Neele Buchholz tanzt, seit sie 3 Jahre alt ist. Und sie hat das Down-Syndrom. Neben ihrer Karriere als Tänzerin und Schauspielerin setzt sie sich auch für Inklusion ein. Gerade ist die Dokumentation „Echtes Leben: Star mit Down-Syndrom – Ein Tanz gegen alle Regeln“ in der ARD ausgestrahlt worden. Unsere Redakteurin Carolin Schmidt hat Buchholz 5 Fragen zu ihr und ihren Projekten gestellt.
Neele Buchholz ist freie Tänzerin und Schauspielerin. Sie war beispielsweise 2021 in der Rolle der „Mücke“ in der ARD-Serie Eldorado KaDeWe von Julia von Heinz zu sehen und von 2013 bis 2021 in Stücken der tanzbar_bremen. Seit ihrer Selbstständigkeit im Jahr 2021 arbeitete sie in zahlreichen Film- und Theaterproduktionen als Tänzerin und Performerin mit, u.a. bei der Produktion „T4. Ophelia’s Garten“ im Theater unterm Dach Berlin, das sich mit der nationalsozialistischen Mordaktion T4 auseinandersetzt. Neben ihrem Beruf setzt sich Buchholz seit Jahren gegen Ableismus ein. Zusammen mit Unterstützer*innen kämpft sie für die Beschäftigung von Künstler*innen mit Behinderung, für Selbstbestimmung und ist Mitgründerin des Vereins Inklusive WG Bremen.
Carolin Schmidt: Was begeistert Sie fürs Tanzen und Schauspielen?
Neele Buchholz: Tanzen und Schauspielen ist meine Leidenschaft. Wenn ich tanze, fühle ich mich frei und glücklich. Ich mag Theater. Ich stehe gerne auf der Bühne. Ich mag es am Schauspiel, dass ich viele Gefühle zeigen kann. Außerdem mag ich es, Texte zu lernen. Meine Aussprache übe ich bei der Logopädie.
Ich mag es, in Filmen und Serien mitzuspielen. Ich habe aber auch noch den Traum, viele Hauptrollen zu spielen. Das alles macht mir Spaß.
Neele Buchholz
Neele Buchholz ist Tänzerin, Schauspielerin und Inklusionspionierin. Sie ist freie darstellende Künstlerin und sie hat das Down-Syndrom. Von 2013 bis 2021 war Neele zunächst als Tänzerin und Anleiterin bei tanzbar_bremen fest angestellt. Zusammen mit ihrem Unterstützerkreis hat sie dort die Beschäftigung von Künstler:innen mit Behinderung mit vorangetrieben. Im Jahr 2021 spielte Neele die Rolle "Mücke" in der ARD-Serie Eldorado Kadewe. Anschließend entschied sie sich als Künstlerin selbstständig zu machen und arbeitet seitdem als freie Film- und Theaterschauspielerin sowie Tänzerin und Performerin. Neele tourte in ihrer Laufbahn mit zahlreichen Tanz-Choreografien durch Deutschland und Europa und spielte in Filmen, Serien und Theaterstücken mit. Sie ist Mitgründerin des Vereins Inklusive WG Bremen und lebt seit 2019 in einer inklusiven Wohngemeinschaft.
Foto: Daniela Buchholz
Sie haben sich in vielen Produktionen mit dem Thema Weiblichkeit und Mutterschaft beschäftigt, etwa durch das Tanztheaterstück „The Women in Me“ mit Choreografin und Produzentin Susanna Curtis, für den Film „Wunschkind“ oder durch Ihre Residenz in der Schankhalle Bremen – was haben Sie durch diese Produktionen über sich selbst und über das Frausein gelernt?
Ich habe gelernt, dass es unterschiedliche Frauen gibt. Es gibt ganz viele Frauen ohne Behinderungen, es gibt ganz viele Frauen mit Behinderungen. Mal helle Haut, mal dunkle Haut. Frauen sind unterschiedlich. Alle Frauen haben unterschiedliche Gefühle. Frauen sollen selbst entscheiden dürfen, was sie machen wollen oder nicht. Da haben Männer gar nichts zu sagen. Bei Frauen gibt es außen und innen, das ist für uns Frauen auch wichtig. Außen ist eher Klamotten, Schminken und Haare. Aber ich finde, Schönheit kommt auch von innen.
Was bedeutet Empowerment für Sie?
Ich habe früher mal Selbstverteidigung gemacht. Dort habe ich gelernt, mich selbst nicht mit Gewalt, sondern mit der Sprache zu verteidigen. Empowerment heißt für mich auch, dass ich einen Unterstützerkreis habe. Der Unterstützerkreis sind Menschen, die mir helfen, dass meine Träume, Tänzerin und Schauspielerin zu sein, Wirklichkeit werden. Ich habe auch Assistentinnen, die mir helfen. Ich habe eine WG. Ich habe einen Freundeskreis. Wir helfen uns gegenseitig. Also, das ist Empowerment für mich.
Ich wünsche mir, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben können.
Neele Buchholz
Wie ist es für Sie, neben Ihrer künstlerischen Arbeit nun auch durch die Dokumentation als private Person Neele Buchholz vor der Kamera zu stehen?
Ich freue mich, anderen Menschen zeigen zu können, wie ich lebe. Nicht alle Menschen mit Behinderung arbeiten in der Behindertenwerkstatt. Ich kann ein Vorbild für alle anderen sein. Mein Freundeskreis ist begeistert, dass ich eine Berühmtheit bin. Also ich als Privatperson. Nicht nur in Bremen, sondern auch überall in Deutschland. Ich freue mich schon darauf, die Dokumentation zu schauen. Also, ich finde das cool.
Was wünschen Sie sich für Ihre aktivistische Arbeit?
Ich wünsche mir, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben können. Kindergarten, Freizeit und Schule sind hier in Bremen schon inklusiv. Aber bei der Arbeit ist es nicht inklusiv. Das finde ich gar nicht in Ordnung. Ich wünsche mir, dass die Arbeitswelt auch inklusiv wird. Dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Mehr Arbeit für Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt und nicht in der Behindertenwerkstatt. Und dass sie genug Geld verdienen, um gut leben zu können: Rewe, shoppen, Café, in der Bar oder auch freiberuflich als Tänzerin und Schauspielerin in meiner Firma. Hier sollen auch Menschen mit Behinderung arbeiten. Es gibt auch ganz viel Armut hier in Bremen und in ganz Deutschland. Die brauchen auch Geld, damit sie sich ein Haus, Lebensmittel und Klamotten kaufen können. Dafür setze ich mich auch ein. Hier in Bremen und in ganz Deutschland. Das wünsche ich mir. Inklusion bedeutet, miteinander zu wohnen und zu arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Infos zu Neele Buchholz und ihren Projekten
– Die Dokumentation „Star mit Downsyndrom: Neele Buchholz” ist in der ARD-Mediathek abrufbar
– Webseite von Neele Buchholz
– Webseite der Initiative Inklusive WG Bremen
– Webseite der tanzbar_bremen