„Behindertengerechte Zimmer“ im IntercityHotel Dortmund brauchen keinen barrierefreien Zugang?

Das Logo von die neue Norm auf hellgelbem Grund. Rechts davon steht: Die Neue Kolumne. Unten steht: Von Kassandra Ruhm.
Lesezeit ca. 13 Minuten

Was ich letzte Woche gemacht habe? Mich für 464€ so richtig wie ein ungezogenes Kind behandeln lassen.

Eigentlich hatte ich alles richtig gemacht. Lange und umfassend hatte ich für eine 4-tägige Reise recherchiert, welches Hotel in Dortmund wirklich so barrierefrei ist, wie es die entsprechenden Baunormen uns zusichern. Völlig unabhängig vom Preis hatte ich das beste und barrierefreieste Hotel genommen. Man könnte mir vorwerfen, ich wäre übervorsichtig: Jedes Detail hatte ich im Vorfeld telefonisch abgeklärt, ein „behindertengerechtes Zimmer“ gebucht und außerdem schriftlich noch einmal darauf hingewiesen, dass ich Rollstuhlfahrerin bin und ein komplett barrierefreies Zimmer bräuchte. Außerdem hatte mein gay best friend verschiedene Hotels abgelaufen und brachte das überzeugende Argument, dass dieses Hotel, das IntercityHotel Dortmund, ein halbes Jahr vorher nach einer mehrjährigen Kernsanierung neu eröffnet worden und deshalb zur Barrierefreiheit gesetzlich verpflichtet war. Sorgen hatte ich nicht vor dem Hotel, sondern vor der Fahrt mit der Bahn, doch erstaunlicherweise lief alles gut. Also weiter ins Hotel, einchecken, etwas ausruhen und Freunde treffen. 

Ein kaputter Hublift und weitere Hindernisse

Als ich in das Hotel hereinkam, stand ich jedoch plötzlich vor sechs Stufen, die man überwinden musste, um zur Rezeption zu kommen. Daneben ein Plattformhublift – mit einem Schild, dass er außer Betrieb wäre. 

Als ich nach einiger Zeit den Rezeptionisten zu mir herunter bekommen konnte, vertrat er die Ansicht, der Defekt des Hublifts wäre kein ernstes Problem. Ich könne „barrierefrei“ über den Parkplatz durch einen Hintereingang ins Hotel gelangen. Die Schranken würden sich automatisch öffnen. Außerdem solle ich klingeln, dann würde die Videokamera anspringen und es käme sofort jemand, um mich hereinzulassen.  

Tatsächlich musste man hinter der Schranke allerdings eine lange, relativ steile Autozufahrt herunterfahren. Als Autozufahrt war sie geeignet, als barrierefreier Eingang für Rollstuhlfahrer*innen nicht. Mit meiner Rollstuhlzughilfe zusammen konnte ich es die Rampe herunter schaffen. Nur mit meinem Rollstuhl hätte ich nach der Steigung nicht ohne Verletzungsrisiko bremsen können. 

Am Ende des Parkplatzes eine Etage unterhalb des eigentlichen Hoteleingangs, gab es eine Tür, die man theoretisch mit einer Zimmerkarte öffnen konnte. Wenn man die Arme so weit auf der richtigen Höhe strecken konnte, dass man über einen erhabenen Schotterstreifen hinweg bis zu dem Sensor gelangte. Ich selbst bin glücklicherweise im Oberkörper sehr mobil und konnte es. Manche andere können es nicht. Deshalb gibt es die entsprechenden Vorgaben der DIN 18040, der Deutschen Norm für Barrierefreies Bauen. Hinter dieser Tür ging es mit zwei schwergängigen Türen hintereinander weiter, bevor man zu den Aufzügen kam. Diese Türen zu öffnen, war mit meiner Rollstuhlzughilfe unmöglich. Ich hatte also überhaupt keine Chance, selbstständig das Hotel zu verlassen und aufzusuchen. 

Vor den Knöpfen der Aufzüge standen auf jeder Etage zwei Aufsteller im Weg, die es schwer machten, seitlich an die Knöpfe heran zu fahren, um den Aufzug zu rufen. Da wunderte es mich auch nicht mehr, dass die brandneu eingebauten Knöpfe außerdem etwas höher lagen, als die DIN 18040 vorschreibt. 

Barrierefrei war dieser Hintereingang definitiv nicht. 

„Barrierefrei“ ist laut § 4 des BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) definiert als „in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe (…) zugänglich und nutzbar“.

Weder informiert noch einsichtig

Als ich dann endlich bei der Rezeption ankam, war ich ziemlich genervt. Dem Hotel war bekannt, dass ich komme und dass ich eine voll rollstuhlgerechte Unterkunft brauche. Ich fragte, warum man sich nicht darum gekümmert hatte, dass der Hublift rechtzeitig repariert wurde. Der Defekt bestünde schon seit Tagen. Angeblich wäre die Firma schon da gewesen. Es müssten Teile bestellt werden. 

Das IntercityHotel hatte meine Kontaktdaten. Warum hatte man mich über den Ausfall des nötigen Plattformhublifts nicht wenigstens im Vorfeld informiert? Dann hätte ich entscheiden können, ob ich trotzdem komme oder nicht. Ich hätte nach einer anderen Unterkunft suchen können. So spät, direkt vorm Einchecken und erschöpft von der Anreise, war mir das nicht mehr möglich. Voll rollstuhlgerechte Zimmer sind bei weitem nicht so leicht zu bekommen, wie irgendein beliebiges Hotelzimmer. 

Schöne Worte reichen nicht

Die beiden Herren an der Rezeption lieferten ein paar Sätze ab, die sich für mich wie auswendig gelernt anhörten. Es täte ihnen leid. Diese Lippenbekenntnisse reichten mir nicht. Ich wollte, dass auch ein entsprechendes Verhalten folgte. Ich bekam aber vorgehalten, man hätte sich schon mehrfach entschuldigt. Dass es mit Worten ohne Taten für mich nicht erledigt war, war anscheinend nicht akzeptabel. Sie hätten den Hublift nicht absichtlich kaputt gemacht, es wäre schließlich nicht ihre Schuld. Außerdem wären alle rollstuhlnutzenden Gäste vorher sehr gut mit dem Hintereingang klargekommen, niemand hätte irgendwelche Schwierigkeiten damit gehabt. Seit der Eröffnung vor einem halben Jahr wäre der Hublift bereits einmal zwei Monate durchgehend außer Betrieb gewesen, was überhaupt kein Problem gewesen wäre.

Ok, ich verstehe, alles meine Schuld, ich bin einfach zu behindert und zu unbeweglich. (Ich habe einige Jahre lang Tanzkurse gegeben. Wie fit muss ich denn sein, um ein barrierefreies Zimmer aufsuchen zu können?) 

Gefährliche Ausfahrt

Etwas später am Anreisetag habe ich mit einem anderen Freund zusammen das Hotel verlassen, geklingelt und alles so gemacht, wie ich angewiesen worden war. Dann bin ich mit Anlauf und möglichst viel Karacho die Autoausfahrt hoch gebrettert, damit mir auf der Steigung nicht mein Vorderrad durchdreht und ich nicht mehr bis oben komme. Die Schranke öffnete sich auch tatsächlich wie angekündigt und ich bin möglichst schnell durchgeflitzt. Der Schreck kam danach: Mein Freund berichtete verstört, dass sich die Schranke nur bis zu halber Höhe geöffnet und dann schnell wieder geschlossen hatte, noch während ich unter ihr durch fuhr. „Wenn du ein bisschen langsamer gewesen wärst, hättest du die Schranke auf dem Kopf gehabt.“ 

Bei der nächsten Gelegenheit, als ich versuchte, so wie angewiesen das Hotel zu verlassen, hat sich die Schranke überhaupt nicht geöffnet. Ich musste abrupt auf der Schräge stehen bleiben und versuchen, Passanten herbeizurufen, um ihnen auf gut Glück meine Zimmerkarte zu geben, damit sie mir hoffentlich die Schranke von außen öffnen würden. Es gab keine Chance, sich mit dem Rollstuhl seitlich an der Schranke vorbei oder unter ihr durch zu quetschen, um bis zu der Klingel oder dem Sensor für die Zimmerkarte zu kommen, der die Schranke geöffnet hätte.

Zimmer gebucht und trotzdem vor der Tür frieren 

Als ich am ersten Tag kurz nach Mitternacht von meiner letzten Verabredung zurückkam, habe ich wieder alle Anweisungen genau befolgt. Wie genau ich die Schranke mit der Karte öffnen könnte, musste ich selbst herausfinden, aber von außen kommend, war es mit entsprechender Mobilität prinzipiell möglich, den Sensor zu erreichen. Ich habe auch direkt geklingelt, weil ich ja wusste, dass ich die zwei schweren Zwischentüren zum Aufzug nur mit Hilfe würde durchqueren können. Ich war davon ausgegangen, dass der Ausfall des Hublifts dem Hotel peinlich wäre und zumindest dieser nicht barrierefreie Notzugang flüssig funktionieren würde. Dem war nicht so. Ich habe bei beiden entsprechenden Klingeln geklingelt, bin wahrscheinlich auch von der Videokamera aufgenommen worden, habe gewartet, habe etliche Male laut und deutlich gesagt, dass ich herein möchte, habe wieder und wieder geklingelt, aber es kam niemand. Es wurde noch nicht einmal eine funktionierende Sprechverbindung hergestellt, um zu klären, warum ich immer wieder klingelte. Es war bitterkalt, ich kühlte immer mehr aus. Gift für meine Muskulatur. Die Folgebeschwerden ließen nicht lange auf sich warten. 

Erst als ich meinen 10. (!) Versuch mit meinem Handy mitgefilmt habe, reagierte der zuständige Mitarbeiter. Als er endlich unten ankam, war ich natürlich entsprechend angesäuert und habe die Barrieren und die nicht eingehaltenen Zusagen angesprochen. Auf Verständnis oder Einsicht bin ich allerdings nicht gestoßen. Erst belehrte er mich, was ich hätte machen sollen, was aber nicht ging, weil der Haupteingang ja nicht für mich nutzbar war. Dann beschwerte er sich, sein Nichterscheinen wäre nicht seine Schuld. Er hätte keine Information bekommen. Aber war das wirklich meine Verantwortung? Und hätte er nicht trotzdem auf das wiederholte Klingeln wenigstens mit einer Sprechverbindung reagieren können? Falls er wirklich nicht informiert worden war, scheint es dem Hotel nicht wichtig gewesen zu sein, dass Rollstuhlfahrer*innen bei Ausfall des Hublifts am Haupteingang wenigstens über den Hintereingang hereinkommen können. Auch bei all meinen anderen Versuchen am nächsten Tag, durch Klingeln die zugesagte Hilfe zu bekommen, kam niemand. 

Die Interaktion mit den Hotelmitarbeiter*innen verlief insgesamt so belastend für mich, dass es mir sicherer war, Freunde und Bekannte zu bitten, vorbeizukommen, um mich beim Verlassen des Hotels und bei der Rückkehr zu unterstützen und zur Not zu versuchen, Passant*innen herbei zu rufen. Das war ein ziemlicher Aufwand, aber eine schöne Überraschung, wie einsatzbereit mein privates Umfeld war. 

Als mich mein gay best friend am Freitagmittag, zwei Tage nach meiner Anreise abholte, war der Hublift zu unser beider Entsetzen immer noch nicht repariert worden. Damit war davon auszugehen, dass ohne ein schnelles Einschreiten auch das gesamte Wochenende keine Besserung mehr zu erwarten wäre. Wieder einmal gab es eine für mich sehr unangenehme Diskussion darüber mit den Mitarbeiterinnen der Rezeption. Deshalb haben wir mit jemandem vom Hotelmanagement sprechen wollen. Denn eine Notreparatur des Hublifts und ein korrektes Verhalten des Personals bei der Nutzung des Hintereingangs war anscheinend auf anderem Weg nicht zu bekommen. 

Keine Unterstützung durch das Hotelmanagement

Die Hoteldirektorin kam aus dem Aufzug. Ich fing an, ihr die Lage zu schildern und wurde als erstes belehrt und zurechtgewiesen. So hätte ich das Gespräch nicht anfangen dürfen. Ich war zwar verärgert und habe die Missstände kritisiert, aber was hätte ich nach den zwei wirklich belastenden Tagen und mit einer dadurch mittlerweile angeschlagenen Gesundheit denn sonst sein sollen, wenn nicht verärgert? Wir haben versucht, auf ihre Anweisungen, wie das Gespräch durchgeführt werden dürfe, einzugehen. Aber es besserte nichts. Unsere Hoffnungen, dass endlich nicht nur mit glatter Stimme „es tut mir leid“ gesagt, sondern danach auch etwas zur Verbesserung unternommen werde, wurden wieder enttäuscht.

Sie sah die Verantwortung des Hotels in mehreren Punkten als deutlich geringer an, als wir. Zum Beispiel behauptete sie, der Hublift wäre erst am Tag meiner Anreise kaputt gegangen. Obwohl uns vorher schon drei Mitarbeiter*innen unabhängig voneinander berichtet hatten, dass der Hublift schon deutlich länger außer Betrieb war. Außerdem argumentierte sie, ich hätte die gebuchte Leistung bekommen. Das Zimmer wäre barrierefrei. Ein barrierefreier Zugang zum Zimmer würde nicht dazu gehören. 

Auf der Buchungsseite des Hotels (auf “mehr lesen” klicken) steht auch zum Zeitpunkt, als ich diese Kolumne schreibe, noch: „Alle Zimmer, öffentliche Bereiche und Tagungsräume sind klimatisiert und barrierefrei.“ Aber ich weiß, ich verlange einfach dreist zu viel, was mir überhaupt nicht zusteht. 

Immer wieder ließ sie mich nicht ausreden. Als ich nach einiger Zeit sagte, dass ich ausreden und nicht unterbrochen werden wolle, sagte sie erst etwas freundlich Klingendes. Aber als ich dann ausgeredet hatte, guckte sie mir demonstrativ ins Gesicht und schwieg und schwieg und schwieg. Als ob meine Bitte, genauso wie sie selbst es für sich forderte, auch ausreden zu dürfen, eine Unverschämtheit ihr gegenüber gewesen wäre. 

Was für eine verdrehte Welt 

Ihr Umgang mit uns wirkte auf uns so, als wäre sie die Leidtragende der Situation und zahlreichen Zumutungen ausgesetzt worden. Immer wieder behandelte sie mich, als ob ich mich völlig unmöglich und unverschämt ihr gegenüber benehmen würde. Obwohl ich kein rücksichtsloser Störenfried, sondern die Geschädigte der Situation war. Was für eine verdrehte Welt. Das Einzige, was ich ihr getan habe, war, die Kritikpunkte zu benennen. Und da es keine angemessene Reaktion darauf gab, habe ich meine Kritikpunkte wiederholt. Das ist anscheinend eine nicht hinnehmbare Zumutung durch meine Person?

Mir kam es vor, als ob sie mich wie ein ungezogenes und unverschämtes Kind behandelte, das sie maßregeln wollte. Dabei ist so ein Umgang heute auch bei „ungezogenen“ Kindern nicht mehr up to date. 

Die Hoteldirektorin machte mir lediglich zwei Vorschläge, wie es ihrer Meinung nach weiter gehen sollte. Die waren für mich zu einem so späten Zeitpunkt leider nicht mehr umsetzbar und/oder nicht sinnvoll. Ihrer Ansicht nach solle ich entweder in ein anderes Hotel umziehen oder jedes Mal vorm Verlassen oder Aufsuchen des Hotels in der Rezeption anrufen, wobei es dabei allerdings dauern könne, bis die Mitarbeiter*innen genug Zeit hätten, um mich herein oder herauszulassen. Sie warf mir mehrfach vor, sie würde mir viele Vorschläge machen und mir wäre einfach nichts recht. Wiedermal war ich schuld. Es wurde mir noch nicht einmal ein Preisnachlass wegen des defekten Hublifts angeboten. 

Die Redaktion hat das Intercity Hotel Dortmund um eine Stellungnahme gebeten. Darin heißt es: „Es tut uns außerordentlich leid, dass der Aufenthalt in unserem Hotel nicht zu Ihrer Zufriedenheit war. Wir nehmen die Argumente sehr ernst und passen unsere internen Schulungen daraufhin auch kontinuierlich an. Die beschriebenen kurzfristigen technischen Defekte konnten inzwischen behoben werden. Vielleicht können wir es ja beim nächsten Mal besser machen: Gerne laden wir Sie zum Dialog ein und würden uns sehr freuen, wenn Sie uns noch eine zweite Chance geben.“

Bei den Online-Bewertungen des Hotels bin ich immer wieder auf  ähnliche Antworten des Hotels gestoßen. Auf Kritik wurde meist sinngemäß geantwortet: “Ihre Hinweise nehmen wir sehr ernst. Seien Sie versichert, dass wir uns um diese Punkte kümmern und unsere Prozesse weiter verbessern werden.” Trotz der beharrlichen Verbesserungsankündigungen des Hotelmanagements kamen einige der Kritikpunkte über Monate immer wieder. 

Kein Einzelfall, keine Besserung

Ein Einzelfall war ich wohl nicht. Mein gay best friend hat, als er am nächsten Morgen vorbeikam, um mir beim Weg herauszuhelfen, ein Paar vor der Schranke auf der Autoausfahrt getroffen, die ähnliche Probleme hatten wie ich und auch unzufrieden mit dem Hintereingang waren. Die Frau war Rollstuhlfahrerin, der Mann sah nichtbehindert aus. Als er die beiden traf, hatten sie vor einer Weile ausgecheckt und alles so gemacht, wie angewiesen. Trotzdem wurde die Schranke nicht für sie geöffnet. Sie standen dort, fühlten sich sichtlich unwohl und gerieten in Zeitnot, weil sie zu ihrem Zug mussten. Weil sie ihre Zimmerkarten beim Check-Out abgegeben hatten, konnte der Mann nicht an der Schranke vorbeigehen und die Schranke von außen mit der Zimmerkarte öffnen. Auch sie waren nicht im Vorhinein über den defekten Hublift informiert worden.

Am letzten Tag hatte ich eine Lösung vorbereitet, wie ich ohne weitere unangenehme Kontakte mit Hotelpersonal ins Hotel kommen wollte. Ich hatte extra für etwa 50€ Aufpreis einen Late-Check-Out um 17 Uhr gebucht, um vor der Abreise noch einmal in Ruhe aus dem Rollstuhl herauszukommen und mich um meine heikleren Körperbereiche zu kümmern. Als ich vor der Schranke stand, musste ich jedoch nach mehreren Versuchen, sie mit meiner Zimmerkarte zu öffnen, erfolglos aufgeben. Meine Karte war vorzeitig gesperrt worden. Also musste ich mich doch noch einmal dem schon bekannten Mitarbeiter an der Rezeption aussetzen. Wieder sah er die Schuld zunächst bei mir.

Das schien leider Prinzip zu haben: Mehrere der Fehler des Hotels haben sie erst einmal mir, der Kund*in, angelastet. Ich wäre zu unbeweglich, sonst würde ich den Hintereingang problemlos nutzen können. Vielleicht sei ich auch zu stark eingeschränkt, um überhaupt alleine reisen zu können. (Tatsächlich bin ich bereits mehrmals allein ins Ausland gereist.) Meine wiederholte Kritik an den Barrieren und der unterlassenen Information wäre eine Zumutung, schließlich hätte das Personal gesagt, es täte ihnen leid. Und so weiter und so fort.

Von wegen Leid tun: Für das Wochenende danach hat Dunja Reichert vom Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Saarland (LSK Saarland) e.V.  ein „behindertengerechtes Zimmer“ gebucht. Zwei Nächte mit Frühstück für 317 €. Sicherheitshalber mit der zusätzlichen Nachricht: „Ich bin Rollstuhlnutzerin und möchte wissen, ob ich barrierefrei ins Hotel und auch in den Frühstücksraum komme?“ Sie bekam zwar eine Buchungsbestätigung, aber keine Antwort auf ihre Fragen nach der Barrierefreiheit und auch keine Warnung wegen des defekten Hublifts. Deshalb hat sie am Anreisetag storniert und eine Mail mit einer Erklärung ihrer Stornierung hinterher geschickt: „Leider musste ich stornieren, da sie mir meine Frage hinsichtlich der Zugänglichkeit des Hotels und des Frühstücksraums nicht beantwortet haben, was für mich als Rollstuhlnutzerin allerdings elementar ist.“ Als Antwort bekam sie eine Mail vom Hotel, man fände es sehr schade, dass sie stornieren musste. Anscheinend habe sie eine Mail nicht erhalten, die man ihr geschickt hätte. Dunja Reichert hat dann zwei Mal an das Hotel geschrieben und darum gebeten, ihr die besagte Mail noch einmal zuzuschicken. Ohne Erfolg. 

Das Einzige, was sie bekam, war eine nicht zum vorherigen Ablauf passende Information: „Ab dem 02.12.2022 funktioniert unser Lift für einen behindertengerechten Zugang zur Lobby wieder. Dann ist eine barrierefreie Zugänglichkeit wieder gewährleistet. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.” Damit wäre der Hublift am Haupteingang mindestens 4 Wochen außer Betrieb gewesen. Die „weiteren Fragen“ wurden nicht beantwortet, genauso wenig wie die ursprüngliche Frage nach der Barrierefreiheit des Frühstücksraums. 

Jede*r Leser*in kann sich selbst überlegen, warum sie die angeblich versandte Mail vom Hotel nie bekam. Mir gegenüber meinte Dunja Reichert, sie “zweifle auch stark an, dass meine Anfrage beantwortet wurde, weil ich bei kaputtem Lift selbstverständlich storniert hätte. Denn wie hätte ich sonst ins Hotel kommen sollen?”  

Ich habe im Hotel etliche Male darauf hingewiesen, dass man gehbehinderte Gäste im Vorfeld unbedingt über den defekten Hublift hätte informieren müssen. Ein Versäumnis, das dem Personal angeblich „leid tat“. Vielleicht lag ich nicht ganz so falsch mit meinem Gefühl, dass dieses „Leid tun“ keinen großen Wert hatte.

Probleme mit der Barrierefreiheit bleiben folgenlos

Übernachtungen in den „behindertengerechten Zimmern“ wurden allerdings die ganze Zeit über bis zur Reparatur des Hublifts Wochen später weiter verkauft. Selbst wenn geeignete Unterkünfte für mich als Rollstuhlfahrerin besonders schwierig zu bekommen sind: Auch wenn jemand nur vorübergehend ein Bein gebrochen hat oder aus anderen Gründen gehbehindert ist, kann es problematisch sein, jedes Mal die 6 Stufen beim Haupteingang hoch zu steigen oder den Umweg mit der langen, zu steilen Rampe ohne Geländer zu bewältigen.

Von einer Person (Name ist der Redaktion bekannt), die kurz vor dem angegebenen Reparaturtermin des Hublifts ein „behindertengerechtes Zimmer“ gebucht hatte, erfuhr ich, wie es gelaufen war. Es kam die Buchungsbestätigung für ein „behindertengerechtes Zimmer“ und zwei Tage später eine Mail mit einer Sammlung verschiedener Informationen. Einen Hinweis auf den Defekt des Hublifts und den dadurch fehlenden barrierefreien Zugang gab es wieder nicht. Repariert war er aber auch nicht, wie mein gay best friend auf einem Foto festgehalten hat. Er hat nach meiner Abreise noch ein paarmal im IntercityHotel Dortmund vorbeigeschaut: Der Hublift war weiterhin außer Betrieb, insgesamt mindestens ca. 4 Wochen. Auf dem Schild stand noch lange: „Bitte nutzen Sie unseren barrierefreien Zugang über den Parkplatz“. Obwohl ich etliche Male erklärt hatte, dass und warum dieser Zugang nicht barrierefrei war. Auch am Abend des geplanten Anreisetages der oben erwähnten Person stand das Schild noch im gesperrten Hublift.

Respekt vor behinderten Menschen sieht anders aus.

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9 Antworten

  1. Es tut mir leid, dass du diese Erfahrung machen musstest. Ich empfinde das respektlos und verletzend. Ich finde, du hättest mindestens einen Preisnachlass erhalten sollen. Dein Erfahrungsbericht sollte in einem Medium der Hotelbranche kommuniziert werden.

  2. Das ist ja ungeheuerlich… Es wäre gut, damit an die Presse zu gehen – falls sich da Leute finden, die sich dafür interessieren, denn für viele wird das wahrscheinlich kein “wichtiges Thema” sein. Und dann wäre es noch eine Idee, sich an die Bauaufsicht zu wenden (oder wer ist da sonst zuständig?). Denn wofür sind gesetzliche Vorgaben denn gut, wenn es keine Konsequenzen hat, sie nicht zu erfüllen?

  3. Liebe Kassandra Ruhm,

    hast du der Hotelleitung einen Link zu deinem Beitrag geschickt? Ich denke, dass du (und die anderen Betroffenen!)zumindest einen nachträglichen Preisnachlass und eine ernst gemeinte Entschuldigung erhalten solltest.
    Bleibt dies aus, so täte es der Hotelleitung vielleicht gut einmal mit ernsthafteren Konsequenzen umgehen zu müssen. Ich denke da an eine Klage, eine Anzeige beim Bauamt, eine Schmerzensgeldforderung und/oder eine Flut an empörten Google-Rezensionen. Mit letzterer Idee habe ich soeben angefangen.
    Wenn es freundlich nicht funktioniert, sei(d) unbequem, laut, leg(t) die Finger in die Wunde… Jede/r Behinderte allein mag sich bei solchen Erlebnissen kraftlos und allein gelassen fühlen, vielleicht sogar aufgeben. Aber wir leben in einer besonderen Zeit, die es ermöglicht, dass viele Einzelne sich zusammen tun und dann auf einmal sehr viel Macht haben und gemeinsam, mit Allys, für einander und eine gerechtere Welt einstehen können!
    Let’s get loud 😉

    Alles Liebe und Gute

  4. Sehr geehrte Frau Ruhm,
    Ihre Erfahrungen im besagten Hotel passen eins zu eins zu den Erfahrungen unserer erwachsenen Tochter in einem Hotel in Berlin.
    Wir haben ihr und ihrer Assistentin drei Übernachtungen mit Frühstück gebucht, in einem angeblich behindertengerechten Zimmer, in welchem ich extra wie angeboten ein Pflegebett Zugebucht hab.
    Dieses stand auch im Zimmer, aber ZUSÄTZLICH, also drei Betten im Zweibettzimmer- und OHNE MATRATZE!!
    Erklärung der Rezeption: Das Pflegebett war doch ZUgebucht,nicht als Ersatz. Und auch nur ein Bett, nicht ein Bett !IT Matratze.. Die ersteNacht verbrachte unsere Tochter im Rollstuhl, den Kopf mehr oder weniger gut auf dem Arm und Tisch liegend. Das Hotel vermittelte zwar ein nahegelegenes Sanitätshaus, aber die Matratze müsste unsere Tochter KAUFEN!!
    Es gab noch andere Unannehmlichkeiten. Es gab , wie bei Ihnen , in keinster Weise Bedauern , von Entgegenkommen ganz zu schweigen.
    Im Nachhinein schrieb ich an die Hotelleitung. Die Antwort glich inhaltlich dem , was Sie zu hören kriegten. Kein Unrechtsbewusstsein, keine Entschuldigung, nichts.
    Alles in allem eine Unverschämtheit. Ein nichtbehinderter Gast muss solche Dreistigkeit nicht über sich ergehen lassen, und von behinderten Gästen wird sogar noch Stillhalten gefordert. Und es gibt keinerlei Möglichkeit um Konsequenzen für die Hotels zu erwirken.
    Im Gegenteil: Solches Verhalten scheint Methode um behinderte Menschen vom Hotelbesuch abzuhalten. Einfach widerlich. Sie haben unser Mitgefühl, mehr wissen wir auch. Icht. Haben auch keine Kraftreserven , um auch noch an dieser Front zu kämpfen.
    Bei privaten Anbietern von Unterkünften haben wir deutlich bessere Erfahrungen gemacht. Solche Angebote gibt es aber leider nicht in Großen Städten, dort scheinen Ferienwohnungen / Ferienhäuser verpönt.
    Bleiben Sie dennoch so tapfer wie nur möglich. Viel Kraft wünscht Maria Reintzsch

  5. Entsetzlich, was mussten Sie durchleben? Und ein unmögliches Verhalten des Hotelpersonals!!

    Uns ist so etwas am Bodensee passiert, mit ganz anderem – für das Hotel positivem – Erfolg.

    Wir hatten ein behindertengerechtes Zimmer bestellt, der Aufzug hatte eine Tür, durch die meine Frau mit ihrem Rollstuhl mit 60 cm Spurweite soeben durchkam (na ja, oK.), aber im Zimmer war dann das Bad mit Rollstuhl nicht erreichbar (zu enger Gang neben dem Bett).

    Auf eine Reklamation meinerseits wurden uns verschieden andere Zimmer gezeigt, alle nicht geeignet, aber dann wurde uns eine Suite im oberen Stockwerk angeboten zum gleichen Preis(!!!). Da waren wir dann mehr als zufrieden, alle Wege waren ausreichend breit und die Aussicht auf den Bodensee war traumhaft..

    So kann ein anständiges Hotel den eigenen Fehler immerhin auch gut machen.

    Mein Vorschlag wäre auch noch nachträglich, Bauaufsicht o.ä. verständigen oder bei der Verbraucherberatung nach Rat fragen.

    Viel Erfolg!

    Wolfgang

  6. Ich habe meine Negativ-Rezension des Hotels mit Verweis auf diesen Artikel wieder entfernt. Mir ist klar geworden, dass ich emotional zu sehr berührt war, nur eine (wahrscheinlich zu Recht verärgerte) Perspektive kenne und dieser einfach bedingungslos glaub(t)e, ganz ohne wenigstens Fotos der Steigung o.ä. gesehen zu haben.
    Auch ist es wohl nicht in Ordnung Sie zu duzen und etwas, das Sie nicht getan haben, für Sie zu erledigen, ohne, dass Sie dem überhaupt zustimmen. Keine einzige Rezension über das Intercity Hotel Dortmund enthält das Wort Rollstuhl oder Inklusion. Das hat in mir gearbeitet… Die erste Rezension sollte nicht von mir stammen, die ich nie auch nur in Dortmund war, sondern von Ihnen. Mit Fotos.

  7. Ich habe meine Negativ-Rezension des Hotels mit Verweis auf diesen Artikel wieder entfernt. Mir ist klar geworden, dass ich emotional zu sehr berührt war, nur eine (wahrscheinlich zu Recht verärgerte) Perspektive kenne und dieser einfach bedingungslos glaub(t)e, ganz ohne wenigstens Fotos der Steigung o.ä. gesehen zu haben.
    Auch ist es wohl nicht in Ordnung Sie zu duzen und etwas, das Sie nicht getan haben, für Sie zu erledigen, ohne, dass Sie dem überhaupt zustimmen. Keine einzige Rezension über das Intercity Hotel Dortmund enthält das Wort Rollstuhl oder Inklusion. Das hat in mir gearbeitet… Die erste Rezension sollte nicht von mir stammen, die ich nie auch nur in Dortmund war, sondern von Ihnen. Mit Fotos.

  8. Also ich habe keinerlei Einschränkungen , aber wenn ich als Gast in diesem Hotel diese Sauerei mitbekommen hätte , ich hätte lautstark diesen Saftladen verlassen . Außerdem der Hotelleitung mitgeteilt das ich für sie sowohl in Zeitungen wie Internet Reklame machen würde . Das mit der Frage wo sie diese ” Reklame ” beforzugt lesen möchten . Dem Betroffenen hätte ich vorgeschlagen Anzeige wegen Diskriminierung und Gesundheitsgefährdung zu erstatten und mich als Zeuge zur Verfügung gestellt .

    Auf Behinderungen und Diskriminierungen reagiere grundsätzlich stinksauer , auch wenn es mich nicht persönlich betrifft .

    Diese Menschenverachtung betrifft jeden einzelnen von uns !

  9. Ja, da haben Sie recht, Menschenverachtung ist unteilbar und trifft Jeden! Ihre Solidarisierung sollte Schule machen. Dann gäbe es solche Mitarbeiter*innen bzw. solche Hotels nicht mehr.

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