Frauen mit Behinderung, die unsere Arbeit beeinflussen

Eine kleinwüchsige Frau steht auf dem Bürgersteig und hält ein pinkes Schild hoch. Darauf steht: Menschenrechte jetzt!
Foto: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de
Lesezeit ca. 5 Minuten

Zum Internationalen Frauentag haben wir uns in der Redaktion zusammengesetzt und gefragt: Welche Frauen mit Behinderung beeinflussen unsere Arbeit? Hier sind einige tolle Frauen, die uns inspirieren.       Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil es noch so viele mehr gibt!

I'm not your inspiration. Thank you very much!

Stella Young

Die Australierin Stella Young war eine der ersten Frauen mit Behinderung, die unsere Arbeit bereichert hat – mit ihrem TED-Talk zu Inspiration Porn. Ihre journalistischen Texte waren auch ein Ausgangspunkt für unseren Die Neue Norm-Podcast zu (wie sollte es anders sein) “Inspiration Porn”. Stella Young arbeitete nach dem Journalismusstudium unter anderem als Moderatorin und Comedian für den australischen Fernsehsender ABC. Seit ihrem 14. Lebensjahr war sie auch als Aktivistin in eigener Sache (sie kam mit Glasknochen zur Welt) tätig und setzte sich für eine Berufsunfähigkeitsversicherung sowie den Zugang von behinderten Jugendlichen zu Musikveranstaltungen ein.

Foto von Stella Young. Sie sitzt auf einem Stuhl, hat kurze rote Haare und trägt rote Schuhe mit wei0en Punkten. Sie hat eine schwarze hose und ein schwarzes t-shirt an und schaut in die Kamera.
Foto: Screenshot ABC.net

Natalie Dedreux

Natalie Dedreux ist Aktivistin und angehende Journalistin, die als eine der wenigen Menschen mit Down-Syndrom eine Stimme in der Gesellschaft hat. Sie schreibt und forscht zum Down-Syndrom als Expertin in eigener Sache, unter anderem für das Magazin Ohrenkuss, und erhielt 2017 den Medienpreis BOBBY der Lebenshilfe. Im gleichen Jahr wurde sie bekannt, nachdem sie Angela Merkel in der Wahlarena zu den Themen Pränataldiagnostik und Abtreibungen direkt ansprach. Die Gesellschaft zu hinterfragen und die Dinge direkt anzusprechen sehen auch wir im “Die Neue Norm Podcast” als unseren Auftrag.

ein portraitbild von Natalie Dedreux vor einem Graffito
Foto: www.nataliededreux.de

Harriet Tubman

Harriet Tubman war eine politische Aktivistin, die als Sklavin im 19. Jahrhundert in den Norden der USA floh und somit ihre Freiheit gewann. Danach hat sie unter höchster Lebensgefahr mehr als 300 Sklav*innen aus den Südstaaten der USA in die Freiheit gebracht, mit Hilfe der Underground Railroad, einem Netzwerk von Gegner*innen der Sklaverei. Sie lebte seit ihrer Jugend mit epileptischen Anfällen, die sie als Folge einer Misshandlung durch ihren Sklavenhalter erlitt. Sie ist im Gespräch als erste Frau auf einem US-Dollar-Schein abgebildet zu werden. So viel Mut sich für andere einzusetzen und dabei das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, macht sie zu einem großen Vorbild.

Schwarz-weiß Foto von Harriet Tubman. Eine schwarze Frau mittleren Alters, die in die Kamera guckt.
Portrait of Harriet Tubman

Prof. Dr. Swantje Köbsell

Prof. Dr. Swantje Köbsell ist eine Behindertenrechts-Aktivistin der ersten Stunde – sie war bereits Anfang der 80er Jahre Teil der Bremer Krüppelgruppe. Ihr Aktivismus ist unser Vorbild – ihre Ankett-Aktion an die Treppen der Bremer Bürgerschaft stiftete uns an zu unserer Ankett-Aktion beim #nichtmeingesetz Protest. Heute forscht und lehrt Köbsell zu den Themen Behinderung, Gesellschaft, Geschlecht und Ethik an der Alice Salomon Hochschule in Berlin. Unter anderem koordiniert sie die Arbeitsgemeinschaft Disability Studies in Deutschland und ist Mitglied der wissenschaftlichen Beiräte des BMAS für die Erstellung des Teilhabeberichtes der Bundesregierung und des Instituts für Mensch, Ethik und Wissenschaft.

Foto von Swantje Köbsell bei einer Podiumsdiskussion. Sie hält ein Mirko in der Hand und gestikuliert. Sie hat kurze grau-braune Haare, eine Brille und ein schwarz-rot kariertes Hemd.
Foto: Stephan Röhl

Theresia Degener

Die Juristin Theresia Degener hat die UN-Behindertenrechtskonvention maßgeblich mitgestaltet und ist seit den 80er Jahren als Aktivistin tätig. Sie war Teil der bundesdeutschen Behindertenbewegung der 80er Jahre und organisierte das Krüppeltribunal. Heute arbeitet sie als Professorin für Recht und Disability Studies und leitet in Bochum das Zentrum für Disability Studies BODYS. In der Rubrik “Leidmedien im Gespräch“, unseres SOZIALHELDEN-Projekts Leidmedien, verriet sie uns, welchen Artikel der UN-Behindertenrechtskonvention sie am wichtigsten findet und warum besonders die Rechte von Frauen mit Behinderungen gestärkt werden müssen.

Foto von Theresia Degener. Sie sitzt auf einem Stuhl vor Regalen, hat einen schwarzen Hosenanzug an mit einem pinken Kragen.
Foto: Anja Cord

ChrisTine Urspruch

Die Schauspielerin ChrisTine Urspruch wurde vor allem bekannt durch ihre Rolle als Rechtsmedizinerin Silke Haller, alias “Alberich”, im Münsteraner Tatort. Außerdem ist sie eine erfolgreiche Theaterschauspielerin mit Engagements u.a. an der Volksbühne Berlin und dem Staatstheater Wiesbaden. ChrisTine Urspruch geht oft in die Offensive, schlagfertig und witzig. Sie fordert dazu auf, dem Ungewöhnlichen mit Humor zu begegnen. Das ist  eine Haltung, die wir SOZIALHELD*INNEN mit ihr teilen, und wir hatten die Ehre, sie im Leidmedien-Interview zu ihrer Arbeit zu interviewen. Bisher hat sie in ihren Rollen meist sympathische Charaktere verkörpert (siehe ihre Rolle als Kinderärztin in “Dr. Klein” / ZDF). Sie wünscht sich, künftig auch mal andere, eher düstere Facetten und damit ein breites Spektrum als Schauspielerin zeigen zu dürfen. Uns würde es freuen, wenn sie die Chance bekommt.

Christine Urspruch ist kleinwüchsig und hat ein rotes kleid an und schulterlange blonde Haare. Sie steht neben Judyta, die im Rollstuhl sitzt in einem Park. Sie sind auf Augenhöhe.
ChrisTine Urspruch gemeinsam mit Judyta Smykowski nach den Aufnahmen zu "Leidmedien im Gespräch". Foto: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de

Frida Kahlo

Die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo ist berühmt für ihre bunten, ausdrucksstarken Selbstportraits. Die Bilder zeigen ein Leben voller Leidenschaft, Traditionen, Stolz, Liebe und Trauer. Einige dieser Bilder stellen auch ihren körperlichen Schmerz dar, der vor allem die Folge eines lebensgefährlichen Unfalls im Alter von 18 Jahren war und den sie ihr Leben lang mit der Malerei, aber auch mit Drogen und Alkohol bekämpfte. Neben ihrer Kunstkarriere war sie auch politisch aktiv. Für ihre Kunst, ihr Charisma und ihre kämpferische Lebenshaltung, die sie auf der ganzen Welt berühmt gemacht haben, bewundern wir sie.

Schwarz-weiß Foto von Frida Kahlo, einer jungen Frau mit zu einem Dutt zusammengebundenen Haaren. Sie trägte große Ohringe und eine Kette und schaut in die Kamera.
Frida Kahlo, by Guillermo Kahlo / Wikipedia

Pamela Pabst

Die blinde Strafverteidigerin Pamela Pabst trafen wir für zwei unserer Projekte – für ein Die Andersmacher – Video und ein Fotoshooting für die Fotodatenbank Gesellschaftsbilder. Wir finden es beeindruckend, mit welcher Zielstrebigkeit sich Pamela Pabst seit ihrer Kindheit – durch Mobbing und andere Hindernisse hindurch – ihren Traum von einer eigenen Kanzlei erfüllt hat. Sie sagt: “Mein Sehrest von 1% sind meine persönlichen 100% und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist sehend zu sein. Deswegen wünsche ich mir das auch nicht.” Ihr Leben wurde in der ARD-Serie “Die Heiland” verfilmt.

Foto von Pamela Pabst. Sie steht im Gerichtssaal hinter einem Tisch, auf dem viele Bücher und Akten liegen. Sie trägt eine schwarze Anwaltsrobe und hat lange graue Haare.
Foto: Jörg Farys

Keira Knightley

Die berühmte britische Schauspielerin Keira Knightley wollte schon vor die Kamera, seit sie ein Kleinkind war. Aber es war keine leichte Aufgabe. Bei Knightley wurde im Alter von sechs Jahren Legasthenie festgestellt. Ihre Eltern zwangen sie, sich erst auf die Lesekompetenz zu konzentrieren, wenn sie schauspielern wollte. In einem Zeitungsartikel beschreibt Knightley, dass ihr Kampf mit der Legasthenie sie stärker gemacht habe. Und sie habe gelernt, wie weit sie mit ihrer Hartnäckigkeit kommen konnte. Und das machen wir ihr gerne nach.

Foto von Keira Knightley. Sie hat lange schwarze Haare, trägt ein weißes Hemd und schaut in die Kamera. In einer Hand hält sie eine Zigarette.
Foto: Nicholas Andrew / Flickr, Public Domain

Greta Thunberg

Die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg nimmt es mit ihren 17 Jahren schon mit den Mächtigsten der Welt auf. Die von ihr initiierten “Schulstreiks für das Klima” sind in nur 1,5 Jahren zu der großen globalen Bewegung “Fridays for Future” gewachsen. Zusammen mit Millionen von vor allem jungen Menschen, schafft sie es dem Thema Klimawandel große Aufmerksamkeit zu verschaffen. Greta Thunberg hat das Asperger Syndrom und wird u.a. deswegen massiv angefeindet und beleidigt. Sie erhält aber auch viel Anerkennung und wurde mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet und vom Time Magazine zur Person of the Year gewählt. Sie zeigt uns, dass eine einzelne engagierte Person große Dinge in die Wege leiten kann.

Greta Thunberg steht an einem Rednerinpult und lächelt
Foto: Lëa-Kim Châteauneuf / Wikimedia (CC by sa)

Das ist unsere erste Auswahl.

Übrigens ist auch unser Titelbild bewusst gewählt, denn hier zeigt die Aktivistin und Vorständin vom BKMF Patricia Carl, dass Menschenrechte für alle da sind und auch von allen verteidigt werden müssen.

Welche tolle Frauen mit Behinderung fallen euch noch ein? Schreibt sie uns gerne in die Kommentare!

 

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10 Antworten

    1. Ja stimmt, ich nenne auch Marlee Matlin, gehörlos, französische Schauspielerin.
      Sabine Fries ist die erste gehörlose Professorin in Landshut.
      Und soweit ich informiert bin,gibt es sogar eine gehörlose Rechtsanwältin,aber ich habe vergessen,wo sie arbeitet und wie sie heißt.

  1. Booklooker Es werden immer nur die tollen Frauen mit Behinderung gezeigt, die es geschafft haben. Ich bin auch durch schwerstes Mobbing durch gegangen und bin auch zielstrebig trotzalledem zum Abitur gekommen und habe trotz meiner Erkrankung studiert mit Blindheit und chronischer Krankheit. Hinterher habe ich keine Stelle bekommen. Es war nicht meine Schuld, aber damit kommt man halt auch nicht aufdas Treppchen. Bin schon bereit für den Shitstorm. Leider hat man meine neurologischen Erkrankungen, Koordinationsschwierigkeiten, Probleme mit dem Gleichgewicht, atypischen Autismus und ADHS nur durch meinen beharrlichen Kampf rausgekriegt, aber das hat bis ins mittlere Alter gedauert, ich musste mit unerkannten Behinderungen zusätzlich noch aufwachsen. Wo sind denn die ganz normalen Behinderten Frauen, die einen ganz normalen Alltag leben? Das hat nichts mit Neid auf die zu tun, die es geschafft haben, wenn jetzt wieder Aggressionen gegen mich kommen, die jammert ja nur. Aber ich möchte mal betonen, dass das Ergebnis der Bemühungen nicht das Wichtigste ist sondern die Bemühungen selbst, und die haben sehr viele andere auch gemacht, die halt nicht weiter gekommen sind. Deswegen bin ich kein Versager, auch wir gehören zu denen, die gekämpft haben.

    1. Da hast du recht. Wie oft habe ich gehört von gehörlosen oder körperbehinderten Menschen, die eine Ausbildung mit guten oder sehr guten Ergebnissen abgeschlossen haben und dennoch auf ihrem Fachgebiet keinen Job bekommen. Meine gehörlose Freundin wurde abgelehnt, scheinbar mit der Begründung, du hast den falschen Beruf. Arbeitserzieher brauchen wir nicht, wir brauchen Heilerziehungspfleger.

      Mir drängt sich eh oft genug der Eindruck auf, unsereins soll nur einfach ein dankbares, braves Krüppelchen sein und keine Forderungen stellen.

    2. Wir sind viele. Viele Frauen die täglich für ihr Recht auf Chancengleichheit und Bildung kämpfen. Bitte machen sie weiter. Die vielen Schritte von Frauen machen eine Bewegung. Eine großartige Bewegung ins Jahrtausend der Frau und es kommt dabei auf Jede an.

    3. Hallo,
      das ist kein shitstorm, aber durchaus eine kritische Anmerkung. Die Frauen, die hier vorgestellt wurden, sind Personen, die viele Menschen kennen oder kennen könnten. Das ist wichtig, weil wir damit einen gemeinsamen Fokus haben. Wir können uns so über unsere Inspirationen verständigen. Vielleicht haben Sie auch Menschen inspiriert, eben in Ihrem nahen Umfeld, wo man Sie kennenlernen konnte.
      Von einem Erfolg zu sprechen, weil jemand bekannt geworden ist, ist eine Deutung. Viele Menschen wollen gar nicht so eine öffentlich bekannte Person sein. Sie können sehr erfolgreich dort wirken, wo sie gerade arbeiten.

      Zum anderen lese ich in diese Kurzbiografien auch nicht hinein, dass es der persönliche Verdienst dieser Frauen war. Obwohl leider manchmal der Text das betont, weil er von persönlichen Eigenschaften, wie einer “starken” Frau, spricht. Welche günstigen Sturkuren, glücklichen Begegnungen usw. dafür nötig waren, eine solche Wirkungsmöglichkeit zu bekommen, wird gar nicht erwähnt. Das heißt aber nicht, dass diese Resourcen nicht nötig waren. Das sollten wir alle wissen: Wir benötigen Strukturen, die uns ermöglichen, unsere Kräfte zu entfalten.
      Beste Grüße

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