Ein Führerschein bedeutet in vielen Fällen Unabhängigkeit, ob von dem nicht immer zuverlässigen Nahverkehr oder von der Familie. Für Menschen mit Behinderung kann er aber auch ein nötiges Mittel zur Selbstbestimmung und Teilhabe sein. Warum der Weg dorthin für behinderte Menschen oft erschwert ist und zudem sehr teuer, berichtet Leon Amelung.
Frührerschein mit Behinderung – ganz einfach?
Während meines Abiturs wollte ich, wie viele meiner Klassenkamerad*innen auch, den Führerschein machen. Ich absolvierte einen Erste-Hilfe-Kurs und schickte die Bescheinigung mit allen weiteren erforderlichen Unterlagen an die Straßenverkehrsbehörde. So weit lief alles genauso wie bei meinen nicht-behinderten Klassenkamerad*innen. Ein paar Wochen später bekam ich dann einen Brief, der in etwa so formuliert war: „Uns ist aufgefallen, dass sie eine Behinderung haben, wir haben deshalb Zweifel daran, dass sie ein Kraftfahrzeug fahren können. Bitte melden Sie sich bei der folgenden Ärztin zur Untersuchung.“ Die Kosten für die Untersuchung, die ich selbst zahlen musste, wurden in dem Brief auch genannt. Mein Behindertenausweis, den ich den Unterlagen beifügen musste, hatte man also zur Kenntnis genommen. Dass man Zweifel an meiner Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs hatte, hat mich überrascht. Durch meinen Rollstuhlsportverein kannte ich auch andere Menschen mit körperlichen Behinderungen, die mit umgebauten Autos fahren konnten. Was war das für eine Ärztin? Was für eine Untersuchung sollte ich dort machen lassen? Das wurde mir erst am Tag des Termins klar. Als ich reinkam, wollte eine Mitarbeiterin erst einmal wissen, aufgrund welcher Verkehrsdelikte ich hier wäre und eine Akte sehen. Welche Verkehrsdelikte denn? Ich hatte doch noch keinen Führerschein, geschweige denn eine Fahrstunde gehabt? Nachdem ich ihr sagte, dass ich zur Fahrtauglichkeitsuntersuchung da bin, blaffte sie mich an, ob ich das Geld für die Untersuchung dabei hätte. Ich legte das Geld auf den Tresen, dann wurde sie freundlicher.
Behinderung oder Verkehrsdelikt?
Im Wartezimmer herrschte eine nervöse Anspannung. Auch meine Mutter, die mich begleitete, war nervös. Ein Mann, der im Wartezimmer saß, schien die Untersuchung nicht zu ernst zu nehmen. Er saß grinsend auf einem Stuhl. Ich unterhielt mich mit ihm. Er hatte diese Untersuchung schon öfter machen müssen. Er war Lkw-Fahrer und hatte 18 Punkte in Flensburg gesammelt. Nach der Unterhaltung war mir klar, was los war. Ich sollte eine MPU absolvieren – eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung, die man eigentlich nur absolvieren muss, wenn man seinen Führerschein wegen eines Verkehrsdeliktes verloren hat. Sie besteht aus einem Gespräch und einem Reaktionstest. Ich war unsicher, ob man mich als fahrtauglich einstufen würde. Außerdem hatte ich den Eindruck, mich beweisen zu müssen.
Die erste Frage der Ärztin blieb mir noch gut in Erinnerung: „Wie weit können sie eigentlich laufen?“ Ich dachte erst, dass ich vielleicht doch im falschen Sprechzimmer gelandet war. Ich wollte doch Auto fahren lernen und mich nicht für eine Wattwanderung in Cuxhaven anmelden. Auf die nächsten Fragen antwortete ich nur sehr einsilbig. Ich wollte dieses unangenehme Gespräch so schnell wie möglich hinter mich bringen. Nachdem das Gespräch vorbei war, wurde ich in einen kleinen Raum mit einem Computer geführt. Als Tastatur gab es nur vier große Pfeiltasten. Auf dem Bildschirm wurden Pfeilsymbole angezeigt und ich musste das passende Symbol auf der Tastatur drücken und wenn ich fertig war, sollte ich an die Scheibe klopfen. Ich beeilte mich mit dem Test und haute auf der Tastatur herum, wie auf einem Spielautomaten auf dem Frühlingsfest. Danach klopfte ich an die Scheibe, aber man wollte noch den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Jetzt sollte ich auch noch die Gegenrichtung des angezeigten Symbols mit den Pfeiltasten eintippen. Nochmal das Ganze. Danach konnte ich nach Hause fahren und erhielt nach ein paar Wochen einen Bericht von der Ärztin, in dem stand, dass ich fahrtauglich sei.
Führerschein ja, aber zu welchem Preis?
Die Führerscheinausbildung ist für Menschen mit Behinderung teurer als für Menschen ohne Behinderung. Auch die Fahrstunden sind für Menschen mit Behinderung teurer. Darüber hat die FAZ in einem Artikel berichtet und bei meiner Fahrschule war es genauso. Der Erwerb einer Fahrerlaubnis ist für Menschen mit Behinderung nicht nur teurer, sondern auch zeitaufwändiger und mit mehr bürokratischen Aufwand verbunden.