Disney’s Realverfilmung von Schneewittchen ohne „Zwerge“ – Empowerment oder Ableismus?

Screenshot aus der Neuverfilmung von Schneewittchen (2025). In der Mitte steht Rachel Zegler als Schneewittchen in einem türkis-gelben Ballkleid, neben ihr die animierten Zwerge. Sie sind weiß positioniert, tragen alle Bärte und haben große Nasen.
Über die Darstellung von Märchen scheinen viele Menschen uneins zu sein – was bedeutet das für die Repräsentation von Menschen mit Behinderung? Foto: Filmstill Schneewittchen (2025) von Disney
Lesezeit ca. 10 Minuten

Disney verfilmt seit Jahren Zeichentrick-Klassiker als Realfilme neu. Ein Anspruch ist hier auch, möglichst progressiv zu sein und den neuen Zeitgeist widerzuspiegeln. Während der Produktion an „Schneewittchen“ gab es einige Kontroversen um die Darstellung der „Zwerge“. Unsere kleinwüchsige Autorin Andrea Schöne hat darauf einen Blick geworfen und erklärt auch, warum Behinderungen in Märchen häufig sehr problematisch dargestellt werden.

Beginn der Kontroverse nach Peter Dinklages Äußerungen

Alles begann 2022 mit der Bekanntgabe, dass Rachel Zegler als Latina Schneewittchen spielen würde. Während sich die meisten freuten, war der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage gleichzeitig auch enttäuscht, wie er in dem Podcast WTF mit Marc Maron äußerte:

„Ich war etwas enttäuscht, als sie sehr stolz waren, eine Latina-Schauspielerin als Schneewittchen zu casten. Du erzählst immer noch die Geschichte von „Schneewittchen und die Sieben Zwerge“. Geh einen Schritt zurück und schau, was du hier machst. Für mich macht es keinen Sinn. Du bist auf eine Weise fortschrittlich und dann machst du trotzdem diese fucking rückständige Geschichte über sieben Zwerge, die in einer Höhle zusammen lesen. Was zum Teufel machst du da?“

Disney reagierte und versprach, mit Selbstvertretungen von Kleinwüchsigen in Kontakt zu sein, um auch hier eine neue Erzählweise zu finden. Die Kontroverse blieb trotzdem.

Aus magischen Kreaturen werden echte Persönlichkeiten

Aus dem Trailer habe ich bereits erfahren, dass statt kleinwüchsigen Schauspieler*innen GCI-Animationen diese als magische Kreaturen darstellen sollen. Die Animationen empfand ich nicht befremdlich, da sowohl die Landschaften als auch die Tiere, mit denen Schneewittchen während dem gesamten Film interagiert, ebenfalls animiert sind. Herausragend ist die Charakterisierung der Wesen. Während des gesamten Films werden sie weder als „Zwerge“ noch als magische Kreaturen bezeichnet, sondern stattdessen einfach mit ihrem Vornamen angesprochen. Manche Szenen aus dem Zeichentrickfilm von 1937 wurden übernommen. Schneewittchen schiebt auch die Betten der Wesen zusammen, um darin zu schlafen und sowohl sie, als auch die Wesen sind sehr erschrocken, als sie aufeinandertreffen. Und ebenso leitet sie die Wesen an, ihr Haus gemeinsam pfeifend aufzuräumen, weil es dann mehr Spaß macht. Danach sieht das Haus der etwas kindischen Männer-WG deutlich besser aus und Schneewittchen gleitet nicht in die Rolle der traditionellen Hausfrau ab. 

In der Zeichentrickversion aus 1937 ist Schneewittchen ganz entzückt von den „süßen Zwerglein“. Rachel Zegler als Schneewittchen behandelt diese dagegen stets als ebenbürtig und spricht sie mit ihrem Namen an. Und sie fragt sie nach Rat, wo sie ihren Vater, den König, der seit Jahren als verschollen galt, finden könne. Statt Mitleid mit ihrer Situation zu zeigen, sind die Wesen erst einmal abweisend, bis Schneewittchen ihnen verdeutlicht, wie unfreundlich und aggressiv sich alle Wesen und Menschen seit der Herrschaft der Königin, ihrer bösen Stiefmutter, benehmen. Daraufhin ändern die Wesen ihre Meinung und helfen ihr. Der dahinterstehende Gedanke von Inklusion trägt die Geschichte und erinnert an den weltweiten Rechtsruck, der sich im Film ebenso im einst freundlichen Königreich zeigt. 

Besonders interessant ist Schneewittchens Umgang mit dem siebten Wesen namens Dobey. Ebenso wie in der Zeichentrickversion ist dieser stumm und wird von den anderen ausgeschlossen, entwickelt aber einen besonderen Bezug zu Schneewittchen. In der Zeichentrickversion wirkte Dobey auf mich schon als Kind wie eine Person mit Lernschwierigkeiten, während dieser in der Realverfilmung als zu schüchtern zum Sprechen beschrieben wird. Dies könnte die Repräsentation einer sozialen Angststörung darstellen. Dobey traut sich erst seine Stimme zu erheben, als Schneewittchen vom vergifteten Apfel erlöst wird und wieder erwacht. Er ermutigt die Gruppe aber auch, gemeinsam die böse Königin zu besiegen. 

Computeranimierte Zwerge stehen mit Hacke im Wald.
Computeranimierte Zwerge in der neuen Schneewittchen Disney Verfilmung. Foto: Filmstill, Disney 2025.

Einführung neuer Charaktere und eines Kleinwüchsigen

Im Zauberwald trifft Schneewittchen erneut auf Jonathan mit seiner Räuberbande, welche mit einer Schwarzen Frau und einem kleinwüchsiger Räuber ebenfalls divers besetzt ist. Diese Besetzung gibt es etwa bereits in der Action-Thriller-Adaptation „Snow White and the Huntsman“ von 2012. Hier kämpfen Kristen Stewart als Schneewittchen und eine Gruppe von Räubern, wobei auch hier ein kleinwüchsiger Räuber dabei ist blutig gegen die böse Königin und besiegen diese. Disney inszeniert mit der Neuverfilmung eine kinderfreundliche Version des Action-Thrillers. Die Wesen aus dem Zauberwald und die Räuberbande begegnen sich, als ihr Räuberchef, Schneewittchens Schwarm Jonathan, von den Kriegern der Königin im Wald angegriffen und verletzt wird. Sie verarzten ihn und feiern danach gemeinsam. Die Rolle des kleinwüchsigen Räubers ist entscheidend für die Handlung. Zum einen ist neben dem Chef Jonathan, der sich in Schneewittchen verliebt, er der einzige Räuber, der am Ende des Films eine Romanze beginnt, die während des Films schon angedeutet wird. Zum anderen rettet er Schneewittchen das Leben, als sie der bösen Königin entgegentritt. Damit bekommen Kleinwüchsige hier gezielt eine Persönlichkeit, statt als Witzfigur herhalten zu müssen. Und besonders wichtig: Ein Räuber ist keine Märchenfigur, sondern eine reale Person. Damit differenziert Disney gezielt zwischen magischen Kreaturen und kleinwüchsigen Menschen.

Unterschiedliche Sichtweisen auf die „Zwerge“ von Kleinwüchsigen in Deutschland und den USA

Im deutschsprachigen Raum erhielt Peter Dinklages Kritik, kleinwüchsige Schauspieler*innen erneut nur als „Zwerge“ in einem Märchenfilm darzustellen, innerhalb der Community und Selbstvertretung kleinwüchsiger Menschen sehr viel Zustimmung, mir inklusive. In Deutschland bin ich mit sämtlichen Realverfilmungen von Schneewittchen aufgewachsen und sehe fast nur hier kleinwüchsige Schauspieler*innen. Darüber habe ich auch mit Michel Arriens, der im Vorstand des BKMF e.V., der Selbstvertretung kleinwüchsiger Menschen in Deutschland, gesprochen. „Die aktuelle Diskussion zeigt, dass es gut und notwendig ist, darüber zu sprechen. In erster Linie mit Betroffenen und nicht, wie häufig, über sie.“, betonte Michel Arriens, Pressesprecher des BKMF e.V. 

Die deutsche Medienlandschaft glänzte hier in den letzten Wochen mit kompletter Ignoranz. Normgroße Personen, die überwiegend in den Medien arbeiten, fühlten sich angegriffen, dass „Zwerge“ nicht mehr „Zwerge“ sein dürfen und verachteten die Animationen der Wesen in Disneys Realverfilmung gar als „linken Kulturkampf“. Nur eine Redakteurin des Focus schrieb einen Artikel, wie sie mit ihrer Tochter den Film im Kino anschaute und ihre Tochter die Animationen überhaupt nicht infrage stellte. Die Zielgruppe des Filmes, Kinder, achteten vielmehr auf andere Details, wie etwa Schneewittchens ikonisches Kleid. Was Kleinwüchsige darüber zu sagen haben, griff kein einziges Medium auf. 

Ganz anders sehen die Berichte aus dem US-amerikanischen Raum auf. Hier sprachen manche Zeitungen mit Kleinwüchsigen, was sie von den Animationen der Wesen halten. Die Influencerin und Behindertenaktivistin Fats Timbo kritisert den Einsatz der Animationstechnik statt kleinwüchsige Schauspieler zu wählen stark. Ebenso kritisiert sie, dass die „Zwerge“ sogar aus dem Titel des Films komplett gestrichen wurden. „Unsere Repräsentation ist bereits sehr gering. Durch CGI-Animation zu suggerieren, dass wir wie mystische Wesen sind, die an einem Computer animiert werden können, macht uns komplett unsichtbar.“, erklärt Fats Timbo im Interview mit Sky News. Ebenso stützt ihrer Meinung nach der Einsatz der Animationen die Stereotype gegenüber kleinwüchsigen Menschen bei Kindern, die ihren ihrem Alltag eher selten auf Kleinwüchsige treffen. Daraufhin beschrieb sie, wie Kinder über sie lachen. „Ich denke, wenn niemand einen kleinwüchsigen Menschen sieht, denken sie nicht, dass diese wirklich existieren. Sie sehen eine CGI Version bei Schneewittchen, statt eine reale kleinwüchsige Person mit einem richtigen Charakter und Tiefe.“, beschreibt Fats Timbo. Sie selbst ist kein Fan der englischsprachigen, medizinischen Bezeichung „dwarfism“ für Kleinwuchs. Daher wäre ihr Vorschlag für den Filmtitel „Schneewittchen und die Kleinwüchsigen“ (auf Englisch: „Snow White And The Little People“) gewesen.

In der UK Glamour verstrickt sich Fats Timbo allerdings auch selbst in gegensätzliche Aussagen, als sie ausdrücklich betont, dass Kleinwüchsige keine magischen Kreaturen oder „Zwerg*innen“ sind, sondern Menschen. Für beide wird im Englischen das gleiche Wort genutzt. In einem Punkt sind sich Kleinwüchsige in den USA und Deutschland dann doch einig: Wir brauchen neue Erzählungen über Kleinwüchsige in den Medien.

Proteste von kleinwüchsigen Schauspieler*innen gegen animierte magische Kreaturen

Weiteren Protest gab es von kleinwüchsigen Schauspieler*innen selbst. Laut DailyMail reisten weltweit in der Premiere-Woche des Filmes kleinwüchsige Schauspieler*innen nach Kalifornien an, um vor den Disney Studios gegen die animierten Zwerge zu demonstrieren. Sie fühlen sich um sieben Chancen für kleinwüchsige Schauspieler*innen betrogen, um neben Rachel Zegler als Schneewittchen und Gal Gaot als böse Königin auf dem roten Teppich einen Starauftritt zu bekommen. Damit gehe wichtige Repräsentation und nicht zuletzt insbesondere Schauspiel*innenrollen für Kleinwüchsige verloren. Der kleinwüchsige Schauspieler Matt McCarthy betonte, dass es sein Lebenstraum war, Dopey zu spielen. Diese Möglichkeit bleibt ihm nun verwehrt. 

Ebenso gab es Kritik an Peter Dinklages      Äußerungen, die als Grund für die Animationen gesehen werden. Hierzu ist wichtig anzumerken, dass Peter Dinklage wohl der bekannteste kleinwüchsige Schauspieler weltweit ist. Seine Rolle als Lannister Tyrion in der Fantasy-Saga „Game of Thrones“ machte ihn berühmt und zum Publikumsliebling. Dinklage erhält inzwischen auch zahlreiche Rollen, die nichts mit seinem Kleinwuchs zu tun haben und kann mitbestimmen, was er darstellen möchte. Dieses Privileg haben die meisten kleinwüchsigen Schauspieler*inne jedoch nicht. Daher ist die Hoffnung, durch eine Rolle bei Disneys Schneewittchen vielleicht den großen Durchbruch zu schaffen, sehr verständlich. In Deutschland ist die Situation ähnlich. „Wir haben Christine Urspruch als bekannte Persönlichkeit im deutschen Fernsehen, dann endet die Liste bereits. Wir brauchen eine vielfältige und vielschichtige Darstellung von kleinwüchsigen Menschen in den Medien. Ebenso mehr Mut und Kreativität von Filmschaffenden in Rollen zu denken, die der Realität von kleinwüchsigen Menschen entsprechen“, erläutert Michel Arriens, Pressesprecher des BKMF e.V.. 

Ich habe vor Freude geweint, diesmal keine Kleinwüchsigen als „Zwerge“ sehen zu müssen und fühlte mich endlich als Mensch, statt als Märchenfigur wahrgenommen.


Darstellung behinderter Menschen in Märchen hat eine Geschichte

Die kontroverse Diskussion zeigt, wie schwierig die Debatte auch unter Kleinwüchsigen ist. Ich habe vor Freude geweint, diesmal keine Kleinwüchsigen als „Zwerge“ sehen zu müssen und fühlte mich endlich als Mensch, statt als Märchenfigur wahrgenommen. Dies empfinde ich als Empowerment. Und es ist möglich, Kindern zu erklären, dass es Unterschiede zwischen Menschen und magischen Kreaturen gibt. Möglicherweise hat die Entmenschlichung von Kleinwüchsigen durch ihre Darstellung in Schneewittchen als deutsches Märchen tief reichende Spuren in der deutschsprachigen Kultur hinterlassen. So nutzen deutschsprachige Kleinwüchsige etwa den Begriff „dwarf“ im Gegensatz zum englischsprachigen Raum nicht als Selbstbezeichnung, da sie ihn zurecht als tiefgreifende Beleidigung begreifen. 

Unter Kleinwüchsigen im deutschsprachigen Raum ist das Märchen „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ besonders verhasst, weil daraus sehr viele Stereotype und die diskriminierende Bezeichnung eines*r Kleinwüchsigen als „Zwerg*in“ hervorgegangen sind. Ein weiteres Beispiel ist das Buch „Gullivers Reisen“ mit dem Ausdruck der*s „Liliputaner*in“. Kleinwüchsige Menschen werden in beiden als isoliertes Bergvolk oder als sehr kämpferisch dargestellt. Solche Darstellungen übertragen Kinder auch auf kleinwüchsige Menschen im realen Leben. Umso unangenehmer wurden für mich, je älter ich selbst wurde, Gruppen von Kindern, die mich wie eine Märchenfigur aus ihrem Lieblingsfilm anstarrten. Aber auch in der medizinischen Sprache haben sich derartige Ausdrücke etabliert. Der englischsprachige medizinische Fachbegriff für Kleinwuchs ist „dwarfism“. Dwarf (auf Deutsch „Zwerg“) wird gerade im US-amerikanischen Raum als Selbstbezeichnung verwendet, aber auch hier gibt es inzwischen einen Sprachwandel unter kleinwüchsigen Menschen. 

Als ich in meinem Geschichtsstudium in Italien in einem Seminar auf die Darstellung einer kleinwüchsigen Person in einer sogenannten Wunderkammer (dem Vorgänger des modernen Museums) hinwies, fing ein Kommilitone mit mir eine Diskussion an, dass „nano“ (auf Deutsch „Zwerg“) der italienische Fachbegriff sei. Tatsächlich bezeichnen sich Kleinwüchsige in Italien aber auch lieber als „kleine Person“ oder „Person mit niedrigerer Statur“. Phrasen, die sich im englischsprachigen Raum ebenso etabliert haben. Die internationale Verbindung, Kleinwüchsige mit Märchen zu Verbindung zu bringen, deutet auf eine lange kulturelle Tradition hin, Kleinwuchs wohl in diese Richtung zu deuten. Dabei blieb es dann und setzte sich auf herablassende Weise im Mittelalter Europas beispielsweise durch die sogenannten „Hofzwerge“ weiter fort. Aus Neugierde habe ich die verschiedenen Übersetzungen des Artikels zu „Kleinwuchs“ angeschaut und festgestellt, dass jede Sprache, die ich identifizieren konnte, von „Zwergenwuchs“ sprach. Kleinwüchsige mit Märchen in Verbindung zu bringen, ist also in den meisten europäischen Sprachen kulturell tief verankert. Scheinbar haben deutschsprachige Kleinwüchsige hier schon einen enormen Erfolg gegen diskriminierende Sprache erreicht, da ich inzwischen kaum mehr Ausdrücke wie „Zwerg*in“ oder „Liliputaner*in“ lese. Sollte dieser doch genutzt werden, wie bei einem Nachruf in der Süddeutschen über den kleinwüchsigen Schauspieler Michu Meszaros im Jahr 2016, bekommen Protestaktionen wie damals der Hashtag #KeinZwerg viel Solidarität von Nichtbehinderten und auch mediale Aufmerksamkeit.

Wie wäre es denn beim nächsten Mal mit einem kleinwüchsigen Schneewittchen?


Märchen neu interpretieren – auch antiableistisch

Als Kind habe ich mir manchmal auf einer Videokassette die Zeichentrickverfilmung von „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ angesehen. Dabei identifizierte ich mich selbst vielmehr mit Schneewittchen, als den Zwergen. Ironischerweise fand ich die Zwerge auch irgendwie süß, stellte aber keinen Zusammenhang mit meinem Kleinwuchs her. Bis ich als Jugendliche im Alltag erstmals mit ableistischen Stereotypen konfrontiert wurde, die eindeutig auf Märchen zurückzuführen sind. Ich stand an der Bushaltestelle und wartete auf meinen Schulbus, als sich plötzlich viele Kinder um mich drängten. Ein Junge mobbte die Kinder. Aber er hatte Angst vor mir, weil er dachte, er würde nicht mehr wachsen, wenn er mir zu nahe käme, erklärten mir die Kinder und lachten über die merkwürdige Einstellung des Jungen. Einerseits musste ich selbst lachen, weil ich mich nach einigen Mobbingerfahrungen in meiner Schulzeit aufgrund meiner Behinderung plötzlich in einer Machtposition wiederfand. Andererseits zeigt es auf bittere Weise, welche Zuschreibungen Märchen und dergleichen bei Kindern über behinderte Menschen bewirken. 

Der Film wurde gleich zu Beginn in den meisten Zeitungsartikeln regelrecht zerrissen. Kritik gab es hier auch an den animierten Kreaturen. Allerdings nicht, da die Repräsentation Kleinwüchsiger fehlen würde, sondern Nichtbehinderte dies als Angriff auf die herkömmliche Erzählung des Märchens betrachteten. Interessant finde ich daran, dass es bereits 2004 mit „7 Zwerge – Männer alleine im Wald“ eine Comedy-Version zu Schneewittchen gab und hier die „Zwerge“ auch nicht kleinwüchsig waren. Der Film wurde ein großer Erfolg. Niemand fragte hier, wo die Repräsentation Kleinwüchsiger wäre. Das zeigt vielmehr, wie Nichtbehinderte die Deutungshoheit über Kleinwüchsige behalten wollen, um sie weiter zu diskriminieren. In Zeiten der Angriffe gegen jeglichen Fortschritt in der vielfaltigen Darstellung in Filmen seitens Rechts sehr denkwürdig. Tatsächlich änderte sich die Erzählweise von Disneys Schneewittchen aber nicht grundlegend. Die Böse Königin verwandelt sich immer noch in eine alte hässliche und gebrechliche Frau, die Schneewittchen töten will. Das Böse mit Gebrechen und Hässlichkeit gleichzusetzen, ist auch eine tief verankerte, ableistische Erzählweise. 

Das Casting von Schneewittchen könnte bei der Repräsentation von Kleinwüchsigen ein Ansatz sein. Rachel Zegler wurde als Latina im Sinne des „Color-Blind-Casting“ ausgewählt. Dies bedeutet, dass Filmrollen gezielt nicht nach der ethnischen Zugehörigkeit besetzt werden. Auch der Jäger, der Schneewittchen töten sollte, ist ein Schwarzer Schauspieler. People of Color und Schwarze Menschen Charaktere in einem Märchen zu geben, das sonst nur weiße Schauspieler*innen vorsah, sorgt für mehr Repräsentation und Sichtbarkeit. Für Kleinwüchsige ist dies ebenso notwendig. Wie wäre es denn beim nächsten Mal mit einem kleinwüchsigen Schneewittchen? Darin hätte ich mich als Kind wiedergefunden. Noch wichtiger ist, neue Geschichten zu schreiben. Als feministisches Märchen fällt mir „Damsel“ ein, in dem sich die Prinzessin vor dem Prinzen retten muss. Ich bin gespannt, welche neuen Märchen uns über die Lebenswelten behinderter Menschen einfallen.

Das waren starke Zeilen? Dann gerne teilen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert