Um es kurz zu machen: Soziale Medien sind nicht automatisch barrierefrei. Aber es gibt ein paar einfache Tipps, auf die jede*r achten kann, um den eigenen Social-Media-Content für mehr Menschen zugänglich zu machen. Judyta Smykowski hat sie in diesem Beitrag gesammelt.
Der Weg Richtung barrierefreier Social-Media-Kommunikation beginnt mit einer Frage: Kann ich meinen Social-Media-Content hören und gleichzeitig sehen? Wenn dies der Fall ist, sind die Posts schon viel barrierefreier als andere. Denn hier kommt das Zwei-Sinne-Prinzip zum Tragen, ein guter Indikator für inklusive Posts.
Bilder und Share-Grafiken zugänglich machen
Immer mehr Unternehmen und Medien kommunizieren ihre Inhalte auf Zitat-Kacheln oder Bildern mit einer Headline, die zugleich die wichtigste Information der Nachricht enthält. Dieser Text auf Bildern ist für blinde Menschen nicht zugänglich. Es sein denn, das Bild verfügt über einen Alternativtext. Dann wird der Text und das, was im Bild zu sehen ist, nämlich hörbar, weil ein Screenreader diesen vorlesen kann.
Als Faustregel für Alternativtexte gilt:
- Er sollte möglichst kurz sein.
- Beschreibt das Gesehene neutral, statt zu interpretieren,
- Konzentriert euch auf das Wesentliche. Zählt nicht die Bäume auf einem Bild, sondern beschreibt den Wald, der zu sehen ist.
Facebook und Instagram bieten einen KI-basierten Vorschlag für einen Alternativtext an, der automatisch aus dem Bild gezogen wird. Dieser Text ist allerdings niemals so gut wie eine selbst verfasste Bildbeschreibung. Alternativtexte können bei Instagram, Twitter, LinkedIn und Facebook in die dafür entsprechenden Felder eingefügt werden. Diese sind leider manchmal etwas versteckt: Ihr findet sie oft in den erweiterten Funktionen. Außerdem ist die Zeichenzahl bei einigen Diensten sehr begrenzt. Auch einige Social-Media-Tools wie beispielsweise Swat.io haben Felder für den Alternativtext in ihrem Content-Planungstool.
Um darauf aufmerksam zu machen, dass Bildbeschreibungen wichtig sind, verwenden einige Nutzer*innen ein “!B” für Bildbeschreibung in ihrer Caption. Andere fügen den Alternativtext direkt in die Caption ein, um noch mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Hier sollte der Alttext aber auch in das dafür vorgesehene Feld für Alternativtexte eingetragen werden, sonst ist er für Screenreader schwer auffindbar und wird nicht direkt ausgelesen, wenn man beim entsprechenden Bild angelangt ist.
Videos für alle
Auch Bewegtbilder sind nicht für alle Menschen gleich zugänglich. Für Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt sehen können, ist es wichtig, dass das, was in einem Video zu sehen ist, beschrieben wird. Das geht am besten über die sogenannte Audiodeskription. Das heißt, einen Erzähler*innenstimme erzählt all das, was im Video ohne Ton passiert.
Außerdem sind Untertitel ein wichtiges Mittel, um Videos barrierefrei zu gestalten. Auch hier gibt es immer häufiger automatisch generierte Untertitel. Doch auch diese sind mit Vorsicht zu genießen und sehr fehleranfällig. Es gibt aber gute Apps, in die zum Beispiel Instagram-Storys geladen werden können, um die Untertitel händisch anzulegen. Die Mühe lohnt sich, denn nicht nur hörbehinderte Menschen nutzen Untertitel: beinahe 85 Prozent der User*innen konsumieren Instagram-Videos ohne Ton.
Die schlechte Nachricht: Untertitel in Storys bzw. überhaupt Text in Instagram-Storys oder Reels werden von der Sprachausgabe, die blinde Menschen benutzen, nicht vorgelesen. Storys müssen also auf zwei Wegen aufgenommen werden: Einmal mit Untertiteln für taube Menschen und einmal mit Ton eingesprochen werden für blinde Menschen.
„Einfach anfangen“ – ein Interview mit der Initiative #barrierefreiPosten
Immer mehr Inhalte werden auf Social Media Kanälen bereitgestellt, geteilt und empfohlen. Die Initiative #barrierefreiPosten gibt Tipps, wie man mit Barrierefreiheit eine größere Zielgruppe im Internet erreicht. Wir haben mit zwei der Initiator*innen – Prof. Christiane Maaß und Heiko Kunert – über ihre Ziele gesprochen.
Twitter dagegen bietet in seiner Story-Funktion an, Alternativtexte hinzuzufügen. (Anm. d. Red.: Twitter heißt inzwischen “X” und auch die Story-Funktion ist nicht mehr vorhanden.) Und TikTok? Die Barrierefreiheit ist praktisch nicht vorhanden. Die App ist von Menschen, die einen Screenreadern bzw. die Sprachausgabe benötigen, nicht nutzbar. Außerdem werden Untertitel, die von Nutzer*innen angelegt werden, meist von Kommentaren und dem Videotitel verdeckt. Generell gilt, dass sehbehinderte Menschen den schnellen Sequenzen auf TikTok nicht gut folgen können. Hier zeigt sich, dass noch zu sehr von einer Zuschauernorm ausgegangen wird, die hören und sehen kann.
Hashtag-Love – aber inklusiv
Die wichtigste Regel lautet: Bei Hashtags, die aus mehreren Wörtern bestehen, muss jedes einzelne Wort mit einem großen Buchstaben beginnen. Also #AlleZusammen statt #allezusammen. Das ist nicht nur für die Sprachausgabe eine Erleichterung, sondern fördert auch für alle Nutzer*innen den Lesefluss. Hashtags sollten am Ende des Posts platziert werden, damit diese schnell übersprungen werden können. Auch Emojis im Usernamen sollten sparsam eingesetzt werden, da sie sonst in der Timeline ständig von Screenreadern vorgelesen werden.
Sag es einfach
Möglichst leicht zu formulieren ist ein gutes und inklusives Vorhaben. Allerdings gibt es hier in der Umsetzung große Unterschiede. Es gibt mit der Leichten Sprache eine Ausdrucksweise, die Regeln hat, damit Menschen mit Lernschwierigkeiten sie verstehen, zum Beispiel:
- Nur eine Information pro Zeile und Satz.
- Schwere Wörter erklären.
- Keine Fremdwörter verwenden.
Die Leichte Sprache wird von betroffenen Prüfer*innen mit Lernschwierigkeiten auf Verständlichkeit geprüft. Erst, wenn diese Prüfung erfolgt ist, darf der Begriff Leichte Sprache verwendet werden.
Die Einfache Sprache ist dagegen nicht so streng in ihren Regeln, es gibt auch keine Prüfung. Doch genau wie bei der Leichten Sprache gilt es, Fremdwörter, Abkürzungen, Metaphern und Synonyme zu vermeiden. Aber die Sätze können länger sein, ein Komma ist erlaubt. Auch sollten aktive statt passive Verben gebraucht werden.
Jenseits der Barrierefreiheit solltet ihr auch ein Augenmerk auf den Inhalt legen, um den Content möglichst inklusiv zu gestalten. Verwendet Triggerwarnungen, um Retraumatisierung zu verhindern. Bildet nicht ausschließlich weiße, nicht-behinderte cis-Menschen in eurem Kanal ab, sondern Menschen mit Vielfaltsmerkmalen und sichtbaren Behinderungen. Denn Menschen mit Vielfaltsmerkmalen sind Teil der Gesellschaft. Sie können und sollen in allen Zusammenhängen gezeigt werden und nicht nur dann, wenn es um Diversität oder Inklusion geht.
Dieser Artikel ist zuerst in der absatzwirtschaft (10. März 2022) erschienen und wurde danach auch in unserem Print-Magazin (18. Mai 2023) veröffentlicht.