Wir haben Melanie Straßer während einer Tagung der Aktion Mensch und dem Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Menschen kennengelernt, wo sie einen sehr interessanten Vortrag gehalten hat. Im Interview mit JOBinklusive erzählt sie, wie sie auf dem Weg ins Berufsleben behindert wurde und was sich ändern muss, um die Arbeitssuche für andere zu erleichtern.
Welche Ausbildung haben Sie gemacht?
Ich habe eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement gemacht.
Wie verlief Ihre Arbeitssuche?
Am Anfang der Jobsuche war es sehr schwierig und frustrierend. Meine Eltern und ich hatten wenig bis keine Hilfe von außerhalb. Nachdem ich meine Berufsausbildung absolviert habe, hatte ich einige Wochen danach einen Beratungstermin bei der Agentur für Arbeit. Dieser war jedoch sehr ernüchternd und machte mir wenig Hoffnung auf eine geeignete Arbeitsstelle. Ich muss dazu sagen, dass ich mich ein Jahr bevor meine Ausbildung zu Ende war schon einmal bei der Agentur vorgestellt habe und meinen Sachverhalt geschildert habe. Leider kam damals nur die Aussage, dass ich viel zu früh dran sei. Man wüsste ja noch gar nicht, welches Unternehmen in einem Jahr jemanden sucht. Klar war es früh, aber meiner Meinung nach braucht so eine Arbeitssuche für einen behinderten Menschen eine gewisse Vorlaufzeit. Nach dem ersten Besuch bei der Arbeitsagentur habe ich ein Jahr lang nichts mehr von ihnen gehört.
Nach drei Monaten Arbeitslosigkeit durfte ich ein Langzeit-Praktikum absolvieren. Dieses ging über drei Monate und fand in einer Bildungs- und Erholungsstätte statt. Zum Ende meines Praktikums war die große Frage: “Wie geht es weiter?“ Zuerst wollte mein Arbeitgeber das Praktikum verlängern. Dies war jedoch nicht möglich, da das Ganze von der Agentur für Arbeit ausging und sie meinten, dass drei Monate der längste Zeitraum für ein Praktikum dieser Art sei. Nach einigen Überlegungen hat sich mein Arbeitgeber dazu entschlossen, mich fest einzustellen. Aus organisatorischen Gründen (Suche und Zuständigkeit der Ämter wegen Kosten für Arbeitsassistenz, Fahrdienst, Pflegedienst usw.) war ich im Februar wieder arbeitslos gemeldet. Aber im März hat dann mein Berufsleben endlich gestartet.
Welche Hürden wurden Ihnen in den Weg gelegt bei Ihrer Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle?
Eine meiner Hürden war das Schubladendenken. Mir wurde der Besuch einer Werkstatt nahegelegt. Ich weiß, diese Einrichtungen sind ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Aber wenn ich diesen Weg gegangen wäre, hätte ich nicht drei Jahre lang ununterbrochen gelernt und eine Vollausbildung vor der IHK gemacht…
Zudem wurde mir oftmals empfohlen nach München zu gehen, weil es dort viel mehr Möglichkeiten gibt für einen Menschen mit einem Handicap eine passende Arbeitsstelle zu finden. Bei mir in der Gegend, also in Dörfern oder in kleineren Städten, ist es oftmals schwieriger als Mensch mit einer Einschränkung einen Job zu bekommen. Aber ich persönlich wollte nie in eine Großstadt und wäre diesen Weg vermutlich als letztes gegangen.
Noch eine Hürde war die Unwissenheit. Viele Behörden und Ämter haben leider sehr wenig Erfahrung mit der Begleitung von einem behinderten Menschen in das Berufsleben. Es kommt einem auch mal zu Ohren, dass sie so einen Fall noch nie hatten.
Bei mir war lange die Frage, ob ich am besten eine Arbeitsassistenz oder eine persönliche Assistenz beantragen soll. Welche Assistenz darf welche Tätigkeiten übernehmen und wo muss die jeweilige Assistenz beantragt werden? Auf all diese Fragen bekommt man die verschiedensten Antworten und irgendwie weiß niemand wirklich, was richtig ist. Die Zuverlässigkeit bei dem einen oder anderen war ebenso ein großes Problem: Mehrfach ist mir ein Rückruf versprochen worden und anschließend habe ich nie wieder etwas von dieser Person gehört.
Welche Alternativen wurden Ihnen angeboten, anstatt einer Stelle in Ihrem erlernten Beruf?
Wie bereits oben erwähnt, wurde mir der Besuch einer Werkstatt für behinderte Menschen angeboten. Zudem wurden Integrationsfirmen in Betracht gezogen. Allerdings war auch in dieser Richtung die Suche sehr schwer und ebenfalls fast aussichtslos bei uns in der Gegend.
Wie sieht eine geeignete Arbeitsstelle für Sie aus?
Eine geeignete Arbeitsstelle wäre für mich eine Stelle, in der ich reine Computertätigkeiten ausüben muss bzw. kann. Dies ist allerdings auch nicht dringend erforderlich, denn mit einem Assistenten an meiner Seite könnte ich theoretisch jede Bürotätigkeit bewältigen. Dennoch wäre es sinnvoll, wenn die meisten meiner Aufgaben am Computer zu erledigen wären, da ich diese selbstständig durchführen kann.
Was sind Ihre Fähigkeiten, Kenntnisse oder Erfahrungen, die Sie besonders interessant machen für einen Arbeitgeber?
Während meiner Schullaufbahn und der Ausbildung durfte ich viele verschiedene Praktika machen. So konnte ich die verschiedensten Eindrücke in den jeweiligen Büros gewinnen. In der Ausbildung mochte ich den Bereich Marketing sehr gerne, da ich sehr kreativ bin. Das zeigte sich auch bei meiner Arbeit z.B. bei der Gestaltung von Werbeplakaten. Außerdem bin ich ehrgeizig und ausdauernd und erledige meine Aufgaben sehr genau.
Wie könnte die Arbeitsvermittlung für Menschen mit Behinderung besser verlaufen?
Als erstes sollte das Schubladendenken aufhören. Eine Person mit einem Handicap muss nicht automatisch in eine Werkstatt für behinderte Menschen. Man sollte dieser Personengruppe mehr zutrauen und nicht immer alle in einen Topf stecken. Ich denke, es wäre wichtig, wenn Behörden/Ämter, Arbeitgeber und auch die betroffenen Personen zu diesem Thema viel mehr aufgeklärt würden, beispielsweise durch Vorträge, Infoveranstaltungen und so weiter.
Zudem wäre es hilfreich, wenn die Arbeitgeber, die sich bereit erklären einem behinderten Menschen eine Chance zu geben, von den zuständigen Fachstellen, wie die Agentur für Arbeit und das Inklusionsamt, gemeinsam begleitet und unterstützt werden. Vermutlich würde man so die Hemmschwelle verkleinern und alle Beteiligten könnten sich bei diesem Schritt sicherer fühlen. Desweiteren sollte überlegt werden, wie die Situation auf dem Land, also in Dörfern und kleineren Städten, verbessert werden könnte. Eine Idee wäre, dort mehr Integrationsfirmen zu eröffnen.
Zum Schluss möchte ich noch folgendes anfügen: Es geht nicht nur darum, einen geeigneten Job zu finden, sondern auch darum, dass dementsprechende Wohnmöglichkeiten für Menschen mit einem Handicap geschaffen werden.
Ich bedanke mich für das Interview und möchte allen, die in so einer ähnlichen Situation sind, Mut machen: Geben Sie nicht auf, denn irgendwo geht immer eine Tür auf.
Dieser Artikel ist zuerst bei JOBinklusive erschienen.