Inklusion – Transkript

Lesezeit ca. 25 Minuten

Die Neue Norm: „Drei Journalist*innen, zwei Rollstühle und eine Sehbehinderung: Die Journalist*innen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 34: „Inklusion“

Judyta:
Ich habe euch ein Zitat zum Thema Diversität und Inklusion mitgebracht, und das ist auf Englisch. Und das heißt: Diversity is being invited to the Party. Inklusion ist being asked to dance.

Jonas:
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast.
Wer ist eigentlich dieser Inklusion? Und wann wird er endlich umgesetzt? So oder so ähnlich hätte es vielleicht irgendwann mal früher in einem bekannten sozialen Netzwerk in einer Gruppe geheißen. Und wir möchten heute in unserem Podcast wirklich klären, was ist eigentlich Inklusion? Wann wird Inklusion umgesetzt? Beziehungsweise, ist Inklusion eigentlich das Ziel, wonach wir alle streben? Und was bedeutet Inklusion für uns? Bei mir sind Judyta Smykowski und Raul Krauthausen.

Judyta & Raul:
Hallo, hallo.

Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa. Inklusion ein großes Thema, in dem wir schon seit mehr als 30 Podcast-Folgen sprechen, über das wir sprechen und eigentlich noch nie so ganz genau geklärt haben, was eigentlich Inklusion bedeutet, beziehungsweise, was es für uns bedeutet. Ich finde es so selbstverständlich auch vorauszusetzen, so Inklusion in der Schule, Inklusion in unserer Gesellschaft. Aber was bedeutet das für uns? Was bedeutet das für euch – Inklusion?

Raul:
Also zu dem Zitat, das Judyta vorgelesen hat über das Diversity…kannst du das Ganze noch mal kurz vorlesen.

Judyta:
Diversity is being invited to the Party. Inklusion ist being asked to dance.

Raul:
Genau. Irgendwie stört mich dieser Satz „is being asked to dace“, weil ich möchte nicht nur gefragt werden, sondern ich möchte auch in der Lage sein, andere zu fragen. Also ist es immer nur teilhaben oder eben auch teilgeben? Aber ich denke, da kommen wir vielleicht noch drauf zu sprechen.

Judyta:
Teilhabe bedeutet auch, dass wir auch mal was zu sagen haben, dass wir die Chef*innen sind, die Entscheider*innen als behinderte Menschen. Das meinst du, oder?

Raul:
Oder Künstler*innen und auch auf Bühnen quasi performen dürfen und nicht nur barrierefrei auf dem Rollstuhlplatz sitzen im Hörsaal oder im Kino.

Jonas:
Merke ich immer häufig, wenn wir irgendwie auch Beratungen machen für barrierefreie Veranstaltungen, weil es ebenfalls nicht nur darum geht zu sagen, okay, so wie du es gerade gesagt hast, Raul, gibt es einen Zugang zum Veranstaltungssaal, sondern gibt es eben auch einen Zugang auf die Bühne, auf das Podium, auf das Panel, um dort zu sitzen, um auch eben sprechen zu können und etwas zu sagen haben, bis hin, dass die Leute eben auch zuhören.

Raul:
Das zieht sich ja durch alle Bereiche dann fort quasi. Also wenn wir sagen, der ganze Kunst- und Kulturbetrieb wie inklusiv ist der eigentlich? Geht es da nur darum, Behinderte, Künstler*innen, Anwärter*innen zu haben? Oder kann es vielleicht sogar sein, dass es behinderte Lehrer*innen, Dozent*innen gibt? Und das setzt sich fort. Inklusion in der Schule, Inklusion im Arbeitsmarkt und so weiter. Dass es nicht nur um passive Teilhabe geht, sondern eben auch, wie Judyta sagt, auch möglich ist, Schöff*in mit Behinderung zu haben.

Judyta:
Und vor allem muss ich an unsere eigene Podcast-Folge denken, wo wir uns das Einhorn-Wunderland damals ausgemalt haben. 

Jonas:
Ah…das war schön. 

Judyta:
Die verlinken wir euch natürlich in unseren Shownotes. Und da habe ich natürlich auch geschwärmt von einem barrierefreien Sushi-Restaurant, das mir eben auch sehr, sehr wichtig wäre. Aber natürlich ist das nur ein Gimmick.
Inklusion. Was ist Inklusion? Das ist eine sehr, sehr, sehr, sehr große Frage. Ich glaube, es hat für mich persönlich viel mit keine Rolle mehr spielen zu tun. Also Behinderung spielt keine Rolle mehr. Behinderungsbedingte Planungen spielen keine Rolle mehr. Unsicherheiten aufgrund der Behinderung oder dass man sozusagen sagt, man ist für einen Raum nicht gut genug. Nicht nicht behindert genug. Ich glaube, das wären alles so Gedanken, die dann nicht mehr da wären.

Jonas:
Aber du hattest inzwischen deinen barrierefreien Sushi-Laden gefunden.

Judyta:
Genau, es gibt einen in Berlin, den kann ich auch noch mal verlinken. Es ging ja um einen Sushi-Laden, der running sushi hat, also die Leiste, wo das Sushi sozusagen so durchläuft. Und das gibt es eigentlich immer nur mit Barhockern. Und es gibt jetzt aber auch eins, wo normal hohe Tische sind, und da konnte ich halt gut mit dem Rollstuhl rein, also Inklusion teilweise schon erfüllt. Also ich meine, wir können aufhören zu reden.

Raul:
Den Link will ich haben. Aber das waren ja jetzt alles unsere Meinungen. Was ich mich frage, was die Wissenschaft eigentlich zum Begriff Inklusion sagt.

Judyta:
Judy Gummich zum Beispiel, vom Deutschen Institut für Menschenrechte, hat mal den Satz geprägt: Inklusion bedeutet Teilnahme, Teilhabe und Teilgabe eines jeden Menschen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens:
Teilnahme, Teilhabe und Teilgabe.

Jonas:
Finde ich eigentlich sehr gut, weil es natürlich das ganze Thema verallgemeinert und so ein Rundumschlag ist, aber eben genau das, was wir eben hatten, auch so ein bisschen nochmal auf den Punkt bringt. Also quasi in allen Teilen der Gesellschaft, also wenn wir über Inklusion reden, dann geht es eben nicht nur über Inklusion in der Schule – haben wir auch schon mal darüber gesprochen – oder Inklusion am Arbeitsplatz, sondern wirklich durch die Bank weg überall und dieses eben nicht nur dabei sein dürfen und irgendwie so charitymäßig geduldet sein, sondern eben proaktiv und aktiv und auch andere mit aktivierend. So wie Du Raul es eben gesagt hast, dass man eben auch selber zum Tanzen auffordern möchte, auch etwas gibt der Gesellschaft und eben nicht nur zuguckt und so ein bisschen passiv dabei ist.

Judyta:
Ja, ich glaube, das ist auch so ein bisschen von früher diese Denke, dass man sich nur um behinderte Menschen kümmern muss, die Aktion Mensch, die ja irgendwie früher Aktion Sorgenkind hieß. Oder auch die Separation einfach in den Wohnheimen und in den Werkstätten, die es ja immer noch gibt. Und das ist ja auch Fakt. Aber ich glaube, da findet langsam ein Umdenken statt.

Raul:
Das, was Jonas vorhin gesagt hat, dass man irgendwie geduldet wird an einem Ort, ja, dass mal – wie soll ich sagen – ein bisschen Platz gemacht wird für behinderte Menschen, das ist ja eigentlich auch die Definition von Integration, also, wo nach wie vor die Mehrheitsgesellschaft in dem Fall ohne Behinderung definiert, wieviel Platz einer Minderheit gemacht wird und die Minderheit eigentlich sehr oft sich dann in der Situation wiederfindet, dass von ihr Dankbarkeit erwartet wird und diese Dankbarkeit dann letztendlich auch Druck auslöst, die ausgeübt wird auf die Minderheit, die sie vielleicht oft gar nicht haben wollen. Also wenn wir uns als behinderte Menschen beispielsweise schuldig fühlen, Stichwort internalisierter Ableismus, wenn der Busfahrer oder die Busfahrerin uns die Rampe ausklappt und jetzt alle warten müssen. Das ist noch so ein bisschen diese alte Denke der Integration, dass ich dann doch irgendwie dankbar sein muss und die Rampe ist halt so ein Behelfsmittel, damit ich überhaupt mitfahren kann. Inklusion wäre, wenn ich die Rampe gar nicht bräuchte, sondern zum Beispiel der Bus so parken könnte an einer erhöhten Haltestelle, dass ich vielleicht sogar stufenlos alleine einsteigen kann.

Judyta:
Ja, das fühle ich total, dieses nicht auffallen wollen, auch einfach mal unterm Radar sein.

Jonas:
Wir haben jetzt eben, als es darum ging, was bedeutet Inklusion für uns, natürlich so ein bisschen über dieses sehr – und, Raul, du hast es auch gesagt, dass die Wissenschaft da drüber Definitionen hat. Ich finde, das ist ja alles ein sehr trockener Umgang mit diesem doch gesellschaftlichen Begriff. Ist es nicht eigentlich auch so, dass, wenn man sagt, okay, was will Inklusion wirklich? Es ja eigentlich in Anführungsstrichen, nur um Begegnung geht, dass zwei oder mehr Menschen aneinander begegnen, sich anfreunden, sich verlieben. Also es geht doch, es geht ja eigentlich nur um, ja, wirklich nur um das, oder?

Raul:
Genau. Das kann man aber natürlich gesetzlich nicht erzwingen, beziehungsweise einfordern. Das einzige, was man machen kann, ist – und das ist ja der Gedanke der Inklusion – die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass eben genau diese Begegnungen stattfinden können. Also eben, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam den gleichen Kindergarten teilen und sie nicht separiert werden, weil ein Kind eine Behinderung hat und das andere nicht. Und dass es auch nicht darum geht, dass man dann ein, sagen wir mal Inklusionskind im Kindergarten hat oder in der ganzen Schule hat, sondern eben, dass vielleicht jede Klasse vielfältig ausgestaltet wird und dann auch die Rahmenbedingungen dafür quasi geschaffen werden. Also mehr Pädagog*innen beispielsweise, kleinere Klassen insgesamt. Dass es vielleicht auch Ausweichräume gibt, wenn es irgendwie Reizüberflutung gibt oder bestimmte Sonderbedarfe existieren. Dass aber die Mehrzahl der Zeit, die wir dann doch gemeinsam miteinander verbringen und nur in bestimmten Situationen es dann vielleicht Ausschlüsse oder besondere Unterstützung gibt.

Jonas:
Also das reine Schaffen der Möglichkeiten. Wobei ich so spannend finde, dass wenn man immer nach Beispielen sucht, man dann häufig bei Schule und Kindergarten landet. Liegt das daran, weil das einfach auch noch mal so ein bisschen das unterstreicht, dass man mit dem Leben der Inklusion einfach so früh wie möglich einfach beginnen muss?

Raul:
Also ich kenne das zumindest aus meinem Erleben im Alltag, dass, wenn erwachsene Menschen zum ersten Mal auf mich treffen, als jemanden mit Behinderung, sie unfassbar unsicher sind und das ewig braucht, bis sie sich irgendwie einigermaßen in meiner Anwesenheit entspannen können. Und das hat auch nichts mit mir zu tun, sondern das ist ganz oft eine Erzählung, die ich auch von anderen behinderten Menschen kenne, dass die Unsicherheit bei erwachsenen Menschen einfach größer ist als bei jungen Menschen. Und je früher wir den Umgang miteinander lernen, desto leichter wird es uns auch später im erwachsenen Alter fallen und desto mehr Rücksicht wird natürlich auch genommen werden. Also wenn Kinder wissen, dass Menschen mit und ohne Behinderung selbstverständlich zusammengehören, dann würden sie später auch als Arbeitgeber*innen oder Entscheider*innen oder auch Eltern von Kindern ohne Behinderung ganz anders darauf reagieren und auch ganz anders sich einstellen. Wenn dann mal das Thema auftaucht.

Jonas:
Was haltet ihr generell von einem Label Inklusion? Also das ist natürlich so, auf der einen Seite ist das Thema, dass unsere Gesellschaft, beziehungsweise die einzelnen Bereiche unserer Gesellschaft inklusiver werden müssen. Daraus folgt, dass das Wort Inklusion in sich ja schon sehr, sehr populär geworden ist und ich das Gefühl habe, dass dann teilweise Unternehmen oder Einrichtungen wissen, dass sie damit auch eine Art Statement setzen können. Aber ich habe gleichzeitig das Gefühl, und Raul, du hast eben den Inklusionskindergarten angesprochen, dass es dann manchmal bedeutet, ja, wir sind ein Inklusionskindergarten. Wir haben vier in Anführungsstrichen normale Gruppen für nicht behinderte Kinder und dann eben eine Inklusionsgruppe, wo dann quasi nur die behinderten Kinder irgendwie unter sich sind. Also ich finde manchmal, dass dieses Wort Inklusion als Label eben doch überhaupt nicht inklusiv ist. Also quasi ein Inklusionsfestival hat für mich nichts mit Inklusion zu tun. 

Judyta:
Warum nicht?

Jonas:
Weil das häufig so ist, wenn quasi Veranstaltungen stattfinden, die unter dem Inklusionslabel laufen, dass dann zum Beispiel nur Menschen mit Behinderung auftreten. Und das ist ja eben nicht Sinn der Sache. Ich möchte ja nicht, nur, weil quasi da Menschen mit Behinderungen da sind… was auf der einen Seite gut ist… bedeutet ja Inklusion, aber nicht, dass es quasi ausschließlich Menschen mit Behinderung sind, also diese Vielfalt ist dann einfach nicht vorhanden. Und meine Meinung: ich möchte ja auch nicht quasi immer unter meinesgleichen sein. Generell, ob es jetzt quasi ist, dass ich nur unter Männern bin oder nur unter weißen Menschen oder quasi nur unter Behinderten. Es ist irgendwie nicht meine Denkweise von Vielfalt. Und es ist so, dass dann bei solchen Veranstaltungen die, wie gesagt, das Label Inklusion haben, dann noch mal sehr, sehr übersorgsam oder quasi nochmal sehr bewusst darauf hingewiesen wird und das in den Fokus gestellt wird. Dass es eben nicht so, wie du Judyta eben gesagt hast, so ein bisschen einfach selbstverständlich ist und so nebenbei mitläuft. Also eigentlich müsste Inklusion ja etwas sein, worüber wir gar nicht sprechen möchten oder müssten.

Raul:
Ja, das sehe ich ganz ähnlich. Oft sind das dann Inklusionsfestivals, Mittendrinfestivals, Miteinanderfestivals oder -Partys oder Inklusionsdiscos oder so. Die kommunizieren ja schon im Namen, was von dem Publikum erwartet wird. Und das heißt, es kommen auch nur die Leute, die bereits mit dem Thema irgendwie konfrontiert waren oder schon sensibilisiert sind. Und was mir dann manchmal so ein bisschen verloren geht, ist genau diese Überraschung, die ja auch in der Inklusion stattfinden kann. Also, dass jemand, der vielleicht noch nie zuvor sich darüber Gedanken gemacht hat, wie er oder sie eigentlich zur Inklusion steht oder vom Thema Behinderung sich mal hier auseinandergesetzt hat und dann letztendlich auf dem Wacken-Open-Air-Festival vielleicht überrascht wird, das die Heavy Metal Gitarrist*in einen Arm hat. Dann wäre das für mich auch Inklusion. Oder wenn es auf den – keine Ahnung – Campingtoiletten auf dem Wacken-Open-Air-Festival auch hygienische barrierefreie Toiletten gäbe, sodass dann auch Menschen mit Behinderungen vorbeikommen. Ich weiß gar nicht, ob das der Fall ist. Will niemanden blamen. Es ist nur so, dass das viel mehr Inklusion wäre, als jetzt alles für Behinderte so zu optimieren, aber gleichzeitig die Nichtbehinderten irgendwie nicht einzuladen oder es dann eben oft auch vergessen.

Jonas:
Sollten wir mal einen Betriebsausflug hin machen. 

Raul:
Genau! So Betriebsausflüge machen, wenn überhaupt. Und gerade wenn man so etwas Mittendrin- und Inklusionsfestival nennt, dann sind auch letztendlich die Eingeladenen und die das finanzieren sowieso auch alle in diesem Kontext mit drin. Die kommunizieren das dann in ihren Broschüren, Flyern, Newslettern und Social-Media-Accounts auch wieder nur an die, die auch schon in dem Thema irgendwie sensibilisiert sind. Und das ist gar nicht so leicht, diese Blase wieder zu verlassen. Und wirklich zu überraschen. Man müsste schon, sagen wir mal, Orte erobern wie das Berghain oder – keine Ahnung – andere bekannte Clubs, wo auch Laufpublikum, die da Samstagabend immer vorbeilaufen, auch mal vorbeikommt und dann eben überrascht wird. Und das führt auch dazu, dass diese Verwässerung des Begriffs Inklusion am Ende auf die Rollstuhldisco runtergebrochen eigentlich dann dazu führt, dass die Disco dann auch keinen Alkohol hat, weil der Fahrdienst um 21 Uhr kommt und das Pflegepersonal der behinderten Menschen dann auch keine Lust hat, auf besoffene Behinderte ins Bett zu bringen und so. Dass das Ganze dann eigentlich auch die Idee torpediert, der Inklusion nämlich, auch das Recht auf Alkohol trinken, wild feiern, rumknutschen, Sex-Haben und um 4 Uhr nachts völlig k.o. im Bett sein… Lange Rede, kurzer Sinn: Diese Verwässerung des Begriffs Inklusion führt auch dazu, dass viele behinderte Menschen mit dem Begriff Inklusion nichts mehr zu tun haben wollen. Und das höre ich zum Beispiel sehr oft inzwischen aus der Community. Dass sie sagen: Ja, Inklusion. Das bringt doch eh nichts. Mag dieses Wort nicht. Das sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein. Und ich muss zugeben, die Leute haben Recht, aber auf der anderen Seite, das wissen wir ja auch aus anderen Bereichen, brauchen wir aber diese Wörter, um überhaupt erstmal die Problemstellung zu beschreiben, auch gegenüber der Politik, auch gegenüber von Entscheider*innen, das einfach zu sagen: Ja, Inklusion ist doch eine Selbstverständlichkeit! Da holst du ja auch keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Ich würde sagen, Inklusion ist ein Menschenrecht. Das müssen wir da, wo es geht einklagen, einfordern und/oder aber die Rechte dafür schaffen. Und solange das nicht der Fall ist, müssen wir dafür kämpfen. Aber es bringt nichts, den Begriff jetzt schon abzuschaffen, weil es entweder eh nicht erreichbar ist und/oder eine Selbstverständlichkeit sein sollte, aber dann trotzdem nicht gelebt wird.

Judyta:
Mir geht es ähnlich mit diesem Wort. Ich kann es manchmal auch nicht mehr hören und versuche auch immer wieder klarzumachen, dass das ja auch alle betrifft. Inklusion ist einfach für alle da, alle Menschen. Und das zweite, was mich immer umtreibt ist, gerade was ihr sagt, wie erreichen wir die Räume, wo wir nicht nickende Gesichter vor uns haben, wo wir nicht auch schon aufgeladene Leute haben, wo wir nicht Allys haben, und deswegen nutze ich jetzt einfach mal hier die Chance und sage den Hörer*innen: wenn ihr jemanden habt in eurem Bekanntenkreis, der eben noch nichts von diesem Thema weiß, dann erzählt doch einfach mal auch von diesem Podcast. Vielleicht werden wir dann mehr.

Raul:
Oder aber – auch eine Aufforderungen an die Hörer*innen – wenn ihr nachher irgendetwas macht, irgendetwas – sei es, Modelleisenbahn im Keller bauen oder Kaninchenzüchter*innen-Verein…

Judyta: lacht…
Was hast du für ein Bild von unseren Hörer*innen?

Raul:
…oder vielleicht arbeitet jemand bei der Freiwilligen Feuerwehr. Keine Ahnung – ich mache jetzt ganz viele Beispiele…Stellt euch doch einfach mal die Frage: wo sind eigentlich die Menschen mit Behinderung? Wo könnten die hier sein? Und wie könnte man behinderte Menschen auch vielleicht an der einen oder anderen Stelle mitdenken? Das ist auch Inklusion. Und, gut, dass du das anspricht, Judyta, diese Bubble zu verlassen, ist genau unser Versuch, auch mit diesem Podcast, weil nicht jeder Zugang zu einem Radiosender wie Bayern 2 und auch da gibt es ja viele Hörer*innen, wahrscheinlich die meisten ohne Behinderung, sodass wir jetzt einfach mal versuchen, aus der Perspektive behinderter Menschen das zu erklären, wo wir glauben, dass große Herausforderungen momentan noch existieren. Und warum wir uns selber auch manchmal schwer tun mit diesem Begriff.

Jonas.:
Das, was ich spannend finde …. Das Beispiel fiel mir ein: im Vorlauf dieses Podcast gerade nochmal, als es um das Thema oder um das Wort Inklusion ging, fiel mir  irgendwie so ein…es gab damals beim Fernsehsender RTL diese Sendung “Rach, der Restauranttester”, wo der Sternekoch Christian Rach unterwegs war und Restaurants so ein bisschen aus der Patsche geholfen hat und ständig und immer wieder kritisiert hat, wenn auf Speisekarten bei den Vorspeisen stand: „Wir haben im Angebot einen frischen Salat“. Warum musst du dazuschreiben, dass es ein frischer Salat ist? Wenn du ein Restaurant hast, dann ist es die Selbstverständlichkeit, dass dieser Salat frisch ist und nicht von gestern oder noch älter. Und wenn es ein frischer Salat ist, gibt es dann auch einen nicht frischen Salat? Ich fand dieses: muss man es unbedingt dazusagen? Und dieses Beispiel fiel mir irgendwie so ein, als ich darüber nachgedacht habe, so, okay, wie finde ich Veranstaltungen, die dieses Label Inklusion haben, also quasi dieses: Inklusion – Vielfältige Gesellschaft – Alle haben das Recht auf Teilhabe und Teilgabe. Dass das eben so selbstverständlich sein sollte, dass man es nicht immer und immer wieder betonen muss. Klar, natürlich mit dem Wissen, dass wir leider, glaube ich, immer noch nicht so weit sind, dass man das als eben selbstverständlich sehen kann und es deswegen, so wie du, Raul, es eben auch gesagt hast, immer wieder noch mal natürlich in den Vordergrund rücken muss.

Raul:
Und dann gibt es, glaube ich, auch so ein bisschen das Missverständnis, dass Inklusion irgendwie etwas ist, das wir irgendwann abhaken können. Wie so eine Checkliste, wo dann alles erreicht ist. Und dann können wir uns einem anderen Thema widmen. 

Jonas:
Bei wie viel Prozent sind wir denn?

Raul:
Genau. Diese Frage wird mir auch ständig gestellt. “Dann sagen Sie mir doch mal, wie weit ist denn Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern?” Und die Antwort, die ich dann immer gebe ist zwölf, weil, was soll man denn darauf antworten? Ich weiß nicht, was würde denn eine Frau antworten, wenn man sie fragt: Frau Smykowski, sagen Sie doch mal, wie weit ist denn Deutschland im Bereich Sexismus oder Antisexismus oder Feminismus im Vergleich zu anderen Ländern? 

Jonas:
Ja, das würde mich mal interessieren.

Judyta:
Ich würde sagen – eher so mittel. Pi mal Daumen.

Raul:
Aber was hätte man denn vor 100 Jahren gesagt?

Judyta:
Ich hätte eigentlich schon sehr, sehr große Lust, irgendwann diesen Stift zu zücken und diesen Haken dran zu machen. Also ich halte noch ein bisschen daran fest, Raul, an dieser Vorstellung. 

Jonas:
Weil du nicht mehr drüber reden möchtest.

Judyta:
Ja – ja. Und weil es dann einfach so weit ist.

Raul:
Ich fühle das voll. Bei mir hatte es im Kopf Klick gemacht, als ich zum ersten Mal verstanden habe, dass es gar nicht darum geht, diesen Haken zu setzen, sondern dass wir gesellschaftlich einfach immer wieder neue Definitionen und auch weiterentwickelte Definitionen von Inklusion und vielleicht auch Feminismus und so weiter finden, die zwar im Kern immer gleich sind und ähnlich sind, aber sich einfach weiterdrehen. Ein Beispiel: vor knapp hundert Jahren durften Frauen noch nicht wählen. Und dann zum Glück hat man das abgeschafft, dass jetzt endlich Frauen wählen dürfen. Also, Nein, man hat das Wahlverbot für Frauen abgeschafft. Und jetzt dürfen Frauen endlich wählen. Und 100 Jahre hat es gebraucht, bis die CDU/CSU erst anfängt zu diskutieren, ob sie eine Frauenquote braucht oder nicht. Und diese Frage hätte sich die CDU nie gestellt, wenn Frauen nicht wählen dürften. Das heißt, um Constantin Grosch zu zitieren: “Je tiefer wir uns mit dem Thema Inklusion beschäftigen, desto mehr Diskriminierung finden wir.” Und ja, man kann sagen, vor 30 Jahren hat noch kein Bus in Deutschland eine Rampe gehabt, und dadurch ist auch gar nicht aufgefallen, wie barriereunfrei die Welt eigentlich ist. Und jetzt, wo die Busse auf einmal alle Rampen haben und der ÖPNV barrierefreier geworden ist – in Klammern… Ziel noch nicht erreicht…aber es ist besser geworden, da fällt uns plötzlich auf, wie viele Barrieren aber eigentlich öffentliche Gebäude, McDonalds, Starbucks und Co. haben, weil behinderte Menschen vielleicht auch mobiler geworden sind. 

Jonas:
Und jetzt sind die auf einmal unterwegs!

Raul:
Genau. Und was wollen wir denn noch alles? Das heißt, wenn wir jetzt für Inklusion kämpfen oder für Barrierefreiheit, machen wir das ja auf Grundlage von dem bereits erreichten. Und das ist, glaube ich, der springende Punkt, weswegen wir es nie erreichen können. In hundert Jahren werden wir über ganz andere Dinge sprechen, über Intersektionalität, die Mehrfachdiskriminierung und so weiter. Das fängt ja jetzt auch schon an, aber das wird dann die Inklusion sein.

Jonas:
Wir hatten eben am Anfang, beziehungsweise du hast es ja gerade schon ein bisschen angedeutet, so auf der einen Seite, es entwickelt sich weiter und einen Haken hinter Inklusion machen. Und am Anfang der Folge haben wir auch schon so ein bisschen über Integration gesprochen. Und es gibt ja diese Schaubilder, wie sich das Ganze so ein bisschen entwickelt. Also auf der einen Seite, ganz am Anfang hatten wir einfach zwei Gruppen, die einander überhaupt nicht begegnen, also quasi so eine Art Separation. Dass so, die Menschen ohne Behinderung und die Menschen mit Behinderungen waren unter sich, das gibt es teilweise – Judyta hat es eben gesagt –  natürlich auch in diesen Sondereinrichtungen immer noch. Dann kam irgendwann, wo alles Integration hieß und dieses Wort ja auch häufig immer noch, finde ich, dann ja fälschlicherweise benutzt wird, weil Integration bedeutet, dass zwar eine Gruppe dabei ist bei einer Mehrheitsgesellschaft, aber trotz alledem so ein bisschen unter sich ist, also es quasi keine Vermischung gibt. Bei Inklusion haben wir diesen… ich muss immer an dieses Kreisdiagramm denken oder quasi an diesen ganzen Kreis mit diesen ganzen bunten Nupsis drin, mit diesen vielfältigen Menschen, die dann alle so vermischt sind und quasi alle zusammen irgendwie da sind. Aber ist Inklusion als Modell, wenn man es jetzt wirklich so als soziales Modell sieht, ist es das, was das Ziel ist, wonach wir streben? Und dann ist es vielleicht irgendwann umgesetzt, und wir haben ja quasi schon ein bisschen geklärt, dass man eben keinen Haken dahinter machen kann oder gibt es sogar noch Weiterentwicklung, wo man sagen kann, okay, da lohnt es sich eher vielleicht hinzustreben?

Judyta:
Genau. Da sprichst du ja das Wort Belonging an. Also die Zugehörigkeit. Dieses System gibt es natürlich auch in der sozialen Inklusion. Es spielt auch eine sehr, sehr große Rolle in der Bildung, bei Kindern, also sich zugehörig fühlen. Jetzt könnt ihr mal überlegen, wo fühlt ihr euch zugehörig? Zu den Leuten mit Behinderungen oder vielleicht zu den Bürger*innen dieses Landes? Also es gibt ja verschiedene Zugehörigkeiten, und Belonging ist eben das Gefühl, dass du realisierst, ja, ich bin hier in diesem Raum. Ich habe ein Recht auf diesen Raum, und ich gehöre dazu. Und es gibt aber auch teilweise so ein bisschen die Theorie noch weiterzugehen. Also ich habe einen Blogpost gefunden auf stimpunks.org, wo jemand schreibt, es kommt sehr selten vor, dass ich als behinderte Personen ein intensives Zugehörigkeitsgefühl habe, dass ich nicht nur toleriert oder in einen Raum einbezogen werde, sondern ihn aktiv besitze. Dieser Raum, flüstere ich mir zu, ist für mich. Neben mir spüre ich, dass mein Freund das gleiche elektrisierte Gefühl hat. Dieser Raum ist für uns.
Fühlt ihr das?

Raul & Jonas:
Ja.

Raul:
Ich wollte sogar gleich noch weiter gehen, nicht nur den ich mitbesitze, sondern auch, in dem ich explizit gewollt bin oder auch willkommen geheißen werde. Aber nicht so als gönnerhafte Geste, sondern als man wird auch gebraucht und nicht, um das Label Inklusion auf die Veranstaltung kleben zu können, sondern weil vielleicht auch die Expertise gefragt ist, weil man will ja auch wertgeschätzt werden als Mensch, weil sonst sich ein Raum als unvollständig auch anfühlt. Und was mich am meisten berührt hat war die Frage: wo gibt es denn diese Orte? Und momentan fällt mir nur mein Zuhause ein. Und das ist eigentlich auch krass, wenn du dich nur zuhause belonged fühlst.

Judyta:
Vor allem der Text zielt ja auch darauf abzusagen: Der Raum nur für uns. Eigentlich ist es dann auch wieder sehr, sehr weit gedacht und für behinderte Menschen. Und es ist da nicht auch wieder exklusiv, also die Räume, wo wir sein können wie wir sind, mit anderen behinderten Menschen.

Jonas:
Ja, wenn es so ein Safe Space ist, wo man unter sich sein sollte oder kann. Also es ist immer die Frage, inwieweit dieses… dass es eigentlich schade ist, dass dieses Sicherheitsgefühl oder quasi das Gefühl, den Raum zu besitzen und dort sein zu können, wie man ist, häufig eben nur dann hat, wenn man unter Menschen ist, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder wissen, wovon man spricht.

Raul:
Ich glaube, es ist kein Exklusivrecht von behinderten Menschen unter sich, diesen Raum kreieren zu können. Also ich fühle mich auch unter vielen behinderten Menschen unwohl und nicht belonged. Genauso gibt es aber Menschen ohne sichtbare oder unsichtbare Behinderung, die mir dieses Gefühl des Belongings schon auch vermitteln. Ich weiß nicht, ob das ein Exklusivrecht der Behinderten ist, in dem Moment.

Jonas:
Und gleichzeitig finde ich aber auch… und das ist ja das Erstaunliche sowieso, dass bei diesen ganzen Modellen, wo wir jetzt sehr metamäßig und wissenschaftlich darüber sprechen, dass diese Modelle ja auch nicht von der Szene der Menschen mit Behinderung irgendwie gepachtet sind. Also das Modell Inklusion bedeutet ja quasi nur, dass Menschen mit verschiedenen Eigenschaften vielfältige Gruppierungen sich vermischen, beziehungsweise ja eben das Recht auf Teilhabe und Teilgabe und so weiter haben. Eigentlich dieses Modell kannst du ja genauso drauf anwenden, wenn wir jetzt sagen, okay, schwarze und weiße Menschen oder eben Menschen mit und ohne Behinderung. Also es ist ja quasi kein…

Raul:
Oder jung und alt.

Jonas:
Genau. Also es geht ja nicht nur… wir reden von… wenn wir von Inklusion reden, geht es immer nur um Behinderung. Und wenn wir von Diversity reden, wird häufig Behinderung vergessen. Ist so mein Gefühl. Also eigentlich, dass man damit auch noch mal zeigen kann, mit dem Begriff Inklusion, okay, es geht nicht nur uns etwas an, sondern es geht die komplette Gesellschaft etwas an. Und auch, wie du grade gesagt hast, Judyta, dass jung und alt, also auch ältere Menschen sollten ein Interesse an Inklusion haben, um das Beispiel jetzt mal zu nehmen, weil es auch sie betrifft.

Judyta:
Mein Gedanke war auch gerade so ein bisschen konkreter. Was ist diese Teilgabe eben dieses Entscheider*in sein? Was würdet ihr als erstes machen, wenn Teilgabe erfüllt wäre?

Jonas:
Es ist die Frage, in welchem Bereich? Also ich glaube… also Teilgabe so ganz allgemein? Jetzt in allen Bereichen des Lebens?

Judyta:
Wenn du an dein Leben denken würdest, was würdest du gerne tun als Entscheider?

Jonas:
Es ist immer die Frage…. Also es gibt viele politische Entscheidungen, die aber dann… lustigerweise, finde ich, dann überhaupt nichts mit dem Thema Behinderung zu tun haben. Also genau, also es dreht sich ja nicht immer nur alles um meine Behinderung, beziehungsweise um Behinderungen allgemein, finde ich. Oder wie es bei Dir, Raul?

Raul:
Ich versuche gerade in Extremen zu denken. Weil mich das auf Ideen bringt. 

Jonas:
Hau raus!

Raul:
Also wenn Teilgabe erreicht wäre und ich nicht mehr für das Recht auf Inklusion und so weiter kämpfen müsste, dann… also momentan wäre ich gerne jemand, der einfach in der Masse verschwinden kann. Also jemand, der jetzt nicht der Vorzeige-Behinderte ist, der Herr Krauthausen, der auf der Straße angesprochen wird, der mit den 100.000 Instagram-Follower*innen und so, der einfach erkannt wird, der dann für ein Thema steht und dann die ganze Zeit auch darüber reden muss. Sondern ich wäre einfach gerne irgendjemand random, der auch nicht wiedererkannt wird. Das heißt, ich könnte völlig hemmungslos auf eine Swinger-Party gehen, ohne Angst davor zu haben, irgendein Image zu zerstören oder irgendeine Community zu vertreten, wenn ihr versteht, was ich meine. Und das ist…ich klage nicht. Ich jammere nicht. Ich habe das ja dieses Leben so gewollt im Moment. Aber ich frage mich schon manchmal, wie wäre es eigentlich, wenn ich jetzt auswandern würde, in ein anderes Land, wo mich niemand kennt, und wo ich jetzt einfach anfange, Kunst zu machen oder einfach anfange, eine Bar zu betreiben oder arbeitslos bin.

Jonas:
Wäre das das? Weil ich musste die ganze Zeit auch daran denken, dass in deiner E-Mail-Signatur steht ja Inklusions-Aktivist oder Aktivist für Inklusion. Und was, wenn wir den Punkt erreicht hätten, wo wir sagen würden, okay, Inklusion ist erreicht. Was würde in deiner E-Mail-Signatur stehen? Barkeeper?

Raul:
Also ich habe ja zwei E-Mail-Signaturen, eine private und eine berufliche. Und ich habe neulich festgestellt, dass 99 Prozent der E-Mails, die ich schreibe, sind beruflich, die anderen sind eher Telegram, WhatsApp, Signal, Nachrichten. Und da steht ja keine Signatur.

Jonas:
Und was wäre dein Beruf? Also was würdest du, was würdest du machen, wenn du nicht mehr Inklusions-Aktivist wärst?

Raul:
Keine Ahnung, völlig random, würde davon abhängig, wo ich wohne. Ich würde unglaublich gerne mal ein Jahr im Ausland leben und mich einfach da als ein anderer Mensch ausprobieren. Und witzigerweise – ich mache gerade Improtheater. Einmal die Woche, wo ich mit anderen Schauspieler*innen mit und ohne Behinderung gemeinsam von einem Profi-Regisseur einfach Impro angeleitet werde. Und das ist total spannend, sich selber einmal auszuprobieren in anderen Rollen. Also als – keine Ahnung – das Arschloch oder als der liebende Vater oder als die weinende Tochter das einfach mal alles auszuprobieren und dann auch zu merken, okay, so fühlt sich das also an, wenn man diese Person mal für zweieinhalb Minuten ist. Auch Inklusion – durch Ausprobieren.

Jonas:
Aber, Judyta, jetzt muss die Frage aber auch noch mal an dich zurückgeben. Also Teilgabe. 

Raul:
Sie hat es befürchtet.

Jonas:
Du hattest genug Zeit, um nachzudenken. 

Judyta:
Ihr erzählt ja jetzt auch irgendwie von euren Hobbys und Interessen. Da muss ich wohl auch erzählen, dass ich jetzt Sport mache. Dümm…dümm…dümm…dümm.

Jonas:
Das ist jetzt leider zu spontan, um jetzt hier Musik anzubieten. 

Judyta:
Ich bereite mich ja innerlich schon vor auf Folge 68, wo ich über Sport sprechen werde. Treue Hörer*innen werden sich erinnern, und der Wunsch und die Teilgabe, die ich machen wollen würde wäre, ein Café zu eröffnen mit Lesungen, mit sehr, sehr gutem Kaffee, sehr, sehr guten Muffins. Also, da wird echt Qualitätskontrolle großgeschrieben, ja, und einfach Leuten den Raum geben. Und ich sehe mich da aber auch in diesem Traum als behinderte Person. Also, ich kann das nicht trennen auch. Also ich wäre dann gerne die behinderte Betreiberin, also ich – einfach kein anderer Mensch, der das machen könnte, der nicht auf Behörden irgendwie warten müsste und der nicht irgendwie Angst hätte, dass meine Existenz dann durch die Behinderung irgendwie in Gefahr wäre. Und da würde ich einfach einen Raum schaffen. Einen Empowerment-Raum.

Raul:
Hast du schon einen Namen?

Jonas:
Ja, ich wollte gerade fragen. Das ist, glaube ich, das Wichtigste. Ich habe schon so viele Unternehmen und Cafés und Bars eröffnet, einzig und allein, weil ich einen kreativen Namen hatte. Aber…

Judyta:
Ja, ich hatte mal die Idee… als Teenie kam mir das Wort Coffin mal irgendwie unter, das englische Wort, und ich wusste noch nicht, was es heißt. Ich dachte so, richtig cool, Coffee und Muffin einfach zusammen. Und das heißt halt aber leider Sarg.

Jonas:
Aber ich meine…

Judyta:
Kann man daraus was machen?

Jonas:
Ja, doch!

Raul:
Ich hatte ja Smyrkowski, man weiß ja, Smyrkowski sind Schnecken…

Judyta:
Ich heiße eigentlich Smykowski.

Raul:
Smykowski?

Judyta:
Nein, nicht so richtig. 

Raul:
Smykowski? Also Café Smyrkowski – das Inklusions-Café.

Judyta:
Nein, um Gottes Willen. Das würde ich dann… das würde ich sofort abkloppen, wenn du mir das dahinhängen würdest. 

Raul:
Mit inklusiven Muffins mit bunten Smarties obendrauf.

Judyta:
Nein, kein Inklusions-Café, sondern ein Café für alle. Und „für alle“ – das ist auch schon wieder so ein…

Jonas:
…Kaffee für alle…

Judyta:
Ja, das ist auch wieder sehr, sehr verbraucht dieses Wort. Nein, aber genau das würde ich machen. Und apropos mein Name: eigentlich Symolowski ist doch der All-Time-Favorite, so wurde ich mal genannt…Judyta Symolowski. Darauf muss man erstmal kommen.

Raul:
Aber nochmal zurück zum Thema Sport. Ich würde ja unglaublich gerne mal mit euch mal eine Folge machen und über den Körper, ganz allgemein über Körper, über Körpererfahrungen, Körpergrenzen – und Sport ist für mich ja eine dieser super krassen roten Tücher in meinem Leben, haben wir auch schon mal, glaube ich, kurz darüber gesprochen. Scham rund um Körper und Sport. Also, ich frage mich auch, wie wäre ich eigentlich, wenn ich Bock hätte, als Mensch ohne Behinderung meinen Körper zu stählen? Also angenommen, ich würde vier Stunden am Tag ins Fitnessstudio gehen, was für ein Mensch wäre ich dann? Und diese Person mal auszuprobieren und vielleicht dann sogar das dann die Inklusion, als Mensch mit Behinderung das Recht zu haben, vier Stunden am Tag bei McFit einfach meinen Körper zu stählen und nach Schweiß zu stinken, ohne doof angeguckt, kommentiert, besprochen und bewertet zu werden. 

Jonas:
Du wärst ein durchtrainierter Mensch.

Raul:

Ja, ich habe viele Fragen, und es gäbe wahrscheinlich keinen Trainer, der mir vernünftige Tipps geben könnte, wie ich mit meiner genetischen Disposition am besten was mache, ohne mir was zu brechen. Ich wäre eher Exot und die ganze Zeit das Subjekt, das beobachtet, bestaunt, erforscht wird. Aber ich hätte wahrscheinlich eine sehr lange Reise, um den richtigen Personaltrainer für mich zu finden – oder Personaltrainerin.

Judyta:
Da habe ich selbst den Tipp gefunden: auf Instagram gibt es einen Account von einer Physiotherapeutin, die eben auch Sportübungen macht. Und der habe ich dann vertraut. Ich hatte ja auch sehr oft die Angst oder sehr, sehr lange die Angst, dass ich irgendwie falsch trainiere, falsche Haltung und irgendetwas verschlimmbessere. Und das hat mir so ein bisschen so ein Gefühl gegeben, ich kann die Übungen machen, die sie macht. Noch mal hier als Service.

Raul:
Genau! Und in den Shownotes bitte.

Jonas:
Genau! Das haben wir alles natürlich in unsere Shownotes verpackt auf www.dieneuenorm.de und wie wir gesagt haben: Inklusion kann eben dann nur passieren, wenn vielfältige Menschen die Möglichkeit haben, aufeinander zu treffen und sich auszutauschen. Erst dann haben wir die Möglichkeit eben auf Teilhabe und Teilgabe.
Und wir sehen uns dann in wie vielen Jahren dann in deinem Café, Judyta? Nächstes Jahr, übernächstes Jahr? Oder machen wir erst die Sportfolge?

Judyta:
Ja, genau, wir machen erst die Sportfolge. Ich will jetzt hier nicht noch mehr Sachen ankündigen. 

Jonas:
Gut, wir machen erst die Sport Folge dann ab Folge 60 ungefähr…

Judyta:
68! Darauf bestehe ich!

Jonas:
Okay, ab Folge 68. Und bis dahin dauert es noch etwas, und wir freuen uns aber trotz alledem, wenn ihr dann beim nächsten Mal auch wieder mit dabei seid.

Raul & Jonas & Judyta:
Tschüß!

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