Wolfgang Raczkowsky arbeitet im Projekt JOBinklusive. Er spricht darüber, warum er erst mit 20 Jahren das erste Mal gewählt hat, was er als Bundeskanzler umsetzen würde und warum Politik für alle verständlich sein muss. Er fordert mehr Inklusion und klare Informationen – denn Mitbestimmung sollte für niemanden eine Herausforderung sein.
Warum ist dir Wählen wichtig?
Ich habe erst angefangen zu wählen, als ich 1991 in eine Wohngemeinschaft gezogen bin. Vorher hat mich Politik nicht so interessiert. Aber dann kam eine Partei, die mich sofort begeistert hat – die Grünen. Seitdem wähle ich regelmäßig.
Früher war der Wahlzettel viel übersichtlicher, man konnte Namen und Partei direkt erkennen. Heute ist das schwieriger, vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Deshalb mache ich schon seit Jahren Briefwahl. Da habe ich genug Zeit, mir alles genau anzuschauen und kann meine Assistenzperson um Hilfe bitten, wenn ich sie brauche. Diesmal gehe ich aber ins Wahllokal.
Für mich ist Wählen wichtig, weil wir damit mitentscheiden, wie unsere Gesellschaft aussieht. Ich sage immer: Vergiss nicht, was 1933 passiert ist. Damals kamen Leute an die Macht, die Menschen mit Behinderungen nicht gut behandelt haben. Ich will nicht, dass sich so etwas wiederholt. Deshalb ist es wichtig, seine Stimme zu nutzen.
Vergiss nicht, was 1933 passiert ist. Damals kamen Leute an die Macht, die Menschen mit Behinderungen nicht gut behandelt haben.
Wie informierst du dich über die Parteien und ihre Programme?
Ich informiere mich vor allem über das Fernsehen und YouTube. Ich schaue mir Übertragungen aus dem Bundestag an und Talkshows, in denen Politiker*innen Fragen beantworten müssen. Mir ist es wichtig, die Menschen zu sehen – ihre Körpersprache, ihre Art zu sprechen. Das sagt mir oft mehr als ein geschriebener Text.
Wahlprogramme lese ich nicht, auch nicht in Leichter Sprache. Ich habe dieses Jahr mal hineingeschaut – die Leichte Sprache ist zwar gut gemacht, aber der Inhalt überzeugt mich trotzdem nicht. Ich finde es hilfreicher, Diskussionen im Fernsehen oder Wiederholungen auf YouTube zu verfolgen.
Was ich mir wünschen würde: Mehr Informationen zum Thema Behinderung in Leichter oder Einfacher Sprache. Und vor allem leichtere Themeneinstiege, damit es für mehr Menschen verständlich wird, sich mit Politik zu beschäftigen.
Hattest du beim Wählen schon einmal Barrieren oder Schwierigkeiten?
Ja, vor allem die Wahlbenachrichtigung war schwer zu verstehen. Sie sollte in einfacher oder am besten in Leichter Sprache geschrieben sein.
Als ich noch ins Wahllokal gegangen bin, habe ich vorher mit meinem Assistenten darüber gesprochen. Er hat mir den Ablauf erklärt, das war sehr hilfreich. Trotzdem fände ich es gut, wenn es im Wahllokal und in der Wahlkabine Bilder von den Kandidat*innen gäbe. So könnte ich schneller eine Entscheidung treffen. Auch kurze Texterklärungen oder eine Bildanleitung wären hilfreich.
Bei der Briefwahl war der Antrag schwierig zu verstehen, ich habe dafür Unterstützung gebraucht. Aber sobald die Unterlagen da waren, wusste ich, wie es geht. Ich wusste, welcher Zettel in welchen Umschlag kommt, und mit Assistenz war das Ausfüllen kein Problem. Trotzdem könnte man es noch einfacher machen.
Was müsste sich ändern, damit mehr Menschen mit Lernschwierigkeiten gut wählen können?
Die Wahlinformationen und der Wahlschein müssten in Leichter Sprache sein. Alle sollten eine Wahlbenachrichtigung bekommen, damit wirklich jede*r die Möglichkeit hat zu wählen. Es wäre auch gut, wenn auf der Wahlbenachrichtigung erklärt wird, warum Wählen wichtig ist.
Früher hat mich das Wählen manchmal verunsichert, aber heute nicht mehr. Ich kenne den Ablauf und weiß, dass der Wahlzettel lang ist – ich nehme mir einfach die Zeit, die ich brauche.
Eine Unterstützung, die ich mir wünschen würde, ist eine Probewahl. Man könnte vorher einmal durchgehen, wie das Wählen funktioniert, und sich den Wahlzettel anschauen. Das wäre nicht nur für Menschen mit Behinderung gut, sondern für alle – nicht jeder beschäftigt sich mit Politik und könnte so in Ruhe lernen, wie das Wählen abläuft.
Ein positives Beispiel für Barrierefreiheit habe ich auch erlebt: Einmal war mein Wahllokal direkt vor meiner Tür und barrierefrei – das war super!
Eine Unterstützung, die ich mir wünschen würde, ist eine Probewahl.
Was wünschst du dir von der neuen Regierung für Menschen mit Behinderungen?
Ich wünsche mir, dass die neue Regierung keine Gelder für soziale Unterstützung von Menschen mit Behinderung kürzt. Es sollte mehr getan werden, um die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern – zum Beispiel bei der Grundsicherung und den Spargrenzen.
Für mich ist auch wichtig, dass die Regierung bei wichtigen Themen wie dem Krieg klare Entscheidungen trifft und zeigt, dass sie handlungsfähig ist. Sie sollte mehr Mut und Durchsetzungsvermögen zeigen.
Ich habe das Gefühl, dass Politiker*innen nicht wirklich auf Menschen mit Behinderungen hören. Sie sollten nicht nur reden, sondern ihre Versprechen auch umsetzen.
Wenn ich Bundeskanzler*in wäre, würde ich mehr Ruhe in den Laden bringen. Ich würde das Sozialsystem grundlegend ändern, insbesondere die Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und die Regelungen für Menschen, die in Werkstätten arbeiten. Ich würde auch dafür sorgen, dass reiche Menschen und Unternehmen mehr Steuern zahlen, damit die, die wenig haben, nicht zusätzlich belastet werden.
Wahllokal oder #QualLokal?
Wie barrierefrei war das Wahllokal, in dem du gewählt hast? Mach mit und fülle das Formular zum Barriere-Check aus. So hilfst du dem Team von Wheelmap.org, wichtige Erkenntnisse für das zukünftige Bewertungsschema für den Ortstyp „Wahllokal“ zu finden. Weitere Infos gibt es hier.
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„Ich würde Ruhe in den Laden bringen.“ – Wolfgang Raczkowsky spricht über Politik und Barrieren beim Wählen
Wolfgang Raczkowsky arbeitet im Projekt JOBinklusive. Er spricht darüber, warum er erst mit 20 Jahren das erste Mal gewählt hat, was er als Bundeskanzler umsetzen würde und warum Politik für alle verständlich sein muss. Er fordert mehr Inklusion und klare Informationen – denn Mitbestimmung sollte für niemanden eine Herausforderung sein.
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Demokratie für alle: Warum Barrierefreiheit beim Wählen keine Ausnahme sein darf
Wählen ist ein Grundrecht – doch was, wenn es nicht für alle gleich zugänglich ist? Die Bundestagswahl 2025 rückt näher, und während viele den Gang zur Urne als Selbstverständlichkeit betrachten, stehen Menschen mit Behinderungen oft vor unerwarteten Barrieren. Unsere Kolumnistin Anne Gersdorff erinnert sich an das Wählen als gemeinschaftliches Ereignis in ihrer Familie – und schildert, warum sie heute meist auf die Briefwahl zurückgreift. Was muss sich ändern, damit wirklich alle wählen können?
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Inklusion auf dem Wahlzettel: Das fordern die Parteien zur Bundestagswahl 2025
Von der Teilhabe am Arbeitsplatz über inklusive Bildung bishin zur barrierefreien Stadtplanung – die Bundestagswahl 2025 entscheidet auch über die Zukunft von Menschen mit Behinderungen. Wer setzt auf echte Teilhabe, wer bleibt vage? Wer möchte Barrierefreiheit auch rechtlich verankern, hat Ideen zur Verbesserung beim Gewaltschutz und auf dem Arbeitsmarkt? Und welche Parteiprogramme sind barrierefrei zugänglich? Wir haben die Wahlprogramme der großen Parteien verglichen.
Eine Antwort
In einer W(erkstatt)
f(ür)
b(ehinderte)
M(enschen)
arbeite ich als Mensch mit körperlicher Behinderung (GdB50) nach Paragraph 223 (SGB) IX (Anrechnungsmöglichkeiten auf Ausgleichsabgaben), indirekt mit einem Arbeitnehmerähnlichem Tätigkeitsverhältnis für Behörden und Werkstätten des ersten, freien und sozialen Arbeitsmarktes zu Werkstattvertragsbedingungen, deren Arbeitsaufträge (gemäß Auftrsgsbeschreibung und Musterangaben) ab, zusammen mit anderen Kollegen, mit Unterstützung der Gruppen- und Sozialdienstleitung, anstatt direkt vor Ort bei den Auftraggebern der sozialen Marktwirtschaft und eines echten Arbeitnehmerverhältnisses und zu Arbeitsvertragsbedingungen.
Oft ist wohl, vermutlich, die Meinung verbreitet, dass Behinderte, die in einer WfbM arbeiten, noch nie auf dem ersten Arbeitsmarkt gearbeitet hätten, oder keinen, oder höheren Schulabschluss haben.
Hier kann ich jedoch nur von meiner Situation und Erfahrungen und Informationen anderer Kollegen berichten.
Eine Kollegin hatte als WfbM-Beschäftigte ein Abitur und war damals als Architektin tätig.
Andere Kollegen waren als Pflegedienstleitende und -leistende, als
Journalisten und Korrespondenten, sowie Kaufleute oder Rechtsanwaltsgehilfen tätig.
Selber hatte ich als Mensch mit körperlicher Behinderung (GdB50) die Regelschulen wie Grundschule und Gesamtschule besucht.
Im Sommer 1985 verließ ich die Gesamtschule mit einem Realschulabschluß (mittlere Reife).
Zwar belegte ich meine 3jährige Ausbildung in der Zeit von 1987 – 1990 in einem Berufsbildungswerk, aber als Mensch mit Behinderung wollte ich immer auf dem ersten, freien und sozialen Arbeitsmarkt arbeiten.
Nach 4jähriger Langzeitarbeitslosigkeit
konnte ich als kaufmännischer Angestellter im Bürobereich einer Baumaschinenhandlung in der Zeit vom 02.11.1994 bis Januar 2000 (Kündigungsschutzverfahren vorm Arbeitsgericht), auf dem 1., freien und sozialen Arbeitsmarkt arbeiten.
Die Firma erhielt dabei über einen Zeitraum von 2 Jahren monatlich jedesmal insgesamt 2.100 DM an Einarbeitungs- und Fördergelder vom Arbeitsamt.
Nach einer heftigen Verbalattacke der Geschäftsführerin mir gegenüber, telefonierte ich zuhause mit einem Mitarbeiter einer Langzeitarbeitsloseninitiative.
Dieser riet mir umgehend, in die für mich zuständige Gewerkschaft (HBV) einzutreten.
Somit trat ich ab September 1995 in die für mich zuständige Gewerkschaft ein.
Die Arbeit an und für sich ist auf dem ersten, freien und sozialen Arbeitsmarkt eher weniger ein Problem, als eher ein unangenehmes und belastendes Betriebsklima, oft verbunden mit
– Bossing,
– Mobbing,
– Boreoutfolgen,
– Burnoutfolgen,
– hohem Zeit- und Leistungsdruck
Inwieweit könnte da dann der Paragraph 223 (SGB) IX (Anrechnungsmöglichkeit auf Ausgleichsabgaben) Arbeitgeber des ersten und freien Arbeitsmarktes der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland dazu verleiten
a) kaum bis keinerlei Menschen
mit Behinderungen in ihren Un-
ternehmen einzustellen
oder
b) Menschen mit Behinderungen, oft
nach jahrelanger Tätigkeit vom
ersten, freien und sozialen
Arbeitsmarkt aus Behörden oder
Firmen in eine WfbM zu verdrängen?
In einer WfbM bin ich zwar besser vor
Bossing, Mobbing, Boreoutfolgen,
Burnoutfolgen, oder auch einem hohen Zeit- und Leistungsdruck geschützt, aber wegen des dort fehlenden vollständigen Arbeitnehmerstatus dürfen Wir als WfbM-Beschäftigte nicht streiken, haben keinen Anspruch auf einen gesetzlichen Mindestlohn und kein Recht auf Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld. Allenfalls liegt es im Ermessen der WfbM stattdessen 2 mal
Gutscheine im Jahr zu gewähren.
Am Anfang gab es 2 mal im Jahr im Arbeitsbereich der WfbM einen Gutschein über je 75 €, aber dieser wurde zuletzt von 75 € um 35 € auf 40 € reduziert, also dann nur noch 2 mal 40 € im Jahr.
Mit einem vollwertigem Arbeitnehmerstatus hätten Wir als
WfbM-Beschäftigte die
+ Unterstützungsmöglichkeit der
Gewerkschaften als
Arbeitnehmerverbände
+ Anspruch auf den gesetzlichen
Mindestlohn
+ Anspruch auf Urlaubs- und
Weihnachtsgeld
+ Streikrecht
+ geregelte Arbeitsplatzvergälrnisse
In der Regel liegt ein monatlicher Werkstattlohn in den WfbM bei oft unter 300 € netto, bis knapp unter 200 €.
Derzeit setzt sich der Werkstattlohn zusammen aus
133,00 € Grundlohn
+ 52,00 € Arbeitsförderungsgeld
+ 1,00 € (*) Steigerungsbetrag
——————————————————
= 186,00 € Werkstattlohn
Bei Anzug von Pflege- und Krankenversicherung kann dieser Werkstattlohn auch unter 186 € sinken.
Es muss mindestens ein Steigerungsbetrag von 1 € (einem) ausbezahlt werden.
Ein transparenteres und gerechteres Entlohnungssystem für WfbM-Beschäftigte soll wohl geplant sein, aber es kann noch länger dauern, bis Wir als WfbM-Beschäftigte seitens der Politik, eventuell lebensfähige Löhne erhalten würden, die noch am besten Einen unabhängig von Grundsicherung oder Wohngeldbezug machen würden.
Was mich frustriert ist, dass ich jährlich einen “Weiterleitungsantrag” für Wohngeld stellen muss.
Ähnliches gilt wohl auch für die Grundsicherung.
Armut durch Arbeit. In einer WfbM ist man davon bereits betroffen. Wie mag da dieses wohl aussehen, wenn man in der Altersrente gehen würde?
Im Herbst 2031 könnte ich dann mit 65 Jahren einmal in Altersrente gehen, aber würde mir da nicht auch Altersarmut und Abhängigkeit mit Wohngeld drohen?
Inwieweit können sich Politiker als gewählte Volksvertreter überhaupt in die Situation von WfbM-Beschäftigte hinein versetzen?
Vor den Wahlen wird von Politikern vieler Parteien Vieles versprochen und nach den Wahlen kaum gehalten.
Neben einem besseren Lohn als WfbM-Beschäftigte wäre auch ein vollwertiger Arbeitnehmerstatus wichtig.
Welche Partei, oder auch Koakitionsregierung in Deutschland würde dieses ermöglichen?