Seit mehr als 50 Jahren versucht der US TV-Sender PBS (Public Broadcasting Service) alles, um für ein breites Publikum möglichst zugänglich und barrierefrei zu sein und insbesondere Kinder mit Behinderungen einzubeziehen. Karina Sturm sprach für das ABILITY Magazine mit der Vizepräsidentin von PBS KIDSs Digital Sara DeWitt über die Maßnahmen, wie Sendungen und Onlinespiele für Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden und testete einige der Lernspiele mit großer Freude selbst.
Bildung und Barrierefreiheit
Ein Junge mit braunen und ein Mädchen mit blonden Haaren stehen am obersten Ende einer bunten Rutsche. Drücke ich den Startknopf, hüpft der Junge auf die Rutsche, ruft “Wuhuuu” und gleitet nach unten. Eine Erzählstimme, die wie die eines Sportkommentators klingt, gibt mir meine nächste Aufgabe. Ich habe zwei Optionen: entweder drücke ich auf die Taste mit dem Pfeil nach oben oder nach unten, um die Rutsche höher oder niedriger zu machen. Ich beschließe die Rutsche zu erhöhen. Zu meinen zwei vorhandenen Bausteinen wird ein dritter hinzugefügt. Erneut drücke ich den Start-Knopf. Prompt informiert mich der Erzähler, dass meine Rutsche nun viel schneller geworden ist. Ich lerne also, dass der zusätzliche Block die Höhe der Rutsche verändert hat und meine Spielfigur dadurch schneller ans Ziel kommt. Nachdem ich herausgefunden habe, wie Höhe mit Geschwindigkeit korreliert, fängt das eigentliche Rennen an. Eine zweite Rutsche taucht auf. Sie ist etwas höher als meine und auf ihr stehen ebenfalls zwei Kinder. Die Erzählstimme fordert mich auf, das Rennen zu gewinnen. Ich muss die Höhe meiner Rutsche daher erneut anpassen, wenn ich als Erste im Ziel ankommen möchte. Als ich Level 2 erreicht habe, tauchen zusätzliche Optionen auf: Ich kann Honig, Eis, Butter oder Sand verwenden, um die Oberfläche der Rutsche zu verändern und meine zwei Spielcharaktere dadurch entweder zu beschleunigen oder zu verlangsamen. Sobald ich einen Fehler mache, werde ich gebeten das Rennen zu wiederholen. Diesmal steht aber nur die richtige Option zur Auswahl. So wird mir beigebracht, was ich falsch gemacht habe. Mit jeder bewältigten Herausforderung wird die Aufgabenstellung schwieriger. Und selbst als Erwachsene weiß ich den Lerneffekt dieses Spiels zu schätzen.
Slidea-ma-zoo
Slidea-ma-zoo ist eines von vielen Spielen, das PBS für Kinder zwischen 2 und 8 Jahren entwickelt hat. Basierend auf der Serie The CAT in the HAT knows a Lot About That! liefern sich die Hauptfiguren Nick und Sally ein Wettrutschen mit Ding 1 und Ding 2 auf zwei separaten Rutschen, deren Höhe und Textur verändert werden kann. Wie alle Spiele von PBS ist auch Slidea-ma-zoo ein Lernspiel: Hier sollen Kinder die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung spielerisch zu verstehen lernen. Was die Spiele von PBS jedoch so außergewöhnlich macht, ist nicht der Lerneffekt, sondern deren Barrierefreiheit für Kinder mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten. Slidea-ma-zoo, zum Beispiel, ist vollständig untertitelt und zusätzlich kann der Ton ein- oder ausgeschaltet werden. Andere Spiele haben außerdem Audiodeskription und weitere Funktionen, um Kontrast, Textgröße und vieles mehr anzupassen. Das Team rund um Sara DeWitt, Vizepräsidentin von PBS KIDS Digital, verbringt den Großteil ihrer Arbeitszeit damit, sich Gedanken um Inklusion und Barrierefreiheit zu machen. Als wir mit unserem Interview beginnen, erzählt mir Sara, dass ihre Kinder nebenan spielen würden und dass sie hofft, dass ich mich nicht gestört fühle, falls sie uns ab und zu unterbrechen. Ich spüre sofort ihre fürsorgliche Mutterart. Sie wirkt, als wäre sie für PBS KIDS gemacht.
„Wir sind sehr bemüht, für ein möglichst breites Publikum repräsentativ und zugänglich zu sein. Das schließt natürlich Kinder mit Behinderungen ein, aber auch Kinder mit verschiedenen sozioökonomischen Hintergründen. Wir möchten, dass sich alle Kinder in unseren Shows selbst sehen. Außerdem sollen sie ungehindert mit unseren digitalen Inhalten interagieren, um lernen und wachsen zu können“, sagt Sara. Sie ist verantwortlich für die digitale Produktion und Partnerschaft mit Produzenten von PBS KIDS Shows, sowie für die Entwicklung von Spielen, Videostreaming und die Websitewartung.
Kinder mit Behinderungen testen alle Spiele
Jedes der PBS-Spiele wird von Sara und ihrem Team einer Gruppe von Kindern mit Behinderungen vorgestellt. Dieses Verfahren ermöglicht es PBS signifikante Probleme sofort zu erkennen. “Wir arbeiten mit unzähligen Schulen zusammen, um diese Spiele mit Kindern zu testen. Da derzeit alle Schulen geschlossen sind, führen wir virtuelle Tests durch. Und selbst, wenn unsere Spiele nur ein Konzept auf dem Papier sind, werden sie sofort Kindern vorgestellt. Wir haben außerdem verschiedene Partnerschaften mit Organisationen, die uns erlauben die Spiele mit Kindern mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu testen. Einer unserer Partner ist Johns Hopkins IDEALS”, erklärt Sara. Seit August arbeitet PBS mit IDEALS (The Institute for Innovation in Development, Engagement, and Learning Systems) an der Johns Hopkins School of Education zusammen, um neue Ressourcen für Eltern zum Thema Barrierefreiheit zu testen. Zusätzlich hat PBS Partnerschaften mit CAST, dem Indiana University Institute on Disability and Community, der Harvard School of Education, und der Northeastern University. Gerade die Zusammenarbeit mit verschiedenen Beratern und Partnern, sowie die Befragung der Zielgruppe: Kinder mit und ohne Behinderung, ermöglichen es PBS mehr Barrieren zu identifizieren als andere Sender und damit zugänglich für ein breites Publikum zu sein. „Als wir anfingen das Spiel Slidea-ma-zoo mit Kindern mit Seheinschränkung zu testen, stellten wir fest, dass das Spiel in manchen Bereichen nicht genug Kontrast bot. Zum Beispiel waren die Rutschen schlecht voneinander zu trennen und die Unterschiede zwischen den verschiedenen Stoffen, die auf die Rutsche aufgetragen werden können, waren schwer erkennbar. Als Konsequenz haben wir unsere Perspektive in Bezug auf die Details der Rutschen komplett verändert, um diese Barriere abzubauen. Wenn wir das Spiel nicht mit Kindern mit Behinderung getestet hätten, wäre uns vermutlich nicht aufgefallen, dass selbst unser grundlegendes Design nicht so barrierefrei war, wie es hätte sein können”, erklärt Sara.
Nicht alle Spiele sind komplett barrierefrei
“Wir haben mehr als 200 Spiele, die in den letzten 15 Jahren entwickelt wurden. Ich würde daher nicht sagen, dass alle für jedes Kind zugänglich sind. Einer der Gründe dafür ist, dass sich die genutzten Technologien verändert haben. Die waren vielleicht damals barrierefrei, aber heute – durch die veränderte Darstellung – sind sie es nicht mehr. Wir arbeiten aber hart daran, möglichst viele unserer Spiele so barrierefrei wie möglich zu gestalten”, sagt Sara. Zusammen mit CAST und anderen Beratern und im Rahmen der Ready to Learn Initiative, einer Partnerschaft mit der vom Department of Education finanzierten Corporation of Public Broadcasting, hat PBS eine Reihe von Standards für das allgemeine Konzept des Lernens entworfen und alle Produzenten werden aktiv darin geschult, diese Standards umzusetzen. “Und wenn wir vor einem Problem stehen, bei dem wir uns nicht sicher sind, involvieren wir einen externen Berater”, fügt Sara hinzu.
Barrierefreiheit 2.0: Railway Hero
Einige Spiele von PBS verfügen über noch mehr Features zur Barrierefreiheit als nur Untertitel und Audiodeskription. Railway Hero ist das beste Beispiel für PBSs streben nach Inklusion. Das Computerspiel wurde von THIRTEEN (WNET), ein PBS-Sender in New York, entwickelt und gehört zur Show Cyberchase, die sich hauptsächlich mit Mathematik beschäftigt. “Channel THIRTEEN hat eng mit Bridge Multimedia daran gearbeitet das Spiel für Kinder mit Lernschwierigkeiten und ebenso mit körperlichen Behinderungen zugänglich zu machen. Eine der speziell eingebauten Funktionen ist die Möglichkeit die Bildschirmanzeigen anzupassen. Das heißt zum Beispiel, dass die Textgröße, Farbe und der Kontrast einstellbar sind, aber auch Audio und Voice-overs können verändert werden,” erklärt Sara. Darüberhinaus hat Railway Hero Audiodeskription und eine Tastatursteuerung für blinde Kinder und Kinder mit Seheinschränkung. Während des Spielens können weitere Hinweise gefunden werden, die Kinder beim Lernen unterstützen und zusätzlich gibt es für autistische Kinder die Möglichkeit die Hintergrundmusik so anzupassen, dass die vielen Sinneseindrücke sie nicht überlasten.
Kontext-Feedback in Echtzeit: Fish Force
Einige Spiele von PBS verwenden kontextbezogenes Echtzeit-Feedback, was heißt, dass sich das Spiel in Echtzeit an das Können des Spielers anpasst. Fish Force ist eines von PBSs Spielen, das diese Technik nutzt, was ich natürlich sofort selbst ausprobieren muss. Bei diesem Wissenschaftsspiel muss der Spieler mit einer Kanone Fische auf eine Eisfläche schießen, ein Stofftier treffen und dieses in ein bestimmtes Zielgebiet befördern – ähnlich wie beim Eisstockschießen. Fish Force erscheint komplexer als Slidea-ma-zoo, denn es gibt mehr Optionen: hier kann ich Kraft und Winkel der Kanone selbst wählen. Und da sich das Spiel meinem Können anpasst, ist jedes Level etwas schwieriger. Nach einigen Versuchen muss ich mit zusätzlichen Hindernissen umgehen. Zum Beispiel gleiten plötzlich Pinguine über das Eis und geraten in die Flugbahn meines fliegenden Fisches oder es befindet sich Sand auf dem Eis, der die Reibung erhöht und so die Geschwindigkeit meines Fischs verringert. All diese Herausforderungen müssen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Jedes mal wenn ich mein Ziel verfehle, was ziemlich oft vorkommt – ich bin ungeschickt – rufe ich “Neeein”, während mich der Erzähler Ruff gleichzeitig fragt, ob ich denn sicher sei, dass die von mir angewandte Kraft korrekt war. Nein, das war sie offensichtlich nicht. Ich brauche zwei weitere Versuche, um das Level zu beenden und bin sichtlich erleichtert, als ich es endlich schaffe. Obwohl dieses Spiel für Kinder gemacht ist und ich 33 Jahre alt bin, fühle ich mich trotzdem gut unterhalten. “Kinder müssen eine Hypothese formulieren und sie dann testen. Wir wollten sehen, ob wir dieses Prinzip vermitteln und ihnen gleichzeitig verschiedene Arten von Kräften und Bewegungen verständlich machen können. Als wir das Spiel mit WGBH in Boston entwickelten, versuchten wir bestimmte Stellen im Spiel zu identifizieren, an denen Kinder ihr Wissen über dieses Konzept demonstrieren könnten. Wenn sie das erste Level ohne Mühen meistern, überspringt das Spiel direkt ein paar Level, um sich ihren Fähigkeiten und gleichermaßen den Schwierigkeitsgrad anzupassen. Auch innerhalb eines Levels gleicht sich das Feedback an – immer basierend darauf, was die Kinder richtig gemacht haben oder an welcher Stelle mehr Aufmerksamkeit und Hinweise nötig sind“, erklärt Sara.
Barrierefreiheit für Kinder mit Autismus
Neben einer reizreduzierten Umgebung in vielen ihrer Spiele, unterstützt PBS autistische Kinder zusätzlich dadurch, dass die Bezeichnung einer Emotion angezeigt wird, wenn das Gesicht eines Charakters dieses Gefühl ausdrückt. In der App Daniel Tiger’s Neighborhood können Kinder außerdem ein Foto von sich selbst machen und versuchen den Gesichtsausdruck der Figur aus der Show nachzuahmen. “Wir haben von einigen Produzenten gehört, dass die Augenform und die Fähigkeit eines Charakters Emotionen auszudrücken, gerade bei Kindern im Autismus-Spektrum Anklang gefunden haben”, sagt Sara.
Bridget, 7 Jahre
Bridget ist sieben Jahre alt und lebt mit Autismus, ADHS und einer Angststörung. Sie liebt es Apfelchips, Kürbiskuchen, Reiskrispies und Zuckerkekse zu backen. Hausaufgaben hingegen mag sie nicht gern, vor allem wegen Mathe. “Ich brauch’ Mathe, was Spaß macht”, sagt sie. Als ich sie frage, was sie damit meint, erklärt Bridget: “Das muss einfach Spaß machen, während man es tut. Man macht’s auf eine lustige Art. Zum Beispiel mit Süßigkeiten. Du hast zehn Käsecracker und zehn Goldfische. Wie viele macht das? 20!” Ich lache und kann nur zustimmen. So macht Mathe wirklich mehr Spaß. Bridget trägt ein rosafarbenes Kleid, auf dem ein Einhorn zu sehen ist, und eine rosa Brille. Ihr Zimmer ist lilafarben und überall hängen bunte Poster. Während wir uns unterhalten, benutzt sie ein Fidgeting Tool, ein spezielles Spielzeug, das ihr dabei hilft Stress abzubauen. Bridget ist ein smartes, wortgewandtes Mädchen, das gerne Neues lernt. “Meine Lieblingssendung ist WordGirl”, sagt sie, “weil sie Leuten viele Dinge beibringt. Dann wissen die Menschen immer, wie sie das Richtige tun können. Wenn sie etwas bestimmtes sagen wollen, können sie einige der Wörter verwenden, die uns WordGirl beibringt.” WorldGirl ist eine Superheldin mit einem beeindruckenden Wortschatz, den sie nutzt, um Verbrechen zu bekämpfen.
Eine andere Show, die Bridget liebt, ist Pinkalicious. “Ich find’ es toll, dass Pinkalicious aus allem, was sie tut, etwas lernt”, erklärt Bridget. An Bridgets Wand hängt ein Pferde-Poster, weshalb ich sie nach ihrem Lieblingstier frage. Sie sagt, sie liebt Pferde, aber auch Narwale, Delfine, Einhörner, Katzen, Hunde und Löwen. Löwen, weil sie so niedlich sind. Aufgrund ihrer Liebe für Tiere, schaut sie gerne Wild Kratts, eine PBS-Serie über Biologie, Zoologie und Ökologie. “Wild Kratts bringt uns Dinge über Tiere bei. In einer Show haben wir gelernt, dass Flamingos bei ihrer Geburt gar nicht rosa sind, sondern weiß”, sagt Bridget. Das wusste ich auch nicht. Könnte Bridget ein Charakter in ihrer Lieblingsshow sein, dann wäre sie Aviva Corcovado, die Ingenieurin in Wild Kratts. “Sie macht Anzüge, damit man sich in Tiere verwandeln kann. Man muss den Anzug nur anschalten und schon wird man zu einem Tier”, lässt Bridget mich wissen. Ihr Lieblingsspiel ist Ready Jet Go!, weil “es wie ein Videospiel ist. Es gibt ein Labyrinth, man muss springen und Münzen und Sterne sammeln und man kann fliegen. Also so ziemlich alles.” Und natürlich mag sie den Pinkamagine Fashion-Gestalter. “Man kann sein eigenes Outfit auswählen und es dann dekorieren, wie man will. Dann kann man ein Foto machen und den Hintergrund auswählen”, illustriert Bridget. Auch ich habe mir ein eigenes Kleid kreiert: mit Polkadots, und ja, das hat Spaß gemacht. Neben dem Videospielen hat das kreative Mädchen auch große Pläne für ihre Zukunft. Als ich sie frage, welchen Beruf sie als Erwachsene haben möchte, sagt sie schockiert: “Job?! Naja, eigentlich möchte ich einfach nur eine glückliche Künstlerin sein. Ich möchte an einem Ort arbeiten, der mich glücklich macht und ich will Kinder zum Lachen bringen. Ich kann sie zeichnen oder zeichnen, was sie sein wollen. Ich benutze die Sachen, die ich hier habe und mache etwas Schönes daraus.”
Kinder mit Behinderungen zu repräsentieren, ist wichtig
Neben der Barrierefreiheit der PBS-Spiele und Shows, ist es für Kinder mit Behinderungen ebenso wichtig sich in den Medien zu sehen und sich repräsentiert zu fühlen. Gerade im TV fehlt diese Art der Vielfalt oft und wenn ein Charakter mit einer Behinderung dargestellt wird, ist dies meist stereotyp. PBS will das ändern. „Wir legen großen Wert darauf, dass Kinder sich akkurat dargestellt fühlen – ohne Stereotypen. Wir haben daher mehrere Shows, die Charaktere mit Behinderungen zeigen“, sagt Sara.
Die Hauptfigur der neuen PBS-Show Hero Elementary ist autistisch und trägt immer Kopfhörer um den Hals, damit er Umgebungsgeräusche ausblenden kann, wenn diese zu überfordernd werden. Eine weitere Serie, die Behinderung thematisiert, ist Daniel Tiger’s Neighborhood. Chrissie, ein Mädchen mit einer körperlichen Behinderung, nutzt Orthesen und Krücken, um gehen zu können. In mehreren Folgen spricht Chrissie mit Daniel über ihre Behinderung und wie ihre Orthesen ihr beim Laufen helfen. “In mancher Hinsicht sind wir verschieden, aber in vielerlei Hinsicht sind wir ganz gleich”, singt Daniel in einer Episode, die erklärt, dass Chrissie vielleicht ein wenig anders aussieht, aber trotzdem die gleichen Dinge wie ihre Freunde mag. Eine weitere Show, die eine Vielzahl von Kindern mit Behinderungen repräsentiert ist Arthur. Arthurs bester Freund Buster lebt mit Asthma; Carl, eine Hauptfigur in der Show, hat das Asperger-Syndrom, was in der Episode ‘When Carl Met George’ besonders hervorgehoben wird. In dieser Folge taucht PBS tief in die Welt von Menschen mit Autismus ein und erklärt, wie sich bestimmte Alltagssituationen für Kinder mit Asperger-Syndrom ganz anders als für neurotypische Kinder anfühlen. Außerdem zeigt die Show Brain, der, nachdem ein Hurrikan seine Stadt getroffen hat, schwer traumatisiert ist. Er lebt mit ständigen Panikattacken. In mehreren Folgen wird gezeigt, wie er langsam, mit Hilfe eines Therapeuten, lernt sich selbst zu beruhigen, wenn er sich überfordert fühlt. Und diese Liste könnte man ewig weiterführen. “Diese Charaktere entstehen nicht einfach aus dem Nichts. Es ist nicht so, als würden Autoren in einem Raum sitzen und sie entwickeln. Viel mehr arbeiten die Produzenten, die die Inhalte erstellen, mit externen Beratern und den Communities zusammen, um sicherzugehen, dass jeder akkurat repräsentiert wird. Durch die Partnerschaft mit dem US Department of Education haben wir außerdem Berater zur Verfügung stehen, mit denen wir Kontakt aufnehmen können, wenn wir Kinder mit Behinderungen porträtieren“, erklärt Sara.
Molly of Denali
PBS will nicht nur Kinder mit Behinderungen in ihren Serien repräsentieren, sondern legt auch besonderen Wert darauf, anderen Minderheiten eine Stimme zu geben. Ein Beispiel dafür ist die Show Molly of Denali, die laut Sara DeWitt der erste Kinder-Cartoon ist, der eine amerikanische Ureinwohnerin als Hauptfigur zeigt. “WGBH Boston produzierte Molly of Denali in Zusammenarbeit mit einheimischen alaskischen Autoren und Produktionspartnern, weil wir sicherstellen wollten, dass die Charaktere wirklich authentisch sind und die Werte der Ureinwohner Alaskas repräsentieren. Bei jeder neuen Show, die wir entwickeln, denken wir darüber nach, welches Publikum derzeit nicht im Fernsehen vertreten ist und wie wir dazu beitragen können, deren Stimmen authentisch und kulturgetreu darzustellen”, sagt Sara. Und das gilt ebenso für die Gleichstellung der Geschlechter. “Viele Kindershows zeigten für lange Zeit häufiger Jungs als Mädchen. Es gibt diesen Mythos in der Branche, dass Mädchen Serien schauen, die Jungs zeigen und Jungs Serien schauen, die Jungs zeigen, jedoch Jungs keine Shows sehen wollen, die Mädchen featuren. Wir haben allerdings mehrfach bewiesen, dass dem nicht so ist. Jungs schauen natürlich auch Sendungen mit weiblichen Charakteren an. Dabei sind genau zwei Dinge wichtig: Die Geschichte muss fesselnd sein und die Zuschauer müssen sich mit den Charakteren identifizieren können”, fügt Sara hinzu.
Ethan, 17 Jahre
Ethan ist 17 Jahre alt und befindet sich aufgrund einer Sprachverarbeitungsstörung entlang des neurodiversen Spektrums. Er liebt seinen Nintendo Switch, Kochen und Musik zu machen, doch durch seine Behinderung hat Ethan große Probleme Sprache zu verarbeiten. “Oft ist es wirklich hart. Wenn meine Umgebung zu laut oder voll ist, verstehe ich nicht, was alle um mich herum sagen. Außerdem ist die Schule, auf die ich gehe, weit entfernt und nach der Schule sind so viele Dinge zu tun. Zum Beispiel Musik üben, Nachhilfe und Ergotherapie”, sagt Ethan. Doch wie viele Kinder, die mit einer Behinderung leben, findet auch Ethan kreative Wege sich anzupassen und zu lernen. Seine Mutter Christine erzählt mir, dass Ethan sich als Zweijähriger das Lesen selbst beigebracht hat. “Ethan beobachtete mich, als ich seine Schwester am Computer einloggte, um mit einem Freund Videospiele zu spielen. Danach meldete er sich selbst an, schaltete Untertitel ein und wiederholte die Spiele so oft, bis er verstand, was gesagt wurde”, erklärt Christine. Und Ethans Fähigkeit, immer wieder Lösungen für neue Herausforderungen zu finden, kennt keine Grenzen. Als Ethan als Kleinkind einen Sommer bei seinen Großeltern verbrachte, überraschte er seine Eltern bei der Heimkehr damit, dass er Spanisch sprechen konnte. Seine Eltern glaubten, er hätte die neue Sprache aus dem Fernsehen gelernt. “Später im Sommer rief Ethans Oma leicht verärgert bei uns an. Sie hatte eine Rechnung von ihrem Kabelanbieter bekommen. Wir haben so gelacht, als wir herausfanden, dass Ethan den spanischen Kanal abonniert hatte, um auf die spanischen Untertitel zugreifen zu können”, erklärt Christine. Während Sprachverarbeitung für Ethan schwierig ist, scheint er ein natürliches Talent für Physik und Mathe zu haben. Eine seiner Lieblingsshows ist PBSs Odd Squad. “Ich finde es toll, wenn die Agenten seltsame Probleme beheben, die mit Mathe zu tun haben. Außerdem löse ich die Aufgaben gerne zusammen mit den Schauspielern. Ich wünschte, ich könnte ein Agent sein! Wenn, dann wäre ich Agent Orion, denn dann wär’ ich verantwortlich für die Wartungsfirma, die ständig Haushaltsgegenstände repariert”, sagt Ethan. Eine andere Show, die Ethan sehr gefällt, ist Super Why. “Sie lehrt viel Vokabular und mir gefällt, dass sie, um Probleme zu lösen, in Büchern nachschlagen. Und am Ende steht immer eine Moral. Ich finde es toll verschiedene Moralvorstellungen zu kennen”, sagt Ethan. Tatsächlich nimmt sich Ethan jede Lektion der Show zu Herzen. “Er spricht immer davon, dass er ein guter Freund sein möchte”, sagt seine Mutter. Und das obwohl Ethan selbst in der Vergangenheit nicht immer freundlich behandelt wurde. Als Ethan acht Jahre alt war, fiel er von einer Schaukel und brach sich kurz vor den Sommerferien beide Arme. Er musste operiert werden und den ganzen Sommer lang einen Gips tragen. “Viel schlimmer als die Brüche war, dass niemand mit mir spielen wollte und die Kinder sich über mich lustig gemacht haben, weil beide meiner Arme bis zu den Achseln eingegipst waren”, erinnert sich Ethan. Oft luden ihn die Kinder zum Spielen ein, rannten dann aber weg. “Fernsehen war seine einzige Zuflucht, und als der Gips dann endlich ab war, tanzte und sang Ethan sofort zu PBS-Shows”, sagt Christine. Ich frage Ethan, wie er sich seine Zukunft vorstellt und was er nach der Schule machen will. Er antwortet: “Ich möchte Cartoons entwickeln und mehrere tolle Shows für Kinder schreiben, von denen sie lernen können.” Behinderte Kinder und Jugendliche – so auch Ethan – wollen selbst Inhalte produzieren, die genau für Menschen wie sie gemacht sind. Und damit scheint die Zukunft von PBS gesichert.
PBS als Vorbild
PBS ist in vielen Bereichen ein Vorbild. Insbesondere aber, wenn es um Vielfalt, Inklusion und Barrierefreiheit geht. Tatsächlich hat PBS den Grundstein von Barrierefreiheit in den USA gelegt: PBS war der erste amerikanische Sender, der seit 1972 dessen Sendungen untertitelte und WGBH Boston zählt bis heute zu den Pionieren im Bereich Untertitel. Seit den 70ern hat sich PBS ununterbrochen darauf konzentriert die neuesten Technologien für mehr Barrierefreiheit für ihr Publikum verfügbar zu machen. “Ich bin seit 21 Jahren bei PBS und bereits im ersten Jahr haben wir darüber gesprochen, wie wir eine neue Website für Kinder aufbauen, die für Familien mit Screenreadern zugänglich ist. Außerdem haben wir konstant darüber nachgedacht, wie wir ALT-Texte verwenden können, um Kindern den Zugriff auf unsere Website zu erleichtern”, sagt Sara.
Dieser Text erschien zuerst im Ability Magazine und wurde aus dem Englischen übersetzt.