Menschen mit Behinderung haben es schwer, die große Liebe zu finden – so lautet das Klischee. Vox möchte mit der neuen Dating-Doku “Besonders verliebt” helfen, Menschen mit Behinderung zu verkuppeln. Dabei bedient man sich jedoch alt bekannten Stigmata. Jonas Karpa hat sich die erste Folge angeschaut.
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In diesem Artikel geht es um die Fernsehsendung „Besonders verliebt“. Sie läuft bei VOX.
In der Sendung haben Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, andere Menschen kennen zu lernen und sich zu verlieben.
Unser Autor kritisiert, dass in der Sendung nur Menschen mit Behinderung teilnehmen.
Unser Autor sagt, dass der Eindruck entsteht, die Liebe von Menschen mit Behinderung sei etwas besonderes.
Unser Autor findet, dass es mehr um die Neugier der Zuschauerinnen und Zuschauer geht, als darum, dass die Menschen mit Behinderung ihre Liebe finden.
Unser Autor würde sich wünschen, dass Menschen mit Behinderung in allen Fernsehsendungen auftauchen und es keine extra Sendungen für Menschen mit Behinderung gibt.
Nachdem in Deutschland schon Bauern ihre große Liebe suchten und Schwiegertöchter zusammengebracht werden sollten, werden nun in der neuen Vox-Reihe “Besonders verliebt” Menschen mit Behinderung verkuppelt. Die Adaption des britischen Vorbildes “The Undateables” möchte vier Menschen mit Behinderung helfen, Partnerinnen und Partner fürs Leben zu finden. In der Suche nach Gemeinsamkeiten von Protagonist*innen und ihren Dates liegt die angebliche “Besonderheit”. Die Behinderung der Teilnehmenden steht im Fokus und so ist ein exkludierendes Format entstanden.
Gewiss ist der deutsche Titel “Besonders verliebt” nicht so despektierlich wie das britische Original “The Undateables”, jedoch wird so schon von der ersten Minute an der Eindruck erweckt, Menschen mit Behinderung seien etwas “Besonderes”, oder ihre Liebe etwas Außergewöhnliches. Etwas, was sich nicht-behinderte Menschen nicht vorstellen können und wobei Betroffene Hilfe benötigen.
In der ersten Folge geht es um Samira (22), Igor (27), Miriam (34) und Tobias (24), die alle entweder noch nie, oder zumindest ein sehr lange zurückliegendes Date hatten und sich eine Beziehung wünschen. In den wechselnden Porträts wird deutlich, dass die Behinderung der vier Protagonistinnen und Protagonisten elementarer Bestandteil der Sendung ist, bzw. sein soll. Neben der genauen Diagnose wird praktisch keine Situation ausgelassen, einen Bezug zur Behinderung zu ziehen. Die Mutter von Samira bezeichnet ihre Tochter rückblickend als “Sorgenkind” der Familie, während die Eigenständigkeit von Tobias hervorgehoben wird, was ein positiver Effekt beim Dating mit Behinderung sein könne. Auffällig ist auch, dass durch die Off-Sprecherin, aber auch insbesondere durch die Familie und Freunde, mehr über die betroffenen Personen gesprochen wird, statt dass sie selbst zu Wort kommen.
Es ist eine bekannte Erzählweise von Datingshows im Fernsehen, dass durch Sprecherinnen und Sprecher eine Ebene “von oben herab” geschaffen wird. Das wirkt aber – gerade weil der Anspruch der Sendung ja eigentlich sein könnte, Menschen mit Behinderung zu empowern – fehl am Platz. Besonders skurril werden dann Situationen, in denen die Eltern in Anwesenheit ihres erwachsenen Kindes über die Behinderung, die Beeinträchtigungen im Alltag oder gar das Flirt-Verhalten ihrer Sprösslinge sprechen. Es wird von Grund auf und durch das familiäre Umfeld der Eindruck erweckt, dass die vier erwachsenen Menschen mit Behinderung hilfsbedürftig, unselbständig und in ihrer Art etwas besonders seien. Unterstrichen wird dies durch die Tatsache, dass drei der vier noch zu Hause wohnen und zwei von ihnen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung – also nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – arbeiten.
Menschen mit Behinderung nicht in Sonderwelten abschieben
Doch niemand fragt, warum Menschen mit Behinderung in diese “Sonderrolle” geraten sind. Die Tatsache, dass dies durch die Gesellschaft, durch Barrieren und Diskriminierung geschieht, scheint keine Rolle zu spielen. Stattdessen bekommen die vier Teilnehmenden tatkräftige Unterstützung von einem Team aus Expertinnen und Experten. Eine Sexualpädagogin betont zum Beispiel, dass der “Pool an Auswahl für Menschen mit Beeinträchtigung deutlich kleiner” sei, während André von der Plattform “Handicap-Love” für Menschen mit Behinderung die “Chancen erhöhen möchte, gesehen zu werden”.
Hier wird der große Denkfehler der Kuppelshow deutlich. Während die vier Menschen mit Behinderung auf der einen Seite klischeehaft porträtiert werden und ihre Behinderung sowie ihre angebliche Unfähigkeit, andere Menschen kennen zu lernen, im Fokus stehen, werden weitere Sonderräume und exklusive Plattformen benutzt, um potentielle Partnerinnen und Partner kennen zu lernen. Auch dadurch wirkt die Sendung in Teilen wie eine billige Werbesendung für die Plattform “Handicap-Love”. Dabei ist es nicht nur der Begriff “handicap”, der mit seiner Defizit-orientierten Bedeutung ein falsches Bild von Behinderung abgibt, sondern vielmehr der – vielleicht gut gemeinte – Safe-Space, in dem sich Menschen mit Behinderung “unter ihresgleichen” bewegen können.
In Zeiten von Inklusion und Disability Mainstreaming sollte es allerhöchste Priorität haben, Menschen mit Behinderung eben nicht in Sonderwelten – und dazu zählt eben auch so eine exklusive Dating-Plattform – unterzubringen, sondern sie als gleichberechtigten Teil unserer Gesellschaft zu erleben.
Warum es “First Dates” besser macht
Dies funktioniert aber nur durch Sichtbarkeit. Sichtbarkeit, die nicht durch “Sonderformate” wie “Besonders verliebt” geschaffen wird, wo es ausschließlich um Behinderung geht, sondern in allen anderen Formaten. Warum nicht auch Menschen mit Behinderung in anderen Dating-Shows teilnehmen lassen? Warum als Online-Portal nicht Parship und Co. benutzen? Als positives Beispiel kann man hier mit “First Dates” eine andere Vox-Sendung nennen. Dort nehmen Menschen mit Behinderung selbstverständlich und ohne Ankündigung teil.
Ein Date haben übrigens alle vier in der ersten “Besonders verliebt”-Folge bekommen – nicht alle hatten dabei eine (sichtbare) Behinderung. Das Date wurde ihnen jedoch eher vermittelt, anstatt dass sie selbst etwas Aktives dazu beigetragen haben. Nach der Eingabe ihrer Daten auf der Dating-Plattform und dem Formulieren eines ansprechenden Textes, bekommen sie lediglich das passende “Match” vorgelegt, ohne sich vor dem ersten Treffen austauschen zu können. Ein Blind-Date. Das ist auch bei nicht-behinderten Menschen nicht immer erfolgversprechend.
Exklusion statt inklusivem Miteinander
Das von filmpool entertainment produzierte “Besonders verliebt” hält, was es verspricht. Ein klischeehaftes Bild über Menschen mit Behinderung, die auf Hilfe angewiesen sind und deren Gefühle, deren Liebe anders – etwas ganz besonderes – ist. Es ist ein Bild, das den Voyeurismus fördert und mehr zu Exklusion statt einem gleichberechtigten, inklusiven Miteinander führt. “Besonders verliebt” ist Dating, bei dem es mehr um das erste Aufeinandertreffen und um die peinliche Stille geht, wenn die Kamera dabei ist, anstatt dazu beizutragen, dass Berührungsängste abgebaut werden.
Dieser Artikel ist zuerst im Medienmagazin DWDL (12. Oktober 2021) erschienen.
6 Antworten
Sehr geehrter Herr Karpa,
Zunächst einmal möchte ich Sie beglückwünschen, dass sie innerhalb von 1 Minute nach Ausstrahlung der Sendung bereits ihre Kritik zu der Sendung auf der DWDL Seite veröffentlichen konnten.
Leider hatte ich auf der Seite keine Möglichkeit, mit Ihnen in einen konstruktiven Diskurs über die Sendung und ihre Kritik zu gehen. Umso mehr freut es mich, dass ich es hier kann.
Gerne würde ich Ihre Kritik gemeinsam mit Ihnen durchgehen.
Zugegeben, der Name Besonders Verliebt kann darauf hindeuten, dass es etwas ganz besonderes ist, wenn Menschen mit Behinderung sich verlieben. Man kann es aber auch anders lesen (mit ein wenig Wohlwollen) dass man sich eben ganz besonders in jemanden verliebt. Mir ist natürlich bewusst, dass Sie in ihrer Position dieses Wohlwollen nicht wirklich walten lassen möchten.
Ich bin mir nicht sicher, woraus sie gelesen haben, dass die Behinderung der 4 Protagonist*innen in der Sendung im Vordergrund steht. Denn zunächst wird erst mal erläutert, wer diese 4 Menschen sind und dass sie eben schon lange Single sind (was natürlich bei einer Dating Sendung durchaus von Vorteil ist). Erst dann erzählen alle Singles, über ihrer eigenen Behinderung. Und ja, ich bin damit Ihnen völlig einig, dass die Behinderung nicht im Vordergrund stehen soll. Wobei ich Ihnen allerdings widersprechen möchte ist, dass die Behinderung völlig verschwiegen wird, obwohl sie sichtbar ist. Für mich als Frau mit Behinderung gehört diese selbstverständlich zu meinem Dasein dazu. Sie ist nicht bestimmend aber ich kann und will sie auch nicht ausblenden. Und wenn man die Behinderung zwanghaft versucht weg zu blenden, entsteht aus meiner Sicht etwas Unausgesprochenes. Gerne können wir uns an anderer Stelle darüber unterhalten, wie man dieses Unausgesprochene, nich wie den rosa Elefanten im Raum stehen lassen kann.
Ich weiß nicht, warum bei Ihnen der Eindruck erweckt worden ist, dass Menschen mit Behinderung Unterstützung bei der Partnersuche brauchen. Das Konzept einer Dating Sendung ist es, dass Menschen, die keinen Partner haben sich auf die Partnersuche begeben und dabei unterstützt oder begleitet werden.
Die Sendung „Hochzeit auf den 1. Blick“ verfolgt ein sehr ähnliches Konzept und da kommt man nicht auf die Idee zu sagen, dass es bedürftige Menschen sind die nicht selbst ständig einen Partner finden können, oder?
Ich bin mir nicht sicher, wie aufmerksam sie die Sendung gesehen haben, jedoch habe ich diese Sendung jetzt noch ein paar weitere Male geschaut um tatsächlich Ihrer Kritik folgen zu können. Ich entdecke nicht mehr allzu viele Situationen, in denen die Behinderung der einzelnen Protagonist*innen immer wieder in den Vordergrund gerückt wird. Sie wird einmal benannt und dann war es das. Gerne lasse ich mich aber von Ihnen auch weitere Situationen aufmerksam machen.
Auch möchte ich Sie korrigieren, dass nicht die Mutter von Samira sie als Sorgenkind bezeichnet, sondern Samira selbst das über sich sagt.
Und ja! Sie können sehr gerne hieran ablesen, dass der Abelismus in der Gesellschaft noch so tief verankert ist, dass sogar Menschen mit Behinderung sich vor diesen nicht erwehren können. Aber ich sehe das als ein gesellschaftliches Problem und das können sie wohl kaum der Produktion der Sendung ankreiden. Oder?
Dass die Protagonist*innen in Teilen noch bei ihren Familien wohnen, oder einen sehr engen Bezug zu ihren Familien haben, ist auch etwas, was nur der Lebensrealität der einzelnen Protagonist*innen entspricht.
Und dass es oft eine Eigendynamik in Familien gibt, wo die Eltern für die Kinder sprechen, entspricht leider auch immer noch der Realität. Fänden Sie es richtig, dieses anders darzustellen?
Dass eine Eigenständigkeit von Menschen hervorgehoben wird, ist nicht unbedingt nur auf die Behinderung zu beziehen. Allgemein ist es für die Partnersuche durchaus von Vorteil, wenn man eine gewisse Eigenständigkeit besitzt, da man sich sonst in Abhängigkeiten begibt, die einer Partnerschaft nicht gut tun. Und das ist nicht nur auf körperliche Einschränkungen bezogen!
Natürlich verstehe ich es, dass Sie es in diesem Kontext anders lesen.
Ich kann nicht nachvollziehen, durch welche Sätze Sie eine „von oben herab“ Ebene durch die Off-Sprecherin empfunden haben. Auch hier wäre ich für einige Beispiele dafür dankbar.
Um noch mal auf die Elternsituation zu sprechen zu kommen, es waren von den 4 Protagonist*innen, 2 dabei, die noch in ihrem Elternhaus leben und die (warum auch immer) noch die Unterstützung ihrer Familie bedürfen. Wie hätte ihrer Ansicht nach diese Situation besser dargestellt werden können? Hätten diese Personen nicht für die Sendung ausgewählt werden sollen? Hätten die Eltern nicht zu Wort kommen sollen, obwohl sich das die Protagonistinnen gewünscht haben, dass sie diese auch beim Dating (oder dahin kommen) unterstützen?! Wäre das Inklusiv, nur weil es ein anderes Bild von Menschen mit Behinderung ins TV bringen würde, als es tatsächlich noch der Realität entspricht?! Und auch die Tatsache, dass Tobias in einer Behindertenwerkstatt arbeitet … Wie möchten Sie in einer TV Sendung diesen Umstand umgehen oder darstellen?
Und unumstritten, wir haben große gesellschaftliche Probleme. Aber diese können Sie aus meiner Sicht nicht der Sendung ankreiden, wenn sie einfach nur darstellt, was die Realität ist.
In Bezug auf Sonderwelten kann ich dazu nur sagen, ich arbeite mittlerweile auch sehr viel im Kultur und Theaterbereich. In dem Bereich gibt es mittlerweile zahlreiche inklusive Projekte, die auch die Zugänglichkeit sichtbar machen wie zum Beispiel durch Audiodiskreption oder Gebärdensprach-Übersetzung. Dadurch entsteht beim Zuschauer eine Gewöhnung daran. Eine Gewöhnung, dass Menschen mit Behinderungen auf der Bühne stehen, und dass Menschen mit Behinderungen im Publikum sitzen und das die Teilnahme am kulturellen Leben durch verschiedene Mittel zugänglich gemacht wird. Diese Gewöhnung des Publikums, hilft meiner Meinung nach Barrieren abzubauen. Das war auch der Grund, warum ich bei dieser Sendun mitgemacht habe dDenn es gibt zahlreiche Studien, dass je mehr Menschen mit Behinderung sichtbar gemacht werden (auf Bühnen, im Orchester oder im Handwerk) umso mehr ist die Sonderstellung dieser Menschen mit Behinderung aufgeweicht. Es gab sogar eine Studie, in der Menschen ohne Behinderung, befragt worden sind, ob sie sich vorstellen können einen Menschen mit Behinderung zu Daten. Die Quote der Zusagen ist nach der Ausstrahlung der Paralympics viel höher gewesen.
Ich sehe in einer Dating Show wie Besonders Verliebt (un/Datebels und auch die Netflix Serie „Liebe im Spektrum“) durchaus die Möglichkeit, Menschen mit Behinderung so darzustellen, wie sie tatsächlich sind und auch dem breiten Publikum zu zeigen, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Ängste und Gefühle beim Dating haben, wie Menschen ohne Behinderung auch. Und natürlich ist es bescheuert, dass wir das den Menschen zeigen müssen. Allerdings ist es nun mal die Realität, das immer noch sehr viele Menschen ohne Behinderung kaum Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung haben.
Und selbst wenn es bei einigen nur den Voyeurismus bedient. Der breiten Masse ist es durchaus dienlich, zumindest aus meiner Sicht.
Und ja, ich kann auch ihre Darstellung von Dating Plattformen für Menschen mit Behinderung durchaus folgen. Allerdings verlieren Sie dabei, meiner Meinung nach, den Blick für das einzelne Individuum.
Ich habe durch die Erfahrungen von meinen Klient*inne (als auch durch eigene) auf Dating Seiten für Menschen mit Behinderung und eben auch „ganz normalen“ Dating Seiten. Das Fazit es leider sehr ernüchternd … Menschen mit Behinderungen werden leider immer noch als A sexuelle Wesen wahrgenommen. Sexualität hat oft was mit Vitalität zu tun… Und das wird Menschen mit Behinderung aufgrund von Einschränkungen abgesprochen. (Wir beide wissen, dass das Quatsch ist) Dennoch ist es so, dass die Gesellschaft leider immer noch so denkt und funktioniert. Somit ist der vermeintlich „geschützte Raum“ eines Datingportals, das sich auf Menschen mit Behinderung fokussiert hat, durchaus auch dienlich um erste Erfahrungen in Sachen Dating, Liebe und Sexualität zu machen. Denn auf den anderen Dating Portalen, die nicht spezialisiert sind wird man oft ab dem Moment, wo man die Behinderung bekannt gibt, nicht mehr als attraktiv empfunden. Und wenn man von Anfang an damit offen umgeht, ist das Matching oft meist sehr gering und viele Menschen mit Behinderungen „verkaufen“ sich dann oft unter Wert …
Und warum es “first Dates“ aus meiner Sicht nicht besser macht, ist, dass es zwar immer wieder Menschen mit Behinderung bei first dates gibt, allerdings kommt es da selten (ich glaube, noch nie) zu einem 2. Date … Ist diese Ausgrenzung auf einer sehr persönlichen und individuellen Ebene Inklusiv?
Leider widersprechen Sie sich meiner Meinung nach auch in ihrem letzten Abschnitt, denn zum einen kreiden Sie die ganze Zeit an, dass Filmpool Entertainment, den Menschen mit Behinderung dabei zu sehr beim Dating „hilft“, und dann wiederum beschweren Sie sich darüber, dass beim 1. aufeinandertreffen die peinliche Stille gefilmt wird, (die auch bei allen anderen realen dates entstehen kann) anstatt dabei geholfen wird, Berührungsängste abzubauen… Für mich klingt das nicht sehr kongruent.
Überhaupt finde ich es sehr schade, dass Sie nicht wirklich auf die Bedürfnisse und die Gefühle der einzelnen Protagonist*innen eingegangen sind und auch leider kein Wort zu den verliebten Blicken und den doch sehr glücklichen Lächeln der einzelnen Single nach dem Date gesagt haben.
Allgemein muss ich leider sagen, dass den Anschein macht, als ob Sie die Sendung nicht wirklich gesehen haben.
Somit lade ich Sie herzlich dazu ein, sich genau diese 1. Sendung, auf die sich ihre Kritik bezieht, noch mal genau anzusehen und vielleicht auch mal aus der Perspektive der Protagonist*innen zu fühlen. Und genauso lade ich Sie dazu ein, dann gerne noch mal mit mir darüber einen Diskurs zu führen.
Viele herzliche Grüße
Patrizia Kubanek
Liebe Patrizia Kubanek,
danke für Ihren Beitrag zur Diskussion und die ausführliche Auseinandersetzung mit der TV-Kritik. Ich denke, dass wir in vielen Punkten übereinstimmen, z.B. dass die Inklusion in der Gesellschaft noch nicht so weit vorangeschritten ist, wie wir es gerne hätten. Unser Autor hat die Sendung einerseits aus einer journalistischen, andererseits auch aus der eines behinderten Menschen gesehen. Zu diesem Zweck wurde uns die Sendung schon vor Ausstrahlung von der Vox-Redaktion zur Verfügung gestellt.
Wir als Magazin Die Neue Norm setzen uns kritisch mit dem medialen Bild von behinderten Menschen auseinander und sehen im Fall von “Besonders verliebt” noch Luft nach oben. Unsere Meinung ist natürlich nicht universell und eine vielfältige Diskussion ist uns wichtig.
Beste Grüße
Judyta Smykowski aus der Redaktion
Richtig so!!!
Sehr geehrter Herr Karpa,
um es vorwegzunehmen, ich erachte Ihre Kritik als eine der Schwächeren und etwas unpassend für das Portal dwdl.de.
Ich bin froh um jeden Senderplatz, der nicht mit einer Sendung mit Knebelverträgen und “wahre” Geschichten der großen Player besetzt wird, denn deren hohe Einschaltquoten und deren mangelnde Hilfe verfestigen und zementieren viel mehr die Klischees, als es Vox mit dem Format “Besonders verliebt” vermag. In der ersten Sendung haben mir die Homestories gefallen, etwa Zamira´s Einblicke in der Kita oder ihr TikTok Engagement. Gerade die Kandidaten haben viel Mut und Kraft bewiesen, sich in der Sendung zu präsentieren.
Der Via Media GmbH mit den Portalen wie christ-sucht-christ.de oder handicap-love.de darf hierbei wohl auch nicht der Vorwurf gemacht werden zu sehr auf die Kriterien oder Selektion die Wahl der Partner zu legen, die Werbebudgets von großen Partnervermittlerungen in Verbindung mit deren Beteiligung an TV Anstalten ist das wesentlich größere Problem für Verzerrungen bei der Suche nach der großen Liebe.
Auch ich warte immer noch auf Shader Programmierer sucht Frau zur Primetime, aber damit wird sich wohl kein erfolgreiches Format machen lassen, gerade nicht zur Primetime. So einen großen Denkfehler finde ich die Sendung deshalb nicht, jedem steht ja frei eine Sendung zu pitchen oder zu produzieren. Ich bin öfters auf Konferenzen zugegen und kann nicht von einer “Normalität” sprechen was die Beteiligung aller Menschen betrifft, es ist noch ein sehr sehr weiter Weg hin zur gelebten Inklusion.
Ich bin selbst Rollstuhlfahrerin und lese regelmäßig mit großem Interesse die Beiträge der Neuen Norm. In Bezug auf „Besonders verliebt“ kann ich eure Standpunkte nur teilweise nachvollziehen. An dem Wording muss vox auf jeden Fall noch arbeiten. allerdings finde ich es schade, dass die Unselbstständigkeit mancher Protagonisten für euch so im Vordergrund zu stehen scheint. Diese resultiert ja aus deren geistiger Behinderung und ich glaube gerade für Menschen mit geistiger Behinderung ist die Kernfamilie wichtigstes unterstützendes System. Die mental fitten Protagonisten, die wir bis jetzt gesehen haben sind auch noch sehr jung und deshalb ist aufgrund ihres Alters es auch nicht so verwunderlich, dass die Eltern da teilweise noch auch etwas erzählen. Wir waren ja alle mal jung und haben alle irgendwann mal angefangen. Natürlich wäre der Idealfall alle Menschen könnten so selbstständig wie möglich agieren und alle Menschen hätten gleiche Chancen. Aber dem ist eben leider nicht so. Auch nicht in Sachen Dating. Und ich denke schon, dass diese Sendung noch mal anders auf Menschen mit Behinderung aufmerksam machen kann und die Zuschauer, die differenzieren können und wollen werden auch bemerken, dass es sehr wohl Unterschiede in der Selbstständigkeit der Protagonisten gibt und das nicht alle Menschen mit Behinderung völlig unselbstständig sind. Zudem ist, glaube ich, immer noch vielen Menschen einfach nicht klar, dass auch Menschen mit Behinderung den Wunsch nach Partnerschaft haben. Darauf macht diese Sendung aufmerksam. Und nicht jedem Menschen – egal ob mit oder ohne Behinderung – begegnet der mögliche Mensch für eine Partnerschaft zufällig auf der Straße. Auch deshalb ist diese Sendung eine Chance, für diejenigen, die es auf diesem Wege probieren möchten. Wenn Menschen mit Behinderung bei Dating-Formaten für alle mitmachen haben sie oft keine Matches. Die Teilnahme von Daniel an der Blinddate-Veranstaltung war ein passendes Beispiel dafür. Vielleicht kann diese Sendung auch dazu beitragen, dass in ein paar Jahren Menschen mit Behinderung in anderen Formaten größere Chancen haben. Wer weiß.
Das Wichtigste an “Besonders verliebt” ist, daß die Semdung überhaupt einen Diskurs in Gang setzt und das Thema Liebe/Dating mit Behinderung in den Blickpunkt und lobenswerter Weise sogar in die Prime Time rückt. Natürlich können 3 Folgen schwerlich das gesammte Spektrum des diversen Themas abbilden und deshalb bedauere ich sehr , daß die Staffel bgerreits nach 3 Folgen wieder vorbei ist.
Die Darstellumg der Protagonistinnen finde ich im großen und ganzen gelungen. Sie werden natürlich nicht als das wünschenswerte Ideal eines emanzipirten und sich selbst inkludierenden behinderten Menschen dargestellt, der sich mühelos in der Datingwelt, sowohl mit anderen behinderten. als auch nichtbehinderten Menschen verabreden kann und dabei allzeit eine souveräne Figur macht. Er wird wie ich finde an der persönlichen bzw. gesellschaftlichen Stelle abgeholt an der er sich bei den Dreh-Arbeiten eben befand und das finde ich auch richtig so.
Das Argument, daß Behinderte hier in einer Parallelwelt dargestellt werden ist für mich nicht nachvollziehbar. Bauern, Schwiegertöchter und Co haben schon längst ihre eigene Datingsendung im TV und wenn Behinderte nun ebenfalls ihr eigenes Format bekommen zeigt das für mich eher einen gleichberechtigten Charakter.
Schließlich muß ich noch an den unerfahrenen behinderten Jungen im Alter von 14 Jahren denken der ich einst selbst gewesen bin. Eine Sendung wie diese hätte mir mit Sicherheit Mut gemacht, denn positive Vorbilder in Sachen Liebe wie bei “besonders verliebt” gab es damals in meinem Umfeld nicht. Die Botschaft “ja, auch Du kannst es schaffen” ist auch heute mit Sicherheit noch unglaublich wichtig und kann viele behinderte jugendiche positiv beinflussen.
Fazit: Luft nach oben hat die Sendung sicherlich, aber sie ist ganz sicher kein Gegenteil von Inklussion und wird hier von einigen Rezesnsenten m.E. zu negativ dargestellt. In meinen Augen ist sie ein positiver Mosaikstein hin zu mehr Verständnis und Normalität und ich würde dem Format noch 10.000 Sendungen mit 10.000 verschiedenen Behinderungsformen wünschen. welche das breite Spektrum Behinderung und Dating noch genauer ausleuchtet.