Bastian Pastewka, Nikeata Thompson, Max Giermann, Jeannine Michaelsen, Jürgen Vogel, Cristina do Rego, Tom Beck und viele andere prominente Personen aus Film und Fernsehen sind Teil der Kampagne „Helft uns wach zu küssen!“, in der es um die Behandlung und „Heilung“ des Angelman-Syndroms geht. Aber: Ist das der richtige Ansatz?
Das Angelman-Syndrom ist die Folge einer seltenen genetischen Veränderung des 15. Chromosoms. Die Folgen sind unter anderem Entwicklungsverzögerungen wie Lernschwierigkeiten, Epilepsie, Schlafstörungen und eine stark reduzierte Lautsprachentwicklung. Der britische Kinderarzt Harry Angelman, der erstmals 1965 über das Syndrom schrieb, nannte es lange Zeit das „Happy-Puppet-Syndrom“, da die betroffenen Kinder häufig durch überdurchschnittliche Fröhlichkeit auffielen. Später wurde das Syndrom nach ihm benannt.
Stellt euch vor, man könnte die negativen Symptome einer Behinderung einfach so ausschalten.
aus der „Helft uns wach zu küssen" Kampagne
Mari, die Tochter von „Alles was zählt”-Darsteller André Dietz und seiner Frau Shari, hat das Angelman-Syndrom. Die Eltern versuchen mit der Kampagne „Helft uns wach zu küssen!“ nun Unterstützer*innen zu finden, um klinische Studien zur Behandlung des Syndroms zu fördern.
Aber ist das Heilen von Behinderung oder das Reduzieren von Merkmalen der Behinderung der richtige Ansatz?
Auch bei Menschen mit Down-Syndrom gibt es immer wieder Heilsversprechen, die von „Nahrungsergänzungsmitteln zur Steigerung der kognitiven Leistung“ bis hin zur Stammzellentherapie reichen, mit der viele Betroffene in den letzten Jahrzehnten behandelt wurden. Fachleute schreiben auch 2023 noch:
„Obwohl das Down-Syndrom eine genetische Störung ist, für die es keine dauerhafte Heilung gibt, kamen Experten zu dem Schluss, dass die Stammzellentherapie zu einer gewissen Verbesserung und Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität führen kann.“
Was die Thematik jedoch schwierig macht: Menschen mit Down-Syndrom wurden bei solchen Empfehlungen bisher nicht gefragt, ob sie sich von einer „Reduzierung ihrer behinderungsspezifischen Merkmale“ eine Verbesserung der Lebensqualität versprechen.
Wir müssen ernst genommen werden – nicht geheilt.
Natalie Dedreux
Natalie Dedreux, Aktivistin mit Down-Syndrom und Mitglied der Ohrenkuss-Redaktion schreibt dazu:
„Ich würde sagen: Ich bleibe so, wie ich bin. Ich will das Down-Syndrom nicht wegmachen. Wir haben das Down-Syndrom und müssen ernst genommen werden – nicht geheilt. ‚Wachküssen‘ finde ich auch ein bisschen schön. Aber das geht nur im Märchen.“
Natalie Dedreux
Sie findet: Nicht Heilung sollte das Ziel sein, sondern Inklusion.
Ihr Kollege Ansgar Peters sagt:
„Das Down-Syndrom kann man nicht wegmachen. Das habe ich schon seit meiner Geburt. Und das will ich auch gar nicht. Ich fühle mich gut, so wie ich bin.“
Ansgar Peters
Klar, das Down-Syndrom ist nicht das Angelman-Syndrom und gerade hiervon betroffene Personen können vielleicht auch nicht äußern, was sie sich wünschen würden. Das alles macht das Thema extrem komplex: Was für medizinische Möglichkeiten gibt es überhaupt? Was sagen Eltern? Warum werden so wenig Stimmen von behinderten Menschen gehört? Und muss man unbedingt Behinderungen heilen?
Wir wollen uns bei Die Neue Norm diesem Thema bald ausführlich widmen.
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