Immer öfter erreicht uns die Nachricht, dass in Werkstätten für behinderte Menschen der Lohn gekürzt wird. Als Grund dafür werden mangelnde Einnahmen während des Shutdowns der Corona-Pandemie heran geführt. Nana Buhl studiert Inklusive Pädagogik und Heilpädagogik in Ludwigsburg und arbeitet im Ambulant Betreuten Wohnen. Allein dort sind 14 Klient*innen von Lohnkürzungen betroffen. Sie hat für uns die Hintergründe aufgeschrieben und was das für die betroffenen Menschen bedeutet.
Bereits im Juli 2020 beschloss das Deutsche Rote Kreuz in seinen Werkstätten für behinderte Menschen (WfBM) den Beschäftigten weniger Lohn zu zahlen. Sie bekamen nur noch einen Grundlohn von 140 €. Ab September 2020 wird dies auch in den Werkstätten der Diakonie Stetten, in Baden-Württemberg, der Fall sein. Begründet werden die Lohnkürzungen mit der 4-monatigen Schließung der WfbMs während der Hochphase der Corona-Pandemie von März 2020, in welcher dennoch Lohn gezahlt wurde.
Was bedeutet das für die Beschäftigten konkret?
Die Beschäftigte in den Werkstätten der Diakonie Stetten bekommen ab Anfang September 2020 nur noch einen Grundlohn von 141 €. Diese 141 € stellen den Lohn der Mitarbeitenden für fünf Tage Arbeit in der Woche mit jeweils acht Stunden Arbeitszeit dar. Der Lohn der Beschäftigten einer WfbM setzt sich normalerweise aus dem Grundlohn von 89 €, dem Arbeitsförderungsgeld von 52 € sowie einem leistungsabhängigen Lohnsteigerungsbetrag zusammen. Das Arbeitsförderungsgeld wird von Geldern des Landes gezahlt (Eingliederungshilfeträger) und nicht von den Werkstätten selbst. Der Grundlohn und der Lohnsteigerungsbetrag hingegen müssen von den Werkstätten erwirtschaftet werden. Der Lohnsteigerungsbetrag ist je nach Leistungsfähigkeit individuell verschieden, kann aber zusätzlich nochmals bis zu 230 € betragen. Dieser soll nun entfallen. Für manche Beschäftigte bedeutet dies mehr als 50 % weniger Lohn. Diese Lohnkürzungen gelten zunächst im Zeitraum September 2020 bis Ende August 2021.
Zum Ausgleich von Ertragsschwankungen und in deren Folge zur Vermeidung von Lohnschwankungen, sind Behindertenwerkstätten gesetzlich dazu verpflichtet Rücklagen bilden. Diese sollen die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes für mindestens sechs Monate sicherstellen. Weiter hat die Bundesregierung 70 Millionen € in aus Mitteln der Ausgleichsabgaben zur Verfügung gestellt, um die finanzielle Einbußen, bedingt durch die Corona-Pandemie, abzufedern. Wie überall in der Wirtschaft, sind auch den Behindertenwerkstätten Aufträge weggebrochen. Dieses Geld wurde den Ländern sowie den jeweiligen Integrationsämtern zur Verfügung gestellt und ist zweckgebunden. Das bedeutet es muss ausschließlich zur Sicherung der Entgelte verwendet werden. Warum wird nun aber trotzdem am Arbeitsentgelt gekürzt? Gekürzt werden kann auch ohne die Zustimmung des Werkstattrates, weil die Beschäftigten in Werkstätten keine Tarifverträge haben.
Was zeigt uns dieses Vorgehen?
Die ca. 300.000 Menschen in Behindertenwerkstätten beschäftigt sind und dort mit ihrer Arbeit eine Leistung von acht Milliarden Euro erbringen, keine Lobby haben. Diese Menschen sollten nicht nur ein Taschengeld beziehen, sondern, faire Löhne erhalten. Ein Lohn, welcher eine gewisse Wertschätzung widerspiegelt. Ein Lohn, von welchem man seine Miete bezahlen kann. Einen Lohn, von welchem man einkaufen und abends ins Kino gehen kann. Ein fairer Lohn, welcher berücksichtigt, dass sich die monatlich verrichtete Arbeit aus 20 Tagen Arbeit und 160 Stunden Arbeitszeit zusammensetzt. Doch wenn an denen auch noch gespart wird, dann läuft etwas falsch. Deshalb sollte als weitergehendes Ziel, die Forderung nach fairen Tarifverträgen stehen.
Dieser Artikel ist zuerst bei JOBinklusive erschienen.