Nicht immer steckt dort, wo Inklusion steht, auch welche drin. Über die Inflationierung und Umdeutung eines Wortes.
Es ist nicht lange her, da wurde in Berlin über das Landesamt für Flüchtlinge, das LAF, so heftig gelästert wie über den Flughafen BER: Beide kommen nicht aus dem Tee, außer Spesen nichts gewesen – und jede Menge heiße Luft. Kürzlich hat das LAF davon besonders viel produziert.
„Ab sofort bekommt unser Leistungsbereich Unterstützung durch ein Team der Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB)“,
las ich bei Facebook. Gut, dachte ich, der Fachkräftemangel ist auch in dieser Behörde groß, die können zusätzliches Personal gut gebrauchen.
„Die neuen Kolleginnen und Kollegen vom Team BIG (betriebsintegrierte Gruppe) werden Ablage- und Sortierarbeiten und ähnliche Aufgaben übernehmen und so die Sachbearbeitenden entlasten.“
Soweit so gut. Doch dann kam folgender Satz, um ja Missverständnissen vorzubeugen. So stellt die beiliegende Pressemitteilung klar:
„Damit ersetzen sie keine Fachkräfte, sondern leisten wertvolle Unterstützung.“
Es wäre auch echt ärgerlich, wenn eine Fachkraftstelle von einem Menschen mit Behinderung so mir nichts dir nichts gekapert würde. Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wo kämen wir denn da hin? Also ab in die Ablage- und Sortierstelle – als Gruppe der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Wahrscheinlich sogar räumlich getrennt von den nicht-behinderten Kolleg*innen. Die Frage, warum der zitierte Satz in der Pressemitteilung durch ein „sondern“ geteilt wird, obwohl die Arbeit angeblich „wertvoll“ ist, verkneife ich mir.
Inklusion ist ein umkämpfter Begriff. Viele finden ihn toll. Und nicht wenige schmücken sich damit, obwohl sie Inklusion gar nicht betreiben oder gar anstreben.Inklusion wird nicht erreicht, wenn man eine Minderheit (behinderte Menschen) mit den Themen einer anderen (Geflüchtete) mischt und damit den Blick auf die Mehrheitsgesellschaft verwischt. Letztere bleibt halt unter sich. Und das LAF betreibt kaum Inklusion, wenn sie Menschen mit Behinderung als Gruppe in einem ausgelagerten Arbeitsplatz einer WfbM beschäftigt, aber nicht selbst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anstellt. Wie steht es um ihre Aufstiegschancen? Bessere Bezahlung zu fairen Bedingungen? Warum werden sie ausschließlich an gering qualifizierte Arbeiten rangelassen?
Was das LAF heute so schreibt, entlarvt den Blick aus der Mehrheitsgesellschaft heraus: Einfache Arbeiten sind für Menschen mit Behinderung vorgesehen. Es fehlen Kreativität und Phantasie: Warum arbeiten behinderte Menschen nicht auch als Entscheider_innen und Sachbearbeiter_innen im LAF? Warum wird darüber nicht berichtet? Warum ist es dem LAF nicht peinlich, eine so Exklusion-erhaltende Meldung als Inklusion zu verkaufen und auch noch stolz darauf zu sein?
Wenn es nur wenige aus der Werkstatt heraus in Betriebe mit „ganz normalen Leuten“ schaffen, dann eben wie im Fall der LAF: Sie bleiben Werkstattangehörige und beziehen ihre ca. 180 Euro im Monat für ihre „wertvolle Unterstützung“.
Vielen Dank, LAF. Hoffentlich werden eure tollen Worte an einen fernen Ort verlegt, von den neuen Mitarbeiter_innen von der Ablage- und Sortierabteilung.
Dieser Artikel ist zuerst bei JOBinklusive erschienen.