Dieser Text handelt von Online-Dating. Den Klarnamen der Person, um die es hier geht, darf ich natürlich nicht nennen, deshalb benutze ich ein zufälliges Nickname. Es wäre ihr durchaus zuzutrauen, dass sie einen vergleichbar kreativen Namen verwendet: Lisa1.
Im Profil steht, sie sucht jemanden mit Humor, Schlagfertigkeit und Leidenschaft. Sie hat es satt, aufgrund von Äußerlichkeiten verurteilt zu werden.
Check, hier ist dein Jackpot, denke ich.
In meiner Vorstellung hätten wir uns Leih-Mountainbikes geholt, die Halfpipe gestürmt und anschließend ´ne Gartenparty gemacht. “Backflips and grill” vor “Netflix and chill”!
Aber sie möchte spazieren gehen. In einer romantischen Gegend. Also hat sie mich zu sich zitiert. Nach Gelsenkirchen. Ich sage zu und zähle zwei Wochen lang die Minuten, bis zu unserem Treffen.
Als es soweit ist, steige ich beschwingt in Gelsenkirchen aus. Lisa1 ist nicht da. Minütlich werde ich nervöser. Nach 10 Minuten möchte ich ihr schreiben. Ihr Handy ist aus.
Ich bleibe geduldig. Sie hat sich bestimmt in der Uhrzeit vertan. Vielleicht hat sie sich auf dem Weg zum Bahnhof verfahren. Vielleicht war ihr Akku leer, sie ist ausversehen auf die Autobahn abgebogen, dann war der Tank leer und sie muss in Highheels gerade noch 12 Kilometer bis zur nächsten Tanke stöckeln. Dabei ist ihr Absatz abgebrochen und… das Gedanken-Karussell stoppt. Meine Stimmung ist gerade am Nullpunkt und meine Lernkurve ist ´ne Gerade am Nullpunkt. Auf ihr steht groß „Error“, statt „Erotik“. Erst als der letzte Zug Richtung Stuttgart rollt, trete ich traurig den Heimweg an.
Zusammengefasst bin ich also sieben Stunden gefahren, hatte immense Vorfreude – für nichts. Ich hab mich gefühlt, wie bei einem meiner Solo-Auftritte. Mir steht es, stetig stehen gelassen zu werden. Meinem Naturell entsprechend, bin ich kein nachtragender Mensch. Eigentlich.
Jedoch wünsche ich jeder Person, die ihr Date unangekündigt versetzt, dass bei ihrem nächsten richtig miesen Durchfall das Klopapier aufgebraucht ist. Auf einer ICE-Toilette.
Mich mit ihr zu treffen, war eine Fehlentscheidung.
Offenbar hat Lisa1 ihr Handy wieder angemacht, denn auf der Rückfahrt konnte ich sie fragen, was diese Aktion sollte. „Ein Partner mit Behinderung geht gar nicht. Wie sieht das denn aus? Ich hab meine Ansprüche, die lauten: Muskeln, Ästhetik und Sixpack. Du spielst sowieso nicht in meiner Liga“, schreibt sie.
Sie möchte also makellos sein – und mich als Makel los sein!
Sie hat bestimmt auch feine Charakterzüge. Allerdings bin ich froh, wenn die Züge weiterfahren. Wäre ich Jurist, würde ich sie verklagen. Auf Herzschmerzensgeld.
Ich denke kurz darüber nach, ihr zu schreiben, dass ich ihr wünsche, dass sie nie mehr aufgrund von Äußerlichkeiten abgewiesen wird. Sondern wegen ihres Empathie-Levels von Attila Hildmann.
Aber das schreibe ich nicht. Denn es geht im Leben eben nicht nur um´s Vergeben sein, sondern ums Vergeben können. Ich möchte kein qualitativ schlechter Mensch sein. Deshalb schreibe ich:
Dir wünsche ich, dass deine Lernkurve noch endlos steigt,
dass dir nach dem ICE-Durchfall jemand ein Tempo reicht.
und ich wünsche dir, dass auch du es noch checkst:
Im Leben geht’s nicht ums Aussehen, sondern um Mut und Respekt.
Eine Antwort
Wahnsinn. Das ist mir so zum Glück noch nie passiert. Obwohl man Männern ha in der Regel mehr Oberflächlichkeit unterstellt 😉
Immerhin hast du aber den ehrlichen Grund bekommen, wenn auch feige und dämlich, und wurdest nicht komplett gegohstet. Yeay