und ich würde sagen, der größte Teil der Zielgruppe sind Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten. Aber dazu kommen Menschen, die Deutsch nicht als Erstsprache haben, also die Sprache noch lernen, dann eine ganz große Personengruppe sind zum Beispiel Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Aber es gibt ganz viele unterschiedliche Gründe, warum Menschen Leichte Sprache brauchen. Und wenn ich mit einem Thema nicht vertraut bin oder jemand sehr, sehr stark in der eigenen Fachsprache spricht, dann ist es wahrscheinlich für alle Menschen nützlich, egal, ob sie zur klassischen Zielgruppe gehören oder nicht.

Jonas:
Man sagt ja auch immer, wenn das wirklich Texte vereinfacht, Raul und Karina, ihr habt ja auch als Journalisten viele Texte. Seid ihr manchmal auch dankbar dafür, wenn es manchmal Informationen in Leichter Sprache gibt, die vielleicht den Text noch einmal kurz zusammenfassen, um jetzt nicht die ganzen 10/20 Seiten zu lesen?

Karina:
Ich habe tatsächlich schon mal eine Regierungs-Webseite in Leichter Sprache gelesen, weil ich mich so schwer getan habe, diese ganzen Gesetzestexte und so überhaupt zu umreißen, und dachte mir, warum nicht in Leichter Sprache lesen und vielleicht die Informationen schneller bekommen. Also, ich fand das super hilfreich.

Raul:
Ich bin da so ein bisschen ambivalent, weil ich beobachte schon, dass es auch gute und nicht so gute Leichte Sprache gibt. Und ich genieße Leichte Sprache, die wirklich professionell produziert ist, wo mir wirklich dann das Textverständnis viel leichter fällt. Aber wenn ich das Gefühl habe, ich werde als Leser nicht ernst genommen und werde wie so ein Kind angesprochen oder so, dann ist es für mich tatsächlich sehr unangenehm. Und ich liebe es, Zusammenfassungen dann auch manchmal da herauszulesen und am schlimmsten, wenn es um Texte geht, sind eigentlich so Behördenbriefe oder Behördentexte – man ist da sowieso immer Täter, wenn man irgendwas vom Amt will und wird auch immer so behandelt und wenn man den dann in Leichte Sprache übersetzt, dann verstehe ich oft erst, dass das gar nicht so unhöflich gemeint ist, wie sie einem schreiben.

Anne:
Ich will da auch noch mal ganz kurz einhaken, denn du warst jetzt automatisch davon ausgegangen, Jonas, dass der Text, der dann in Leichter Sprache angeboten wird, eine Zusammenfassung ist. Das ist gar nicht eigentlich die Variante, von der ich idealerweise ausgehe. Mein Ziel ist es, sowohl beim Dolmetschen als auch beim Übersetzen, dass die Menschen, die den Text in Leichter Sprache lesen, alle Informationen bekommen, die du auch bekommst, wenn du den komplexen Text liest. Also klar, viele Institutionen machen das so, dass sie einem Text eine Kurzzusammenfassung in Leichter Sprache voranstellen. Und das ist besser als gar kein Angebot in Leichter Sprache zu haben. Aber eigentlich ist es das Ziel, dass du Eins zu Eins dieselben Informationen auch in Leichter Sprache bekommen kannst, und eben keine knappe Zusammenfassung, sondern den kompletten Text.

Raul:
Da habe ich eine Frage. Ich bin gerade dabei, eines meiner Bücher in Einfache Sprache zu übersetzen, und das ist einfach sehr viel Text. Und wenn man jetzt auf Einfache oder Leichte Sprache angewiesen ist, hab ich manchmal das Gefühl, dann ist die Textlänge quasi dann teilweise viermal so lang, weil man es ja erklärt, dass mich das, als jemand, der nicht auf Einfache oder Leichte Sprache angewiesen ist, dann tausend Seiten mich überfordern würden. Grundsätzlich.

Anne:
Paul, wie ist das bei dir, wenn ein Text in Leichter Sprache sehr lang ist, stresst dich das?

Paul:
Lange Wort Sprache ist lang, kann man aber auch gut verstehen. 

Anne:
Also das ist auch so ein bisschen meine Erfahrung. Du hast recht, natürlich wird die Textmenge dadurch viel länger. Unter anderem liegt das ja auch am Layout, dass du so viele Umbrüche und Absätze hast. Aber tatsächlich ist es so, dass, wenn der Text eben dadurch einfacher aufzunehmen ist, liest du ihn schneller als den komplexen Text. Das ist das Eine. Aber es ist natürlich so, dass stimmt, dass viele Menschen aus der Zielgruppe der Leichten Sprache langsamer und mühsamer lesen. Das heißt, lesen ist grundsätzlich eine größere Anstrengung, unabhängig von der Textmenge. Von daher ist vielleicht eine Hörbuch-Variante auch eine gute Option, weil es ja auch Leute aus der Zielgruppe gibt, die nicht lesen können. Und die können es dann in einer gelesenen Form in Leichter Sprache besser aufnehmen.

Jonas:
Raul, du hast eben angesprochen, dass es dich erfreut, wenn Texte in Leichter Sprache gut gemacht sind, also wenn du… das auch eine gewisse, eine gute Ansprache ist, dass du das Gefühl hast, dass die Inhalte gut transportiert werden. Ihr drei arbeitet daran, Texte in Leichte Sprache zu übersetzen und arbeitet ja in so einer Art Tandem. Wie sieht eure Arbeit aus? Wie läuft das ab, wenn ihr Texte in Leichte Sprache übersetzt?

Anne:
Nathalie, Paul, ich würde anfangen, weil mein Teil der Arbeit ja zuerst kommt und würde dann an euch weitergeben, damit ihr erzählen könnte, wie ihr prüft. Ist das okay? 

Paul:
Ja.

Anne:
Gut. Also in der Regel ist es so, dass ich von Auftraggeber*innen einen Text bekomme oder einen Audioguide oder eine Videodatei, ganz unterschiedlich, und den Auftrag, diese Inhalte in Leichte Sprache zu übersetzen. Oder es gibt noch gar keinen Text, und jemand sagt, wir wollen gerne über unsere Organisation einen Website-Text in Leichter Sprache haben. Dann schreibe ich den neu, und das mache ich erst einmal alleine. Und dann kommen Personen aus meiner Prüfgruppe dazu. Das sind im Moment 18 Personen und Nathalie und Paul sind zwei davon. Vielleicht könnt ihr mal beschreiben, Nathalie und Paul, was euer Teil des Jobs ist, wie das prüfen funktioniert. Natalie, machst du anfangen? Kannst du einmal beschreiben, wie du Texte prüfst.

Natalie:
Also, ich mache es so, dass wir bestimmte Texte vorgelesen bekommen und natürlich mal gucken, ob das so gut ist. Ist das verständlich gemacht oder muss noch was erklärt werden.

Anne:
Paul möchtest du was ergänzen zu dem, was Natalie gesagt hat?

Paul:
Nein.

Raul:
Wie lange dauerten so ein Prozess? Also angenommen, du kriegst jetzt vier Seiten oder ihr kriegt vier Seiten geliefert.

Anne:
Ich würde jetzt natürlich sehr gerne eine praktische, nützliche Antwort geben. Aber kann man tatsächlich gar nicht mitteln. Also ich habe einen Promi Klatsch und Tratsch Blog in Leichter Sprache und da so eine Meldung zu prüfen, das geht superschnell, das machen Natalie und ich oft, wenn wir zusammen reisen, morgens beim Frühstück, beim ersten Kaffee. Also, das geht total Turbo, je nachdem, welches Thema wir prüfen. Wenn das Thema sehr komplex ist oder emotional herausfordernd, dann brauchen wir richtig lange Zeit dafür. Also wir haben ja zum Beispiel das Projekt „Ableismus tötet“ auch in Leichte Sprache übertragen. Und da haben wir zum Beispiel völlig anders angefangen. Da haben wir uns erst mal mit einer relativ großen Gruppe an Menschen zusammengesetzt. Ich glaube, es waren fünf oder sechs Prüfer*innen und haben über das Thema gesprochen und haben geguckt, welches wording ist den Prüfer*innen bekannt, wie explizit müssen die Beispiele sein, damit das Thema verständlich wird? Wie explizit dürfen sie aber nicht sein, um nichts anzutriggern. Das heißt, da hatten wir einen ganz langen Prozess, bevor ich mit der eigentlichen Textarbeit angefangen habe. Also, es ist tatsächlich je nach Thema und Art des Inhalts immer unterschiedlich.

Karina:
Da würde ich gern gleich noch mal einhaken. Ich hatte nämlich tatsächlich für unsere Folge zu Gewalt mit der Kaja von Ninlil gesprochen, und zwar über die Wichtigkeit von Leichter Sprache im Gewaltschutz.

Kaja:
Extrem wichtige Rolle. Also ich würde schon sagen, also es hat so viele Aspekte, wo Leichte Sprache eine wichtige Rolle spielt, alleine schon, wenn es darum geht: Hab ich Gewalt erlebt? Ja, also wenn man sich die Bücher anschaut über sexualisierte Gewalt, über Trauma, wenn man psychoedukativ arbeiten will, zu verstehen, was es mir jetzt gerade passiert. Das ist alles so kompliziert geschrieben. Dann wird gesagt, ja, und dann, äh, weiß ich nicht. Dann geht es in Freeze und Fragment – keine Ahnung. Also so englische Begriffe, ja, um zu verstehen, was mir passiert ist und welche Folgen das für mich haben kann, kann schon sehr entlastend in dem ersten Moment sein. Ein Kraft-Rucksack steht auch drinnen. Ich kann mich nach der Gewalterfahrung so fühlen, oder ich kann mich so fühlen. Es muss nicht sein, dass ich danach nur den ganzen Tag weine oder dass ich wütend bin, es kann… es gibt keinen richtigen oder falschen Ablauf, wie dann Traumata oder wie die Gewaltformen folgen denn auch aussehen müssen. Also schon allein die Psychoedukation. Dann gibt’s die, also bei uns in der Beratungsstelle, wenn wir mit den Frauen sprechen, verwenden wir Leichte Sprache. Oder das Bemühen, so gut wie es geht, Leichte Sprache zu verwenden, damit wir uns sicher sein können, dass wir eine gemeinsame Sprache gefunden haben mit den Frauen.
Weil viele Frauen mit Lernschwierigkeiten haben im Laufe des Lebens – haben sie sich gewöhnt… oder es ist eine Coping-Strategie, so zu tun, als ob sie es verstehen, ja, weil sie entweder nicht auffallen möchten oder weil Sie nicht möchten, dass jemand böse auf sie wird oder weil sie nicht nachfragen möchten, weil sie sich schämen oder wie auch immer. Und dann erleben wir in der Beratung oft, dass sie nicht nachfragen, wenn sie was nicht verstehen. Und mit Leichter Sprache kann man sich dann schon sicherer sein, dass eine Kommunikation stattfindet, die auf Augenhöhe stattfindet und wo man sich dann gegenseitig gut verstehen kann. Genau. Aber dann auch, wie gesagt, bei der Anzeige spricht Leichte Sprache eine Rolle, wenn es darum geht, Informationen zur Sexualität, zu meinem Körper, sich zu holen. Das ist ganz, ganz wichtig, weil es ist eine von effektivsten gewaltpräventiven Methoden halt, sich auszukennen mit eigener Sexualität, mit dem eigenen Körper. Und diese Sachen, die müssen in Leichter Sprache verfügbar sein einfach. Punkt! Weil sonst können sich die Personen dieses Wissen nicht holen. Und es braucht aber oft im Alltag von Frauen mit Lernschwierigkeiten Betreuerinnen, die das auch wichtig finden. Ja, also, es reicht nicht, wenn eine Frau glaubt, ja, ich will dieses Wissen haben. Es muss dann so sein, dass die Betreuerin, die dieses Wissen zur Verfügung stellen kann, das auch als wichtig empfindet. Weil sie ist dann so wie ein Filter dazu, welche Informationen die betreuten Personen bekommen oder nicht.

Jonas:
Es zeigt ja auch noch mal, also dieses Beispiel, dass es in allen Lebenslagen und in allen Situationen wichtig ist, auch Informationen in Leichter Sprache anzubieten, also von Aufklärungsarbeit, wenn es um Gewalt geht, wenn es um Behördenbriefe geht. Aber eben auch, sage ich mal, Klatsch- und Tratsch-News, wo man vielleicht jetzt von außen erst einmal denkt, ja, das sind ja jetzt nicht so die wichtigen Informationen der Weltgeschichte, die man irgendwie benötigt. Aber das, ob das für einen wichtig ist, interessiert, entscheidet ja jede Person für sich selbst.

Anne:
Also, ja, das stimmt. In der UN-Behindertenrechtskonvention steht ganz klar drin, alle Menschen, die Leichte Sprache benötigen, haben einen Anspruch darauf, und zwar in allen Lebensbereichen – und davon sind wir super weit entfernt. Also, Natalie hat eben gesagt, sie braucht unbedingt Leichte Sprache bei der Bahn, wenn irgendwas nicht nach Plan läuft und man wird informiert – diese Infos sind auf so vielen Ebenen nicht barrierefrei. Es hat bis 2024 gedauert, bis es das erste Nachrichtenformat in einfacher Sprache gibt, aber der ganze Bereich kulturelle Teilhabe, Freizeit… Ich will auch mal Texte zum Vergnügen lesen. Es gibt ganz wenig Literatur in Leichter Sprache und solange wir noch nicht mal quasi die zum Teil überlebenswichtig basics sichern können… Also wenn ich keine Ärzt*innen habe, die mit mir so darüber sprechen können, warum eine Prävention und eine Vorsorgeuntersuchung wichtig ist, dann gehe ich nicht hin. Gab es gerade eine Studie zu, und das führt dann dazu, dass vielleicht lebensbedrohliche Krankheiten nicht rechtzeitig erkannt werden. Also es ist einfach in allen Lebensbereichen superwichtig und da gehört der Promi-Klatsch genauso mit rein. Das Thema habe ich mir nicht selber ausgesucht, sondern es war damals so, dass das das Thema war, was die Zielgruppe sich am brennendsten gewünscht hat. Ich hatte keine Ahnung, als ich damit angefangen hatte, wer gehört wie mit wem zusammen? Ich war total lost, aber macht das jetzt seit zehn Jahren, und inzwischen bin ich drin in der Materie.

Raul:
Vielleicht – wenn ich darf – so ein paar Basics, dass wir die noch mal klären. Was ist der Unterschied zwischen Leichte Sprache und Einfache Sprache?

Anne:
Also es gibt so eine Handvoll Unterschiede. Der größte Unterschied ist die Zielgruppe. Leichte Sprache richtet sich vor allem an Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten. Es ist vom Sprachniveau her die einfachste Variante. Ich habe es eben schon mal gesagt, wenn man nach diesen Fremdsprachen-Niveaus geht, ist es etwa A2. Und das Ziel ist, dass wirklich alle Menschen diese Informationen verstehen können, auch wenn sie überhaupt kein Vorwissen zu einem Thema haben, also Wahlzettel ausfüllen zum Beispiel, die Informationen, die muss jede Personen verstehen können. Es sind nur Hauptsätze, jeder Satz ist ungefähr fünf bis acht Wörter lang, und Fremdwörter und Fachbegriffe werden erklärt. Die Einfache Sprache dagegen richtet sich an Menschen, die Deutsch noch lernen, oder Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, also funktionale AnalphabetInnen. Also Menschen, wo man davon ausgeht, die brauchen diese vereinfachte Sprachform nur vorübergehend. Und irgendwann werden sie Texte in komplexer Sprache lesen können. Der Schwierigkeitsgrad ist etwas höher, etwa B2 und einfache Nebensätze sind möglich. Aber jetzt kommen wir zu dem Unterschied, der das Ganze noch verwirrender macht: Ich arbeite in der Leichten Sprache immer mit Prüfgruppen. Natalie und Paul sind zwei Personen von einer ganzen Gruppe, die jeden Text auf Verständlichkeit überprüfen. Es heißt, wir gehen den gemeinsam durch, und gucken, gibt es in dem Abschnitt schwere Begriffe, die ich nicht gut erklärt habe. Oder ich bitte dann die Natalie, kannst du den Abschnitt nochmal in deinen eigenen Worten zusammenfassen, sodass dann wirklich klar ist, die Information ist wirklich angekommen. Und diese Zielgruppen-Prüfung gibt es bei der Einfachen Sprache nicht vorgeschrieben. Weswegen dann viele Institutionen sich entscheiden, Informationen in Einfache Sprache zu übertragen, weil es die Hälfte der Zeit kostet und somit eben auch weniger Geld kostet. Das heißt so trennscharf wie in der Theorie die Unterscheidung ist, ist sie in der Praxis oft gar nicht.

Raul:
Aber es ist denn nicht auch so, Natalie, Paul, dass das nicht bedeutet, dass ihr nur Dinge konsumiert und lest, die Leichte oder Einfache Sprache haben, sondern dass ihr sie bevorzugt, wenn es sie im Angebot gibt?

Anne:
Paul, ich fange mal mit dir an, wenn du eine Information lesen willst und die Information gibt es in Leichter Sprache und in Schwerer Sprache. Welche suchst du dir aus?

Paul:
Leichte Sprache und ab und zu mal Schwere Sprache. Und bei Leichter Sprache ist es mir auch wichtig, dass man auch in Briefen, Polizei, dass man da auch mal weiß, was die wollen.

Anne:
Und jetzt stell dir vor, du willst eine Information unbedingt lesen und wissen. Aber es gibt sie nicht in Leichter Sprache. Was machst du dann?

Paul:
In der Tagesschau – gibt es in Einfacher Sprache, und ich habe mal zwei Beiträge geguckt, und ich habe das gut verstanden.

Anne:
Das heißt, du guckst, ob es die Informationen irgendwo anders dann in Leichter Sprache gibt?

Pauls:
Ja. 

Anne:
Okay.

Pauls:
Ich mache auch in meiner Arbeit mit Leichter Sprache. Jemand macht ein Protokoll und dann gucke ich, ob das lesbar ist in Leichter Sprache.

Raul:
Aber wenn du, wenn du Fernsehen guckst, da ist ja nicht alles in Leichter oder Einfacher Sprache, aber trotzdem guckst du ja Fernsehen.

Paul:
Ja, gucke oder lese. Ich habe so eine App, wo man was vorlesen lassen kann. Da kann man ein grünes Eck machen und dann vorlesen lassen. Dann kann man wissen, was die sagen möchten. 

Anne:
Paul, hast du eine Lieblingssendung im Fernsehen?

Paul:
Meine Lieblingssendung…Boah….viele.

Anne:
Dann such mal eine aus.

Paul:
Anwälte im Einsatz.

Anne:
Okay, und die Leute bei Anwälte im Einsatz reden nicht in Leichter Sprache, nehme ich an.

Paul:
Ja.

Anne:
Und trotzdem ist es deine Lieblingssendung. Kannst du verstehen, was in der Sendung gesagt wird?

Paul:
Ja, ich kann das verstehen.

Anne:
Würdest du dir wünschen, dass es Anwälte im Einsatz auch in Leichter Sprache gibt?

Paul:
Das ist super cool, wenn es auch in Leichter Sprache ist.

Anne:
Natalie, gibt es bei dir eine Fernsehsendung, die du dir wünschen würdest? Und wie sollte die sein?

Natalie:
Ja, die komplette Tagesschau.

Anne:
Okay, da gibt es ja jetzt zum Glück ein Angebot seit ungefähr einem Monat. 

Natalie:
Das kann auch sein. 

Anne:
Und ich weiß zufällig, du guckst total gerne Comedy-Sendungen.

Natalie:
Das auch, genau. 

Anne:
Würdest du dir wünschen, dass es eine Comedy-Sendung in Leichter Sprache gibt? Oder sagst du, die sind so, wie sie sind cool?

Natalie:
Ja, ich finde sie eigentlich schon ehrlich gesagt cool. Aber es wäre schon cool, wenn die ein bisschen langsamer sprechen. Politiker müssten das doch irgendwie auch. Das ist sonst… Ja, das Problem ist, weil wir so einen Haken setzen, bis wir das verstehen alles.

Raul:
Ja, das verstehe ich.

Karina:
Ich habe auch noch eine Frage an euch. Ich habe mal ganz kurz für ein Projekt mit einem Journalisten mit Lernschwierigkeiten zusammengearbeitet. Und ich habe mich super schwergetan, einen Artikel über Pränataldiagnostik in Einfacher Sprache zu schreiben. Und ist es manchmal vielleicht auch ein Kompromiss – also, wir haben zum Beispiel – das war explizit das Wort Embryo – das nicht verstanden wurde und das übersetzt werden sollte. Und dann war der Konflikt aber, dass wir aus feministischer Sicht nicht von einem ungeborenen Kind sprechen konnten und da die Frage, wie erklärt man denn was in Einfacher Sprache, wenn da quasi mehrere Interessen irgendwie kollidieren?

Anne:
Also, wir hatten genau diese Diskussion auch schon. Natalie, Paul und ich arbeiten alle drei für Touchdown 21, das ist ein partizipatives Forschungsinstitut, wo wir zum Thema Down-Syndrom forschen, Forscher*innen verknüpfen, Aufklärungsarbeit machen und so weiter. Und genau das Thema hatten wir dort natürlich auch. Wir haben uns also mit den vorgeburtlichen Bluttests beschäftigt und hatten genau den Punkt, dass wir nicht Baby sagen wollten oder ungeborenes Kind oder die werdende Mutter oder solche Begriffe. Und genau das haben wir dann miteinander besprochen. Wie können wir ein Wording finden, das man gut verstehen kann, das aber trotzdem auch den Nuancen des Themas entspricht? Wir hatten es zum Beispiel auch bei Websites, die wir übersetzt haben für die Trans-Community. Da ist es auch ja super fine in den Nuancen des Wordings. Und das geht schon – natürlich, das ist Arbeit, das ist Auseinandersetzung. Man muss quasi beide Gruppen an einen Tisch holen, die Community, die ein bestimmtes Wording benutzt, und die Prüfer*innen. Und dann muss man gucken, wie findet man eine Variante, die für beide Seiten gut ist und eben nicht nur ein Kompromiss?
Paul, du wolltest auch was sagen dazu.

Paul:
Ja, ich muss jetzt auch gleich auch gehen. Weil ich muss noch arbeiten. Ich wollte nur ein paar Sätze noch sagen, ich brauche Leichte Sprache auch in der Zeitung und im Krankenhaus. Dass man nicht so schwere Sprache und… Krankenhaussprache auch. Muss auch in Leichte Sprache werden. Ich muss jetzt Auf Wiedersehen sagen – ich muss jetzt runter. 

Anne:
Alles klar. Paul, vielen Dank, dass du dabei warst. Ich wünsche dir noch einen schönen Arbeitstag. 

Jonas:
Danke dir, Paul.

Paul:
Danke.

Raul:
Bis bald.

Jonas:
Wenn wir jetzt grade auch gesprochen haben über Begrifflichkeiten, die erklärt werden. Gibt es denn eine gewisse Regel, wo man sagt, okay, diesen Begriff kann ich nicht weiter erklären. Oder will ich auch nicht weiter erklären, weil es dann zu kleinteilig wird. Also wenn man jetzt zum Beispiel den Satz nimmt: „Die neue Norm ist ein Podcast, in dem drei Journalist*innen mit Behinderung über Barrierefreiheit und Inklusion sprechen“. Wenn man jetzt diesen Satz oder diese Aussage übersetzen würde, müsste man ja erst mal vielleicht die Begriffe Podcast, Journalist, Inklusion vielleicht erklären. Aber wenn man dann quasi jetzt Podcast erklärt, im Sinne von das ist eine Audiodatei, wenn man es so sagen würde, dann müsste man ja quasi wieder Audio und vielleicht auch Datei wieder erklären. Also, und dann wird man immer kleinteiliger. Und dann hört es ja irgendwann überhaupt nicht mehr auf. Aber wo es, wo ist die Grenze erreicht, dass man sagt, okay, dieses Wort in dem Fall ist jetzt klar und eindeutig. Und müssen wir jetzt nicht doch nicht noch weiter in Leichter Sprache übersetzen?

Anne:
Also da kommen jetzt verschiedene Punkte zusammen. Zum einen ist es so, ich würde Podcast natürlich nicht mit Audiodatei erklären. Sonst hast du recht. Natürlich hat man dann die nächste Baustelle aufgemacht und hat die nächste Worterklärung. Podcast würde ich tatsächlich definitiv erklären. Natalie, Inklusion – brauchst du eine Worterklärung für den Begriff Inklusion?

Natalie:
Inklusion alleine kenne ich schon.

Anne:
Super. 

Natalie:
Das ist einfach.

Anne:
Genau, deswegen sind wir hier. Du hast recht. So funktioniert das ja auch in unserer Arbeitspraxis. Dann frage ich nicht Natalie alleine, sondern ich stelle das Prüfteam so zusammen, dass ich möglichst auch Menschen drin habe, die aus verschiedenen Gründen Dinge nicht verstehen. Und dann gucke ich oder frage sie, kennst du die und die Person? Kennst du den und den Begriff? Und dann weiß ich, ich muss den Begriff erklären, oder ich muss Ihnen nicht erklären. Und ich gucke auch tatsächlich bei jedem Wort, bei jedem Fremdwort, jedem Fachbegriff der auftaucht, ist es wichtig, diesen Begriff drin zulassen im Text. Dann wird er erklärt, aber an ganz vielen Stellen kann ich Fremdwörter ja auch durch einen einfacheren Begriff ersetzen. Also ich kann zum Beispiel statt Illustration Zeichnung verwenden, habe keinen Bedeutungsverlust und alle kommen schneller klar, auch ohne eine Worterklärung. Von daher, das lässt sich schon lösen. Und um die Frage nach den Themen zu beantworten – es wird, das wird natürlich immer gefragt, gibt es irgendetwas, was einfach so komplex ist, dass man es nicht in Leichte Sprache übersetzen kann… ist mir noch nicht begegnet. Und wir haben wirklich schon krassen Scheiß in Leichte Sprache übersetzt. Also, keine Ahnung, einen Text über die DNA-Untersuchung eines 2500 Jahre alten Skelettes, um festzustellen, ob die Person damals Down-Syndrom hatte. Auch das geht in Leichter Sprache. Das verändert immer nur die Form und nicht den Inhalt.

Raul:
Aber das bedeutet ja, dass du den Text grundsätzlich erst einmal verstanden haben muss, wenn du etwas über Quantenphysik liest.

Anne:
Ich hatte tatsächlich schon einmal ein Dolmetsch-Einsatz, wo ich über physikalische Zusammenhänge gedolmetscht habe. Es war richtig krass, weil, ich bin einfach naturwissenschaftlich ziemlich unbegabt. Und es war ein Science Slam zum Thema Raketenstarts und so weiter. Und ja, das ist super herausfordernd, denn ich muss den Text in den Nuancen verstanden haben, sonst kann ich ihn nicht dolmetschen oder übersetzen. Und das brauchte einfach mit den vortragenden Wissenschaftler*innen wirklich viele Gesprächsrunden, um abzuklären, ist diese Information leicht verständlich und trotzdem immer noch wissenschaftlich korrekt. Aber das geht.

Raul:

Ich finde, diesen Prozess sollte man grundsätzlich machen.

Anne:

Ja du hast recht.

Raul:

Nicht nur, wenn es um leichte oder einfache Sprachregelung wirklich mal prüft, ob das überhaupt verstanden wurde

Anne:

Und das war ja auch in dem Tonbeispiel, was Karina eben eingespielt hat, so. Es ist ja so, dass wir alle Strategien haben, damit umzugehen, wenn wir was nicht verstehen. Wir lächeln höflich und unverbindlich und sagen ja ja, oder wir wechseln das Thema, oder, oder. Und alle diese Strategien hatten ja meine Kolleg*innen im Prüfteam vorher auch. Das heißt es war total gut, dass wir uns vorher schon über viele Jahre der Zusammenarbeit kennen. Nathalie, du bist beim Ohrenkuss eingestiegen, da war es so 17.

Natalie:

Genau, ja.

Anne:

Das heißt, wir hatten schon eine Vertrauensbasis miteinander, und es war ihnen einfach nur peinlich zu sagen: nee, hast du nicht gut erklärt, habe ich nicht verstanden. Weil die Hürde muss man erstmal nehmen.

Raul:

Natalie, wenn du jetzt sagst: bestimmte Wörter muss man gar nicht mehr erklären. Zum Beispiel, das Wort Inklusion, bedeutet es, dass du dann zwar immer besser wirst, im Bestehen von Texten aber gleichzeitig dann vielleicht mit der Prüfung schon zu gut geworden bist?

Anne:

Natalie, wie ist das? Du lernst immer wieder neue Wörter durch Texte prüfen, hast du das Gefühl, du bist irgendwann zu gut, um Texte zu prüfen, weil du alles sowieso schon verstehst?

Natalie:

Ja eigentlich schon so. Aber es muss erst mal bei mir ankommen. Ja, mit nachhaken, was heißt das?

Anne:

Also es ist tatsächlich so, dass ich einzelne Prüfer*innen habe, die schon sehr, sehr lange in der Prüfgruppe sind. Und da ist es so, dass die tatsächlich bei den Begriffserklärungen viele Wörter schon kennen. Ich versuche zwar, die Themenfelder abzuwechseln. Also zum Beispiel habe ich von relativ Anfang an meiner Arbeit des Übersetzens ein Urban-Gardening-Projekt, was alle Texte in leichter Sprache übersetzen lässt, weil sie auf dem Gelände, wo sie ihren Garten haben, auch geflüchtete Menschen haben, die im Projekt mitarbeiten. Also müssen alle verstehen wie kann ich eine Pflanzkiste bauen? Und wenn ich den siebten Text zum Thema Kompostierung habe, dann lasse ich natürlich nicht ein und dieselbe Person den Text, die sieben Texte prüfen, weil, dann ist überhaupt nicht mehr übertragbar, ob eine andere Person den Text noch gut verstehen kann. Und ich merke immer wieder in der Arbeit mit den PrüferInnen, klar die lernen total viele neue Worte, Fachbegriffe und benutzen die dann auch in ihrer eigenen Kommunikation. Aber ganz viel geht es ja um Textstruktur, um Satzbau und um, zum Beispiel eine Reihenfolge, in der Informationen angeboten werden. Und das verändert sich eigentlich nicht. Von daher hatte ich den Fall noch nie, dass ich eine Person im Prüfteam hatte, der ich sagen musste tut mir leid, du bist jetzt leider zu clever geworden und du kannst jetzt keine Texte mehr prüfen.

Jonas:

Wer bei eben schon häufiger angeschnitten beziehungsweise kam es schon vor, dass jetzt eben auch die Tagesschau, in zwar nicht leichter, aber zumindest die sagen es ist einfache Sprache, das ist, die gibt. Wie cool ist das?

Anne:

Saucool!

Natalie:

Ja sehr geil

Jonas:

Ich persönlich finde es deswegen auch noch mal, irgendwie sehr schön, weil es eben genau die gleichen Leute sind, die auch sonst die Tagesschau vortragen. Also es sind jetzt irgendwie jetzt nicht Extraperson. Es ist das gleiche Studio. Ist es das gleiche, die gleichen Bilder, das gleiche Design des sieht genauso aus. Und es ist dann aber einfach in Einfacher Sprache. Und nicht irgendwie sage ich mal mit einem mit einem wackligen Handybild aus, irgendwie aus dem Hinterhof, aufgenommen von irgendwelchen Praktikant*innen, vielleicht.

Anne:

Von uns… (lacht)

Jonas:

Das ies eben das ist eben professionell gemacht ist. Aber es ist einfach. Also, die sagen, das ist einfache Sprache.

Anne:

Also, das führt im Moment zu Verwirrungen. Vom Sprachniveau her, ist es eher Leichte Sprache. Aber dadurch, dass sie sagen, es ist Einfache Sprache, entziehen sie sich der Zielgruppen-Prüfung. Denn einfache Sprache muss nicht geprüft werden. Das ist auch tatsächlich meine einzige Kritik am Format. Ich finde es toll. Ich bin total froh, dass es das endlich gibt. Wir haben, glaube ich, vor drei Jahren eine Petition dazu gestartet. Und ganz viele Jahre haben irgendwie gerade die Öffentlich-Rechtlichen sich das gegenseitig so hin und hergeschoben und es ist gar nichts passiert, von daher großartig, dass es das Format jetzt gibt. Aber ich finde zwei Punkte problematisch, und das eine ist eben, dass es ein barrierefreies Format ist aber kein inklusives Format. So, denn Leichte Sprache entsteht immer in inklusiven Teams, und das wäre einfach richtig cool gewesen. Also alles das, was du geschrieben hast Jonas, dieses professionelle, das Studio, was alle Menschen kennen, von dem alle wissen wie es aussieht und da dann eben eine Präsenz zu haben, von einer coolen, lässigen Prüfgruppe, wäre einfach richtig gut gewesen. Und, was ich auch einfach schade finde: ich würde vermuten, dass wahrscheinlich Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten eine der Hauptzielgruppen des Formats sind. Und sie tauchen aber in der Benennung der Zielgruppen nicht auf. Das heißt, Menschen mit Behinderungen werden nicht als Zielgruppe benannt, und das ist natürlich eigentlich Blödsinn.

Raul:

Das ist natürlich interessant. Ich las es immer nur in diesem Kontext, Behinderungen und Inklusion. Aber das sie selber das gar nicht sagen…

Anne:

Sagen, es ist für Menschen mit Leseschwierigkeiten und Menschen, die Deutsch lernen. Also…

Raúl:

Aber ist, dass die Angst davor, das Wort Behinderung zu sagen?

Anne:

Offensichtlich, ja.

Raul:

Krass.

Anne:

Natalie vielleicht kannst du was sagen, du hast auf Social Media ja auch darüber geschrieben, wie du die Tagesschau in einfacher Sprache findest und hast dir Folgen angeguckt. Kannst du was dazu erzählen?

Natalie:

Ja, ich habe mir schon so ein paar Folgen davon angeguckt. Und so ja. Also ich finde das eigentlich gern super so. Und auch schon gut, dass das mehrfach erklärt wird. Genau

Anne:

Okay also, dass Sachen erklärt werden, findest du gut, was hat dir noch gefallen?

Natalie:

Was halt noch aufgefallen ist, die sprechen und natürlich langsamer. Und das ist auch ein richtiger Ansatz.

Anne:

Okay, gibt es auch was, was du blöd findest, an dem neuen Format.

Natalie:

Die Tagesschau ist halt natürlich generell jetzt schwieriger.

Anne:

Es gibt die Tagesschau nach wie vor, so wie die vorher auch war, und dies schwieriger?

Natalie:

Ja.

Anne:

O.k. das heisst, habe ich dich richtig verstanden, bedeutet das, dass du es besser fändest, wenn es für alle die Tagesschau in Leichter Sprache gäbe?

Natalie:

Ja, Sendung für alle und auch die, die kein Deutsch sprechen, natürlich.

Anne:

O.K. alles klar.

Karina:

Jetzt, es ist ja gerade im Journalismus, sodass irgendwie Journalist in den gerne möglichst kompliziert formulieren und schreiben.

Jonas:

Das machst du gerne…

Karina:

(Lacht) Und das da gerade im Journalismus, glaube ich, irgendwie auch noch Vorurteile sind, gegenüber Leichter Sprache oder der Nutzung. Oder? Wie geht ihr da damit um?

Anne:

Natalie, ist die das schon mal begegnet, dass jemand Vorurteile hatte gegenüber Leichter Sprache?

Natalie:

Ja, natürlich habe ich diese Instagramposts…. Ja von der AFD, das ist auch irgendwie Scheiße, muss ich sagen.

Anne:

Also ja, na klar, es gibt immer wieder Vorurteile. Und je sichtbarer die Leichte Sprache wird, zum Beispiel jetzt durch dieses neue Format, desto mehr werden auch diese Vorurteile natürlich repliziert, das gesagt wird müssen wir uns immer am niedrigsten Standard anpassen. Dummes Deutsch…, 

Natalie:

Unser Deutsch ist nicht dumm.

Anne:

Natürlich nicht, und das ist nicht nur in den Instagram Kommentarspalten, wird das geäußert, sondern alle großen deutschen Printmedien haben schon ähnliche Texte gemacht, also dummes Deutsch war eine Überschrift aus der F. A. Z. So und ganz häufig sind diese Geschichten nicht zu Ende recherchiert, also die Personen, die das schreibt, hat einfach zu wenig Wissen darüber, wie leichte Sprache entsteht und für wen sie ist. Und immer kommt diese Kritik außerhalb der Zielgruppe. Also niemals würde man auf die Idee kommen, jemanden, der nicht blind ist, nach der Qualität einer Braillezeile zu fragen. Das wäre völliger Blödsinn. Oder also in einer Audiodeskription ist es ganz klar ein Qualitätsstandard, dass die immer in Tandems entsteht, und dass es bei der Zielgruppe der Leichten Sprache nicht so, weil sie eine andere Form brauchen, um Informationen aufzunehmen, wird von vornherein davon ausgegangen, dass sie nicht klug sind. Oder es wird ganz häufig auch geäußert: die haben daran ja sowieso kein Interesse. Ja, wie groß soll denn mein Interesse sein, wenn es kein Angebot gibt, das so ist, dass ich es nutzen kann und ich trotzdem aber mich, keine Ahnung, über politische Inhalte informieren will, dann ist mein Interesse ganz schön groß. Und solange es nicht ein barrierefreies Angebot gibt, was für diese Zielgruppe funktioniert, dann kann ich gar nicht sagen, ob ein Interesse da ist oder nicht. Also da mischt sich irgendwie ganz viel in den Köpfen, in den Kommentarspalten und in der Berichterstattung.

Jonas:

Das ist immer auch die Frage von Angebot und Nachfrage, auch so ein bisschen. Und gleichzeitig, irgendwie habe ich immer das Gefühl, das wird ja auch häufig dann als Kritikpunkt vorgeschoben. Das ist natürlich, es gibt ja Informationssendungen im deutschen Fernsehen, die sehr einfach geschaltet sind, die aber dann meistens als Zielgruppe vielleicht Kinder haben. Also eine Sendung mit der Maus, Sesamstraße die ZDF Logo Nachrichten für Kinder, die ich immer auch bislang, wenn ich gefragt wurde, was es denn einfache Sprache oder was ist einfach erklärt, ich als gutes oder positives Beispiel gesehen habe. Wobei gleichzeitig, da natürlich noch immer diese  Verknüpfung genommen wird, dass irgendwie Menschen die irgendwie andere Lernmöglichkeiten haben oder so, dass die dann so verkindlicht werden. Und dann das eben so, als Kritikpunkt genommen wird, was er der ganzen Sache einfach nicht gerecht wird.

Anne:

Ja, das ist so. Also ich finde auch, dass die Logo-Kindernachrichten gut verständlich sind. Und bevor es jetzt die Tagesschau in Einfacher Sprache gab, war das auch einen Nachrichtenformat, was viele meiner Kolleg*innen genutzt haben und auch das ZDF es sich also sagt auf einem Podium, wenn man sie fragt: haben sie Angebote in Leichter Sprache? Sagen die Nein, aber wir haben ja die Logo-Kindernachrichten so. Also was die Verständlichkeit angeht, ist das total gut. Aber natürlich möchte ich als erwachsener Mensch auch Inhalte konsumieren, die für erwachsene Menschen gedacht sind. Die Themenauswahl entspricht dann eben natürlich eher Interesse, dass Kinder haben.

Raul:

Also ich würde ja auch gesiezt werden wollen.

Anne:

Nathalie, wie ist das bei dir, mit dem Duzen und Siezen?

Natalie:

Die Leute, die mich hier kennen, die können mich gern duzen.

Anne:

Und alle anderen?

Natalie:

Die mich natürlich nicht kennen, da wäre das Sie schon ein bisschen besser.

Anne:

Also, Natalie und ich reisen super viel zu Vorträgen oder Veranstaltungen. Und eigentlich ist es in zehn von zehn Fällen so, dass wenn wir an einer Hotelrezeption aufschlagen, dass Natalie geduzt wird und ich gesiezt werde. Und eigentlich wird auch immer nur mit mir geredet.

Raul:

Ich habe eine Frage noch im Bezug auf, du hast gerade gesagt, dass Journalist*innen sich dann darüber echauffieren, dass die Leichte Sprache eine Verdummung der Sprache sei gleichzeitig sie aber outen, als nicht besonders fähig zu recherchieren, weil sie nicht erklären, oder nicht tief genug gedacht haben, wofür Einfache oder Leichte Sprache sind. Ich sehe noch eine andere Komplexität, dass ich oft beobachte, dass man Einfache oder Leichte Sprache versteckt, also auf der Website von Parteien oder Regierung ist es dann so weit versteckt, hinter einem PDF und so kompliziert überhaupt zu erreichen, dass jemand mit anderen Lernmöglichkeiten vielleicht auch gar nicht den Unterschied zwischen einem Browser und dem Adobe Acrobat-Reader kennt, oder erst mal was herunterladen und ausdrucken soll. Was ist ein extrem großer Aufwand ist, ob das dann nicht das Ganze auch konterkariert.

Anne:

Ja auf jeden Fall, wir haben in der Zeit der Pandemie mit dem Team des Magazins Ohrenkuss quasi eine Digitalisierung im Schnelldurchlauf machen müssen, damit wir überhaupt weiter miteinander arbeiten konnten. Natalie hast du vor 2020 schon mal eine Videokonferenz gemacht am Computer?

Natalie:

Ich glaube noch nicht.

Anne:

Ich glaube ich auch nur ein einziges Mal. Und das ist tatsächlich so, dass die meisten Menschen aus der Zielgruppe Leichte Sprache weniger digitalisiert sind, als die Allgemeinbevölkerung. Es gibt keine Workshops oder Info-Angebote wie, keine Ahnung, zum Beispiel wie nutze ich ein iPad? Wie funktioniert Instagram? Alles, das gibt es nicht in Leichter Sprache. Das heißt, ich muss mir ein persönliches Assistenzsystem suchen, was mir zeigt, wie es geht. Und gerade so Standards die Websites als bekannt voraussetzen, wie funktioniert ein Download? Was passiert, wenn ich auf das Logo klicke? Und so weiter. Die sind in der Zielgruppe in der Regel nicht bekannt. Das heißt, wenn ich die Leichte Sprache irgendwo hinter drei Klicks verstecke oder auch nur im Footer, dann ist es natürlich sehr erschwert sie zu finden.

Raul:

Was könnte da die Lösung sein?

Anne:

Also auch da ist es partizipative Arbeiten die Lösung. Also wenn ich sage, ich möchte meine Website in leichte Sprache übersetzen, dann fängt im Idealfall da schon die Kooperation an. Das heißt, wenn wir angefragt werden, dann setze ich mich mit der komplexen Seite, mit mehreren Prüfer*innen auseinander und wir gucken welche Informationen sind hier wichtig? Und welche Themen geht es? Funktioniert die Struktur? Vielleicht, in aller Regel ist es sinnvoller, nur eine Navigation zu haben und nicht drei. Wo finde ich welche Inhalte? Ganz häufig ist ein Problem, dass wenn ich nur so einen Onepager habe, in Leichter Sprache und die Navigationsstruktur aber dieselbe bleibt, dass ich dann denke, oh interessant, jetzt klicke ich mal da drauf und dann werde ich aber ja zurück katapultiert in die Inhalte in komplexer Sprache. Also Klickwege ist auch immer was, was wir uns angucken. Und ja, das macht es einfacher, wenn das von Anfang an mitgedacht wird, wie bei allen anderen Barrierefreiheitsthemen auch.

Jonas:

Unser großer Wunsch und aller Wunsch ist, ja quasi ist, Inhalte verständlich und zugänglich zu machen, also barrierefrei auch zumachen, egal auf welchem Wege, sei sie es quasi Audiodeskription, unter deutsche Gebärdensprache. Leichte Sprache. Wenn wir Leichte Sprache fördern möchten beziehungsweise unser Wunsch ist es, dass die mehr stattfindet. Was muss getan werden? Weil solche Übersetzungssachen kostet natürlich auch Geld. Das merken wir, wenn wir auch quasi ja Veranstaltungen machen. Wenn es um deutsche Gebärdensprache geht, auch das kostet sehr viel Geld und ist manchmal ja so eine inhaltliche, auch finanzielle Hürde, wenn es darum geht, Barrierefreiheit umzusetzen. Was kann getan werden? Was kann jede einzelne Person vielleicht auch machen, um Inhalte zugänglich zu machen?

Anne:

Also ich würde mal vielleicht beim ganz großen ersten Schritt anfangen. Wir brauchen endlich eine deutsche Gesetzgebung, die tatsächlich den Teil Leichte Sprache aus der UN-BRK in deutsches Recht umsetzt. Denn das ist bisher super zögerlich passiert. Bisher gibt es nur eine Verpflichtung für Angebote des Bundes. Und jetzt mal prozentual betrachtet wie häufig bewegst du dich auf Internetangeboten des Bundes und wie häufig auf privaten? So dann kannst du dir vorstellen…

Jonas l:

Du weißt nicht, was ich für Hobbys habe.

Anne:

Ja, okay, okay, du hast recht. Also wir bräuchten erst mal eine Gesetzgebung dazu, die verpflichtend vorschreibt, dass Leichte Sprache als eine Form der Barrierefreiheit mehr angeboten werden muss. Wir werden bei jeder Länderprüfungen wieder abgemahnt, dass das Angebot viel zu klein ist und das viel zu wenig für unterschiedliche Themen abdeckt. Und es passiert überhaupt nichts. Im letzten Koalitionsvertrag stand drin, dass ein Bundeskompetenzzentrum, Leichte Sprache gegründet werden soll, ist nicht passiert. Also an ganz vielen Stellen brauchen wir erst mal eine gesetzliche Grundlage, denn auf freiwilliger Basis wird es nicht nennenswert mehr werden, die wir uns in ganz vielen verschiedenen Bereichen angucken können. Also damit könnte man anfangen. Dann brauchen wir dringend einen Ausbildungsgang fürs Dolmetschen in Leichte Sprache. Da gibt es bisher nämlich überhaupt kein Angebot, und solange es das nicht gibt, werden wir nicht wirklich mehr. Und wir können natürlich, mit im Moment etwa zehn Personen bundesweit, den Bedarf nicht im Entferntesten abdecken. Dann braucht es eine Finanzierung also, wenn Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten zu Ärzt*iinnen gehen, oder ein Gespräch mit dem Arbeitgeber haben, oder beim Amt. Ich habe keinen Rechtsanspruch auf eine Dolmetschung. Das heißt, ich habe Glück, wenn ich eine Assistenz mitnehmen kann aus dem privaten Umfeld, die mir das verständlich machen kann. Und wenn ich die nicht habe, bin ich aufgeschmissen. Aber wenn es jetzt darum geht, was könnt ihr zum Beispiel ganz konkret bei Veranstaltungen tun? Es gibt Fördertöpfe für Barrierefreiheit, also ich weiß es hier zum Beispiel von Köln und Bonn, dass die explizit für Dolmetschung bei Veranstaltungen einen lokalen Fördertopf haben, der bei der Kommune angedockt ist und im letzten Jahr nicht komplett ausgeschöpft wurde, weil die wenigsten Menschen davon wissen. Also da kann man relativ problemlos für eine lokale Veranstaltung Fördergelder bekommen. Und dann gibt es natürlich auch bei den unterschiedlichsten Stiftungen und Förderprogrammen, Töpfe, die es gibt, explizit zum Thema Barrierefreiheit, zum Beispiel barrierefreie Website, aber auch Live-Veranstaltungen. Also, da kann man mit geringen Hürden relativ gut Gelder beantragen, für solche Bedarfe.

Karina: 

Gibt es irgendetwas, was ich in Texten sofort umsetzen könnte, um die einfacher verständlich zu machen. 

Anne: 

Ich glaube, das ist einfach ne Übungssache. Also, das Regelwerk ist jetzt kein Hexenwerk, das ist nicht kompliziert, das ist, ich weiß es gar nicht genau, 30, 40 verschiedene Regeln, die kann man sich an einem Nachmittag angucken. Ich glaube es hilft wenn man viele verschiedene Texte liest in Leichter und Einfacher Sprache, weil ja jede Person einen anderen Stil hat, das ist in Leichter Sprache auch nicht anders als in der komplexen, und dann kriegt man zum Beispiel ein Gefühl dafür, wie kann ich Informationen anders aufteilen. Also ein Punkt ist zum Beispiel ich liebe sehr lange. komplexe Schachtelsätze finde ich richtig toll. Aber das ist natürlich für die Verständlichkeit superschwer. Also wie kann ich Nebensätze umgehen? Zum Beispiel. Das ist ein Punkt. Den kann man sich relativ leicht abgucken, wenn man Texte liest in leichter Sprache.

Raul: 

Ich habe Werbung studiert, und da wurde uns auch immer beigebracht, nur Hauptsätze bilden. Einfach, wirklich ganz einfach Dinge zu erklären, nicht also Zugängliches. Wir hatten die Zielgruppe einfach alle und für alle kommunizieren und dann kommt halt so etwas raus wie „Ich liebe es“ ja, eine große Burgerkette und ich habe da erst gelernt und verstanden, wie geil Sprache ist also überhaupt so ein Komplexität rauszunehmen, ohne Informationen zu löschen, dass das richtig Spaß machen kann. 

Anne: 

Ja total. Ich liebe das. Das ist wirklich, wenn wir so einen super komplexen Ausgangstext kriegen, den ich erst dreimal lesen muss, bis ich verstehe. Okay, das bedeutet der Satz, den dann zugänglich zu machen. Ich liebs, das ist knifflig, ist es total herausfordernd. Aber es macht auch total Spaß. Es ist super abwechslungsreich. Wir lernen durch unsere Arbeit wahnsinnig viele neue Themen kennen. Also ja, ich verstehe die Faszination voll.

Raul: 

Inwieweit ist denn die künstliche Intelligenz jetzt auch eine Hilfe?

Anne: 

Natalie hast du schon mal ausprobiert, mit einem Computerprogramm Texte in Leichter Sprache zu übersetzen?

Natalie: 

Ich weiss gar nicht, wie man so was macht. 

Anne: 

Okay, können wir demnächst mal zusammen ausprobieren. Es ist lustig. Also im Moment ist das noch auf einem Niveau, das das leider noch nicht für die Endnutzer*innen funktioniert. Also es gibt mehrere KI in verschiedenen Entwicklungsstufen, die für Leichte oder Einfach Sprache gedacht sind. Aber natürlich kann ich auch theoretisch mit ChatGPT einen Text vereinfachen. Aber das ist noch nicht auf einem Niveau, das es zu einem Endprodukt führt, das ein irgendwie zufrieden macht. Es gibt es auf der Seite einer Krankenkasse, die zum Beispiel Erklärungen verschiedener medizinischer Diagnosen dann durch KI in Leichter Sprache übersetzen lassen. Und die Texte funktionieren null also. 

Raul:
Aber es ist vielleicht besser als gar nichts. 

Anne: 

Nee, tatsächlich nicht, weil das tatsächlich das Ergebnis so schlecht ist, dass es einfach falsch ist. Und dann weiß ich nicht, ob dann also es ist jetzt auch der inzwischen nichts und nichts. Ob keine Informationen oder eine falsche Information, dann das bessere ist, kann ich gar nicht sagen, dass beides keine gute Lösung. Also im Moment kenne ich keine KI, die so wäre, dass man den Text ohne eine aufwendige Nachbearbeitung nutzen könnte. Ich finde, im Moment ist es noch mehr Arbeit, einen Text redaktionell nachzubearbeiten und zu prüfen, den eine KI erstellt hat, als es gleich selber zu machen. Trotzdem sehe ich natürlich die Chance. Also es wird einfach immer wahnsinnig viel Content geben, den niemand in Leichte Sprache übersetzt. Natalie und ich habe einen Kollegen in der Prüfgruppe zum Beispiel, der liest Loktypen Bücher. Der interessiert sich für verschiedene Doktorhüten niemals wird jemanden Batzen Geld in die Hand nehmen und sagen okay, wir übersetzen mal dieses Loktypenbuch in Leichter Sprache. Das wird nicht passieren. Das heißt für die Zielgruppe wäre es ein Riesengewinn, wenn sie einfach jede Alltagsinformationen, die sie brauchen, über eine leicht händelbare App am Handy in Leichter Sprache übersetzen zu können. Wäre großartig, aber da sind wir noch nicht. Und ich weiß auch nicht so richtig, ob wir dahin kommen. Denn es ist jetzt keine Zielgruppe, mit der man wahnsinnig viel Geld verdienen kann. Und wo große globale Unternehmen sagen: cool, da pumpt wir mal richtig Kohle in die Entwicklung.

Jonas: 

Wir haben es bei unserer KI-Folge mal probiert und haben unser Podcast Transkript übersetzen lassen. Es war auch nichts. Das war, weil wir in unseren Dialogen ja Bezug nehmen auf Sachen, die vorher mal waren. Und es funktioniert einfach nicht.

Anne: 

Also es kommt natürlich auch so ein bisschen darauf an, wie man die Prompts formuliert. Also zu sagen keine Ahnung, zu sagen: ChatGPT  übersetze diesen Text in Leichte Sprache funktioniert nicht, aber es geht schon etwas besser, wenn ich zum Beispiel sage: Vereinfache diesen Text im Sprachniveau B2. So also. Aber ja, man kann sich so ein bisschen rantasten, aber im Moment ist der Entwicklungsstand noch nicht zufriedenstellend.

Jonas: 

Wie wichtig ist es, dass wir, wir haben am Anfang über Regeln gesprochen, wie wichtig ist es, dass eine die DIN-Norm gibt? Oder geben soll für Leichte Sprache? Das da auch noch einmal verfestigt wird, was Leichte Sprache ist?

Anne: 

Also ich fände total gut, wenn es mehr qualitative Kontrolle gäbe. Denn Raul hat es eben schon gesagt. Das ist so: es gibt wahnsinnig viele schlechte Texte in Leichter Sprache. Und ganz häufig ist es so, dass die Auftraggeber*innen, dass die die Qualität gar nicht erkennen können. Die haben noch nicht viel Erfahrung mit Leichter Sprache. Und die erkennen den Unterschied nicht zwischen einem guten Text und gerechter Sprache und einem schlechten. Die wissen nicht, ob die Zielgruppe beteiligt ist. Die wissen nicht, ob die Prüfer mit einem Werkstattgehalt bezahlt werden. Alles so was kann ich als Auftraggeberin nicht von außen sofort erkennen. Von daher bin ich ganz klar für eine stärkere Qualitätskontrolle. Ich habe gedolmetscht im Prozess, als diese DIN Spec erarbeitet wurde, und findet es einen guten Anfang. Und man muss jetzt gucken, ob sich das quasi als ein mögliches Qualitätsmerkmal durchsetzt oder nicht. Kann ich noch nicht so richtig absehen.

Jonas:

Wir waren ja sehr beeindruckt als Du Anne, quasi bei unserem Live-Podcast bei dem Puls-Festival, das ja über ein Headset System gemacht hast, für die Zuschauer*innen, die dort waren und auf Leichte Sprache angewiesen waren. Wie hat sich für Dich das angefühlt? Ich habe ja in dem Moment gepodcastet und habe nicht mich selbst in Leichter Sprache gehört. Aber ich war sehr beeindruckt. Hat das gut funktioniert?

Anne:

Ja, total gut. Ja, also, das sind die Themen, über die ihr sprecht, sind ja auch Themen, über die ich bei meiner Arbeit sehr häufig spreche. Das heißt, da bin ich im Wording sehr vertraut. Ich mache mir sonst vom Dolmetschen immer ein Glossar und das Glossar prüfe ich dann mit der Zielgruppe. Das heißt, wenn ich zum Beispiel weiß der Begriff Podcast kommt vor, dann brauche ich beim Dolmetschen ja eine relativ knappe, schnelle Erklärung für Podcast. Und dann mache ich mir quasi eine Liste mit Worterklärungen, und die gehe ich mit der Prüfgruppe durch, und die sagen dann ja wohl die Worterklärung kann ich gut verstehen, oder nee, musst du noch mal anders erklären. Oder hier brauche ich ein Beispiel. Was auch immer. Und dann habe ich die quasi vorbereitet für eine Liveverdolmetschung. Und dann wäre es ja mein, mein Job, quasi also Inhalte auch zu dolmetschen, die ich vorher im genauen Wortlaut nicht kenne. Aber ja, an dem Ort hat, das sehr gut funktioniert, wenn man davon absieht, dass die Hälfte meiner Zielgruppe irgendwann eingeschlafen ist.

Raul:

Zwei Dinge fallen mir gerade, als wir uns gesehen haben bei dem Festival. Da war es total schön und auch wichtig zu sehen, dass die Zielgruppe auch vor Ort war. Also ganz oft weiß man ja nicht genau wird es jetzt konsumiert, erreicht es die Leute, die es erreichen sollte, und dann aber auch im Austausch zu sein, mit der Zielgruppe macht ja auch unsere Arbeit am Ende des Tages besser, hoffe ich. Und man versteht dann auch die die Bedarfe. Und gleichzeitig hast du Anne, ganz bescheiden gesagt, dass du da so ein Promi und Klatsch und Tratsch Projekt hat, aber Du hast den Namen gar nicht genannt. 

Anne: 

Das stimmt. 

Raul: 

Und vielleicht können wir am Ende der Sendung noch zwei, drei Linktipps gerne mitgeben. Die man sich einfach mal angucken kann, um auch die Ernsthaftigkeit des Themas auch nochmal selber nachzuvollziehen.

Anne:

Gerne ja.

Raul: 

Also dein Projekt heißt einfach Stars Punkt de…

Anne:

Einfachstars.info

Raul:

Gibt es noch andere Projekte, an denen Ihr beteiligt seid oder die Ihr grundsätzlich empfehlen könnt neben der Tagesschau?

Anne: 

Natalie hast du eine Empfehlung, Tipps was man lesen sollte in leichter Sprache? Was findest du ein cooles Angebot?

Natalie: 

Ja, genau, Nachrichten Leicht.

Anne:
Das ist ein Angebot von Deutschlandfunk. Die machen einmal die Woche so die fünf, sechs Top-Nachrichten der Woche, finde ich auch gut, kann man sich vorlesen lassen. 

Raul:
Gibt es sogar im Radio. Freitags immer. 

Anne: 

Ja, das finde ich ein bisschen schade. Die haben auf der Webseite ein Sprachniveau, dass alle meine Kolleg*innen supergut verstehen können. Im Radio und bei Insta ist ihnen das zu komplex.

Raul:

Ach, krass, das ist tatsächlich ein anderes Sprachniveau. 

Anne: 

Und dass es so, dass die meisten meiner Prüfer*innen die Insta und Radionachrichten nicht verstehen. Ich bin totaler Fan von Holger Fröhlich. Der ist fantastisch in Leichter Sprache. Es ist wie eine eigene Kunstform. Der macht Leichte Sprache bei Brand eins und hat ein totales Talent, dafür sich Texte rauszusuchen, die so eine gewisse Absurdität haben und durch seine Übersetzung in Leichter Sprache kommt die Absurdität einfach noch stärker raus. Das ist ganz große Kunst. Richtig cool, finde ich total gut.

Raul:

Das müssen wir unbedingt verlinken.

Jonas: 

Also die Webseiten, die du genannt hast, eure Projekte haben wir nochmal in unseren Shownotes, in unseren Informationen zu dieser Podcast-Folge auf www.dieneueNorm.de zusammengestellt. Und wir planen natürlich auch, dass wir diese Podcast-Episode auch noch einmal in Leichter Sprache zur Verfügung stellen. Es ist aber auch da noch einmal mehr die Frage wie kann man das zielgruppengerecht aufarbeiten? Wie gesagt, wir haben es probiert, indem wir das Transkript, was wir eh in jeder Podcast-Folge zur Verfügung stellen, für Menschen, die eine Hörbehinderung haben, aber das zu übersetzen, da haben wir dann ein Transkript gehabt, das waren 50, 60 DIN A4 Seiten, das ist vielleicht nicht so die optimale Lösung, so etwas in leichter oder einfacher Sprache zur Verfügung zu stellen.

Anne: 

Ich grübele die ganze Zeit in einer hinteren Regionen meines Gehirns darüber nach, wie ich euren Einstieg mit „kann Spuren von Leichter Sprache enthalten oder von Nüssen“ (Lachen) in welche Form ich das in Leichte Sprache bringe, aber wahrscheinlich macht es den Witz kaputt, wenn man ihn erklärt.

Jonas: 

Oder wir müssen einfach jetzt noch, hast Du Nüsse dabei, Raul?  

Raul: 

Tatsächlich nicht, ich hab mich auch gefragt, wo die Nüsse sind. 

Jonas: 

Das klären wir im Anschluss. 

Anne: 

Alles klar.

Jonas.
Vielen Dank, dass Ihr da wart.

Anne:

Sehr gerne. 

Jonas Karpa

..und über Leichte Sprache, das Thema etwas näher gebracht habt. Und wir freuen uns, wenn ihr auch nächste Mal wieder mit dabei seid . Bis dahin,Tschüß.

Anne, Raul, Karina, Natalie:

Tschüß!

Das waren starke Zeilen? Dann gerne teilen!

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