Praktikant*innenbesuch beim Sozialhelden e.V.! Drei Wochen lang waren Mara, Moritz, Noyan und Jon bei uns zu Gast und bekamen einen exklusiven Einblick in unsere Projektarbeit. Wir sprachen mit den Schüler*innen mit und ohne Behinderung über Inklusion in der Schule, ihre Träume und fragten, wer sich für sie einsetzt.
Erwartungsvoll setzt Noyan die Kopfhörer auf – dann spricht er in das Mikrofon. Seine Augen werden groß. Zu ungewohnt ist es, seine eigene Stimme so direkt und klar über die Kopfhörer zu hören. Danach: Jingle ab! Die Neue Norm, der Podcast. „Ey Moritz, die Bayern haben Leverkusen aus der Champions League geschossen. Was sagst‘n dazu?“, lautet die erste Frage. Natürlich, es muss nicht immer gleich um Inklusion und Barrierefreiheit gehen in so einem Gespräch. Das machen wir in unserem Bayern 2 Podcast schon zu genüge. Plötzlich abrupter Themenwechsel. Jetzt geht es um Politik: die zurückliegende Bundestagswahl, der Krieg gegen die Ukraine, Trump und Co. Es sind Themen, mit denen sich Noyan gerne beschäftigt. „Politik und die Zusammenarbeit mit Menschen sind meine Stärken“, sagt er. Es sind auch Themen, in denen es spannend ist, auch mal andere Perspektiven zu hören. Schüler*innen, Menschen mit Behinderung oder gar Schüler*innen mit Behinderung.
Inklusion, da sind sich alle im Raum einig, ist wichtig. Insbesondere auch in Schulen. Legen sie doch die Grundstein für ein gemeinschaftliches Lernen und Leben ohne Sondereinrichtungen. Je nach Schulform und Unterstützung scheint der weitere Lebensweg oftmals vorgezeichnet. Noyan berichtet, dass seine Regelschule sehr groß sei, es zwar einen Aufzug gäbe für Schüler*innen, die in der Mobilität eingeschränkt seien, dieser aber weit entfernt sei. „Der Weg dahin ist lang“, sagt er. Gerade was bauliche Barrierefreiheit angeht, stellen wir fest, dass Schulen, die auf sogenannte „besondere Förderung“ ausgelegt seien, hier besser aufgestellt sind. Mara und Moritz berichten von Rampen und sich elektrisch öffnenden Türen und auch Jons Schule für Körperbehinderung sei barrierefrei. Aber fördern sie auch eine gleichberechtigte Teilhabe?

Auf der Regelschule von Noyan scheint der Weg klar zu sein: Klassenlehrer*innen führen im Rahmen der Berufsvorbereitung Pflichtgespräche über die Zukunft, es gäbe Besuche von Firmen und man könne dadurch einen Einblick bekommen, „was es für Möglichkeiten gibt“, erklärt Noyan. Sein Ziel sei es, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten.
Davon schien Moritz lange Zeit weit entfernt gewesen zu sein. „Mir wurde von der Agentur für Arbeit empfohlen, lebenslang in einer Werkstatt zu arbeiten. Meine Lehrer*innen und meine Mutter haben sich dafür eingesetzt, dass dieser Status aberkannt wird. auch meine alte Schule hat uns immer nur die Werkstatt nahegelegt. In meiner neuen Schule habe ich neue Perspektiven“, so Moritz und berichtet weiter: „‚Wenn man nicht den Hosenknopf öffnen kann, dann braucht man auch nicht bis eine Million rechnen.‘ wurde mir auf der alten Schule gesagt.“ Rumms! Das hat gesessen. Allgemeine Fassungslosigkeit trifft den Raum. Wie kann man sowas bloß sagen? „Man sollte sich erst einmal mehr Gedanken über die Person machen, bevor man ihr empfiehlt, in die Werkstatt zu gehen“, sagt Moritz und erntet breites Kopfnicken.
Um diesem System zu entkommen, benötigt man Unterstützung, sei es von Lehrer*innen oder den Eltern. „Meine Lehrerin setzt sich für mich ein und hat mir geholfen, einen Praktikumsplatz zu bekommen“, erzählt Mara. Jon ergänzt: „Ich wurde bei der Wahl des Praktikumsplatzes von meinen Eltern unterstützt. Meine Lehrerin wollte, dass ich mein Praktikum in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung mache.“ Es braucht also Personen, die, vermeintlich in Beton gegossene Entscheidungen, auch mal hinterfragen und über andere Systeme Bescheid wissen.

So blockieren Eltern und Lehrkräfte die Inklusion behinderter Kinder
Inklusion an Schulen kann nicht funktionieren? Kann sie doch! Bislang fehlt oft die Bereitschaft, sie umzusetzen und damit das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderung einzuhalten. Raúl Krauthausen zeigt auf, wo sich dringend etwas ändern muss und nimmt Schulen, Eltern und Lehrer*innen in die Pflicht.
„Die Schüler*innen auf der alten Schule wissen gar nicht, was es für Alternativen gibt“, glaubt Moritz. Auch bei ihm habe es lange gedauert, bis er gemerkt hat, dass er auf der alten Schule nichts lernen würde. Durch den Schulwechsel habe er nun in der 10. Klasse sein erstes Notenzeugnis bekommen. „Es ist sehr gut gewesen“, strahlt Moritz.
Ein Zeugnis, was Perspektiven schafft und Türen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt öffnen könnte. Er könne Menschen begeistern, sagt Moritz, daher möchte er etwas mit Menschen machen. Auch Jon hat einige Ideen, was seine Berufswahl angeht: „Ich möchte gerne in einer Kita arbeiten. Oder beim Radio. Oder im Büro. Ich schreibe gerne.“ Das Jon gerne schreibt, zeigt er in seinem Text über Zukunft und Träume:
Ich bin Jon und 16 Jahre alt.
Ich denke viel über meine Zukunft nach.
Ich denke über meine Wünsche nach.
Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre in Ghana.
In Ghana ist es warm und die Sonne scheint.
Ich sitze dann unter einem großen Baum.
Ich halte eine saftige Mango in der Hand.
Wenn ich das träume, fühlt es sich an, als wäre ich wirklich dort.
Ich bin dann in einem anderen Land und einer anderen Kultur.
Ich war schon einmal in Ghana.
Das habe ich mich wohl gefühlt.
Ich habe einen Traum.
Jeden Sonntag singe ich beim sunshine power kids Chor.
Jetzt wollen wir ein Chor-Wochenende machen.
Da möchte ich dabei sein.
Ich möchte mit allen singen, lachen und üben.
Am Abend soll es eine Party geben.
Auf der Party wollen wir coole Musik spielen.
Musik ist mir sehr wichtig.
Musik bringt Menschen zusammen und macht besondere Momente.
Ich interessiere mich auch für Filmbeiträge.
Ich würde gern bei einem Fernsehsender arbeiten.
Zum Beispiel beim NDR.
Für das Hamburg Journal.
Dort möchte ich Filme schneiden.
Beim Filme schneiden kann man Geschichten erzählen.
Man kann damit Gefühle zeigen und Informationen spannend machen.
Ich möchte auch besser schreiben lernen.
Ich möchte spannende Texte schreiben, die die Zuschauer interessieren.
Ein Traum von mir ist das Leben auf dem Land.
Ich möchte nicht in der Stadt leben.
Ich träume von einem Haus auf dem Land.
Dort soll es ruhig sein.
Ich möchte dort in der Natur sein und frische Luft atmen.
Ich stelle mir vor, wie ich dort nachdenke, kreativ bin und Musik mache.
Ich habe doch viele Träume.
Einige Träume sind groß.
Andere Träume sind nah an der Wirklichkeit.
Eine Antwort
Zu dem “Hosenknopf” habe ich auch so ein Erlebnis: Bei der Einschulungsuntersuchung im Gesundheitsamt Pankow sagte mir die Ärztin: “Sie sind Ingenieurin – das wird ihre Tochter nie”. Später in der Grundschule wurde ihr die Matheeinzelförderung versagt aufgrund des leider immer noch (beim sibuz) verwendeten “Intelligenzdiskrepanzkriteriums”, was besagt, dass nur gute Schüler mit Matheproblem die Förderung bekommen, nicht Schüler, die insgesamt schlechter sind. Dazu gibt es von 2021 einen Artikel der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik” von Prof. Dr. Michael Gaidoschek u. Prof. Dr Elisabeth Moser, in dem klar gesagt wird, dass von der Verwendung dieses Kriteriums “abzusehen ist”. Meine Tochter ist dann mathematisch bis zur 10. Klasse mitgeschleift worden. Vielleicht können Sie mehr über dieses “Intelligenzdis….berichten damit durch die Öffentlichkeit Druck auf die Schulämter entsteht, dieses endlich abzuschaffen. Der wahre Grund ist wahrscheinlich, dass die Förderung Geld kostet.