Bildsprache – Transkript

Lesezeit ca. 36 Minuten

Die Neue Norm: Eine Sehbehinderung, ein Rollstuhl, eine chronische Erkrankung. Oder: drei Journalist*innen. Jonas Karpa, Raul Krauthausen und Karina Sturm sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 45: „Bildsprache“

Jonas:
Du sag’ mal Raúl, gibt es eigentlich Fotos von dir, aktuelle Fotos, wo du ohne Rollstuhl zu sehen bist oder würdest du dir wünschen, dass es mehr Fotos von dir gibt, wo du nicht im Rollstuhl sitzt?

Raúl:
Das ist tatsächlich eine Frage, die ich mir öfter stelle. Es gibt Fotos von mir ohne Rollstuhl. Aber ich möchte eigentlich, dass auf den Fotos immer ein Teil meines Rollstuhls zu sehen ist – keine Ahnung… der Sitz oder der Joystick oder die Räder, weil das ist ja irgendwie auch so ein bisschen ein Teil meiner Identität ist, dass ich nun mal im Rollstuhl sitze. Das Problem ist nur, dass diese ganzen Twitter- und Facebook-Grafiken für die Profilbilder so klein sind, dass, wenn dann doch der Rollstuhl drauf sein soll, dann sieht man mich ja gar nicht mehr.

Jonas:
Ob es vielleicht eine Lösung gibt, wie dein Rollstuhl auch zu sehen ist bei diesen kleinen Fotos, darüber sprechen wir in dieser Folge.

Die neue Norm, eine Sehbehinderung, ein Rollstuhl, eine chronische Erkrankung oder drei JournalistInnen. Jonas Karpa, Raúl Krauthausen und Karina Sturm sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft. Ein Podcast von Bayern 2. 

Jonas:
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, so lautet ja der Spruch. Und heute sprechen wir über Bilder, über Bildsprache. Denn auch Menschen mit Behinderung haben ja sozusagen eine Schokoladenseite und möchten natürlich irgendwie auch schön dargestellt werden. Und wie man das umsetzen kann, sowohl wenn man selber Fotos macht, als auch, wenn man irgendwelche Fotos auswählt, dafür haben wir ein paar Tipps für euch. Und bei mir im Studio sind Karina Sturm und Raúl Krauthausen.

Raúl & Karina:
Hallo.

Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa. Und weil wir über Fotos sprechen, haben wir eine Person dabei, die sich wirklich gut mit Fotos auskennt. Die, ich denke mal, euch im Laufe der Folge auch ein bisschen Tipps geben kann, wie man Fotos machen kann, wo man gut aussieht, wenn man im Rollstuhl sitzt oder generell auf dem Stuhl sitzt, weil das sind meistens so Posen, in denen man irgendwie manchmal vielleicht sehr unvorteilhaft aussieht. Bei uns ist Andi Weiland – Hallo!

Andi:
Hallo!

Jonas:
Viele werden sich jetzt bestimmt denken… Andi Weiland… Andi Weiland… da kriege ich so ein gewisses Ohrenflimmern irgendwie. Und ja, das stimmt, weil Andi Weinland ist Fotograf und Kollege bei uns, bei den SozialheldInnen und hat die meisten unserer Titelbilder der Podcast-Folgen die ganzen Fotos gemacht. Wenn ihr also in die ARD-Audiothek guckt und dort unsere Folgen betrachtet, dann werdet ihr schon mal bestimmt über das eine oder andere Bild gestolpert sein, was Andi gemacht hat.

Karina:
Ich kannte euch damals alle noch gar nicht persönlich und Andi sowieso nicht. Und da ist mir als erstes von Folge 4 schon mal das Titelbild aufgefallen, weil da junge Menschen mit Behinderung drauf sind und die sind aktiv, also speziell da beim Sport mit Rollstühlen, die nicht so typisch nach Krankheit und Krankenhaus aussehen. Das widerlegt so einen Haufen von den gängigen Stereotypen über Behinderung. Und außerdem bin ich eh ein Sportfan…

Jonas:
Folge 4 war das mit dem Scheitern, oder?

Karina:
Ah, ich glaube schon.

Jonas:
Wo diese Person zu sehen ist, die eben in so einem Rollstuhl-Basketball-Rollstuhl ist und sich ja langgelegt hat.

Karina:
Ja, ordentlich auf die Nase gelegt hat. Andi, ich wollte dich da eh mal fragen: gibt’s da irgendetwas, worauf du beim Fotografieren speziell achtest?

Andi:
Also, ich überlege gerade, wenn du jetzt auch meinst, was es jetzt besonders in dem Bereich Fotografie und Behinderung gibt, muss ich wohl erstmal dazu sagen, dass ich halt selbst gar keine Behinderung habe. Und das wurde mir halt sehr, sehr schnell insofern bei der Fotografie bewusst, dass ich mir dann immer gesagt habe, insbesondere bei Behinderungen, ist es mir ganz wichtig, dass die Models die ExpertInnen auch in eigener Sache sind, also dass ich sehr, sehr viel zuhören muss, um dann auch gute Fotos zu machen. Also ich glaube, wenn du mich fragst, worauf ich achte: dass es halt immer so ein Zusammenspiel ist zwischen mir und den Models. Insbesondere Models mit Behinderung. 

Jonas:
Und das ist irgendwie so spannend, dass man generell diese Thematik, wie man klischeefrei und diskriminierungsfrei und irgendwie angemessen Fotos machen kann, von Menschen mit Behinderung, dass es überhaupt Thema ist. Und dass es so was Besonderes ist und wir darüber jetzt in dieser Episode sprechen, zeigt, dass es da auch irgendwie… nicht Missstände gibt, aber quasi viele Fotos im Umlauf sind, die ja eben nicht so gut getroffen sind. Raúl, fällt dir da irgendetwas ein, wenn du Fotos siehst, wo Menschen mit Behinderung abgebildet sind oder du wirst ja auch eigentlich ständig auch selber fotografiert, wenn du auf Bühnen bist oder deine ganzen Pressefotos, wo du sagst, das fällt dir auf, dass da ja Bilder entstanden sind, die eher unvorteilhaft sind.

Raúl:
Also was ich immer nicht mag, ist, wenn ich von oben oder von unten fotografiert werde, also von oben, dann wirke ich auf dem Bild besonders klein…

Jonas:
Noch kleiner…

Raúl:
Noch kleiner, genau. Und von unten wirke ich, beziehungsweise der Rollstuhl, eher bedrohlich. Und am besten sind die Fotos eigentlich, wenn sie auf Augenhöhe, auch wenn es so ein komisches Klischeewort geworden ist, aber auf meiner Augenhöhe fotografiert werden, weil dann gucke ich in der Regel auch nach vorne und nicht nach oben oder nach unten.

Jonas:
Andi, was sind so generell ja Sachen, worauf du achtest oder was, was auch dir unterkommt?

Andi:
Also ich meine, wenn man da… hätte ich damals vielleicht im Kunstunterricht aufgepasst, dann hätte ich vielleicht auch mal zugehört, was Perspektive ausmacht. Das habe ich dann erst später in der Arbeit mitbekommen, weil das, was Raúl gerade erzählt hat, dass ist ja eines der Grundprobleme und ich erinnere mich noch daran, dass ganz am Anfang auch mal Fotos von einem bekannteren Fotografen für ein größeres Magazin von Raúl gemacht wurden, wo das auch von oben war und Raúl unglaublich klein gewirkt hat, was auch überhaupt nicht zu der Geschichte gepasst hat. Und ich glaube, das, was Raúl jetzt gerade so als abgedroschenen Satz abmacht, ist aber sehr, sehr wichtig – also dieses auf Augenhöhe ist insbesondere bei RollstuhlfahrerInnen, bei kleinwüchsigen Menschen immer eine sehr, sehr wichtige Sache. Und ganz oft passiert das aber nicht, warum auch immer, dass dort die Perspektive nicht eingehalten wird. Und dann, was man glaube ich mal noch sieht, ist halt an verschiedenen Stellen die Distanz. Also ich sehe sehr oft Bilder, die sehr, sehr weit weg aufgenommen wurden oder man das Gefühl hat, dass es halt keine Nähe gibt, wie man sie bei vielen anderen Bildern halt sieht. Das ist auch immer noch so eine Sache, die dann in Bildern vorkommt.

Raúl:
Ich finde auch interessant, wie Andi ja auch sagt, es ist so eine Art Tanz oder Wechselspiel mit dem jeweiligen Model. Und da finde ich, muss man auch manchmal dann die Models auch so ein bisschen aufklären. Über…wie könnten bestimmte Dinge wirken? Also muss ich wirklich immer meine Narben zeigen, meine Behinderung zeigen, nur weil der oder die FotografIn das vielleicht von einem erwartet, dass man auch so etwas wie eine Würde hat und auch sagen kann, ne, meine Narben, meinen Beinstumpf, meinen Armstumpf, meine krummen Arme oder Beine existieren zwar, aber die muss man jetzt nicht, sagen wir mal, prominenter darstellen als mein Gesicht.

Andi:
Und dazu kommt noch ein Punkt. Also wenn wir dabei bei dem sind, also was halt auch für die Models wichtig ist, ist dieser Punkt: Man muss sich nicht mit dem Erstbesten immer zufriedengeben, nur weil man mal fotografiert wird, weil wir sind ja hier weiterhin „in einem Nischenbereich der Fotografie“, also Menschen mit Behinderung kommen halt leider auch nicht so oft vor in der medialen Berichterstattung. Und deswegen fehlt da halt dann auch vieles an Bildern. Und ganz oft habe ich das Gefühl, dass manche Menschen mit Behinderung sich schon sehr, sehr schnell zufriedengeben, wenn überhaupt mal ein Foto von ihnen gemacht wurde. Und dann kommt die/der FotografIn dann an, zeigt es auf dem Display: „Oh, bist du mit dem Bild zufrieden?“ Und alle sagen „Ja!“ Und dann glaubt man, dass man damit halt das Feigenblatt hat: Ah, das ist ein gutes Foto. Wo man auch sagen kann: „Na ja, eigentlich sehe ich da nicht so cool aus.“ …oder etwas anderes. Also das ist auch etwas, was man lernen muss.

Jonas:
Das erinnert mich so ein bisschen an Friseur-Erfahrungen, die jeder irgendwie auch macht. Quasi der Moment, wenn FriseurInnen mit dem Spiegel hinter dir herlaufen und sagen: „Du sieht es gut aus.“ – und du so „Mhmhm, finde ich gut.“ Und du geht’s raus, so… “ach du Scheiße.”

Raúl:
Also das hatte ich noch nie. 

Jonas:
Okay, noch nie?

Andi:
Ich hatte das bei meinem Bart ganz oft.

Jonas:
Karina, wie ist es bei dir? Ich meine…

Raúl:
…mit deinem Bart?

Jonas:
Genau. Wie findest du es, quasi authentisch fotografiert zu werden mit Bart oder ohne?

Karina:
Also ich habe gerade nur wieder an meine Erfahrungen mit Andy gedacht, der mir, ich glaube, bestimmt 20-mal eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen hat, bis ihm meine Positionen im Foto und meine Haare gefallen haben. Das war auch eine ganz andere Erfahrung. Aber das waren die ersten Fotos, die mir von mir selber irgendwie gefallen haben seit Jahren. Aber unabhängig davon – ich habe ja eine unsichtbare Behinderung und ich weiß gar nicht, wie man die wirklich gut darstellen kann. Also man sieht halt per Definition nicht.

Jonas:
Aber hat sich dein Umgang mit Fotografie irgendwie geändert, weil du ja quasi deine Behinderung auch im Laufe des Lebens erworben hast? Wo du dann sagst, okay, früher hatte ich quasi keine Behinderung, und es war quasi auch keine Behinderung sichtbar. Und da war mir dieses und jenes wichtig. Und jetzt habe ich eine Behinderung. Sie ist zwar auch nicht sichtbar, also von außen gesehen hat sich eigentlich nichts geändert, aber du hast einen anderen Umgang mit dem Thema Fotografie.

Karina:
Ich mochte Bilder von mir einfach allgemein nicht mehr so gern danach, weil sich meine ganze Körperwahrnehmung einfach verändert hat. Ich habe mich selbst einfach in meinem Körper nicht mehr als so wohl gefühlt für eine lange Zeit. Und deswegen wollte ich mich eigentlich auch gar nicht so gern auf Bildern sehen. Deswegen war das ganz tolles, was Andi da mit mir veranstaltet hat.

Raúl:
Ich habe neulich einen Blog-Artikel gelesen, wo sich Leute mit chronischen Erkrankungen, die aber eben eine unsichtbare Behinderung haben, darüber aufregen, das sie immer dargestellt wird, als eine Person, die müde und erschöpft ist. Ich stell mir das aber, wie du sagst, Karina, auch gar nicht so einfach vor, eine unsichtbare Behinderung überhaupt darzustellen. Aber immer nur müde ist ja auch nicht wahr.

Karina:
Nein, ich habe tatsächlich zu dem Thema mit Beccs Runge vom Bildungskollektiv Minzgespinst gesprochen. Minzgespinst ist eine Plattform für Sensibilisierung und Empowerment mit den Themenschwerpunkten Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion. Und Beccs meinte dazu:

Beccs:
Autismus wird häufig mit Kindern dargestellt, die Puzzleteile in der Hand haben oder bei deren Bildern Puzzleteile irgendwie im Bild sind. Das andere wäre dann das Unendlichkeitszeichen, um zu zeigen, dass es ein Spektrum ist. Beide Varianten finde ich nicht gut. Autismus ist eine unsichtbare Behinderung, als dass Menschen nicht auf den ersten Blick sehen, dass Menschen autistisch sind. Aber Menschen im Bewegtbild in der Gesellschaft nehmen wahr, dass ich autistisch bin. Das heißt zum einen, dass ich mit anderen neurodivergenten Menschen eher klicke. Aber es heißt auch, dass meine Schulzeit geprägt war von Mobbing, weil ich mich nicht den sozialen Normen unterwerfen konnte, die von mir erwartet wurden. Ich glaube, was ich möchte, ist eben eine Darstellung von Menschen mit Stimming-Toys, von Menschen mit Noise-Cancelling-Kopfhörern, von Menschen, die auch in einem geschlossenen Raum eine Sonnenbrille tragen, weil sie die Lichtreflektionen damit besser ertragen können. Was ich möchte, sind Hilfsmittel, die uns im Alltag auch tatsächlich helfen und keine random Puzzleteile, die irgendjemand ästhetisch im Bild verteilt hat. Ich trage meinen Autismus, meine Hilfsmittel, meine Stimming-Toys, meinen Gehörschutz, meinen Schmuck, meinen Stimming-Schmuck mit mir herum. Aber ich trage höchst selten random Puzzleteile mit mir herum.

Jonas:
Und das zeigt ja irgendwie also, wie wichtig es ist, irgendwie authentische Bilder darzustellen. Und so, wie Beccs es gerade gesagt hat, eben nicht jetzt etwa irgendwelche Stereotypen, die man vielleicht von außen betrachtet mit der Behinderung verbindet.

Raúl:
Aber zum Beispiel, Jonas Karpa, jetzt die Frage an dich. Nadine Rokstein hat gerade einen Blog-Artikel geschrieben gehabt, wo sie sagt, warum werden blinde Menschen eigentlich immer mit Sonnenbrille dargestellt, wo ja nicht jeder blinde Menschen mit einer Sonnenbrille rumrennt. Das heißt, es gibt Blindheiten, die erfordern eine Sonnenbrille wegen der Lichtempfindlichkeit der Augen. Aber das Klischee, in einem Raum mit Sonnenbrille rumzurennen = blind, ist ja auch nicht wahr.

Jonas:
Ja, es gibt ja, sage ich mal, andere Merkzeichen. Also es ist ja dann auch sogar… da kommt man sogar noch weg von der Fotografie und geht eher in den Bereich versicherungstechnisch. Also quasi, als ich meinen Schwerbehindertenausweis bekommen habe, wurde aufgrund des Grades der Behinderung mir geraten, Merkzeichen zu tragen, heißt also quasi, das sei denn, obwohl ich gerade eine Sehbehinderung habe und nicht blind bin, wäre es dann quasi vielleicht die gelbe Armbinde mit den drei Punkten. Oder das gibt es ja auch als Button oder eben auch einen Langstock, der anderen Personen im Umfeld signalisiert, okay, die Person hat eine Sehbehinderung. Weil es eben eine unsichtbare Behinderung in dem Fall ist und das dann auch noch mal insbesondere im Straßenverkehr noch immer eine gewisse Aufmerksamkeit generiert. Aber klar, natürlich ist da auch Blindheit, Sehbehinderung sehr, sehr, sehr vielfältig. 

Andi:
Ich würde gerne bei den ganzen Sachen einen Moment halt oder ein bisschen früher beginnen. Und zwar, es hat natürlich eine große Herausforderung. Das Problem am Anfang ist halt immer die Planung von einem Foto. Also es ist ja meistens so, dass es halt einen Auftraggeber gibt, eine Auftraggeberin, eine Agentur, die Vorstellung haben von einem Bild, und meistens sind halt in diesem Prozess noch keine Menschen mit Behinderung beteiligt. Und dann wird halt die Assoziationsmaschine angeworfen. Es wird vielleicht auch nach Bildern gegoogelt, die es dann halt in dem Bereich Autismus oder Blindheit gibt. Und dann wird gesagt, ah ja, stimmt, wir brauchen halt auch dieses Bild. Weil man ja halt auch immer die ZuseherInnen halt unterschätzt in dem, was sie halt glauben, was sie halt als Bild verstehen könnten. Und dann sagt man, oh ja, wenn wir Blindheit darstellen, dann muss es so einfach wie möglich dargestellt werden. Und dann erst später kommen halt vielleicht nach diesem Auftrag halt die FotografInnen dazu. Oder Sie machen das halt schon selber so und haben da eine Vermutung davon, was richtig ist. Deswegen gebe ich immer am Anfang erstmal den ersten Tipp an alle, die sich mit Fotos beschäftigen, wenn es halt um Behinderung geht: Die erste Assoziation, die euch zu einer bestimmten Behinderung einfällt, verwerft die bitte und sucht halt weiter, weil es ist halt dann diese drei Punkte auf gelbem Hintergrund und so weiter. Ganz oft hilft es mir dann einfach, wenn ich dann auf die Models treffe, die ja in unseren Fällen eine echte, also wirklich auch immer die Behinderung haben, einfach mal zu schauen, mit was für Hilfsmitteln kommt sie eigentlich an? Was benutzen sie? Und zum Beispiel bei dem, was gerade von Beccs erzählt wurde, genau so einen Fall hatte ich mal in einem Fotoshooting, dass ich halt ein Mädchen, was im Spektrum lebt, fotografiert habe im Schulkontext. Und ich habe gesehen, dass sie hinten auf ihr Tablet, diese Bubbles drauf hat, diese Nupsis, die man immer so eindrücken kann und dann gehen die wieder raus. Und dann habe ich gedacht, ja, cool, lass uns die dann ein bisschen mehr in Szene setzen, weil, ich kann es sonst an dir nicht sehen. Entweder wird das Bild super klischeehaft, weil du halt vielleicht nicht komplett direkt in die Kamera gucken kannst. Oder ich versuche, es über dieses Hilfsmittel zu machen. Und das habe ich ganz oft, blinde Menschen, insbesondere jüngere, blinde Menschen, die halt dieses Merkmal nicht tragen, schaue ich halt dann, okay, was tragen Sie dann? Und dann ist es vielleicht „nur der Langstock“ und nicht die Brille und das Merkmal.

Raúl:
Was ich bei deinen Bildern, das ist pure Lobhudelei hier, aber was ich an deinen Bildern… dass die Menschen, die du fotografierst, auch immer in Aktion sind etwas zu machen, was nicht zwangsläufig mit der Behinderung zu tun haben muss. Also beim Tischlern oder im Kino, mit Freunden, auf einer Party und so wie eben nicht behinderte Menschen ja auch das Leben verbringen. Es ist ja nicht so, dass behinderte Menschen nur mit dem Thema Behinderung zu tun haben.

Andi:
Ja, genau, das ist einer der Punkte, der sehr, sehr wichtig ist. Mir wurde halt auch ab und zu so gesagt oder darum gebeten, Andi, kannst du mal nicht noch mehr Bilder machen von Menschen, also Rollstuhlfahrer*innen, die vor Stufen stehen oder vor kaputten Aufzügen. Und wo ich mir dann immer gesagt habe, ja, die Barrieren, das ist ein kleiner Teil. Aber das ist vielleicht auch einer der wenigen Teile, die schon einigermaßen abgebildet sind. Und lasst uns mal einfach versuchen, andere Bilder zu schaffen. Also ich möchte es halt eigentlich immer schaffen in den Bildern, dass wir Fotos produzieren, die außerhalb des Bereiches Barrierefreiheit, zum Beispiel auf einer Webseite genutzt werden können. Es gibt ja immer Barrierefreiheit, und da ist dann immer dieses eine Bild. Aber ich möchte eigentlich das Bild produzieren, was im besten Fall auf den Titeln der Webseite sein kann. Wo dann halt jemand mit Behinderung mit dabei ist in einer Gruppe von anderen Menschen. Damit halt mehr das zu schaffen, nicht die Behinderung zu negieren, sondern sie halt als Teil der Gesellschaft mitzuzeigen.

Karina:
Wie managt du denn diesen Konflikt, also gerade wenn ich an chronische Krankheiten denke, zum Beispiel. Da gibt es ja auch Menschen, die sehr darunter leiden, dass sie oder dass viele Stereotypen existieren, im Sinne von, dass die Gesellschaft nicht wirklich versteht, was unsichtbare Behinderungen und Krankheiten sind. Und die deswegen – also die haben dieses Bild, wie eine kranke Person aussehen soll. Und wenn sie dann aber jemanden sehen, der keine sichtbaren Symptome hat, dann denken sie sofort, nein, die Person fakt es zum Beispiel, und solche Leute mögen dann manchmal auch, dass sie zum Beispiel auf Bildern, dass die sehr deutlich zeigen, dass jemand krank ist, um dem entgegenzuwirken. Wie managt du denn sowas zum Beispiel mit chronisch kranken Leuten oder unsichtbar behinderten Leuten auf Fotos?

Andi:
Eigentlich in den längeren Vorgesprächen. Also, das ist das, was halt eh sehr oft zu kurz kommt, dass man sich davor wirklich zusammensetzt. Und dann muss ich natürlich diese Perspektive auch annehmen und akzeptieren. Und es ist nicht so, dass ich einfach sage: “Ne, komm, lass uns was ganz anderes cooles zusammen machen”. Aber ich versuche dann immer: Okay, lass uns mal einen Zwischenweg finden. Also wir zeigen auf der einen Seite, wie du dich damit fühlst. Aber wir können halt auch vielleicht zeigen, was dir halt hilft, und versuchen das dann halt, diese Perspektive noch mit reinzubringen und dann vielleicht eine Serie zu machen, in der wir das halt auch erzählen, weil ich also nicht aufgegeben habe, aber weil ich halt mich nicht mehr der Herausforderung stellen kann und möchte, dass ich halt wirklich alles in einem Bild erklären kann, sondern es ist halt immer nur ein Ausschnitt von einem Bild. Und das kann dann zum Beispiel vielleicht mal das trauernde Bild sein oder das mit Schmerzen verbundene Bild, aber es kann vielleicht auch das Hilfsmittel sein. Oder es kann halt das nächste Bild sein, was ein Porträt ist, um somit das halt aufzuzeigen. Und dann halt eher zu sagen, dass wir im redaktionellen Kontext mit Bildunterschriften arbeiten müssen und dass wir auch nicht die ganze Verantwortung nur jetzt dem Bild überlassen können: Ah, das muss jetzt alles zu einer Krankheit oder zu einer Behinderung erklären. Sondern es muss dann natürlich auch die JournalistInnen, die BildredakteurInnen müssen dann halt das perfekte Bild auswählen, was dann im Artikel halt auch gut wirkt.

Karina:
Ich habe dazu auch noch Ash befragt, und zwar, Ash bezeichnet sich selber als Queer Crip mit ME/CFS, das ist eine neuroimmunologische Erkrankung. Und klärt unter dem Namen Ashducation auf Instagram über Diskriminierung von mehrfach marginalisierten Gruppen auf. Und Ash meint dazu:

Ash:
Dass ME/CFS oft durch Menschen dargestellt wird, die sich an den Kopf fassen, nehme ich auch so wahr. Das finde ich grundsätzlich erstmal gar nicht so problematisch, weil ME/CFS eine Erkrankung ist, die mit unterschiedlichsten neurologischen und kognitiven Beschwerden einhergeht. Symptome wie Wortfindungsstörungen, Gleichgewichtsprobleme oder brainfog, also eine Art benebelt sein, lassen sich ja wirklich schwer visualisieren. Den Griff an die Stirn finde ich deswegen sogar naheliegend. Allerdings sitzen die größtenteils oder sogar ausschließlich weißen Personen, mit denen Artikel bei ME/CFS im deutschen Sprachraum häufig bebildert werden, oft in formeller Kleidung an Schreibtischen vor Laptops. Das ist als Darstellung einer Erkrankung, die bei ungefähr 60 Prozent der Erkrankten zur Erwerbsunfähigkeit und häufig längerfristig auch zu Armut führt, nicht sehr angemessen. Und es trägt auch zur Verharmlosung der Erkrankung in der allgemeinen Wahrnehmung bei. Die meisten Menschen, die länger auf Bildschirme schauen oder an Bildschirmen arbeiten, müssen ja zwischendurch irgendwann mal Pausen machen, die Augen kurz ausruhen, vielleicht ein Glas Wasser trinken und kurz an die frische Luft, um sich dann halt wieder ein bisschen besser konzentrieren zu können. Deswegen gehe ich davon aus, dass chronisch gesunde Leute ohne Behinderung, die solche Schreibtischfotos sehen, diese Bilder eher auf der Basis ihrer eigenen Lebensrealität interpretieren. Und da liegt dann die sicher häufig unbewusste, aber durchaus meiner Vermutung nach stattfindende Schlussfolgerung nahe, dass es sich bei der tatsächlich schweren Erkrankung ME/CFS um ein vernachlässigbares Problem handelt. Was ich mir aber auf jeden Fall wünschen würde, wäre mehr junge Menschen mit Rollatoren und Gehstöcken zu sehen. Die gelten irgendwie so als Hilfsmittel für ältere Leute. Und das hat es für mich auch vor einigen Jahren richtig schwer gemacht, meinen Rollator zu nutzen, obwohl ich den wirklich dringend gebraucht habe. Inzwischen habe ich schon meinen dritten Rollator und kann immer noch an einer Hand abzählen, wie oft ich andere junge Leute mit Rollator gesehen habe.

Jonas:
Wie schwer ist es, sage ich mal, als Fotograf Bilder zu schaffen oder auch dann verbreiten zu können, die vielleicht authentisch sind und so, wie Ash es gerade gesagt hat, dann vielleicht junge Menschen an Gehstöcken und Rollatoren abbilden, die dann aber selten ausgewählt werden, weil vielleicht BildredakteurInnen sich sagen, oder das gar nicht auf dem Schirm haben oder dass eben diese Bilder nicht als authentisch sehen, weil sich so ein anderes, stereotypisches Bild so verfestigt hat?

Andi:
Ja, das ist super schwer, weil wir weiterhin die Schwierigkeit haben, dass auch wirklich zu komplexe Bilder nicht genommen werden. Und ich glaube, jüngere Menschen mit Rollator sind halt ein sehr komplexes Bild an sich. Also wenn ich das jetzt sehen würde, würde ich auch fragen: Aha, warum ist das so? Und da braucht es halt Mut von den RedakteurInnen, dass sie halt einfach sehen, dass das ein Bild ist, was man halt auch verwenden kann. Also ich glaube, anders kann ich es nicht sagen. Also natürlich auf der einen Seite brauchen wir erst einmal… müssten die Bilder produziert werden, dann auch gut kommuniziert werden, über Plattform gut vermittelt werden, um dann halt auch genutzt zu werden. Und ich wäre jetzt auch erst mal an dem ersten Punkt, dass ich halt durch Ash jetzt auch erstmal erfahren habe…ich habe jetzt auch gerade gedacht: Ey, ja, stimmt das könnte man mal machen. Und stimmt, ich habe es ja auch selber nicht gesehen. Und da glaube ich, wäre es halt total toll, wenn sich halt auch die verschiedenen Communities zum Beispiel zu Wort melden, kommentieren und sagen, was sie sich zum Beispiel an Bildern halt wünschen, damit man da schauen kann, ob halt so etwas produziert werden kann und im besten Fall vielleicht sogar als Models zur Verfügung stehen, damit man halt auch dort wieder die authentischen Bilder hinbekommt. Also ich hätte zum Beispiel erst mal gewusst: Okay, ich wüsste jetzt wirklich nicht, wo ich jüngere Menschen mit einem Rollator überhaupt finden würde für eine Fotoproduktion.

Jonas:
Und dann kommt man ja häufig auch in diese Situation rein, dass dann eben, weil man vielleicht als Fotograf solche Ideen hat und sagt: Okay, ich könnte mir vorstellen, ich brauche wie gesagt, eine junge Person, die im Rollstuhl sitzt, oder einen Rollator nutzt oder einen Gehstock hat. Ich habe hier vielleicht eine junge Person, die es sogar fotografieren würde. Die sieht auch vielleicht gut aus, und die würde das auch mitmachen, die hat aber gar keinen Rollator. Und dann gehe ich irgendwie ins Sanitätshaus oder ins Altenheim nebenan, hole mir so einen Rollator und inszeniere so ein Foto und das ist dann quasi das sogenannte Cripping Up.

Andi:
Ja und eigentlich heutzutage ein absolutes No-Go, was aber auch leider immer wieder passiert. Also das beste Beispiel ist halt Rollstuhl, also Menschen ohne Behinderung, die in einen Rollstuhl gesetzt werden – Menschen, die nicht gehörlos sind, aber sich dann einfach die Ohren zuhalten und damit ist dann halt Gehörlosigkeit dargestellt. Also das passiert leider immer noch sehr oft. Und da können wir einfach nur sagen: Okay, das geht halt nicht. Also entweder hast du das Model und kannst es halt machen oder du musst entweder weitersuchen oder du musst dir was anderes ausdenken. Also ich glaube, da sollten wir halt wirklich… und wir zum Beispiel in unserer Arbeit, wir sind ja auch sehr radikal geworden oder was heißt radikal, aber sehr dogmatisch geworden, dass wir sagen, also wenn du halt nicht die Behinderung hast, wenn du zum Beispiel nicht auf den Rollstuhl angewiesen bist, dann werden wir dich nicht in einen Rollstuhl setzen, damit du es halt mal darstellt. Und das ist auch bei anderen Produktionen, bei denen ich halt so bin oder wenn ich halt angefragt werde. Und dann: Ja, wir könnten das und das Fotoshooting machen. Und dann die erste vorsichtige Nachfrage: Ja, aber haben wir dann auch wirklich die Models, die im Rollstuhl sitzen da vor Ort und dann, erst wenn dann JA kommt, dann mache ich zum Beispiel erst die Fotos, weil sonst gehe ich da gar nicht mehr hin.

Raúl:
Interessant ist ja auch, dass diese nicht behinderten Models, die man dann in den Rollstuhl setzt, dass die Leute total vergessen lässt, dass die Rollstühle oft überhaupt nicht angepasst sind an die Person und man das einfach sieht. Und das ist nicht irgendwie so ein Profiblick oder so, sondern man sieht einfach, dass der Rollstuhl im Sanitätshaus geliehen wurde, weil das halt so ein Flughafen-Rollstuhl ist, der einfach da rumsteht und nicht wirklich etwas ist, das man gerne benutzen würde, wenn du ihn ein Leben lang brauchst.

Jonas:
Und generell auch so, dass… Behinderung gehört zur eigenen Identität genauso wie Körperkunst, Geschlecht, Hautfarbe. Und wenn ich ein Fotoshooting mache, wo ich sage, ich möchte irgendwie eine Frau fotografieren, ich habe aber keine Frau da, dann nehme ich auch nicht den nächstbesten Mann, der sich dann irgendwie verkleidet und eine Frau darstellt. Oder Blackfacing ist ja auch ein absolutes No-Go und die gleiche Schublade, wenn auch unter einem anderen, sage ich mal, geschichtlichen Hintergrund, fällt eben auch Cripping Up.

Andi:
Ja, das Problem ist halt nur, und das ist leider immer bei Fotoshootings so, dass es dort am Set oder wo man die Fotos auch macht, halt immer sehr, sehr schnell ein Machtverhältnis entsteht. Und zwar ein Machtverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Fotografen gegenüber von Models. Und Models halt glauben, dass sie nicht an dem Prozess beteiligt werden dürfen, sondern sie machen einfach das, was ich will. Also das menschenverachtendsten Serienformat, was es dazu gibt, ist halt Germany’s Next Topmodel. Weil da wird gesagt, wenn du eine Wurst spielen musst, dann spiel eine Wurst und…

Jonas:
… sei mal sexy!

Andi:
Genau, sei mal sexy. Und bitte macht das halt. Macht bitte den Kunden glücklich. Und mit diesem Machtverhältnis wachsen wir auf. Das fängt schon immer damit an, dass halt die Mama sagt: “Du, lächel doch mal für das Foto für Oma und Opa.” Bis hin zu Fotoproduktionen, das heißt, den Models mache ich dann manchmal schon gar keinen Vorwurf, wenn sie in den Rollstuhl gesetzt werden. Ich würde mir aber wünschen, dass es halt auch mehr Models gibt, die dann einfach sagen: “Nein, das mache ich halt nicht.” Und gleichzeitig halt auch behinderte Models sagen, dass, wenn sie mit einer Situation nicht zufrieden sind oder sagen, so möchte ich nicht dargestellt werden, weil das nicht meinem Lebensalltag entspricht, dass sie auch dann einfach den Mut besitzen, das vor Ort zu sagen. Und gleichzeitig hoffe ich, dass auch die AuftraggeberInnen und die FotografInnen das halt annehmen und als wertvolles Feedback für bessere Fotos nehmen, weil was soziale Medien halt immer mitbringen gerade, ist halt die Kontrollinstanz. Du kannst dann noch eine tolle Kampagne haben oder noch einen tollen Artikel, wenn du diese Bilder, wie Raúl gerade gesagt hat, von Models in Fake-Rollstühlen halt dann bringst, wird dir das um die Ohren gehauen und wie ich halt auch finde oder wie wir bestimmt alle finden, auch zurecht. 

Jonas:
Wenn man dich mal bei der Arbeit sehen will, gucken wir mal auf das aktuelle Podcast-Bild dieser Episode. Da bist du nämlich zu sehen, das Foto hast nicht du gemacht, aber du bist bei der Arbeit zu sehen. 

Andi:
Genau, das hat mein Kollege Jörg Farys gemacht, mit dem ich auch ganz gern an verschiedenen Projekten, größeren Projekten, zusammenarbeite. Und genau das ist halt ein Bild, was ich halt sehr mag, weil es mich halt dann zeigt, wie ich mit den SchauspielerInnen Zora Schemm und Jonas Sippel vom Theater Rambazamba zusammen, wir auf meine Kamera schauen. Wir sind da gerade in einer Theaterproduktion, und sie schauen beide drauf und finden das Bild halt schön und freuen sich darüber. Und wenn sie es nicht schon gefunden hätten, und gesagt hätten, ne so möchte ich nicht dargestellt werden, dann hätte ich dann noch etwas anders gemacht – ist mir auch schon sehr oft passiert. Aber somit haben wir gemeinsam halt ein schönes Bild geschaffen. Und das ist mir halt immer sehr wichtig, also ich kenne halt auch KollegInnen, die halt die Fotos nie vor Ort den Models zeigen. Und ich bin halt auch ein großer Fan davon, die Bilder halt immer mal zu zeigen und dann zu fragen, wie findest du die und so weiter, um dann halt am Ende des Tages ein besseres Ergebnis zu haben, mit dem alle glücklich sind.

Karina:
Andi, kennst du das aus deiner eigenen Erfahrung sagen, dass auch andere marginalisierte Gruppen irgendwie stereotypisch dargestellt werden in Bildern?

Andi:
Ja, auf jeden Fall, also ich habe halt erst vor kurzem einen längeren Austausch mit dem Amaro Foro Verein hier in Berlin gehabt, die sind eine Interessenvertretung für die Sinti und Roma in Deutschland. Und die haben auch große Probleme damit, dass zum Beispiel Antiziganismus in Bildern sehr, sehr groß ist, also, dass das halt sehr, sehr oft mit Müll dargestellt wird. Und so weiter. Also da gibt es halt auch große Vorurteile, die sich in Bildern widerspiegeln. Das war für mich auch eine harte Erfahrung zu sehen, was es da an Bildern gibt. Mir ist aber eine Sache aufgefallen, die vielleicht, wo ich noch nicht weiß, was die Antwort darauf sein kann. Aber etwas, was es halt so schwierig macht, ist die Frage, wann kann ich manche Sachen darstellen, ohne dass sie ein Stereotyp sind, also im besten Fall wollen wir ohne Stereotypen arbeiten, aber es passiert dann halt manchmal, dass man dann Sachen nicht erkennt, die dann vielleicht für eine betroffene Gruppe halt wichtig sind. Also kann ich halt die Romnja Ärztin erkennen auf einem Bild, ohne halt zu zeigen, dass sie halt Romnja ist. Das heißt also, wie kann ich das halt machen? Also, weil es ja zum Beispiel nicht sichtbar ist, wenn ich da halt dort angehöre, anders als ein Rollstuhl. Und das ist dann immer ja die Ambivalenz. Also wie kann ich damit umgehen? Wie kann ich das hinbekommen? Und da habe ich halt auch noch keine Antwort darauf.

Karina:
Ich habe dazu auch noch mal Ash gefragt, und zwar zur Repräsentation von Menschen, die nicht nur behindert sind, sondern zum Beispiel auch noch non-binary, ob die sich eigentlich jemals repräsentiert fühlen in irgendwelchen Bildern. Und das meint Ash:

Ash:
Ich weiß gar nicht, ob ich so geschlechtlich in den existierenden Fotos repräsentiert werde. Es kann ja total gut sein, dass es unter den abgebildeten Personen, die ein oder andere nicht-binäre Person und der ein oder andere Transmann sind. Das steht Menschen ja nicht auf der Stirn. Und Fotos von mir halten ja manche Leute auch fälschlicherweise für Fotos von einer Frau.

Jonas:
Und das finde ich irgendwie sehr, sehr spannend. Weiß nicht, was da die Katze in den Schwanz beißt. Also wenn man jetzt sagt, okay, wenn wir Bilder kritisieren, die vielleicht nicht vielfältig sind, betrachtet von uns, kann ja quasi immer das Argument zurückkommen: Ja, du weißt es ja nicht. Da kann ja eine Person dabei sein, die queer ist oder die eine unsichtbare Behinderung hat. Und das kann ja quasi dieses Argument von Disability Mainstream, was wir eigentlich auch wollen, dass Behinderung, oder wenn man es größer fasst, Vielfalt wie selbstverständlich in Bildern vorkommt, ohne dass man es jetzt irgendwie grundsätzlich irgendwie in den Fokus stellt, dass das einem gerade bei unsichtbaren Behinderungen oder unsichtbaren Vielfaltsmerkmalen einem auch wieder um die Ohren fliegen kann.

Andi:
Ja, das Witzige ist, dass man…  ich habe das mal in einer Produktion gehabt. Da wollte ich, dass Menschen mit Behinderung als ExpertInnen dabei sind und deren Behinderungen gar keine Rolle spielen. Und eins der Feedbacks, die ich darauf bekommen habe, war, tja, aber wir müssen schon aufpassen, dass jetzt bei dem Video, dass sich davon jetzt nicht nur Menschen mit Behinderung angesprochen fühlen, wenn wir das jetzt nur mit Mensch… obwohl halt die Behinderung keine Rolle gespielt hat. Das ist halt einfach nur, dass da jemand im Rollstuhl dort Expertise hatte. Und da hatte ich dann auch zurückgefragt, naja, würden wir diese Frage jetzt aber nur stellen, wenn da zum Beispiel nur weiße Cis-Männer auf dem Bild sind? Also das sich halt nur weiße Cis-Männer da angesprochen fühlen. Und ich glaube, dass ist halt so ein Beispiel dafür, dass wir schauen müssen, dass wir halt mehr Vielfalt einfach in die Bilder hineinbringen können, ohne dass wir zum Beispiel die Pride-Flagge im Hintergrund dann halt haben. Oder dann halt zum Beispiel BIPOC in dem Bild halt immer mit drin sein müssen, weil wir jetzt hier Vielfalt darstellen sollen. Sondern, dass wir einfach mal wirklich daran, versuchen zu arbeiten, die Bilder zu produzieren und halt auch im Mainstream zu zeigen und danach uns die Fragen zu stellen, ob jetzt wirklich sich halt nur eine bestimmte Gruppe davon angesprochen oder abgelehnt fühlt. Ich hoffe, dass das einigermaßen verständlich war, was ich damit aussagen wollte. Dass immer sehr, sehr gerne…man versucht immer, so vorsichtig zu sein, dass man nicht zu viel Vielfalt reinbringt oder zu viel Behinderung einbringt. Gleichzeitig aber das man halt nie die Frage stellt bei Bildern, wo halt Beweise drauf sind oder da dann halt nur nach Ausflüchten sucht, wie du das ja gerade gesagt hast: Ja, aber es könnte ja sein…Ja, aber sieht man dann halt nicht.

Karina:
Ist nicht eines von den Problemen auch, dass irgendwie Bilder, also zum Beispiel People of Color, werden häufig nur irgendwie in einem interkulturellen Thema genutzt. Und Bilder von Menschen mit Behinderung irgendwie ständig nur für Inklusion.

Andi:
Genau das ist, wie ich finde, halt eine der größten Sachen. Na also, nur bei dem Bereich denkt man immer darüber nach, dass man dort… Ach ja, stimmt, da müssten wir halt jetzt noch einen Rollstuhlfahrer mit hineinbringen ins Bild oder da finden wir halt das Bild. Und bestenfalls schaffen wir es halt irgendwann, dass Menschen mit Behinderung mit Vielfaltsmerkmalen bei ganz anderen Themen dabei sind. Ja, wir haben einen aktuellen Artikel zur Rentenreform, und da ist dann halt vielleicht eine blinde Person dann einfach zu sehen, die ihrem Job nachgeht und das jetzt aber keine Rolle spielt, ob es jetzt die Rentenreform nur für blinde Menschen ist, sondern allgemein Rentenreform. Vielleicht ist da auch ein bisschen ein Beispiel, in dem man es halt sieht, sind amerikanische Produktionsfirmen, also zum Beispiel bei Netflix oder auch bei Disney+, wo ab und zu jetzt mehr Menschen mit Behinderung vorkommen oder auch mit Vielfaltsmerkmalen oder auch queere Menschen vorkommen, ohne dass diese eine Eigenschaft von vielen halt die übergeordnete Rolle spielt. Und das würde ich mir halt auch in Deutschland für Bilder wünschen.

Raúl:
Also meine Frage, die ich mir ganz oft bei so Fotografien stelle ist, inwieweit können wir auch FotografInnen – wir können ja nicht alle selbst die Fotos machen, die wir benötigen – befähigen, gute Fotos zu machen, wenn es um das Thema Vielfalt geht? Also, wir haben ja zum Beispiel ZeitungsredakteureInnen und FotografInnen, die zusammenarbeiten und ihre eigenen Leute losschicken. Und wir können ja nicht ständig Andi Weiland beauftragen, um bessere Bilder hinzukriegen. Wie kriegen wir das Thema authentische Darstellung in den Mainstream tatsächlich rein? In die großen Medien: Zeitung, Online-Magazine?

Andi:
Also wenn ich da vielleicht mal ein bisschen Werbung für einzelne Projekte machen kann. Ich glaube, ein guter Anfang ist vielleicht, dass man erst mal versucht, mit gutem Beispiel voranzugehen und nicht nur fordert, sondern vielleicht auch etwas bringt. Und wir haben ja mit Gesellschaftsbilder.de eine Foto-Datenbank gebaut, auf der es halt, ich sage mal mit großen Anführungsstrichen “authentische Bilder von Menschen mit Behinderung“ gibt. Also die Anführungsstriche deshalb, weil Fotografien nie authentisch sind. Aber die Models und die Menschen, die darauf vorkommen, halt wirklich die Behinderung haben oder auch andere Vielfaltsmerkmale haben und gleichzeitig auch die Bilder nicht nur von mir gemacht werden, sondern auch von FotografInnen unter anderem mit Behinderung. Also ich glaube, das ist auch ein großer Punkt, den wir hinbekommen sollten, dass wir auch hinter der Kamera Menschen mit Behinderung, mit Vielfalltsmerkmalen haben, weil sie halt auch schon andere Erfahrungen mitbringen und auch andere Zugänge zu Communities mitbringen. Dass wir da einfach schauen, wir geben jetzt nicht dem weißen Cis-Mann den nächsten Auftrag, sondern wir schauen mal so, ah, vielleicht gibt es aus der Community auch eine coole Fotografin, die dann auch vielleicht viel, viel näher an dem Thema dran ist und viel, viel bessere Bilder halt schafft und man dann diese Bilder zur Verfügung stellt. Also wir stellen halt auf Gesellschaftsbilder.de die Bilder Redaktionen kostenfrei zur Verfügung, damit sie damit ihre Artikel bebildern können. Gleichzeitig kann man die Bilder aber auch bei uns lizensieren, also kaufen für den nächsten Flyer, und wir können halt das Siegel dahinter machen, das halt diese Bilder wirklich in Zusammenarbeit zwischen Models, FotografInnen entstanden sind und alle mit diesen Fotos glücklich sind und die Darstellung halt entspricht, was sie aussagen wollten.

Jonas:
Insbesondere, sag ich mal, wenn FotografInnen selber Behinderungen haben, kann natürlich auch vielleicht ein ganz anderes Vertrauensverhältnis entstehen. Und es ist ja Fotografie, du hast ja eben auch gesagt, ist auf der einen Seite ein Machtverhältnis. Aber demgegenüber ist ja eben auch ein Vertrauensverhältnis, dass das, was dort… man macht sich ja nicht im wahrsten Sinne des Wortes nackig. Aber man macht sich ja schon… in dem Sinne gibt es ja schon sehr viel preis, wenn man sich fotografieren lässt.

Andi:
Ultraviel! Und man muss ja nicht darüber hinwegsehen, dass halt einfach sehr, sehr viel Mumpitz in den letzten Jahrzehnten entstanden ist an Fotos. Also da würde ich halt auch… dass man denkt, lasse ich mich da jetzt noch mal fotografieren, zum Beispiel als kleinwüchsiger Mensch, wenn ich die ganzen Bilder, die es von mir gibt, nur von oben herab waren. Also habe ich da überhaupt noch mal Bock da drauf? Und ich kenne ja auch viele, die halt sagen: Nein, ich habe keine Lust auf die Fotos, weil halt ich immer falsch dargestellt wurde und dann diese Bilder in Umlauf sind. Und da müssen wir als FotografInnen und auch die Agenturen auch erst einmal super viel Vertrauen wieder aufbauen, um zu sagen, nein, wir haben auch gelernt, wir machen heute Fotos anders als noch vor 20 Jahren oder vielleicht auch sogar vor fünf Jahren. Und da wäre natürlich eine große Hilfe, dass halt sich auch bei Gesellschaftsbilder.de nicht nur Models mit Behinderung melden können, sondern auch vielleicht professionelle, semiprofessionelle FotografInnen mit Behinderung und wir dann einmal schauen, wie man da zusammenarbeiten kann.

Jonas:
Eine dieser Fotografinnen, die für Gesellschaftsbilder arbeitet, ist zum Beispiel Anna Spindelndreier, die vor kurzem bei Raúl in seiner Talkshow “Krauthausen Face to Face” zu Gast war.

Raúl:
Genau und sie hat gesagt auf die Frage, wie sie Wolfgang Schäuble fotografieren würde, da meinte sie, sie würde ihm auf jeden Fall raten, kein Sakko zu tragen, weil das halt bei RollstuhlfahrerInnen einfach oft unvorteilhaft aussieht, weil es sich so aufbäumt, wenn man sitzt und das ist… wüsste nicht, ob mir ein nicht behinderter Fotograf so etwas sagen würde aus Scham oder Angst. Aber sie kann das mit einem gewissen Selbstbewusstsein, weil sie selbst mit einer Behinderung lebt, weil sie sagt, ich mache es schon eine Weile. Ich weiß, wie das aussieht, das sieht nicht vorteilhaft aus für diese Rolle.

Jonas:
Und unabhängig davon, ob er jetzt quasi im Rollstuhl sitzen würde oder in so einem Bankett auf einem normalen Stuhl. Also ist das quasi das Thema: Wie sieht man im Sitzen aus beim Fotografieren – ist ja auch für Leute relevant, die nicht im Bus unterwegs sind. 

Andi:
Ich habe vor kurzem im Podcast gehört – da ging es auch darum, dass es halt einen Fotografen gab, der besondere Bilder macht, also Menschen mit Behinderung, also er macht besondere Bilder. Und was mich da halt immer so dran stört, ganz oft ist in diesen ganzen Diskussion halt, dass daran nicht so viel Besonderes ist, sondern ich habe halt vor meiner Kamera in dem Set habe ich halt Models, und ich muss da halt mit einer Professionalität herangehen und ist es geht jetzt nicht darum, dass ich etwa sagen, hier ist jetzt irgendwas besonderes, nur weil du auf den Rollstuhl angewiesen sind, sondern ich bringe dir halt die gleiche Professionalität gegenüber wie jedem anderen. Es kann halt sein, dass manchmal halt Sachen anders geplant werden müssen. Man muss ein Studio finden, was zum Beispiel rollstuhlgerecht ist. Oder die Kommunikation muss ein bisschen anders laufen. Aber es ist nicht viel Besonderes dabei, wenn ich meinen Job professionell mache, genauso wie Anna Spindelndreier das halt macht. Und ich glaube, dass ist vielleicht auch das, was mich halt auch so freute, was Karina sagte, was wir rüber bringen wollen, ist der Respekt durch Professionalität, dass wir jetzt nicht nur so machen: Ach schön, dass du da bist, und wir machen jetzt einmal drei, vier Fotos, dann sind wir alle glücklich. Sondern der Respekt gegenüber den Menschen, die vor der Kamera stehen, dass wir halt professionelle Arbeit abliefern und nicht irgendwie eine besondere Charity-Veranstaltung daraus machen.

Raúl:
Du hast ja gerade gesagt, wenn wir jahrelang, jahrzehntelang Menschen mit Behinderung von oben herab fotografieren oder bestimmte Stereotype permanent reproduzieren, dann kommt ja jetzt das ganz neue Phänomen, dass mit diesen Fotos, die KI quasi auch, ja, wie soll ich sagen, gefüttert wurde und wenn man jetzt Bild-GeneratorInnen fragt: Also macht mir mal bitte, keine Ahnung, ein Basketball spielendes Mädchen vor der Skyline von Berlin, der Rollstuhl auf jeden Fall immer altmodisch aussieht.

Andi:
Ja, das Interessante wäre jetzt bei dem Prompt, also diesen Befehl, den du gerade eingegeben hast, da würde halt erstmal überhaupt gar kein Rollstuhl eine Rolle spielen. Also weil du mußt erst mal immer explizit sagen, dass du halt das dazu haben musst, weil sonst kommt es natürlich nicht vor. Also auch bei den Generatoren, die sind da auch nicht anders als irgendwelche Bildagenturen. Das es nicht die erste Assoziation ist oder dass man darüber nachdenkt. Und das sind halt die Bilder, woraus das halt ist. Also ich glaube, diese KIs haben eh noch einmal ganz, ganz große Probleme von Menschen, die auf irgendwelchen Dingen sind, also auch auf Fahrrädern oder so. Aber da wird es halt noch einmal schwieriger, weil halt dieser ganze Prozess halt nicht angelernt ist, – was ist überhaupt ein aktiver Rollstuhl? Und es gibt elektrische Rollstühle und es gibt unterschiedliche Marken, und das gibt es halt alles nicht. Wobei man halt in anderen Bereichen… ich glaube, wenn es halt zum Beispiel um Licht mit Models gibt, da gibt es ganze Bücher darüber. Da werden Workshops drüber gemacht, ja, welches Licht wie wirkt. So, aber alle diese Sachen hat man halt nicht. Und da sind für mich, die KIs, die es gerade gibt, eigentlich auch nur ein Abbild der Gesellschaft. Weil was wir schon nicht wissen, wissen halt die KIs noch viel weniger.

Jonas:
Du hast quasi auf Die Neue Norm – diesen Artikel haben wir auch noch mal in unseren Shownotes auf dieneuenorm.de verlinkt – hast du ein bisschen mit der KI rumgespielt und dir mal selber die Frage stellt, okay, du hast dich jetzt so viele Jahre mit Fotografie – und du hast ja gerade gesagt, wieviel auch Literatur und wieviel Handbücher und was für ein Handwerk auch dahinter steckt – damit auseinandergesetzt und du hast dir die Frage gestellt, okay, bin ich irgendwann meinen Job los, weil ich das nicht mehr machen brauche, weil es wesentlich einfacher ist, in Anführungsstrichen „authentische Models“ beziehungsweise computergeneriert, da muss man ja gar nicht mehr über Authentizität sprechen, zu generieren, die eine Behinderung haben und wie sie eben dargestellt werden. Und du hast es mal ein bisschen durchgespielt mit einigen Sachen. Und, na klar, mit diesen bekannten Fehlern, dass Finger oder Beine irgendwie falsch dargestellt werden, oder dass die Sitzposition im Rollstuhl komisch aussieht, aber manchmal schon sehr komische Sachen rauskamen, wenn man zum Beispiel sagt, dass die Person blind ist und einen Langstock in der Hand haben soll?

Andi:
Ja, genau. Die hatten dann meistens also auch dort wieder die Sonnenbrille auf, als das hab ich irgendwie nicht wegbekommen, das hätte ich bestimmt auch wieder mit einem Ausschluss machen müssen. Aber es war dann auch ab und zu halt ein Bambusstock, den er in der Hand haben muss. Aber ich musste natürlich bei einer blinden Person dann erst mal auch das dazusagen und ja, also das Gute ist, ich habe mich halt durch diesen Test dann noch nicht sofort beim Arbeitsamt gemeldet. Also ich glaube, da sind noch mal, werden noch mal ein paar Jahre ins Land gehen und was man halt aber auch zum Beispiel sehr schnell gesehen hat, wenn man einfach nur so zum Beispiel dieselbe Person eingibt oder sowas, das halt einfach dann erstmal dazu führt, dass die Personen auf einmal auch viel älter sind. Ja, also, wir sind da doch wieder in den Bereich, was Ash auch gemeint hat, es gibt keine jüngeren Menschen, die einen Rollator benutzen. Und wenn ich aber die Künstlerin eingebe, ohne Behinderung, dann ist es meistens eine junge, gutaussehende weiße Frau, die dann im Atelier sitzt. Und da glaube ich, das wird man halt auch noch nicht so schnell irgendwie klären können, weil halt auch die Algorithmen müßten halt vielmehr angelernt werden, die dahinter stecken. Aber auch die, die die Prompts schreiben. Die müssten halt einfach super genau wissen, was zum Beispiel Rollstuhlmarken sind, damit sie halt einfach mal in einen guten Rollstuhl darstellen könnten. Und ich glaube, da wird es auch weiterhin viel, viel einfacher sein, halt Models mit Behinderung zu finden, eine Location zu finden, um dort Fotos zu machen, als dass man da irgendwann hofft, dass man da gute Ergebnisse haben kann. Oder wir machen halt den gleichen Fehler, den wir halt jetzt auch schon davor gemacht haben, dass jede Person, die sich ein bisschen da mit dem Thema auskennt, sofort in dem Artikel sieht: das ist nicht echt. Eigentlich wollen wir da gerade, da haben wir ja gerade riesengroße Erwartungen in die KIs drin, dass sie so tun, als ob das alles realistisch sein könnte.

Jonas:
Karina, was müsste man bei dir eingeben, um dich KI-mäßig authentisch darzustellen? Oder was müsste generell dargestellt werden?

Karina:
Ich meine, es ist schwierig, weil an den meisten Tagen wäre es einfach eine weiße, Mitte 30-jährige Frau, also recht viel mehr sieht man ja nicht. Ich glaube, ich fände es gut, wenn zumindest auf manchen Bildern – nicht auf allen – aber zum Beispiel irgendwelche Hilfsmittel sich befinden, wie irgendwie Bandagen oder meine Halskrause oder so. Aber die nicht in irgendeiner Form im Vordergrund stehen, sondern halt einfach nur ein Teil von diesem ganzen Bild sind, wo ich halt irgendwie irgendetwas anderes mache. Aber dass der Fokus nicht auf irgendwelchen medizinischen Sachen sind, sondern einfach nur auf mich als Person und was auch immer ich in dem Bild halt gerade mache. Aber ansonsten ist es halt schwierig mit unsichtbaren Sachen. Die kann man halt einfach so nicht gut darstellen.

Jonas:
Ja, ich finde, das zeigt einfach, wie schwierig das ist. Und ich glaube, dass KI in dem Fall irgendwie noch keine… noch… man weiß es ja nicht… Erleichterung in dem Sinne ist. Und ich glaube, dass Du, Andi, deinen Job noch sehr lange in dem Bereich behalten kannst. Was in dem Sinn auch Gut ist, weil du einfach diese großartige Expertise mit reinbringst. Und diese Expertise auch, wie eben schon gesagt, auch wichtig ist, eben auch weiterzugeben. Und deswegen gibt es eben auch, sage ich mal von unserer Seite oder eben von dem Projekt Gesellschaftsbilder.de Workshops, wo sich Vereine weiterbilden können.

Andi:
Genau wir wollen gerne im Sommer 2024 Workshops anbieten, auf die sich Vereine oder NGOs – kleine Vereine – bewerben können, zum Beispiel entweder selbst inklusiv arbeiten oder ein inklusives Thema haben. Oder halt auch andere Vielfaltsmerkmale mitbringen, um denen zu helfen, wie ihre eigenen Pressebilder vielfältiger werden können, schöner werden können, wie man auch mit einfachen Mitteln gute Pressebilder hinbekommen kann. Und gleichzeitig hoffen wir auch daraus, dass wir es halt schaffen, neue Bilder zu produzieren von Menschen mit Behinderung, mit Vielfaltsmerkmalen, die aktiv zum Beispiel im Vereinsleben sind, gärtnern oder andere Arbeit machen. Und da kann man sich ab jetzt auf Gesellschaftsbilder.de – da gibt es den Reiter „Workshops“ – kann man sich anmelden, beziehungsweise kann in einen Newsletter sich eintragen, um dann weitere Informationen zu bekommen, wenn der Bewerbungsprozess beginnt.

Jonas:
Schaut auf jeden Fall gerne mal vorbei. Den Link haben wir euch auch noch mal in die Shownotes gepackt, auf www.dieneuenorm.de. Apropos Reiter: was wäre so ein Traumbild von euch, was noch geschossen werden muss? Raúl, du auf einem Pferd…

Andi:
…wie der goldene Reiter?

Raúl:
Ich würde gerne mal mich mit meinem Rollstuhl in einem Doppeldeckerbus oben sehen – in der ersten Reihe. 

Jonas:
Du hast doch Kontakte zu den Berliner Verkehrsbetrieben. Also ich denke mal, es wird doch prinzipiell machbar sein. 

Raúl:
Ich weiß ja nicht, wie man mit dem Rollstuhl da hochkommt. Das wäre mal ein witziges Foto. 

Jonas:
Ja, und dann winkst du. Man könnte auch ein Bewegtbild draus machen, so ein Video von dir, wie du dann königlich winkend durch Berlin fährst…

Raúl:
Genau, wie der King. Da muss man sich auch erst mal daran gewöhnen, oder? Dass man King heißt. 

Jonas:
Karina, gibts irgendwas bei dir?

Karina:
Ich glaube, ich hätte gern Bilder von Dingen, die ich nicht mehr machen kann oder soll. So irgendwie… keine Ahnung…Bungee-Jumping oder Wingsuitflying. Das wäre cool.

Jonas:
Bungee-Jumping….

Andi:
Was wär es bei dir, Jonas?

Jonas:
Also Bungee-Jumping auf keinen Fall, also das muss nicht sein. Wobei jetzt wie gesagt ein Kollege von uns, der auch im Rollstuhl sitzt, jetzt neulich Fallschirmspringen war, also einen Tandemsprung gemacht hat. Respekt dafür, wär auch überhaupt nicht meins. Aber ich glaube dadurch, dass es ähnlich wie bei mir wie mit Karina ist und ich jetzt nicht so die baulichen Barrieren habe, so wie Raúl, der, wo man sagt, okay, es gibt irgendwie Orte, wo ich jetzt eigentlich nicht hinkomme. Es sind, glaube ich, eher Tätigkeiten, die vielleicht jetzt eher utopisch wären. Ich als Fußballspieler – im ausverkauften Berliner Olympiastadion – mitten auf dem Platz.

Andi:
Ich glaube, es kommt auf den Verein an. Also vielleicht wirst du dann von Hertha noch irgendwann verpflichtet. 

Jonas:
Aktuell wäre ich sogar vielleicht eine Verstärkung. 

Andi:
Genau! Also das sind alles schöne Ideen. Die nächste Frage, die ich halt stellen würde: wird es halt auch wirklich ein Bild, was in Anführungsstriche „halt einen Sinn ergibt“? Also wo wir jetzt sagen können, okay, das ist eine Geschichte, die wir damit erzählen können. Aber natürlich wären da manchmal Sachen auch machbar. Und vielleicht auch mit der KI, die uns dann das Olympiastadion dort halt hinbringt. Was aber natürlich toll wäre, wenn das zum Beispiel bei Raúl dann nicht nur eine einmalige Sache für das Foto wäre, sondern halt ein Standard. Also mir wäre es lieb, diese Bilder dann zu produzieren, wenn sie halt wirklich für alle Menschen zugänglich sind oder für alle Menschen gemacht werden können. Und nicht nur für Raúl, der da mit größtem Aufwand da hinaufgehoben würde. Dann, glaube ich, wäre ich halt gerne als Fotograf dabei.

Joas:
Genau, wenn es das Pressebild wäre der Berliner Verkehrsbetriebe, um anzukündigen, hey, unsere Busse sind jetzt voll umfänglich barrierefrei. Und auch RollstuhlfahrerInnen können im Doppeldeckerbus in der ersten Reihe sitzen und königlich durch Berlin oder durch alle anderen Großstädte in Deutschland cruisen – das wäre auf jeden Fall etwas, wo wir hin wollen würden. Vielleicht treffen wir uns in fünf oder zehn Jahren, je nachdem, wie schnell so etwas umgesetzt wird, wieder und reden darüber. Und im besten Fall ist die KI dann noch nicht so weit, dass du noch weiterhin solche wunderbaren Bilder machen kannst. Vielen Dank Andi, dass du da warst und deine Expertise uns nähergebracht hast. Wie gesagt, alle weiteren Informationen findet ihr auf www.dieneuenorm.de und wir freuen uns, wenn ihr beim nächsten Mal auch wieder mit dabei seid.

Alle:
Tschüss

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