Folge 50! – Transkript

Lesezeit ca. 34 Minuten

Die Neue Norm: Eine Sehbehinderung, ein Rollstuhl, eine chronische Erkrankung. Oder: drei Journalist*innen. Jonas Karpa, Raul Krauthausen und Karina Sturm sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 50: „Folge 50!“

Jonas Karpa: 

Jubiläen sind ja immer so ein bisschen seltsam, so etwas zu feiern. Also fünfzigste Podcast-Folge sozusagen. Goldene Hochzeit von „Die neue Norm“, dem Podcast. Karina, wie ist es eigentlich für dich, mit zwei Männern hier verheiratet zu sein?

Karina Sturm: 

Ich hätte es schlechter treffen können.

Jonas:

Raúl, bist du auch zufrieden? 

Raúl Krauthausen:

Ich bin mega zufrieden. Karina ist ja seit zehn Folgen dabei; das heißt, wir feiern zwei Jubiläen: einmal die goldene für den Gesamt-Podcast und einmal die hölzerne mit Karina zusammen. 

Jonas:

Und wir haben uns hier richtig hübsch gemacht. Also ein kleiner Kuchen steht hier, jeder von uns hat vor sich so ein kleines Tässchen Kaffee oder beziehungsweise … was ist das … Macchiato? Also lehnt euch zurück und feiert mit uns zusammen die fünfzigste Folge „Die neue Norm“, der Podcast. 

Herzlich willkommen zur „Neuen Norm“, der Podcast. 50 Folgen „Die neue Norm“, der Podcast, wer hätte das gedacht? Ganz ehrlich, als wir damit angefangen haben, wir sicherlich nicht. Aber ich habe auch noch mal sicherheitshalber in der ARD Audiothek nachgeschaut, wo man alle unsere Folgen gucken kann und hören kann insbesondere. Und ja, es sind wirklich 50 Episoden und das freudige Ereignis möchten wir gemeinsam mit euch feiern. Und wir haben euch gefragt, was wollt ihr in dieser 50. Episode besprochen haben? Was sind das für Fragen an uns, die ihr loswerden möchtet? Und diese Fragen möchten wir heute gemeinsam beantworten. Und bei mir sind Karina Sturm und Raúl Krauthausen. Mein Name ist Jonas Karpa.  Ja, 50 Episoden. Wie fühlt es sich für euch an? Schon ewig lange her, dass wir damit begonnen haben? Oder ist die Zeit wahnsinnig schnell für euch vergangen?

Karina:

Also, ich bin erst zehn Folgen dabei und so, die sind sehr schnell vergangen.

Raúl: 

Ich bin auch beeindruckt, dass wir von der ersten Idee bis jetzt auch so viel gemeinsam besprochen haben und vor allem, als wir diese Idee zu diesem Podcast hatten, hätte ich niemals gedacht, dass wir 50 Folgen hinbekommen. Wie ist es bei dir?

Jonas:

Das ging mir ähnlich. Karina, als du gerade gesagt hast, du bist seit zehn Folgen dabei, dieses nach zehn Folgen. Das war bei mir so der Moment, wo ich eigentlich das Gefühl hatte, also mein Gott, wir haben doch eigentlich die Sache auserzählt, also quasi Inklusion, Barrierefreiheit, Behinderung … Das sind ja die Themen, wo es generell immer wieder darum geht. Und ich hätte gedacht, jetzt gibt es nichts Neues und bin dann doch überrascht, dass uns immer wieder neue Themen einfallen. Und wie gesagt, auch eure Vorschläge kommen ja heute noch ein bisschen in dieser Episode zu Wort, dass es noch viel mehr Sachen gibt, wo es sich drüber zu sprechen lohnt. 

Raúl: 

Was haben wir denn anders gemacht nach der zehnten Folge? 

Jonas:

Ich glaube vom Gefühl her, Sachen manchmal noch kleinteiliger zu denken. Also, natürlich könnte man jetzt großartig über das Thema Kultur sprechen und könnte versuchen, alles zum Thema Kultur in eine Episode zu fassen. Und da könnte man da aber auch tagelang darüber zu sprechen, also irgendwie zu gucken, wie man etwas detaillierter und auch genauer bespricht, beziehungsweise es gibt ja so viele vielfältige Perspektiven, nicht zuletzt, seitdem auch du, Karina, mit dabei bist, noch einmal eine ganz andere Behinderten-Perspektive sozusagen, die da mit reingekommen ist. 

Karina: 

Ja, und ich weiß immer noch nicht genau, ob ich wirklich sinnvolle Dinge hier beitrage. 

Raúl: 

Das klassische Imposter-Syndrom, das haben wir, glaube ich, alle hier.

Karina: 

Es ist spannend, wie ich auch irgendwie an euch gewachsen bin, glaube ich, und wieviel ich von euch gelernt habe. Und wie ich euch auch noch einmal neu kennengelernt habe, in der Zeit durch die Dinge, die ihr erzählt habt.

Jonas: 

Hast du denn was Konkretes, wo du gesagt hast „Das habe ich gelernt“? Oder ist es mehr so die grundsätzliche Haltung zum Thema Behinderung?

Karina: 

Es sind mehr die unterschiedlichen Perspektiven und auch einfach diese kleinen Anekdoten, die ihr immer erzählt, von denen ich vorher nichts wusste.

Raúl: 

Ich habe irgendwie das Gefühl nach der zehnten Folge und als wir dann gesagt haben, wir gucken kleinteiliger rein, du hast ja gerade gesagt „Kultur“, Jonas, da gibt es ja so viele Aspekte, Film, Buch, Kinderliteratur, Theater, Schauspiel und so weiter, dass da dann natürlich für mich so ein Knoten geplatzt ist, also sozusagen okay, die Welt ist ja wirklich alles, was nicht-behinderte Menschen betrifft, betrifft ja auch Menschen mit Behinderungen und den Nichtbehinderten gehen die Themen ja auch nicht ohne Weiteres aus.

Jonas:

Als Inklusions-Aktivist könnte man ja eigentlich meinen, du hast schon alles gesehen, alles gehört, alles schon mal drüber gesprochen, bist wahnsinnig belesen, was das Ganze angeht. Gab es auch den Moment, wo du gesagt hast: okay, hier hast du noch etwas dazugelernt oder noch einmal ganz andere Perspektiven sich für dich eröffnet?

Raúl: 

Also mir fallen super viele Sachen ein und die jetzt alle aufzuzählen ist wahrscheinlich ein bisschen müßig. In Summe kann ich sagen, ich finde es immer wieder faszinierend, wie viele GesprächspartnerInnen wir finden, auch im Vorfeld bei den Recherchen, wie viele Artikel wir zu diesen Bereichen lesen, wo für mich auch ganz viele neue Perspektiven immer wieder aufkommen. Und ich glaube, wenn ich jetzt so zurückblicke, die Folge, die mich am weitesten sagen wir mal gebracht haben, war eine Folge, wo wir darüber diskutiert haben, diese ganzen Rollstuhlexperimente, das war relativ am Anfang. Was ist daran eigentlich problematisch? Aber auch in den letzteren Folgen, eine Folge über Allyship, das fand ich auch noch mal sehr spannend. Da habe ich auch viel gelernt, dass es ja auch noch die andere Seite gibt, Menschen ohne Behinderung oder die vielleicht nicht betroffen sind, aber auch zu den Guten zählen oder auch sich engagieren wollen. Und wie macht man das richtig, ohne dass es irgendwie gringe wird. Ganz viel zum Thema Pubertät und Kindheit und Erwachsenwerden hat mich auch noch einmal persönlich sehr berührt. Und natürlich immer das Thema Körperlichkeit, Nähe, Pflege, Sexualität, das sind auch Themen, wo ich, glaube ich persönlich noch am meisten wachsen müsste.

Jonas: 

Ich fand es total spannend in diesen 50 Folgen, die wir jetzt gemacht haben, einfach auch noch mal diese Vielfältigkeit zu sehen, also natürlich, den eigenen Blick auf die eigene Behinderung und auf das Thema Behinderung im Allgemeinen mitzubringen. Aber eben auch noch mal zu merken, wie vielfältig Behinderung, die Perspektiven wirklich sind. Und wie viele Leute, auch unterschiedliche Leute, wir haben zu Wort kommen lassen, wie viele Themen es gibt. Du hast eben gesagt, dass es quasi alle möglichen gesellschaftlichen Themen gibt, die eben auch für Menschen mit Behinderung relevant sind, also quasi der Aspekt Disability Mainstreaming. Also, dass wir Episoden gemacht haben zum Thema Heiraten, zum Thema Urlaub. Wir haben eine Episode gemacht, als gerade der Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, weil das natürlich auch Themen sind, die Menschen mit Behinderung umtreiben und die sich darüber Gedanken machen. Also quasi wirklich Themen zu finden, losgelöst von der Thematik „Oh, ist das jetzt ein Thema, ein Inklusionsthema, ein Behinderten-Thema“ sozusagen, sondern einfach zu schauen, was sind Aspekte, die uns gerade interessieren? Und wie kann man diese Aspekte beleuchten aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung? Natürlich haben wir auch uns Themen gewidmet, die sich sehr explizit mit Behinderung auseinandersetzen, also quasi grundsätzlich Begriffserklärung „Inklusion“, „Barrierefreiheit“, „UN-Behindertenrechtskonvention“, wo wir damals eine Podcast-Folge bei den Kollegen von Radioeins gemacht haben. Aber es gibt natürlich auch sehr, sehr viel, was wirklich auch für alle Menschen einfach relevant ist.

Karina: 

Ja, ich glaube, ich mag die Folgen am liebsten, wo man viel lesen und viel recherchieren muss. Und auch die vielleicht ein bisschen kontroverser sind, also verschiedene Perspektiven. Ich fand die Pränatal-Folge super. Aber vielleicht fühle ich mich einfach nur wohl, wenn ich hauptsächlich über Fakten sprechen muss und nicht über mich selber. 

Raúl: 

Es gibt ja so InfluencerInnen bei uns im Umfeld, die, glaube ich, auch schon das ein oder andere Thema hier mitgeprägt haben. Anne Gersdorff ist hier auch ab und zu Gast. Die hat mich mal auf die Idee gebracht und auch auf die klare Aussage: Natürlich haben behinderte Menschen auch ein Recht auf Niederlagen, und dazu haben wir auch eine Folge gemacht.

Jonas: 

Als es um Scheitern ging, die sogenannte Schonraumfalle, in der alle Menschen mit Behinderung, nicht alle, aber Menschen mit Behinderungen häufig gesteckt werden, sozusagen in Watte gepackt zu werden, das Umsorgtwerden und Hauptsache keine Niederlagen oder Fehler erfahren, weil sie vielleicht sogar das Klischee oder das Stereotyp in sich tragen, dass die es eh schon schwer genug haben.

Raúl: 

Und in Folge 47 hat Anne Gersdorff zusammen mit Karina Sturm ihr Buch vorgestellt „Stoppt Ableismus“. 

Jonas:

Also wir haben sehr viele Themen schon beackert und dieses Gefühl zu haben, es ist auserzählt, das haben wir noch lange nicht. Und wir haben euch gefragt, was sind denn Themen, die ihr gerne mal in unserem Podcast „Die neuen Norm“ besprochen haben möchtet? Und wir haben euch nach Ideen gefragt und haben Antworten bekommen. Eine zum Beispiel hat uns der Leon per Sprachnachricht geschickt, die wir uns jetzt mal anhören, während ich noch einmal kurz von meinem Kuchen abbeiße. 

Leon:

Hallo zusammen, herzlichen Glückwunsch zu 50 Folgen „Die neue Norm“, der Podcast. Ich würde mir eine Folge zum Thema Studieren mit Behinderung beziehungsweise Barrieren im Studium wünschen. Weil das Thema meiner Meinung nach im Inklusionsdiskurs noch zu wenig Beachtung findet und sich noch zu sehr auf das Thema Schule konzentriert wird.

Jonas:

Ja, hat er von meinem Gefühl erst mal recht. 

Karina: 

Ja, würde ich auch sagen. Also, ich spreche relativ viel über meine eigenen Erfahrungen mit Studium. Und es gab einen Grund, warum ich nicht in Deutschland studiert habe. Und das, weil das nicht möglich war. 

Jonas:

Warum war das nicht möglich? 

Karina:

Weil keine von den Unis in Deutschland die Flexibilität bieten wollte oder konnte, die ich gebraucht hätte. Und so habe ich im Endeffekt die einzige Uni gefunden in Schottland, wo ich Journalismus studieren konnte, mit der Art von Barrierefreiheit, die ich brauche, also so wie flexible Arbeitszeiten online und so. Aber ich glaube, da wird auch wenig darüber gesprochen, weil studieren an sich in riesiges Privileg ist für eine Person mit chronischer Krankheit oder Behinderung, weil die meisten behinderten Kinder erstmal auf Förderschulen gehen und von dort direkt in die Werkstatt und überhaupt den Zugang zu einem höheren Schulabschluss nicht haben. Und dadurch wird wahrscheinlich auch einfach nicht so viel über Studium gesprochen.

Raúl: 

Da wäre dann vielleicht interessant eine weitere Folge zum Thema Ausbildung.

Jonas:

Aber ich glaube, das geht auch mit einher. Also quasi, dass man sagt, okay, wir haben ja wie gesagt eine Podcast-Episode schon mal zum Thema Schule und Inklusion gemacht, es war Episode 15, wenn ihr die nochmal nachhören möchtet in der ARD-Audiothek. Aber da das Thema Schule so das typische Bottleneck ist, also da müssen die meisten durch oder müssen alle durch. Und da fängt schon der erste Aussiebungsprozess statt. Und wenige Menschen mit Behinderung, je nach Behinderungsart, haben die Möglichkeit, so einen qualifizierten Schulabschluss zu machen, um dann später für eine Ausbildung oder ein Studium überhaupt in Frage zu kommen.

Karina:

Es sind sogar nur 0,3 Prozent von allen SchülerInnen an Förderschulen, die Abi machen oder Fachabitur. Also es sind sehr wenige.

Raúl: 

Vielleicht könnte man die Folgen auch ein bisschen mit Service bestücken. Also dass man sagt, okay, folgende Hilfestellungen gibt es, folgende Anlaufstellen von Studierendenwerken und so weiter könnte man angehen, wenn man studieren möchte. Und/oder auch das Gleiche zum Thema Ausbildung, was sagt eigentlich die IHK zum Thema?

Jonas:

Aber noch einmal zurück zu Dir, Karina, mit deiner chronischen Erkrankung, dem Ehlers-Danlos-Syndrom, wo sind eben die Punkte, wo du sagst, das sind die genauen Unterstützungsbedarfe, die du brauchst? Also dieses chronische, dass es mal gute Tage gibt, mal schlechte Tage. Was ist an den schlechten Tagen möglich oder beziehungsweise was nicht möglich, wo die Uni theoretisch auf dich zukommen hätte müssen.

Karina: 

Ich glaube, der größte Knackpunkt war Präsenzveranstaltungen. Für mich wäre es eigentlich superwichtig gewesen, möglichst viel, wenn nicht sogar alles online machen zu können, und auch in Teilzeit, sodass es zeitlich total flexibel ist, dass ich mir eben, je nachdem, wann ich Energie habe, selber einteilen kann, wann will ich studieren und wann kann ich Pausen machen. Und die meisten Unis haben eben als absolutes Muss Präsenzzeiten angegeben und die waren teilweise irgendwie dann – was weiß ich – für acht Stunden in einem Hörsaal auf einem hölzernen Klappstuhl sitzen, so ungefähr, was ich einfach nicht durchhalten würde. Also ich habe da hin und her diskutiert, bis die, glaube ich, alle so genervt von mir waren, dass die mich ohnehin nicht mehr angenommen hätten. Aber die haben alle gesagt, es gibt keine Möglichkeit, das irgendwie online nachzuholen, zu filmen, irgendwie zuzuschalten via Videokonferenz – all diese Dinge, die eigentlich in der Pandemie fast Standard waren.

Jonas:

Ich wollte gerade sagen, das ist quasi … hättest du in der Hochzeit der Corona-Pandemie angefangen … du hast ein bisschen zu früh angefangen zu studieren.

Karina: 

Genau. Ja. Ich bin tatsächlich genau fertig geworden, wo die Pandemie angefangen hat. Deswegen habe ich dann meinen Studienabschluss nicht auf einer Bühne gehabt, sondern gar nicht. Das Timing war scheiße.

Raúl: 

Und wie sah dann dein Studium aus in Schottland?

Karina:

Es war komplett online, und man konnte sich die Zeit frei selber einteilen. Die waren sehr flexibel, wie lange man für ein Modul studieren konnte. 

Raúl: 

Warst du dafür in Schottland oder warst du in Deutschland? 

Karina:

Nee, ich war in Deutschland. 

Jonas:

Das war eine Fernuni? 

Karina:

Ja, das war eine Fernuni.

Raúl: 

So richtig fern.

Karina: 

Die haben einem die Option gegeben, dass man auch in Präsenz teilnehmen kann. 

Jonas. 

Schottische Highlands … 

Karina:

Das wäre schon ganz schön gewesen, aber halt einfach logistisch ein bisschen schwierig. 

Raúl: 

Und das war so eine Art Privatuni gewesen? 

Karina:

Nein, das ist eine ganz reguläre staatliche Uni. Interessanterweise war es wirklich der einzige Studiengang in englischer Sprache, den ich machen konnte, den ich auch bezahlen konnte. Also da gibt es schon noch ganz, ganz viele auch in den USA zum Beispiel, aber die sind halt einfach so unfassbar teuer, dass … das ist halt das Nächste: wenn man chronisch krank ist, schwimmt man nicht unbedingt im Geld. Also das Finanzielle ist halt auch eine große Barriere. Genau, und die Uni in Schottland hat dann ein Jahr, nachdem ich fertig war, diesen Studiengang abgeschafft, weil er sich finanziell für die nicht gelohnt hat. 

Raúl: 

Ach, krass! 

Karina: 

Und dann gab’s halt einfach gar keinen mehr.

Jonas:

Die Frau Sturm war uns zu teuer. Jetzt haben wir kein Geld mehr. Das funktioniert einfach nicht. Da ich meine Sehbehinderung, ja, im Laufe des Lebens erworben habe, war das jetzt quasi kein relevantes Thema für mich während des Studiums. Raúl, für dich, sage ich mal, im Rollstuhl sitzend, in einem großen, schweren Elektrorollstuhl – waren die Universitäten zu der Zeit, als du studiert hast, schon auf dem Standard, dass es überhaupt kein Problem war, an allem teilzunehmen?

Raúl:

Ja, ich hatte ja unfassbares Glück, weil die Uni, an der ich war, das war die Universität der Künste in Berlin. Wir hatten ein altes Schulgebäude und da war ein Aufzug drin. Und so war ich dann zwar der einzige und vielleicht auch der erste mit sichtbarer Behinderung, aber es war barrierefrei. Das Einzige, was nicht barrierefrei war, war der U-Bahnhof in der Nähe, sodass ich dann immer einen riesigen Umweg fahren musste mit dem Bus, um überhaupt zur Uni zu kommen nach Berlin Charlottenburg. Und ich habe letzte Woche geguckt, und der Bahnhof hat immer noch keinen Aufzug. Und das ist jetzt auch zwei, drei Monate her, würde ich sagen … ich habe mein Abitur 2001 gemacht, und ich weiß das ganz genau, weil drei Wochen danach war 9/11. 

Jonas:

Ja, aber es kommt ja dann beim Studieren, ja, wie gesagt, nicht nur auf den Ort selbst an, sondern auch, wie kommt man am besten dort hin und da gehört natürlich der ÖPNV oder die ganze Infrastruktur drumherum eben auch mit dazu. 

Raúl:

Wie war das bei dir?

Jonas:

Also bei mir, wie gesagt, ist ja quasi meine Behinderung erst nach dem Studium gekommen, aber auch bei mir an der Universität in Paderborn in Ostwestfalen gab es wenig Studierende mit sichtbaren Behinderungen. Es war aber zumindest so, wie ich es wahrnehmen konnte, schon zumindest rollstuhlgerecht barrierefrei in dem Sinne. Paderborn hat keine U-Bahn. Deshalb hatten wir … also diese Problematik gibt es da überhaupt gar nicht. Das ist ein ganz anderes Level gewesen. Aber wie gesagt, dass Thema Studium und Inklusion beziehungsweise Ausbildung, Berufsausbildung ist auf jeden Fall ein total relevantes Thema, worüber wir, glaube ich, auch mal länger sprechen würden. Also wir schreiben das mal mit auf unsere Liste der weiteren Themenideen für unseren Podcast, worüber wir ja in der Zukunft sprechen können. Also vielen Dank, Leon!

Raúl:

Man kann ja auch jederzeit weitere Themen vorschlagen. Wir haben eine Liste, die wir einfach abarbeiten. 

Jonas:

Genau, schreibt uns also gerne an [email protected], wenn ihr jetzt darüber hinaus Themenideen habt oder denkt: „Ah, das war jetzt diese Episode, wo wir es einreichen sollten, jetzt geht es nie wieder“ – nein nein nein, also schreibt an [email protected] oder auf unseren Social-Media-Kanälen könnt ihr uns auch kontaktieren. Wir sind immer wieder offen und freuen uns auf Themenvorschläge. Das, was ich bei Podcasts oder beim Podcastmachen immer so schön finde ist auch … ich meine, wir sitzen hier bei Kaffee und Kuchen anlässlich unserer Jubiläumsfolge hier im Büro, aber wir sehen euch ZuhörerInnen ja nicht und haben jetzt nicht so das direkte Feedback. Und das ist dann immer noch besonders schön natürlich, wenn man Feedback bekommt, sei es durch Fragen, die ihr einschickt zu unserem Podcast oder Themenvorschläge. Aber damals, als wir mit dem Podcast angefangen haben, wurden wir bei Instagram markiert und haben quasi eine ganz besondere Art und Weise von Feedback bekommen, nämlich ein Kanal von Insa Krey hat eine Sketchnote gemacht, ein kleines Bild mit Zeichnungen, Notizen und den Inhalten unserer jeweiligen Podcast-Folge. Und das zieht sich inzwischen … es ist eine Institution geworden. Also schaut gerne mal auf unserem Instagram-Kanal. Dort haben wir es quasi immer gerepostet beziehungsweise schaut auch gerne auf den Instagram-Kanal von Insa Krey vorbei; verlinken wir auch noch mal in unseren Shownotes auf www.dieneuenorm.de. Und das fand ich irgendwie so schön, dass ich mir gedacht habe oder wir uns gedacht haben: Komm, zur Folge Nummer 50, da laden wir uns einfach mal Insa Krey ein. Schön, dass du jetzt da bist, hallo!

Insa Krey:

Vielen Dank für die Einladung. Hallo und herzlichen Glückwunsch zur 50. Folge an euch.

Jonas:

Vielen, vielen Dank. Wie ist es dazu gekommen? Also wie bist du generell erst mal zum Thema zeichnen, Grafik gekommen und dann sozusagen auf unseren Podcast?

Insa: 

2019 war das, glaube ich, bin ich erst auf Sketchnotes aufmerksam geworden, hab sie gesehen und gedacht: „Das ist genau mein Ding. Das will ich machen.“ Ich war sofort Feuer und Flamme und habe mich dann ein bisschen ausprobiert, rumprobiert, gezeichnet, geübt, bei verschiedenen Leuten geguckt, wie machen die das? Und irgendwann war mir das zu wenig, und ich wollte mehr und besser üben tatsächlich und habe mich auf die Suche gemacht nach einem Podcast, bei dem ich also mit sketchnoten kann. Und es gibt gefühlt eine Trillion Podcast. Da war die Frage: Welches Thema? Was interessiert mich? Wozu? Wo will ich regelmäßig zuhören und mitzeichnen? Und aus privaten und aus beruflichen Gründen war das Thema oder ist das Thema Teilhabe, Inklusion, Barrierefreiheit wichtig für mich. Und so bin ich glücklicherweise auf euch gestoßen und auf euren Podcast und habe reingehört und war echt begeistert über die Themen, die ihr anschneidet, wie ihr das Ganze angeht, und habe also seitdem fleißig mitgezeichnet und meine Sketchnotes gemacht. Zuerst tatsächlich zum Üben. Und dann dachte ich aber, die Themen sind so wichtig und so relevant. Und vielleicht können wir in dem Sinne durch die Visualisierung noch mehr Leute erreichen und auf diese Themen aufmerksam machen. Und deswegen habe ich es geteilt, tatsächlich auf Instagram und freue mich natürlich, dass es euch auch gefällt. 

Raúl:

Wie lange brauchst du für so eine Zeichnung? 

Insa: 

Also, inzwischen ist meine Routine so, dass ich mir angucke: was ist das Thema? Und dann überlege ich mir meistens so ein key visual, also ein Schlüsselbild, und male sozusagen den Titel vor und eine etwas größere Zeichnung, die sozusagen das Thema verdeutlichen soll, vor. Dann zeichne ich live beim Hören mit – zeichnen und schreiben. Und wenn es richtig gut läuft und ich im Fluss bin und der Podcast auch mein Tempo hat, dass ich gut mitkomme, dann bin ich fertig, wenn ihr auch fertig seid mit der Sendung. Und manchmal, wenn ich auch nicht ganz zufrieden bin mit meinem Ergebnis, dann gebe ich hinterher noch mal bei eine halben Stunde oder was und versuche noch ein bisschen auszubessern und hin- und herzuschieben, damit es vernünftig aussieht und die Leute, die den Podcast vielleicht noch nicht gehört haben, auch verstehen, worum es geht und verstehen, was ich meine oder was ihr meint.

Karina:

Ich bin ein Riesenfan, erst einmal vorab. Ich kann mir nicht vorstellen, wie viel Arbeit das ist und wie das überhaupt möglich ist, Informationen von einer Stunde Podcast in irgendwie ein Bild zu machen, also größten Respekt für diese Art von Kreativität. Das ist so schön. Eines meiner Lieblingsbilder, das ist glaube ich auch das erste, was ich überhaupt so wirklich gesehen oder wahrgenommen habe von dir, von der ersten Episode, wo ich auch mit dabei war, und du eine Sketchnote von mir gemacht hast und ich dachte: Hah, das ist, wie mich andere Leute sehen, wie cool!“ und auch Raúl und Jonas sind total gut getroffen. Und ich finde es total faszinierend, weil du wirklich jeden größeren Themenkomplex in diesem Bild hast und immer irgendwie Illustrationen mit Menschen dazu und dann kleine Sprechblasen und dann Text zu wirklich allen Highlights quasi aus dieser Folge. Wie geht das? Also, wie ziehst du überhaupt die wichtigsten Informationen da raus, also vor allem, wenn du sagst, du bist praktisch fertig, wenn wir auch fertig sind. Es heißt, du musst während dem hören schon irgendwie analysieren, was da gerade die wichtigsten Themen sind und wie du die darstellen willst. Ich finde es so bewundernswert.

Insa: 

Dankeschön, ja, aber es ist genauso wie du sagst: zuhören, filtern, raushören, was ist wichtig? Was ist wichtig für mich? Was könnte wichtig für die sein, die hinterher die Sketchnote angucken? Übung, Übung, Übung. Und natürlich lerne ich bei jedem Mal noch beim Zuhören dazu, sei es nun, dass ich merke, in welchen Klischees ich denke und was ich bislang auf Papier gebracht habe oder welche Stereotypie ich vielleicht am Anfang auch stumpf gezeichnet habe, weil ich es noch nicht besser wusste. Aber es ist tatsächlich auch für mich so ein Lernen seit den letzten … ich weiß gar nicht, seit der wievielten Folge ich mit dabei bin, seit 2021 oder so oder seit 2020, irgendwie sowas, ich glaube 2020 war meine erste Folge. Wenn ich da heute drauf gucke, denke ich: „naja, würde ich jetzt anders machen“. Aber es ist natürlich auch viel Erfahrung, wie viel habt ihr schon geredet, wie viel wird jetzt noch kommen, wie viel Platz habe ich noch? Und wenn ich manchmal noch Platz übrig habe, dann kann ich noch ein bisschen was dazu zeichnen. Oder ich muss manchmal auch noch Sachen rausschmeißen, von denen ich dachte, sie sind wichtig, aber dann kam vielleicht noch etwas anderes, weil ich dachte, das muss unbedingt rein. Und dann fällt vielleicht noch wieder was raus.

Jonas:

Ich finde es zum Teil spannend, wir machen ja quasi … wir bereiten uns ja auch vor und haben so quasi unsere Themenblöcke, über die wir sprechen möchten in jeder Episode. Und anhand quasi deiner Sketchnotes, deiner kleinen quadratischen Bilder bei Instagram, ich für mich das manchmal auch quasi gegenüber lege und sage okay, as ist unser persönliches Skript, über das wir sprechen wollten beziehungsweise über das wir gesprochen haben. Und was ist wirklich dann exemplarisch sozusagen bei dir als Zuhörerin auch angekommen? Und wo hast du vielleicht den Fokus daraufgelegt? Was ist quasi eine Aussage gewesen, die für dich total wichtig ist und die du relativ groß gemacht hast, vielleicht bei uns nur gefühlt in einem Nebensatz geflossen ist oder dort, wo wir gesagt haben: „hier legen wir wirklich den Fokus drauf und reden da mal so 10 Minuten intensiv drüber“, was dann vielleicht bei dir nur in einer Kleinigkeit auftaucht. Dieses Wechselspiel von dem, was man eben selber als wichtig ansieht und als relevant ansieht und was dann eben auch bei ZuhörerInnen im Allgemeinen einfach auch hängenbleibt. Das finde ich als Feedbackorgan, als stetiges Feedbackorgan, auch für uns irgendwie ganz interessant.

Insa: 

Es ist schön, das freut mich. Das ist natürlich auch mein persönlicher Filter. Also, was denke ich, was ist wichtig? Oder was ist vielleicht auch für mich neu und für mich wichtig? Was lerne ich gerade dazu? Was möchte ich so weitergeben, weil ich dann denke, das wissen vielleicht auch nicht wirklich viele oder das muss auf jeden Fall so nochmal rausgestellt werden, dass es alle anderen auch sehen und hören und irgendwie vielleicht mitnehmen.

Jonas:

Gibt es ein Thema, wo du jetzt sagen würdest, aus zeichnerischer Sicht gesehen, darüber würdest du gerne mal bei „Die neuen Norm“ eine Sketchnote machen. Heißt also quasi, wir sollten darüber sprechen.

Insa: 

Also ich persönlich komme aus dem Bereich chronische Krankheiten, also ich gehöre auch diesem Club an wie Karina. Deswegen ist das tatsächlich so mein persönliches Thema, wo ich immer denke, die Öffentlichkeit darf da gerne noch mehr darüber erfahren und noch mehr wissen. Und wir müssen uns nicht immer so verstecken oder so tun, als wäre alles superduper. Das habt ihr aber auch schon ganz gut herausgearbeitet, fand ich, mit der ersten Folge, als Karina mit dabei war. Deswegen, ich finde es immer wieder überraschend, welche Themen ihr aus dem Hut zaubert, auf die ich dann wieder gar nicht gekommen wäre. Und ich denke so, ja, man kann da ganz locker eine Stunde darüber reden und wir sind noch lange nicht fertig mit dem Thema. Deswegen großer Respekt für eure Themenfindung. Das finde ich immer sehr großartig und auch sehr abwechslungsreich tatsächlich. Und es war jetzt auch nicht so, dass ich dachte: das Thema haben wir schonmal ausgekaut bis zum letzten und jetzt nicht noch mal. Das hatte ich tatsächlich noch nicht so.

Jonas:

Und dann immer quasi natürlich die Sache, dass wir versuchen, die richtigen Worte dazu zu finden. Du versuchst, die richtigen Bilder zu finden und gerade wie du angesprochen hast chronische Erkrankung – klar, manchmal der Vielfalt von Behinderungen auch die richtigen Bilder beziehungsweise die richtige Darstellung zu finden, ist, glaube ich, auch noch einmal mehr eine ganz, ganz große Herausforderungen, wie man jetzt vielleicht eine Person zeichnet, die eine chronische Erkrankung hat oder quasi generell eine unsichtbare Behinderung und man das Thema trotzdem präsent macht, ohne jetzt in die Klischeekiste der Darstellung zu greifen.

Insa: 

Das ist die absolute Mega-Herausforderung. Weil auch ich natürlich erst einmal an die klassischen Sachen denke bei Behinderungen. Vor allem am Anfang war es für mich dann auch immer schön der Rollstuhl, weil es irgendwie immer der Rollstuhl ist. Und dann aber einen Schritt weiterzugehen und zu sagen, es gibt dann doch noch ein, zwei Behinderungen mehr auf dieser Welt, auch sichtbare und ganz schwierig wird es dann natürlich bei den unsichtbaren und bei den chronischen Krankheiten. Wie kann man das vermitteln? Wie kann ich das vermitteln? Auch so, dass es möglichst viele Menschen verstehen, das ist tatsächlich manchmal tricky. Manchmal läuft es ganz gut.

Raúl:

Aber ich freue mich immer sehr, wenn es eine neue Sketchnote von dir und dem Podcast gibt. Ein Podcast ist ja bilderlos in der Regel und das fällt uns manchmal gar nicht so leicht, dann dazu irgendwie eine Kachel für Social Media zu machen. Und ich finde es mal eine ganz besondere Art, so einen Podcast zu bebildern. Sonst machen ja die Leute immer ein Foto, wie sie vor dem Mikrofon sitzen oder stehen; das hat sich auch irgendwann zu Ende erzählt.

Jonas:
Und wenn ihr da draußen Besitzer des DNN-Magazins, also des Printmagazins seid, dann sind euch vielleicht auch noch weitere Sketchnotes von Insa Krey aufgefallen, die sie nämlich gemacht hat für unser Magazin, wo es quasi eine Doppelseite gibt mit interessanten Fakten und Hintergrundinformationen zum Thema Behinderung und Barrierefreiheit. Da sind die unterschiedlichen Stationen von Inklusion, Integration und so weiter bebildert. Und auch das Titelbild natürlich von unserem DNN-Magazin ist eine Zeichnung beziehungsweise eine Illustration von dir, Insa. Also auch vielen Dank noch mal dafür! Das ist, wie gesagt, etwas, was ich total schön finde, weil es einfach aus, tja, wirklich aus Zufall irgendwie entstanden ist. Und inzwischen, finde ich, schon so ein bisschen zu unserem Corporate Design unsere Podcasts beziehungsweise unseres Magazins irgendwie gehört.

Insa:
Ich habe mich sehr gefreut, dass ich für das Magazin zeichnen durfte und ein Teil davon sein durfte. Das war eine sehr schöne Erfahrung und dafür danke ich euch.

Jonas:
Und wir freuen uns auf die nächste Sketchnote und sind sehr gespannt, was uns dieses Mal dann dort erwarten wird und sind sehr froh, dass du quasi ein kreativer Teil dieses ganzen „Die neue Norm“-Universums bist. Vielen Dank für deine Arbeit und schön, dass wir heute kurz zu unserer Jubiläumsfolge ein bisschen mit dir sprechen konnten.

Raúl:
Auf bald. 

Insa:
Ja, sehr gerne, auf die nächsten 50!

Jonas:
Auf jeden Fall. Eine weitere Frage, die uns erreicht hat, kam per WhatsApp rein. Und zwar von Martin, der gefragt hat oder uns gebeten hat, auch mal mehr positive Beispiele zu benennen, wenn es quasi rund um das Thema Inklusion geht. Sind wir zu negativ? Ohne das jetzt als Vorwurf zu nehmen mit seiner Bitte oder mit seinem Vorschlag. Aber wir legen ja doch schon häufig einen Finger in die Wunde. 

Karina:
Ja, aber ich glaube, wir sind eher realistisch. Also ich meine, wir haben schon über die UN-BRK gesprochen und die Staatenprüfung dieses Jahr ist ja extrem schlecht ausgefallen für Deutschland. Insofern, glaube ich, haben wir ein sehr realistisches Bild von dem Mangel an Inklusion. Und das darf man ja irgendwie in einem journalistischen Podcast auch so benennen. 

Raúl:
Wir hatten auch eine Folge zum Thema „Angry Cripples”. Das ist ja so ein Klischee, dass behinderten Menschen oft vorauseilt, dass sie immer wütend sind und unzufrieden und man doch vielleicht ein bisschen dankbarer sein sollte. Das würde jetzt den Martin nicht unterstellen, dass der uns das vorwirft, dass wir „angry cripples“ sind. Ich finde, er hat sogar einen validen Punkt, wenn ich ehrlich bin. Es gibt ja schon noch eine Welt zwischen Inspiration Porn und alles ist super und den Finger in die Wunde legen, wo es schiefläuft. Es gibt ja gute Beispiele und vielleicht kann man da eine Folge drumrum stricken, sich zu überlegen, wo sind wir vielleicht sogar ganz gut schon. 

Karina:
Vielleicht ist es auch eine Frage, von wo man herkommt und wie man draufguckt. Ich hatte da letztens eine Unterhaltung mit einer Person, die von Geburt an behindert ist und einen Rollstuhl nutzt und meinte, dass ich in letzter Zeit ständig wütend bin, weil mir die ganze Zeit auffällt, was eigentlich alles nicht gut funktioniert. Jetzt bin ich aber ja super privilegiert aufgewachsen, insofern, dass ich ja nie irgendwelche Barrieren hatte bis Mitte 20. Und ja, die Person meinte dann: „Vielleicht ist es auch einfach so, dass ich, weil ich schon immer mit einer Behinderung lebe, einfach sehe, wie sich Dinge auch positiv verändert haben. Also alles, was ich früher nicht hatte, was ich heute haben kann versus du siehst vielleicht einfach …”  Weil ich das ja nicht kenne; ich sehe einfach nur alles, was heute noch schlecht ist und was ich heute nicht haben kann.

Jonas:
Da hatten wir auch quasi diese eine Episode, wo wir über angeborene und erworbene Behinderungen gesprochen haben, also dieser Unterschied, dass man natürlich als Mensch, der seine Behinderung im Laufe des Lebens erworben hat, immer diesen Vergleich zieht zu dem, was früher vielleicht besser war oder natürlich die negativen Barrieren sieht, Diskriminierung sieht, die man jetzt erlebt, die man früher vielleicht nicht erlebt hat. Natürlich ist der Blick eher ein bisschen negativ auf die ganzen Sachen gelegt. Und ich finde, dass es sich schon entwickelt und dass sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt, manche Sachen auch besser werden, manche Sachen sich auch in Bereiche entwickeln, wo ich sagen würde, huh, ob das so die richtige Richtung oder der richtige Diskurs ist … Aber es gibt ja manchmal die sogenannten Leuchtturmprojekte, die herausgehoben werden. Raúl, wie stehst du dazu?

Raúl:
Das Problem mit so Leuchtturmprojekten ist ja oft, dass die oft nur da sind an einem Ort, dass das nicht skaliert oder dass sie innerhalb von drei Jahren wieder eingestellt werden, weil die Finanzierung ausläuft. Ich bin immer ein großer Freund davon zu gucken, wo wurde etwas institutionalisiert im Sinne von dann auch wirklich in die Fläche gebracht und verstetigt, wie zum Beispiel Rampen in Bussen; die gehen ja wahrscheinlich erst mal nicht weg. Und ich erinnere mich gerade, es gibt vom Netzwerk Artikel drei, dem Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter e. V., ein Projekt, das heißt „Gute Nachrichten zur Inklusion“ und das heißt, die sammeln auch ganz bewusst Themen, wo wir jetzt vielleicht nicht klatschen würden, weil es einfach immer eher so Interessensbekundungen sind von, keine Ahnung, der Stadt Hamburg, die jetzt Leichte Sprache auf ihren Websites einsetzen will oder die Stadt Bremen, die barrierefreier werden möchte, wo man sagt, ja; gut, dass ihr es macht, aber nicht gut genug, dass wir jetzt vielleicht applaudieren würden. Aber es ist trotzdem ja gut.

Jonas:
Aber ich finde, das, was du soeben noch mal angesprochen hast, dass dieses Spannungsfeld zwischen etwas Positiv einschätzen und das auch sehr hervorheben, dieses Positive hervorheben, wie sehr das quasi inspirierend ist. Und auch die Frage: sind wir mit unserem Podcast, den vielleicht viele auch irgendwie gerne hören, können wir auch Inspiration sein für andere, wollen wir Inspiration sein? Gleichzeitig natürlich, wie verändert man Sachen? Verändert man eher Sachen, indem man die guten Sachen lobt oder indem man quasi kritisch auf Dinge schaut und eher vielleicht vermeintlich negativ berichtet? Also von meinem Gefühl ist es so ein bisschen beides natürlich irgendwie, sowohl als auch. Aber natürlich kommt, wenn es die großen Mechanismen sind, die große Struktur, die diskriminierenden Muster, die Stereotype, dann ist natürlich noch einiges zu tun, anstatt jetzt quasi die einzelnen kleinen Highlights, die positiv sind rauszupicken, die man natürlich feiern sollte, auf jeden Fall.

Karina:
Also ich glaube, gerade im Bereich Aktivismus gibt es ja ganz unterschiedliche Communitys oder ganz unterschiedliche, also, wie Raúl gerade schon sagte angry cripples, und ich glaube, jede von diesen Untergruppen wie auch immer, die das Thema angehen, hat eine Daseinsberechtigung und machen, was sinnvoll ist. Und vielleicht wirkt das auch einfach alles zusammen zu etwas Gutem hin. Aber gerade im Bereich Aktivismus, glaube ich, bewegt sich einfach nicht so super viel, wenn man freundlich Danke zu allem sagt und die guten Sachen lobt, sondern man muss halt auch einfach ständig erwähnen, was nicht funktioniert, wenn man sonst nicht wirklich irgendwie Gehör findet bei den Leuten, die die Entscheidungen treffen.

Raúl:
Und wenn man das vergleicht mit einem anderen Thema, sagen wir mal Klimawandel, wo ja auch vieles im Argen liegt, da gibt es natürlich auch, keine Ahnung, wenn jetzt irgendwie gesagt wird, da gibt es irgendwie die Bambuszahnbürste oder es fahren jetzt alle mehr Elektroautos, das sind in sich gute Nachrichten. Aber sie sind eben nicht gut genug für den Klimaschutz.

Jonas:
Ja, das stimmt. Wir haben noch eine Sprachnachricht erhalten über Signal, wo wir jetzt gerne mal reinhören, die ist nämlich von Nadia und nutzen diese Zeit noch mal eben kurz, um … Karina, du hast noch gar nicht von deinem Kuchen gegessen, also gönn dir.

Zuspielung Nadia:
Ich fände es total spannend, sofern ihr das nicht in einer alten Folge eh schon behandelt haben solltet…. Ich fände es total spannend, das Thema Neurodiversität, wenn ihr das mal bequatscht, vielleicht auch jemanden dazu einladet. Also ich selber bin ja auch neurodivergent und beschäftige mich stark mit dem Thema und Fragen, die ja immer mal wieder so auftreten sind: Ja, was ist das eigentlich? Ist es eine Krankheit, eine Behinderung, eine Störung? Oder ist es einfach nur eine andere Art, die Welt wahrzunehmen? Und ich glaube, da kann es nicht genug Aufklärungsarbeit geben. Und das fände ich mal ein spannendes Thema.

Jonas:
Aufklärungsarbeit ist auf jeden Fall in jederlei Hinsicht wichtig. Neurodiversität erstmal ist ja so eine Art Oberbegriff für eine sogenannte Entwicklungsstörung. Also Autismus gehört dazu. ADHS gehört dazu, Dyslexie, also vormals Lese-Rechtschreib-Schwäche, gehört dazu – es ist ein breites Feld, und ich finde, dass das auf jeden Fall ein Thema ist, worüber wir mal reden sollten. Aber ich finde auch diesen Aspekt spannend. Wozu zählt man sich selbst als Person? Also sagt man selbst über sich: ich habe eine Erkrankung oder sagt man über sich offensiv: ich habe eine Behinderung oder sagt man: nö, ich bin einfach anders, oder jeder Mensch ist anders. Und das es gar nicht so stark einkategorisiert ist als Defizit oder als was auch immer manchmal Behinderungen oder Erkrankungen eben auch gesehen wird. Wie war es bei euch? Wann habt ihr euch als Menschen mit Behinderungen identifiziert oder identifiziert ihr euch überhaupt so?

Karina:
Also erstmal, glaube ich, ist der Begriff Entwicklungsstörung an sich schon problematisch, weil es eigentlich schon quasi die Wertung mit reinlegt, also dass es eine Störung in der Entwicklung in irgendeiner Form wäre. Ich weiß nicht, wann ich mich konkret irgendwie als Person mit Behinderung bezeichnet habe. Ich glaube, das war… hat sich einfach irgendwann im Laufe ergeben, wo meine chronische Krankheit halt dazu beigetragen hatte, dass ich nicht mehr so funktioniert habe wie die Menschen um mich herum. Ich glaube, der Punkt Arbeit und nicht mehr Vollzeit arbeiten gehen können, war so einer, und dann auch einfach irgendwie ständig entscheiden zu müssen, ob ich jetzt die eine Aktivität mache oder die andere, weil ich irgendwie beide nicht energiemäßig hinbekommen habe und aber gleichzeitig irgendwie alle anderen meiner gesunden Freunde irgendwie trotzdem alles machen konnten. Ich glaube, zu dem Zeitpunkt habe ich dann einfach selber festgestellt, ja, da sind bestimmte Einschränkungen. Und dann die Erfahrungen mit Diskriminierung haben dann halt auch noch irgendwie dazu beigetragen. 

Jonas:
Aber du hast gerade gesagt: Gesunde Freunde.  Also würdest du dich selber als krank bezeichnen?

Karina:
Ja, chronisch krank, ja, per Definition ist es eine chronische Krankheit. Und ja, ich habe eine DIN A4-Seite an Diagnosen und Symptomen. Insofern würde ich mich durchaus als chronisch krank bezeichnen. Aber das ist ja auch ein Spektrum, und viele verbinden mit Krankheit, weiß ich nicht, irgendwie eine akute oder so Sachen wie Krebs oder so. Leute haben ein bestimmtes Bild im Kopf. Und manchmal ist es, glaube ich, einfacher, den Begriff unsichtbare Behinderung zu verwenden.

Jonas:
Denn Krankheit kann man irgendwie auch heilen…

Karina:
Ja, und die ist “ansteckend” und so… Und Behinderung wird eher als permanenter Zustand gesehen und das passt ganz oft einfach eher auf meine Erfahrung.

Jonas:
Raúl, du als Person, der seine Behinderung seit der Geburt hat, gab es trotzdem bei dir einen Punkt, wo dir das bewusst geworden ist. Oder war es von Anfang an klar?

Raúl:
Es gab verschiedene Phasen. Es war von Anfang an klar, dann fiel mir irgendwann auf, dass viele Dinge gar nicht an mir liegen, sondern irgendwie auch an der Umwelt, das war so während der Schulzeit und dann so im Studium oder kurz vor dem Studium fiel mir auf, dass das nicht nur Beobachtungen von mir sind, sondern von ganz vielen Menschen mit Behinderung. Und dass das eine gewisse Systematik hat. Also dass da wiederkehrende Muster sind, die andere auch erleben, die wir immer wieder erleben, die international passieren. Und dann nach und nach wurde mir klar, dass es auch ein politisches Thema ist. Und das ist, glaube ich, einfach so ein Prozess. Es hat mich jetzt nicht wirklich überrascht, also weil für mich, wie soll ich mal sagen, es war so ein Learning, es war sowieso immer ein Lernen, auch jetzt lerne ich immer noch ganz viel dazu. Aber es ist keine große Überraschung gewesen oder große Erkenntnis, dass der Blitzschlag mich traf und ich plötzlich realisierte, dass ich behindert bin. Weil ich konnte ja nie laufen, auch als Kind nicht. Und deswegen war immer klar: ich sitze im Rollstuhl, die Anderen nicht.

Karina:
Wie war das denn bei dir, Jonas?

Jonas:
Bei mir war es so, dass ich das im Nachhinein auch gemerkt habe, wie bei vielen anderen Menschen, die ihre Behinderung im Laufe des Lebens erworben haben, dass es schon ein bisschen gedauert hat. Also bei mir war es auch jetzt nicht so mit einem Schlag die Behinderung zu haben, sondern es war auch ein Prozess, aber gleichzeitig so, dass sich damit zu identifizieren schon etwas gedauert hat. Und das ist auch das, was ich quasi im Gespräch mit anderen erlebt habe, dass es quasi auch sich als Person mit Behinderung zu identifizieren, dass das wirklich auch um bisschen, auch Jahre dauern kann. Also das ist kein Selbstverständnis in dem Sinne, war ja bei dir auch so, glaube ich, so ein bisschen.

Karina:
Ja, total. Ich meine, es ist ein langer Prozess, und ich glaube, am Anfang hatte ich auch ganz viel irgendwie internalisierten Ableismus, also so in Bezug auf… irgendwie kann ich diese Bezeichnung für mich überhaupt nutzen? Bin ich da überhaupt behindert genug für? Wie gucken andere Menschen dann auf mich? Und ich glaube, das dauert eine Weile, bis man sich da selber irgendwie versteht und sich irgendwie der Community auch zugehörig fühlt, würde ich fast sagen.

Jonas:
Auf jeden Fall. Neurodiversität – ein wichtiges Thema. Ich denke mal, wir schreiben das mit auf unsere lange Liste, Raúl, die du eben schon erwähnt hast für weitere Podcast-Episoden, die wir hier bei Die Neue Norm planen. Außerdem hat uns noch eine Mail erreicht, eine etwas längere, Karina, du hast sie vorliegen.

Karina:
Und zwar ist das eine Nachricht von Merit, die schreibt: Meine große Schwester hat eine schwere geistige Behinderung und kann nicht sprechen oder anders kommunizieren. Wie steht ihr dazu, wenn Angehörige für Menschen mit Behinderungen oder über ihre Erlebnisse sprechen? Ich habe oft das Gefühl, dass die Perspektive von schwerst Mehrfachbehinderten gar nicht stattfindet, weil sie eben selbst nichts zur Sprache bringen können. Gleichzeitig habe ich Hemmungen, ihre Perspektive einzubringen, da ich ja nicht selber betroffen bin. Und der total wichtige Grundsatz, nicht über Menschen mit Behinderungen zu sprechen, sondern mit ihnen immer mehr Raum findet. Bitte versteht mich nicht falsch. Das ist natürlich vollkommen richtig. Aber führt dazu, dass eben die Bedürfnisse von zum Beispiel meiner Schwester selten bis nie miteinbezogen werden. Ich mache mir viele Gedanken, zum Beispiel zu den Special Olympics, das Teilhabegesetz, sogenannte Sonderschulen oder Wohneinrichtungen am Stadtrand, die teilweise von dem abweichen, was ich von AktivistInnen, auch euch, aber nicht nur höre. Ich widerspreche dem nie, aber denke, dass es nicht das ganze Bild betrachtet. Ich würde mich freuen, eure wie immer sehr ehrliche Meinung dazu zu hören.

Jonas:
Ja, ein finde ich sehr wichtiges Thema. Was glaube ich uns oder beziehungsweise als ich die Mail las, auch nochmal natürlich mir gezeigt hat, wie privilegiert wir trotz alledem sind, also quasi bei allen Barrieren und Diskriminierungserfahrungen, die wir haben als Menschen mit Behinderungen. Trotz alledem sind wir hier JournalistInnen mit Behinderungen, die das Privileg haben, einen monatlichen Podcast beim Bayerischen Rundfunk in der ARD Audiothek zu veröffentlichen und über die für uns in dem Moment relevanten und wichtigen Themen zu sprechen oder generell erst mal zu Wort zu kommen und eben auch gehört zu werden. Das ist schon in dem Sinne etwas Besonderes, was nicht für alle Menschen mit Behinderungen gilt.

Karina:
Ja, auch die Tatsache, überhaupt so eine große Plattform zu haben und das Privileg, sich aussuchen zu können, über was man sprechen will, was für einen selber irgendwie relevant ist. Wir haben da auch schon mal lang darüber diskutiert im Prozess, während wir unser Buch geschrieben haben, über wer darf denn eigentlich über wen anders sprechen? 

Jonas:
Also, “Stoppt Ableismus”.

Karina:
Ja, keine Schleichwerbung mehr. Ne, es ist wirklich schwierig. Also wenn Nichtbehinderte, die, sag ich mal keine Allies sind und dann irgendwie so Sachen sagen wie: Also ich möchte ja behinderte Menschen nicht als behindert bezeichnen, sondern lieber als irgendwie Menschen mit speziellen Bedürfnissen oder sonst was. Dann stülpen die uns ja quasi Selbstbezeichnungen über, ohne dass das was ist, was die behinderte Person selber so möchte. Aber ich glaube, da gibt es offensichtlich einen Unterschied, wenn das Familie ist oder eben Allies, die für jemanden sprechen, in deren Interesse sprechen und die Person nicht selber sprechen kann. Also ja, da ist es, denke ich, schon in Ordnung.

Raúl:
Ich glaube auch, da müsste man ein bisschen mehr auch differenzieren. Ich finde es problematisch, wenn InstitutsleiterInnen irgendeiner Wohlfahrtsorganisation über behinderte Menschen sprechen und dabei übersehen, dass vielleicht jemand mit Behinderung, vielleicht mit einer anderen Behinderung, sagen wir mal eher die Stimme erheben sollte, eben im Interesse der Menschen, die sich vielleicht nicht selber äußern können. In einem familiären Kontext ist es natürlich nicht so einfach, und da sind natürlich Angehörige und Eltern sicherlich auch wichtige GesprächspartnerInnen. Das ist, glaube ich wirklich, auch eine Sache, wie man es sagt und was man sagt. Der Teufel steckt im Detail. Es gibt ein ganz tolles Buch von Mareice Kaiser „Alles inklusive“, wo ich finde, dass sie das ganz gut gemacht hat als Mutter einer Tochter mit Behinderung.

Jonas:
Ich finde es einfach ein Thema, was wahnsinnig individuell trotzdem zu bewerten ist. Also klar, dass man erst mal mit dem besten Wissen und Gewissen davon ausgeht, dass Familie, gerade auch die engere Familie, dass das Verbündete sind, dass es Allies sind. Wir haben in der Episode 33 über Allyship auch nochmal gesprochen, dass man wirklich ja davon ausgeht, dass sie ja das Gute für einen möchten. Aber es läuft ja auch nicht bei allen irgendwie gut. Also irgendwie, ich finde es so dieses Pauschalisieren, ob das quasi in Ordnung ist, finde ich genauso schwierig. Generell ist es natürlich so, dass wir, glaube ich, ja langfristig so dahin wollen, dass Menschen mit Behinderung auf so wenig Barrieren oder kaum Barrieren und auf kaum Diskriminierung stoßen, sodass es weniger diese Vorbehalte gibt, dass Menschen mit Behinderung ausschließlich über das Thema Behinderung und Inklusion sprechen müssen, und alle anderen dürfen das nicht, sondern dass wir quasi das als offenes Thema irgendwie auch gestalten. Raúl hattest du, um nochmal dich also als Beispiel zu nehmen, weil du einfach quasi mit deiner Behinderung wirklich… jetzt wollte ich sagen: groß geworden bist…

Raúl:
Klein geblieben. 

Jonas:
Egal, hast du das Gefühl, dass früher zu häufig über dich gesprochen wurde, also gerade so im Kindes- und Jugendalter, wenn gerade dann auch irgendwie ältere Familienangehörige im Umfeld da sind.

Raúl:
Ich glaube, in der Situation habe ich das nicht so gesehen. Ich hatte schon Eltern und auch ja ErzieherInnen/LehrerInnen, die das auch schon entweder sehr gut gemacht haben oder aber auch schon Erfahrung hatten im Umgang mit behinderten SchülerInnen. Manchmal gibt es, glaube ich, so in dem Status ich als Kind von meinen Eltern dann doch noch so Muster, in die wir zurückfallen. Wo dann quasi meine Eltern meinen, das und das könnte ich jetzt machen, zum Beispiel auf meinen Elektro-Rollstuhl verzichten, weil das ist ja nur ganz kurz oder in den Urlaub fahren. Barrierefrei, muss das wirklich sein? Das hat doch früher auch mit dem Aktiv-Rollstuhl geklappt. Und das habe ich, wie soll ich sagen, erst später, als ich erwachsen wurde, mir dann erkämpft, dass ich dann gesagt habe, es ist schon wichtig, dass ich mit meinem Elektro-Rollstuhl im Urlaub bin und mich nicht nur mal kurz, ja, in meiner Mobilität einschränken lassen möchte. Versteht ihr, was ich meine?

Jonas:
Ja und gleichzeitig, ich finde trotzdem, diese Selbstbestimmung hervorzuheben und die auch irgendwie einzufordern, gehört halt eben auch mit dazu. Also ich finde dieses, wenn Familienangehörige Allies sind und sich quasi für andere Familienangehörige mit Behinderung einsetzen, dann ist das schön und gut und auch wichtig und eben auch dort FürsprecherInnen zu haben. Aber es ist natürlich schlussendlich auch wichtig, dass wir drei als Menschen mit Behinderungen diesen Podcast zum Thema Behinderung und Inklusion machen und jetzt nicht andere ohne Behinderung dieses Thema ausschließlich beackern.

Raúl:
Aber wir können tatsächlich das Thema aufnehmen und dann vielleicht mit Angehörigen oder Menschen, die sich in einem Thema auskennen, ins Gespräch kommen.

Jonas:
Sowohl das finde ich, als auch quasi natürlich langfristig Leuten Gehör verschaffen, die sonst wenig gehört werden oder selten die Chance haben, eben zu Wort zu kommen. Eine Frage, die auch noch reinkam ganz kurzfristig war, ob es nicht irgendwie auch von Die Neue Norm so eine Art Informationsgruppe gibt, wo aktuelle News gepostet werden oder wir uns irgendwie, ja, nicht austauschen, aber wir quasi über unsere Arbeit berichten. Ja, gibt es, schaut gerne mal rein bei WhatsApp, in unserer WhatsApp Gruppe oder in diesem WhatsApp Kanal, wie es heißt. Außerdem könnt ihr uns natürlich auf allen Social-Media-Kanälen folgen. Wir sind bei Instagram, bei Facebook, auf unserer Webseite dieneuenorm.de, wo es auch zu jeder Podcast-Episode natürlich das Transkript und die Shownotes zu der Episode gibt und hören könnt ihr uns natürlich auch dort, beziehungsweise in der ARD Audiothek. Und wenn ihr uns nicht nur im Internet folgen möchtet, sondern auch so ganz analog, beziehungsweise uns nachpilgern möchtet, uns auch mal so von Angesicht zu Angesicht erleben möchtet, dann freuen wir uns, wenn ihr uns beim Puls Festival besuchen kommt. Das findet vom 6.-8. Juni statt in der Nähe von München. Und wir haben dort die Chance, am 7. Juni unseren Podcast live aufzunehmen. Mit dabei sind unter anderem auch die KollegInnen von „Willkommen im Club“, dem queeren Podcast und zum Beispiel auch von dem Podcast „Die Frage“ vom Bayerischen Rundfunk – also schaut gerne vorbei. Wir sind auf jeden Fall da und freuen uns, einige von euch zu sehen beim Puls Festival, beim Open Air am 7. Juni und wir machen unseren ersten Live-Podcast mal vor Personen. Und wir haben ja darüber gesprochen, wie schön ist es, auch mal HörerInnenbeteiligung zu haben und auch Feedback zu bekommen. Also schreibt uns gerne auch weiterhin Anmerkungen, Kritik, Lob, Themenvorschläge an [email protected] – wir freuen uns auf den Austausch und wie gesagt, euch auch live zu sehen, wenn ihr vor Ort sein. 

Raúl:
Das wird gut!

Jonas:
Karina, bist du schon ein bisschen aufgeregt?

Karina:
Oh Gott, ja, das ist meine absolute Alptraum-Vorstellung…

Jonas:
Podcast zu machen? 

Karina:
Nee, live vor Menschen. Hier muss ich ja nur dich und Raúl sehen, das ist einfacher.

Jonas:
Ja, einfach Augen zu und durch – das mache ich genauso. Wir freuen uns, euch zu sehen. Wir freuen uns auch, wenn ihr in den nächsten Folgen auch wieder mit dabei seid – auf die nächsten 50 Folgen. Ich habe hier auch so ein leckeres Törtchen liegen, was noch verputzt wird. Und genau…

Raúl:
Gönn dir! Guten Appetit! 

Jonas:
Danke euch auch! 

Raúl:
Ich hab meinen schon aufgegessen.

Karina:
Ich meinen schon lang.

Alle:
Bis zum nächsten Mal. 

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