Schlagersängerin Francine Jordi: „Alles was jetzt noch kommt, ist eine tolle Zugabe!“

Foto von Francine Jordi. Sieht hat kurze schwarze Haare, trägt einen roten zweiteiler mit großen schwarzen Gürtel und steht vor einer grünen Leinwand. Sie hält ihre Hände vors Gesicht und schaut zwischen die gespreitzten Zeige und Mittelfinger durch.
Die Musik im Fokus: Schlagersängerin Francine Jordi hatte ihre Krebserkrankung zunächst in der Öffentlichkeit nicht erwähnt. Foto: Thomas Buchwalder
Lesezeit ca. 7 Minuten

Mitleid sei eine der schlimmsten Energien, die man einem Menschen schenken kann, findet die Schweizer Schlagersängerin Francine Jordi. Deshalb habe sie über ihre Krebserkrankung in der Öffentlichkeit auch erst geredet, nachdem sie sie überstanden hatte. Laura Mench sprach mit ihr über diese Entscheidung und ihre Musikkarriere.

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Francine Jordi ist Sängerin.

Die Musik von ihr nennt man Schlager.

Sie hat Brustkrebs gehabt.

Sie hat nur ihrer Familie etwas von der Krankheit gesagt.

Der Öffentlichkeit und der Presse hat sie erst von der Krankheit erzählt als sie gesund war.

Sie wollte kein Mitleid. Sie wollte nur Musik machen.

So langsam geht es wieder los, in der Schweiz haben die Geschäfte und Restaurants schon wieder geöffnet. Es dürfen auch wieder Konzerte stattfinden, berichtet Francine Jordi, als ich sie gegen Ende des Interviews frage, wie ihre nähere Zukunft aussieht. Die Konzerte hätten ihr sehr gefehlt, sagt die 44-jährige Schlagersängerin, die viele Lieder selbst schreibt und schon seit frühester Kindheit auf der Bühne steht. 

Francine Jordi ist in einem kleinen Dorf in der Schweiz aufgewachsen, in dem es, wie sie lachend sagt, mehr Kühe als Menschen gegeben habe. Gemeinsam mit den Eltern und ihren zwei Schwestern trat die Schlagersängerin schon im Kindesalter auf Festen und Partys mit volkstümlichen Liedern auf. Niemand, der dort in dem kleinen, schweizerischen Dorf gelebt und musiziert habe – auch sie und ihre Familie nicht – dachte, dass man die Musik auch als richtigen Beruf ausüben könnte. „All die berühmten Künstler, so wie zum Beispiel die Jackson Five wir dachten die machen das nur zum Spaß.“

Erst der Musik- und Gesangslehrer in der Sekundarschule fragte sie, ob sie nicht Gesang studieren wolle. Das wollte sie, deshalb bewarb sie sich an einem Konservatorium. Dieses lehnte sie jedoch zuerst mit den Worten ab „man hätte nicht gerne dumme Sänger“. Damit war gemeint, dass es wichtig ist, dass Studenten und Studentinnen eine gewisse Vorbildung, optimalerweise in Form einer Berufsausbildung mitbringen sollten. Daraufhin besuchte sie die französische Handelsschule, um dort den Beruf der kaufmännischen Angestellten zu erlernen und bewarb sich dann erneut am Konservatorium. Dieses Mal klappte es und schon nach dem ersten Jahr am Konservatorium gewann sie den Grand-Prix der Volksmusik. 

Es galt nun eine Entscheidung zu treffen, Studium abbrechen oder parallel zum Studium am Konservatorium die Karriere fördern und regelmäßig auftreten. Francine Jordi entschied sich, beides zu machen und das Studium (Gesang und Klavier), bis zum Konzertdiplom weiterzumachen und erfolgreich abzuschließen. Das Studium hat ihre Arbeit mit der Musik, im Vergleich zu den Auftritten in der Kindheit nachhaltig verändert, so erzählt sie, dass es kaum ein Konzert gebe, bei dem wirklich alles glatt laufen würde und dass die im Studium erlernten Techniken sie schon oft vor Stimmverlusten bei einem Auftritt bewahrt hätten. Wenn sie von Konzerten spricht, die „nicht glatt laufen“, meint sie, dass es Probleme mit der Technik gibt oder der Körper erschöpft oder erkältet ist. Mit alledem muss eine Sängerin oder ein Sänger vor-, während und nach dem Konzert umgehen können, ohne den eigenen Körper dabei zu sehr zu belasten. Zwischen 80 und 120 Konzerte gibt Francine Jordi jedes Jahr. Da wären schon einige Stimmenverluste zusammengekommen, wenn sie das Ganze nicht von der Pike auf gelernt hätte, sagt sie. Mit der Zeit entstand eine gute Mischung aus dem Singen, wie es im Konservatorium gelehrt wurde und einer, wie sie sagt „Deformation professionell“. Damit meint sie, dass sie von dem Gelernten wieder etwas wegkommt, um zu singen oder in der Moderation zu sprechen „wie ihr der Schnabel gewachsen ist“.

 Niemanden außer dir selbst und deinen Arzt geht deine Gesundheit etwas an“

2018 gab Francine Jordi bekannt, eine Brustkrebserkrankung überstanden zu haben. Nur wenige, darunter ihre Familie und der Manager wussten, dass sie sich parallel zu ihrem Arbeitsalltag als Künstlerin einer Brustkrebsbehandlung unterziehen musste. Als sie die Diagnose bekam, wusste sie nicht, ob sie die Doppelbelastung von Behandlung und Arbeit schaffen würde. Es gab aber auch nur zwei Optionen: direkt die Erkrankung kommunizieren und „sich zurückziehen“ oder es nicht kommunizieren und weitermachen. Die regelmäßigen, an den Wochenenden stattfindenden Konzerte haben ihr während der Behandlung Kraft und Struktur gegeben. So wusste sie, dass sie Montag bis Donnerstag Zeit hatte für die Behandlung, zu liegen und zu schlafen und zum Ausruhen. Freitag, Samstag und Sonntag ging es los, sie musste bereit sein, eine gute Show abliefern und sie durfte singen, berichtet die Sängerin, die im Stadion, wie im kleinen Hinterhof-Theater auftritt. Niemand sollte es merken. „Gut schminken, das war das A und O!“, sagt sie.

Das Singen brachte Spaß und Stabilität in den Therapiealltag. Sie konnte es, genauso gut wie vor der Erkrankung, denn sonst wäre es ja aufgefallen, mindestens einem der Techniker, mit dem sie seit über 20 Jahren zusammenarbeitet. Auf meine Frage, was denn dahinterstecke, dass es für sie kein richtiges Konzert gewesen wäre, wenn das Publikum von der Erkrankung gewusst hätte, sagt sie, dass die Leute dann gleich mit einer Erwartungshaltung und einer leidbasierten Interpretation in das Konzert reingehen würden. „Ich hätte so gut singen können wie Céline Dion, irgendjemand würde trotzdem denken „jetzt sieht man es ihr an, dass es ihr nicht gut geht“.“

Nachdem sie die überstandene Erkrankung öffentlich gemacht hat, wollte plötzlich jeder bei der Autogrammstunde über Brustkrebs sprechen. Menschen erzählten ihr schlimme Geschichten und andere Betroffene identifizierten sich mit ihr. Das ist genau das Verhalten, dass sie dazu bewog, die Erkrankung erst so spät wie möglich öffentlich zu machen. Niemanden außer dir selbst und deinen Arzt geht deine Gesundheit etwas an“, findet sie zu recht.

„Da habe ich auch gemerkt, wie wichtig es war, dass ich wirklich schon eine Distanz hatte, zu der Erkrankung“, stellt Jordi fest.

Diese Distanz habe es möglich gemacht, dass Francine Jordi die Geschichten, die ihr zugetragen wurden, mit Abstand betrachten konnte. Sie war schon immer gut darin, sich selbst zu schützen, sagt sie und es war ein großes Geschenk für sie, dass niemand es vorher herausgefunden habe.

Mittlerweile ist der Hype um ihre Erkrankung vorbei. Jordi ist froh, dass die Berichterstattung in den Medien sehr positiv und auch sensibel gewesen sei. Was sie nie wollte, das ist Mitleid, denn „Mitleid ist die schlimmste Energie, die man einem Menschen schenken kann“, sagt sie in der NDR-Talkshow. In unserem Gespräch ergibt sich eine Frage, die ich mir persönlich als selbst, von einer Erkrankung betroffenen, medienschaffenden Person öfter stelle. Was braucht es, damit Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, offen mit solchen Dingen umgehen können?

Francine Jordi ist der Meinung, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, was und wie viel er von sich preisgibt. Dabei findet sie es wichtig, dass eine Entscheidung gefunden wird, zu der man selbst stehen kann und die man dann auch durchzieht. Mit durchziehen meint sie, dass man auch das Echo ertragen können muss. In Ihrem Fall war das die Reaktion ihres Publikums und ihrer Kolleginnen und Kollegen mit Mitleidsbekundungen, Krebsgeschichten und guten Wünschen. Vor allem bei einer Krankheit findet sie Offenheit oftmals schwierig, weil die Menschen dann sofort Bedauern empfänden und in das Handeln und die Präsenz immer die Krankheit interpretierten. Sie sagt, sie ist kein Fan davon, alles zu kommunizieren, ob eine Krankheit oder das tägliche Posten ihres Frühstücks auf Instagram. 

Innerhalb der Schlager-Community fühlt es sich an, wie auf der restlichen Welt auch, entnehme ich ihrer Antwort auf meine Frage, ob denn der Konkurrenzgedanke und der gegenseitige Wettbewerb, immer das beste Album oder die beste Single zu haben, den Ton bestimmen würde. „Ein Wettbewerb ist natürlich immer eine Chance, wie zum Beispiel die ganzen Casting-Shows.“ Aber die vielen anderen Wege (zum Beispiel YouTube), die es mittlerweile gebe, um eine Gesangskarriere zu starten, können auch eine große Hilfe sein. Für Francine war der Sieg beim Grund-Prix der Volksmusik (1998) der Startschuss für alles, was sie in den letzten 23 Jahren erleben durfte, findet sie. Auf ihrem Weg durch die Musiklandschaft hat sie unzählige Künstlerinnen und Künstler getroffen und erleben können. “Mit den wenigsten hat man dauerhaft Kontakt, denn oftmals erlebt man gemeinsam einen tollen Abend und eine tolle Show und sieht sich dann ein halbes Jahr nicht mehr”, sagt sie. Es gebe aber auch ganz besondere Formate, wie zum Beispiel „Sing mein Song – das Tauschkonzert“. In der schweizerischen Version dieser Sendung, die auch in Deutschland sehr erfolgreich ist, hat sie Stefanie Heinzmann kennen gelernt. Gemeinsam haben die beiden Künstlerinnen in der Silvestershow mit Jörg Pilawa, die Francine auch mit Jörg moderiert, ein Duett gesungen, das jetzt auch auf dem neuen Album von Francine Jordi zu hören sein wird. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mit ihr mal ein Duett zusammen machen würde. Das wäre undenkbar, da hätte jeder Produzent gesagt, nein! Eine Popsängerin und eine Schlagersängerin, geht gar nicht, das machen wir nicht.“ 

Auf ihre Karriere zurückblickend sagt Francine Jordi: „Ich möchte zufrieden sterben und mich vorher noch einmal so richtig verlieben!“ Alles andere habe sie in ihrem Leben schon erreicht, alles was noch kommt sei eine tolle Zugabe, auf die sie sich freue.

Neues Album

Das neue Album von Francine Jordi „Herzfarben“ erscheint am 13. August. 

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