Die blinde Barbie. Repräsentationsmöglichkeit oder Müll?

Image „Die Neue Kolumne“ mit dem Zusatz „von Nadine Rokstein.
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Die blinde Barbie sorgt für Empörung in den Sozialen Medien. In den Kommentarspalten tummeln sich Vorurteile, Anfeindungen, Spott und Unwissen. Unsere Kolumnistin Nadine Rokstein hat sich das neue Produkt und die Berichterstattung darüber angeschaut und einige Punkte gesammelt, die sie hinsichtlich der Kommunikation gerne ändern würde.

Was ist passiert?

Der US-amerikanische Spielzeugkonzern Mattel präsentiert die erste Barbie-Puppe mit Langstock. Bewegliche Gelenke ermöglichen ein realistisches Nutzen des Langstocks. Die Barbie wurde nicht alleine von Mattel entwickelt, sondern gemeinsam mit der American Foundation for the Blind (AFB). Zwar trägt die Puppe eine modische Sonnenbrille, wodurch einerseits ein Klischee bedient wird, andererseits trägt die Person die Brille in den Haaren, sie ist modisch und es wird klar kommuniziert, warum man sich für die Brille entschieden hat. Viele blinde oder sehbehinderte Personen sind lichtempfindlich und nutzen eine Sonnen- oder Kantenfilterbrille als Hilfsmittel.

Auch die Wahl der Kleidung wird klar kommuniziert. Gewählt wurde ein elegantes rosarotes Oberteil aus satiniertem Stoff und einem texturierten Rock. Eine Kombination, die zu einer guten Haptik führt. Außerdem sorgen auffällige, kontrastreiche Hakenschlaufenverschlüsse am Rücken des Oberteils dazu, dass das An- und Ausziehen erleichtert wird. Ebenso wie der Rock, der einen elastischen Bund hat. Auf der Verpackung ist der Schriftzug „Barbie“ in Brailleschrift zu finden.

Fehlende Begegnungen sorgen für Unwissen

Aber egal, ob Kommentare wie „Die erste Blinde auf High Heels“ oder „Eine blinde Barbie, die geschminkt ist – da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll“, sie haben alle eine Gemeinsamkeit: Unwissen. Viele dieser Kommentare zeigen ein Bild, das von blinden Menschen in der Gesellschaft existiert. Und sie zeugen von fehlenden Begegnungen durch fehlende Inklusion. Hätte man des Öfteren schon eine blinde Person getroffen, so wäre es wahrscheinlich gewesen, dass man sich nicht über Make-Up, High Heels oder Mode im Zusammenhang mit Blindheit wundern würde.

Denn Mode und Make-Up sind auch für mich als blinde Person Teil meines Ausdrucks und meiner Identität. Gerade durch Hobbys wie Modeln und Cosplay, habe ich ein besonderes Interesse und Spaß an diesen Themen.

Wir sehen aber auch eines: Sofern niemand betroffen ist, den man kennt, beschäftigt man sich selten mit Lebensrealitäten von blinden Menschen. Also finde ich auch immer wieder Kommentare unter Postings, die besagen, dass wir mehr Aufklärung benötigen. Ich denke nicht, dass es an Aufklärung mangelt. Wir brauchen Menschen, die diese nutzen, die zuhören und vor allem brauchen wir Begegnungsmöglichkeiten.

Wird dir etwas weggenommen?

Viele Kommentare lassen mich glauben, dass Menschen Angst haben, ihnen würde etwas weggenommen werden. Dabei soll wie in diesem Beispiel die Barbie mit Langstock keine andere Barbie ersetzen, sondern lediglich die Kollektion erweitern. „Normal ist ja leider unerwünscht“, so eine Person unter einem Barbie-Beitrag. Dieser ableistische Kommentar soll suggerieren, dass die Lebensrealität von behinderten Menschen weniger „normal“ sei. Abgesehen davon, dass Barbies als Modepuppen nicht gerade durchschnittliche Körperformen abbilden, ist auch hier Vielfalt wichtig. Bilden wir sie nicht ab, zeigen wir doch, dass Vielfalt unerwünscht ist. Ich finde jeden Schritt Richtung Realität und Repräsentation wünschenswert. Und an dieser Stelle spreche ich nicht über die Schönheitsideale, die eine Barbie-Puppe darstellt.

Ich habe oft das Gefühl, dass Menschen, die immer repräsentiert werden, gar keine Ahnung haben, wie es sich anfühlt, von der Gesellschaft unsichtbar gemacht oder vergessen zu werden.

Für blinde Menschen, Kinder wie Erwachsene, ist es wichtig, repräsentiert und gesehen zu werden. Für mich macht es einen wichtigen Teil von Inklusion aus, dass wir die Lebensrealität von behinderten Menschen mitdenken und miterzählen. Und dass wir Lebensrealitäten abbilden und sie sichtbar machen. Es ist schön, gezeigt zu bekommen: wir sehen dich, wir schätzen dich und du bist gut so wie du bist. Auch andere Menschen aus der Community, etwa die britische, blinde Journalistin Lucy Edwards, sind begeistert von der neuen Barbie. Und auch in Deutschland erfreuen sich bereits erste blinde Menschen an der blinden Barbie. Gerade hinsichtlich der Berichterstattung über das neue Spielzeug sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich mir hinsichtlich der Kommunikation wünschen würde.

Was fehlt mir in solchen Social Media Beiträgen:

  • Moderierte Kommentare: viele Kommentare sind ableistisch und sollten daher kommentiert und in Kontext gestellt werden. Teilweise werden Menschen direkt beleidigt und angegriffen.
  • Verlinken von vielen Aktivist*innen: Ich wünsche mir, dass in Beiträgen über die blinde Barbie blinde Creator*innen verlinkt werden, damit Menschen die Möglichkeit haben, sich über deren Lebensrealitäten zu informieren.
  • Beiträge von blinden Menschen zu dem Thema teilen: Egal, ob es um Mode, Make-Up oder sonstige Vorurteile geht – gerade große Medienhäuser wünschen sich oft, dass Beiträge von behinderten Menschen geteilt werden. So fliegen auch oft Reportagen oder Artikel in meine Nachrichtenbox, die ich doch gerne teilen kann. Von Medienhäusern, die deutlich mehr Reichweite haben als ich. Dabei wäre es doch andersrum viel sinniger.


Fazit

Ich finde es toll, dass es jetzt eine Barbie mit Langstock gibt. Ich selbst war nie ein Kind, das mit Barbies gespielt hat. Ich konnte daran keinen Spaß finden. Aber das blinde Kinder gezeigt bekommen, du bist ein Teil dieser Gesellschaft und du bist nicht „anders“ oder „falsch“, finde ich wunderbar. Außerdem werden auch sehende Kinder mit dem Thema Blindheit konfrontiert und sensibilisiert. Das sendet das Signal: Diversität ist normal.

Das waren starke Zeilen? Dann gerne teilen!

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