Hans Asperger: Warum ein Täter kein Lob bekommen darf (Einfache Sprache)

Auf einem großen, grauen Grabstein steht „Niemals vergessen“, darauf steht ein Grablicht und eine Steinschale mit roten und weißen Blumen.
Zentralfriedhof Wien, Gedenkstein für die Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde mit der Aufschrift: „Niemals Vergessen“. Foto: Thorsten Wagner, Film „Wir dürfen es nicht vergessen“ (2024).
Lesezeit ca. 3 Minuten

Sophie Lierschof hat einen Text geschrieben.
In diesem Text geht es um ihre Großtante.
Sie wurde ermordet.

Und es geht um Hans Asperger.
Hans Asperger war ein Arzt in Wien zur Zeit des National-sozialismus.

Er ist verantwortlich für die Tötung vieler Kinder.
Trotzdem wurde er nach dem Krieg als guter Arzt dargestellt.

Heute wird der Name „Asperger” noch für eine Autismus-Diagnose benutzt.
Das verletzt viele Menschen.

Medien, Kliniken und die Gesellschaft müssen diesen Namen kritisch betrachten und ihn aus Diagnosen entfernen.

Hinweis zum Inhalt

In diesem Text geht es um die Ermordung von kranken und behinderten Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus.
Auch Kinder wurden damals getötet.
Das kann beim Lesen traurig oder belastend sein.

Wenn Sie darüber sprechen möchten oder Hilfe brauchen, können Sie sich an die Telefonseelsorge wenden: www.telefonseelsorge.de oder kostenlos anrufen unter 0800 111 0 111.

Diesen Text gibt es hier auch in Alltagssprache.

Warum ich diesen Text schreibe

Großtante Irma Sperling wurde 1944 ermordet.
Sie war 14 Jahre alt.
Sie starb in Wien in der Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“.
Dort wurden viele Kinder mit Behinderungen getötet.
Das weiß ich schon seit meiner Kindheit.
Deshalb beschäftige ich mich seit langem mit den Krankenmorden der National-sozialisten. Die National-sozialisten glaubten, nur bestimmte Menschen seien „besser“ oder „wertvoll“.

Mich macht es wütend, dass bis heute der Name von Hans Asperger für Autistinnen und Autisten benutzt wird.
Asperger war Teil des Mordprogramms.
Auch Heinrich Gross, der Mörder meiner Großtante, wurde lange geehrt.
Über die Opfer wird kaum gesprochen.

Ich schreibe seit Jahren an Zeitungen, Sender und Kliniken.
Ich bitte sie: Benutzt nicht mehr den Namen Asperger.
Meistens bekomme ich keine Antwort.
Manchmal sagen sie: „Es sind Zeit-dokumente (Dokumente von früher), wir können nichts ändern.“
Das reicht nicht.

Was Hans Asperger tat

Forscher wie Herwig Czech und Edith Sheffer haben gezeigt: Hans Asperger schickte Kinder in den Tod.
Er entschied, welche Kinder „wertvoll“ für die Gesellschaft waren und welche nicht.
Kinder, die er für „nicht brauchbar“ hielt, wurden am Spiegelgrund ermordet.
Etwa 800 Kinder starben dort.

Asperger dachte und arbeitete nach der sogenannten „Rassenhygiene“.
Das war eine Idee der National-sozialisten.
Sie behauptete: Die Bevölkerung müsse „erbgesund“ bleiben.
Dafür wurden Menschen zwangssterilisiert, gequält und ermordet.

Asperger war in dieser Ideologie tief verstrickt.
Er gründete mit anderen Ärzten eine Gesellschaft, die entschied, wie mit behinderten Kindern umzugehen sei – nach der Ideologie der National-sozialisten.
Eine Ideologie sehr starr. Menschen glauben: „So ist die Welt“.
Wer anders denkt, wird abgelehnt.

Hans Asperger hatte einen Kollegen.
Er hieß Erwin Jekelius und war Leiter des Spiegelgrunds.
Er war verantwortlich für viele Morde.
Auch Asperger wusste das.

Nach dem Krieg machten sowohl Asperger als auch Gross Karriere.
Sie wurden geehrt. Obwohl sie am Mordprogramm beteiligt waren.
Gross nutzte sogar weiter die Gehirne der ermordeten Kinder für seine Forschung.
Auch das Gehirn meiner Großtante.

Im Hintergrund ist ein stattliches Klinikgebäude zu sehen, davor ein kleiner Park mit einer großen Standuhr.
Otto-Wagner-Spital Wien: ehemalige Klinik am Steinhof mit der Kinderfachabteilung Am Spiegelgrund, Tatort der Krankenmorde. Foto: Thorsten Wagner, Film „Wir dürfen es nicht vergessen“ (2024)

Warum der Name ein Problem ist

Dass Menschen im Autismus-Spektrum heute noch nach Asperger benannt werden, ist falsch.
Es ehrt einen Täter.
Es verletzt die Opfer und ihre Familien.

Medizinisch ist der Begriff auch veraltet.
Heute spricht man von Autismus-Spektrum.
Denn Autismus ist vielfältig.
Es gibt keine starren Gruppen.

In den USA wird der Begriff Asperger seit 2013 nicht mehr verwendet.
In Europa wird er noch benutzt.
Das finde ich nicht gut.

Ich habe viele Briefe geschrieben: an ZDF, ARD, SWR und andere.
Oft habe ich keine Antwort bekommen.
Manchmal nur: „Wir prüfen das.“
Geändert hat sich kaum etwas.

Besonders schlimm finde ich: Auch in Kindersendungen taucht der Name Asperger auf.
Dort gibt es sogar zusätzlich rassistische Wörter.
Sender nennen das „Zeitdokument“.
Aber so schützt man kein Kind vor Diskriminierung.

Sprache hat Macht

Wie wir über Autismus sprechen, ist wichtig.
Es zeigt, wie Menschen mit Autismus gesehen werden.
Wenn man sie nach einem Täter benennt, verharmlost man dessen Verbrechen.
In den Medien werden Autist*innen oft klischeehaft gezeigt: als schrullige Genies, ohne Gefühle.
Das ist verletzend und falsch.

Ein Problem: Manche Menschen im Autismus-Spektrum benutzen selbst das Wort Asperger. Das ist ihre eigene Entscheidung.
Aber Medien, Ärztinnen und Ärzte und Institutionen (das sind zum Beispiel Schulen oder Gerichte oder Kranken-häuser) dürfen es nicht mehr unkritisch benutzen.

Meine Forderung

Der Name Asperger darf nicht mehr als Diagnose oder Bezeichnung benutzt werden.
Er gehört in die Geschichtsbücher.
Die Verbrechen der National-sozialisten müssen bekannt sein.

Aber: Wenn man Täter ehrt, macht man die Opfer unsichtbar.

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