Die Abgeordneten des deutschen Bundestages beschließen am 25.06.2021 ein Gesetz zur Barrierefreiheit, das „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“. Der Titel lässt vermuten, dass durch dieses Gesetz Standards bei der Barrierefreiheit in allen Bereichen festgeschrieben werden. Doch im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist nur von digitaler Barrierefreiheit die Rede, nicht von baulicher Barrierefreiheit, wie sie in der UN BRK festgeschrieben ist. Das bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen weiterhin Einschränkungen bei der physischen Barrierefreiheit hinnehmen müssen.
Das Sozialheld*innen-Projekt Barrierenbrechen hatte dazu aufgerufen, bei einzelnen Abgeordneten des eigenen Wahlkreises anzurufen und sie darüber zu informieren, welchen Barrieren man im Alltag begegnet, um den Abgeordneten deutlich zu machen, wie sehr man als Mensch mit Behinderung auch durch bauliche Barrieren in seiner Teilhabe eingeschränkt ist. Und das noch bevor das Gesetz am 25.06.2021 verabschiedet wird.
Ich habe diesen Aufruf in den sozialen Medien geteilt. Manche Nutzer*innen waren an dem Projekt interessiert. Andere Nutzer*innen waren der Meinung, dass eine E-Mail nichts bringen würde. Dass sich sowieso nichts ändern würde und die Politiker*innen nichts für die Barrierefreiheit täten.
Ich kann diese Partei- und Politikverdrossenheit teilweise nachvollziehen. Meiner Meinung nach ist es trotzdem wichtig, die Politiker*innen anzuschreiben und sie darauf hinzuweisen, dass das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in seiner jetzigen Form ungenügend ist und darauf aufmerksam zu machen, dass bauliche Barrierefreiheit mehr gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen bedeutet. Politiker*innen ohne Behinderungen sollten wissen, dass 97% der Menschen mit Behinderungen in Deutschland ihre Behinderung mit fortschreitendem Alter, durch eine Krankheit oder einen Unfall „erworben“ haben. Barrierefreiheit ist für jede*n Einzelne*n in der Gesellschaft nützlich und wichtig. Man sollte deutlich machen, dass z.B. auch Familien, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind von Barrierefreiheit profitieren.
Eine Umfrage der Aktion Mensch hat gezeigt, dass 55% der Bürger*innen in Deutschland, die ca. 10 Millionen Menschen mit Behinderungen nicht wahrnehmen. Jede*r Dritte hat gar keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderungen. Deswegen ist es wichtig, dass auch Politiker*innen, die gar keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderungen haben, von Wähler*innen auf dieses Thema aufmerksam gemacht werden.
Ich finde es wichtig, ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen dafür, dass das Gesetz so nicht ausreicht. Deswegen habe ich folgende Bitte an euch: Schreibt eine Mail an die Bundestagsabgeordneten eures Wahlkreises, macht sie auf die Barrieren aufmerksam, die euch im Alltag behindern. Versucht mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Das Wichtigste ist: Seid freundlich und höflich, aber benennt die Probleme klar und teilt mit, welche Form der Barrierefreiheit ihr braucht. Nur wenn Politiker*innen ohne Behinderungen von Wähler*innen für das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert werden, können sie die Lage besser verstehen und nachvollziehen, warum der Gesetzentwurf nicht ausreichend ist. So wird die Chance größer, dass sich noch etwas ändert.
Eine Vorlage für eine Mail an die Abgeordneten findet ihr auf:
www.barrierenbrechen.de
Von Brüssel über Berlin an deinen Computer – Die Reise des Barrierefreiheits- stärkungsgesetzes
Von EU-Richtlinie zum Umsetzungsgesetz in Deutschland: Sarah Krümpelmann zeichnet den Weg des „Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes” nach, dem ersten Gesetz auf Bundesebene, das die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichten könnte.
Eine Antwort
Barrierfreiheit – auch ein erheblicher Beitrag zur allgemeinen Attraktivitäts- und Komfortsteigerung!