Letzte Woche erfuhren wir von einem jungen Mann, der gerne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gearbeitet hätte, der aber durch zahlreiche Barrieren und Vorurteile daran behindert wurde.
Ich bin Mutter eines 19 jährigen Sohnes mit Frax, einer geistigen Behinderung.
Mein Sohn und ich haben seit Kindergartentagen und über die ganze Schulzeit für Inklusion gekämpft, an allen Fronten (Schule, Sommerfreizeiten, Sportverein, Jugendfeuerwehr, CVJM, Praktikas auf dem ersten Arbeitsmarkt). Unser Ziel war immer, dass unser Sohn trotz seiner Behinderung inmitten unserer Gesellschaft seinen Platz findet.
Dass er ganz selbstverständlich alle Hobbies ausüben kann, die auch “Nicht-Behinderte” ausüben, eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausübt, etc. Als Kind hatte er regelrecht Panik, wenn wir an Tagen der offenen Tür die Schule für geistige Entwicklung oder eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung besuchten. Er war es – wie jeder andere – nicht gewohnt so viele Menschen mit Behinderung auf einem Fleck zu sehen und zu erleben.
Und wo ist mein Sohn jetzt gelandet? In einer kleinen Werkstatt für behinderte Menschen, ca. 20 km entfernt, die er mit Bus und S -Bahn erreichen kann. Er fühlt sich wohl, weil er dort willkommen ist, weil er die Kollegen mag, weil sein Gruppenleiter nett zu ihm ist.
Mein Sohn hat die ganzen Jahre doch gespürt, dass er nicht inkludiert ist, sondern “geduldet”, weil es die Mutter so einfordert. Egal ob Schule, Freizeit oder Praktikas, die Lehrer, Betreuer, Mitarbeiter im Schulamt, Landratsamt oder Arbeitsamt, Chefs und Kollegen haben im Hinterkopf doch immer gehabt: Da gibt es doch Einrichtungen, wo J. besser aufgehoben wäre, wo Fachkräfte arbeiten, die sich mit Behinderten auskennen, wo er Freunde auf seinem Niveau finden kann.
Keiner kam auf die Idee, dass es diese Barrieren in den Köpfen sind, die echte Inklusion verhindern.
Manchmal denke ich, wir hätten uns die vielen Kämpfe, Verletzungen und schlaflosen Nächte ersparen können, wenn wir gleich den Weg “Sondereinrichtung” gegangen wären. Aber wahrscheinlich wäre J. dann heute nicht so selbständig und hätte sich “seine Einrichtung ” nicht aussuchen können. Ich hoffe, es war nicht umsonst…
Aber ja, inzwischen bin ich froh, dass es diese Einrichtung gibt und mein Sohn seinen Platz gefunden hat und Freunde gefunden hat, allerdings haben sie alle auch eine Behinderung. Unser Ziel von dem Platz inmitten unserer Gesellschaft, einem ganz normalen Leben miteinander haben wir nicht erreicht, die Barrieren und Vorurteile sind noch zu groß und der Wille etwas daran zu ändern zu klein. Und solange es keine echte Inklusion in den Schulen gibt, wird sich so schnell daran auch nichts ändern. Leider.
Dieser Artikel ist zuerst bei JOBinklusive erschienen.