Mut zu Trauer und Tränen: Humanität und Solidarität siegen

Das Logo von Die Neue Norm auf rotem Grund. Rechts steht: Die neue Kolumne. Unten steht: Von Franz-Josef Hanke.
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Manchmal muss ich weinen. Inzwischen schäme ich mich nicht mehr dafür.
Je älter ich werde, desto näher bin ich am Wasser gebaut. Als Kind sagte man mir immer: “Ein deutscher Mann weint nicht”. Deshalb habe ich vieles runtergeschluckt.
Dann hörte ich irgendwann das Lied “Ansprache an meinen Sohn” von Knut Kiesewetter. Daraufhin musste ich heftig losheulen. In diesem Lied beschrieb Kiesewetter genau die “Schrebersche Erziehung”, die ich als Kind und Jugendlicher erlebt hatte.
Seither schäme ich mich meiner Tränen nicht mehr. Tränen sind Kristalle direkt aus der Seele. Weinen ist die offene Schleuse zwischen tiefem Gefühl und Mitmenschlichkeit.
Als ich von den erschütternden Zuständen im norditalienischen Bergamo hörte, habe ich heftig losgeflennt. Als ich hörte, dass Kliniken in Deutschland Corona-Patienten aus Italien und Frankreich aufnehmen, habe ich geweint vor Erleichterung. Als ich von der gigantischen Solidarität vieler Menschen erfuhr, weinte ich vor Rührung.
Wenn ich dem Pianisten Igor Levitt zuhöre, kommen mir auch oft die Tränen. Jeden Abend um 19 Uhr streamt er aus seinem Wohnzimmer ein kostenloses Konzert in die Welt hinaus. Viele andere Kulturschaffende tun es ihm gleich, obwohl sie wegen ausfallender Einnahmen um ihre materielle Existenz bangen.
Leider muss ich meine Tränen vor meiner Mitbewohnerin verbergen. Wenn sie Tränen in meinen Augen sieht, bekommt sie Angst um mich. Sie leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und bedarf meiner Solidarität.
In Zeiten wie diesen müssen wir alle uns neu ausrichten: Solidarität ist wichtiger denn je. Mitgefühl – nicht bevormundendes Mitleid – kann viele über schwierige Lebenslagen hinwegtragen.
Alle Menschen haben das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So verlangt es zu Recht das gute alte Grundgesetz, das inzwischen auch schon das Alter der “Risikogruppen” erreicht hat.
Aber es gibt keine “Risikopersonen”. Das hat meine einstige Schulkameradin Sigrid Arnade richtig festgestellt. Das “Risiko”, dem die Menschheit im Zeichen der Pandemie vor allem ausgesetzt ist, ist die neoliberale Gier, die Gesundheit zur “Ware” und Menschen zum “Kostenfaktor” erklärt hat.
Gemeinsam können wir alle schon bald eine neue Welt aufbauen. Die Zukunft wird inklusiv und solidarisch, einfühlsam und gerecht werden müssen. Dabei sind Eure Ideen gefragt, auf die ich mich jetzt schon freue, mit einer kleinen Freudenträne im Auge.

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