In einem Artikel auf der Webseite des Deutschen Behindertensportverbandes aus dem Jahr 2021 wird darauf hingewiesen, dass mehr als jeder zweite Mensch mit Behinderung bei einer Umfrage angegeben hat, keiner sportlichen Aktivität im Alltag nachzugehen. “Waren es im zweiten Teilhabebericht noch 46 Prozent, sind es diesmal 55 Prozent. Da die veröffentlichten Zahlen von 2017 datieren, schlagen die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch gar nicht zu Buche.”
Besonders zwei Faktoren sehe ich als entscheidend für diese Statistik. Erstens die mangelnde Barrierefreiheit von Sportstätten und zweitens das mangelnde Angebot. Vor allem der zweite Punkt stellt ein Problem dar. Zum Beispiel bietet der Deutsche Rollstuhlsportverband (DRS) 34 Rollstuhlsportarten an. Sucht man dann nach einem Verein für jede Sportart fällt bei Nachfragen bei den Fachbereichsleiter*innen auf, dass nicht jede Sportart in jeder Stadt angeboten wird und dass man teilweise lange Wege mit dem ÖPNV zurücklegen muss, um an einem inklusiven Sportangebot teilnehmen zu können. Häufig gibt es nur einen einzigen Verein in einer Stadt, der eine bestimmte Rollstuhlsportart anbietet. Die Teilnahme an diesem Sportangebot ist nicht für jede Person mit einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderung möglich. Manchmal kostet es jemanden einfach zu viel Energie um zu einem Sportangebot hinzufahren, dort mit anderen Sport zu machen und sich dann wieder auf den Weg nach Hause zu machen. Zu der Veranschaulichung dieser Problematik verweise ich hier auf einen Text des VdK über die sogenannte Löffel-Theorie. Manchmal fehlt vielleicht auch die nötige Unterstützung durch Assistenzen oder Fahrdienste, um sich auf den Weg zu dem Sportkurs machen zu können.
Deswegen sind wohnortnahe inklusive Breitensportangebote wichtig. Doch leider werden diese noch viel zu selten angeboten, weil Sportvereine Berührungsängste haben. Inklusiver Sport ist ein Menschenrecht und in der UN BRK festgeschrieben. Manche Sportvereine haben Bedenken, wenn sie inklusive Sportkurse anbieten, dass die Teilnehmer*innen ohne Behinderung nicht die volle Leistung geben können und Rücksicht auf Teilnehmer*innen mit Behinderung nehmen müssen. Dass eine Behinderung die Leistung beim gemeinsamen Sport mit Menschen ohne Behinderung nicht abgeschwächt hat, beweist zum Beispiel der Para-Tischtennisspieler Raif Shabani in folgendem TV-Beitrag. Außerdem sollte es im Breitensport doch eher um die gemeinsame Freizeitgestaltung durch das Sport Machen gehen und nicht darum, die absolute Bestleistung zu erzielen.
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Sportvereine trauen, inklusive Sportangebote anzubieten. Gleichzeitig sollen sich aber auch mehr Menschen mit Behinderung trauen, sich bei dem Sportverein in der Nähe ihres Wohnortes zu melden, auch wenn dort kein inklusiver Sportkurs angeboten wird. Damit wird den Sportvereinen signalisiert, dass Bedarf an einem Angebot besteht. Warum von inklusivem Sport alle Vereinsmitglieder profitieren, hat die Aktion Mensch in einer kostenlosen Broschüre zusammengefasst.
2 Antworten
Lieber Herr Amelung,
vielen Dank für Ihren Artikel in der „Neuen Norm“, die wir im DOSB immer mit großem Interesse lesen.
Wir stimmen Ihnen völlig zu, dass wir mehr inklusive Breitensportangebote brauchen! Sie haben Recht, es gibt immer noch zu wenige Angebote bundesweit. Sporträume sind teilweise nicht zugänglich und notwendige Assistenzen fehlen. Aber die allgemeinen Sportverbände und die Behinderten-Sportverbände arbeiten täglich daran. Wir bilden z.B. Übungsleiter*innen für den Inklusionssport aus, setzen uns für barrierefreie Zugänge auch im öffentlichen Nahverkehr ein und unterstützen die Forderungen der Behinderten- und Selbsthilfeorganisationen für mehr gleichberechtigte Teilhabe. Bei den Special Olympics World Games wurde öffentlichkeitswirksam gezeigt, wie der Sport für Alle aussehen könnte. Unser Strategiekonzept für mehr Inklusion im und durch Sport wurde nicht nur einstimmig verabschiedet, wir setzen es auch Stück für Stück um. Sie finden es unter https://cdn.dosb.de/user_upload/Inklusion-sport.de/DOSB_Strategiekonzept_Inklusion_2022_bf.pdf.
Besonders wichtig ist die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an den Entscheidungen in den Sportorganisationen. So gibt es zum Beispiel die Sprecher*innen der Athlet*innen im Behindertensport oder seit 2021 das Projekt „Event-Inklusionsmanager*innen im Sport“ Hierbei wird die berufliche Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung im Sport gefördert, die ihrerseits barrierefreie und inklusive Events in unterschiedlichen Sportarten organisieren. Das Projekt hat bereits jetzt seine Strahlkraft entwickelt und zum 1. September werden weitere 12 Personen ihre Arbeit aufnehmen. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Internetseite https://inklusion.dosb.de/.
Vielen Dank auch für Ihre differenzierte Darstellung, dass sich nicht nur Sportvereine, sondern auch Menschen mit Behinderungen trauen müssen, aufeinander zuzugehen. Nur somit wird sich der inklusive Sport bundesweit verbreiten.
Wir haben große Lust, die Inklusion voranzubringen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!
Für einen Austausch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung,
herzliche Grüße
Ute Blessing
Stimmt schon, was er schreibt. Wenn allerdings selbst eine Reha-Rollstuhlsportgruppe, wo niemand Angst haben muß, nicht fit genug zu sein Probleme hat weitere Leute von der Couch zu bekommen, dürfte allerdings der Zulauf auf inklusive Sportangebote auch nicht prickelnd ausfallen. Sind wir im Rehasport alle da, sind wir fünf Rollstuhlfahrer und zwei inkludierte Nichtbehinderte…