Wohnen – Transkript

Lesezeit ca. 26 Minuten

Die Neue Norm: „Drei Journalist*innen, zwei Rollstühle und eine Sehbehinderung: Die Journalist*innen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 30: „Wohnen“

Jonas:
Judyta, wohnst du noch oder lebst du schon? 

Judyta:
Ich bin so dazwischen. Ich bewerbe mich für Wohnungen, um zu leben und zu wohnen. 

Jonas:
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast.
Bezahlbaren Wohnraum zu finden, gerade in den Metropolen wie München, Berlin oder Hamburg, ist eine echte Herausforderung. Bezahlbaren Wohnraum zu finden, der dann auch noch barrierefrei ist, ist schier eine Unmöglichkeit. Wir besprechen in dieser Folge, was für uns barrierefreies Wohnen ausmacht, was für Fördermöglichkeiten es gibt, die Wohnungen barrierefrei anzupassen. Und ob – Stand jetzt – Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung die bestmögliche Lösung sind. Mir zugeschaltet sind hier Judyta Smykowski und Raúl Krauthausen. 

Judyta & Raúl:
Hallo

Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa. Zunächst einmal, Raúl, schön, dass du wieder da bist hier bei uns, in unserem gemeinsamen Podcast. Wie geht es dir?

Raúl:
Ja, ich habe uns wirklich vermisst.  

Jonas:
Und hast du in der letzten Zeit deine Wohnung ganz anders kennengelernt? Du bist ja zwangsläufig häufiger zu Hause geblieben.

Raúl:
Ich habe fast drei Wochen im Bett gelegen, weil ich mir ja das Bein nach einem Autounfall mehrfach gebrochen habe. Und ich muss sagen, ich kann die vier Wände, meines Schlafzimmers nicht mehr so gerne sehen –  es ist ganz schön langweilig mit der Zeit. Aber ich habe mir jetzt einen größeren Fernseher fürs Schlafzimmer gekauft. Damit ich beim nächsten Mai so ein kleines Kino-Feeling habe.

Jonas:
Okay, aber geht es dir sonst den Umständen entsprechend gut? 

Raúl:
Ja, den Umständen entsprechend geht es mir wieder langsam besser. Ich bin jetzt auch schon fast in der fünften Woche. Es klingt, als wenn ich schwanger wäre… aber irgendwann hören dann auch die Schmerzen auf. Aber es kommen dann so Folgeschäden… Haltungsprobleme wegen meines Beins. Und dann habe ich Rückenschmerzen bekommen. Das ging in den Nacken. Jetzt habe ich Kopfschmerzen und so weiter und sofort. Aber es geht alles aufwärts. Und ich denke, ich bin in zwei Wochen wieder voll fit? 

Jonas:
Ja, dann weiterhin gute Besserung. Aber interessant, wie du gesagt hast, dass du so ein bisschen dann auch geguckt hast, wie man die eigenen vier Wände irgendwie so optimieren kann. Für euch beide als Nutzer*innen eines Rollstuhls. Wie sieht denn für euch überhaupt barrierefreies Wohnen aus? Also quasi was sind so Must Haves, die ihr in euren Wohnungen benötigt?

Judyta:
Bei mir ist das Must Have, ein stufenloser Zugang zum Haus und eben einen Fahrstuhl vom Erdgeschoss in das Stockwerk, wo ich wohne. Das klingt einfach, aber es gibt die sogenannte Hochparterre, was eben mein natürlicher Feind ist. Diese ganzen 60er-Jahre Bauten, von denen es viele gibt, auch in Berlin nach dem Krieg, wo es wirklich einfach Mode ist, die drei Stufen vor dem Haus, dann vielleicht noch mal eine Stufe und dann erst diesen Fahrstuhl irgendwie zu haben, in denen ich dann auch nicht reinkomme mit einem Rollstuhl und davor ja sowieso die Stufen halt schon sind. Das heißt, ebenerdig in die Wohnung zu kommen. Das klingt so einfach. Ist so ein einfacher Satz, und daran scheitert das halt im Moment. Also natürlich, mein Zuhause ist gerade so. Aber ich möchte eben auch demnächst irgendwann mal ein neues Zuhause und daran scheitert es.

Raúl:
Bei mir ist es tatsächlich ähnlich. Auch ich brauche einen stufenlosen Zugang zur Wohnung. Ich habe sogar Angst vor Aufzügen, weil, wenn der kaputt ist, dann wäre ich ja letztendlich aus- oder eingesperrt in der Wohnung. Ja, und ich käme dann nicht mal eben so ein paar Treppenstufen hoch, die beim Hochbrand da zum Beispiel der Fall wären. Das heißt, ich habe immer, wo ich barrierefrei gewohnt habe, in Erdgeschosswohnungen gewohnt, weil da ja kein Aufzug kaputtgehen kann. Und ein wirkliches weiteres Must Have bei uns in den letzten Wohnungen, in denen ich wohnte, war immer eine automatisch öffnende Tür – sowohl die Haustür als auch die Wohnungstür. Und da gibt es ja die schönsten Lösungen von Taster über Chip bis hin zur Smartphone-App. Und da ich ein taktisch versierter und interessierter Mensch bin, versuche ich das dann natürlich immer alles so elegant und modern wie möglich zu machen. Und das heißt, ich kann inzwischen unsere Türen mit dem Smartphone öffnen.

Judyta:
Aber, dass du Angst vor Fahrstühlen hast! Erstens erfahre ich das jetzt erst – wir kennen uns ja schon ein paar Jahre. Und zweitens…

Raú:
Ja, aber nicht so eine klaustrophobische Angst, nur die Angst, dass das Ding kaputt ist. 

Judyta:
Aber crashen wir nicht einfach jede Statistik, indem uns das einfach auch sehr selten passiert? Also, mir ist es noch nie passiert, und ich benutze sehr, sehr viele Fahrstühle. Ich weiß, dir ist es schon mal passiert. 

Raúl:
Da kannst du die Kollegin Anna Gersdorff fragen, die anderthalb Jahre nicht in ihre Wohnung kann, weil der Aufzug nicht ging. Hat ja auch da Miete bezahlt – das ist schon auch heftig. 

Judyta:
Ich war gerade in Kanada, und wir hatten einen Airbnb im 22. Stock und da war natürlich auch wieder dieses Schild, von dem wir hier auch sehr oft schon gesprochen haben: Aufzug im Brandfall nicht benutzen! Und das habe ich jeden Tag gelesen und habe jeden Tag gedacht: Okay, was ist wenn…

Jonas:
… zweiundzwanzigster Stock…

Judyta:
…dann ist es halt vorbei. War schön mit euch.

Jonas:
Ihr habt es gerade angesprochen, mit stufenlosem Zugang. Wenn wir häufig auch Begehungen machen und uns Büroräume von anderen Unternehmen angucken oder Veranstaltungsorte zum Stichwort Barrierefreiheit, dann war es bei uns auch immer so… okay… es muss in irgendeiner Art und Weise eine rollstuhlgerechte Toilette geben. Mein Gefühl ist, dass gerade in Mietwohnungen oder generell gibt es eigentlich so gut wie nie rollstuhlgerechte Toiletten. Also ist es für euch wichtig überhaupt, dass es so etwas gibt? Oder kann man eher von einem Bonus sprechen?

Judyta:
Naja, bei mir ist es ja wirklich so, dass ich nur diese Stufenlosigkeit brauche. Ich brauche kein umgerüstetes Badezimmer. Ich brauche keine, ja irgendwelchen Vorrichtungen oder so. Die ist da so gibt, deswegen… das ist, glaube ich, sehr individuell. Und in Berlin gibt es aber auch so eine Geschichte. Die nennt sich Wohnberechtigungsschein, also für Soziales Wohnen. Und die gibt es auch für Rollstuhlfahrer*innen. Darüber reden wir ja später noch mal, dass das eben Sozialwohnungen sind für Leute, die weniger verdienen und auf die wir kein Anrecht haben. Obwohl wir Rollstuhlfahrer*innen sind, verdienen wir eben zu viel. Und deswegen sind wir da auch, glaube ich, auch immer so im dazwischen oder, Raúl?

Raúl:
Ja, ich habe einmal in meinem Leben, da war ich Teenager, in einer barrierefreien, also wirklich war auch barrierefrei gedacht und gebaut gewesen die Wohnung, in einer barrierefreien Wohnung gewohnt. Und das Badezimmer war größer als mein Zimmer. Und das liegt daran, weil es dann auch so bestimmten Standards entsprach, es war eigentlich so eine einzige gekachelte Nasszelle. Es gab keine Badewanne, aber eine riesige Dusche. Und da hätten fünfmal meine Rollstühle reingepasst, auch wegen der Wendekreise und so. Und ich verstehe, dass es Menschen gibt, die das brauchen, auch wenn man, keine Ahnung… einen Duschrollstuhl hat oder vielleicht auch so ein Hebelift benötigt. Ich habe damals aber als Teenager mich dann oft doch eher wie in einem Krankenhaus gefühlt oder im Schwimmbad. Hab mich schon auch mal gefragt, wie kriege ich eigentlich die Quadratmeter aus dem Bad in mein Zimmer, weil es da dann einfach ein komisches Verhältnis war. Das Tolle an der Wohnung war aber, dass sie Schiebetüren hatte, das heißt, man konnte die Türen auf- und zuschieben und nicht auf- und zudrücken oder -ziehen. Und das macht es doch, wenn du im Rollstuhl sitzt leichter, eine Tür auf- und zuzumachen. Allerdings, weil diese Türen auf Schienen sind, weil es eben eine Schiebetür ist, war sie nicht so schallisoliert. Das heißt, man konnte einfach alles hören, was auf der anderen Zimmerseite passierte. Und das war auch ein kleiner Nachteil dieser Wohnung. Aber alles andere ging zum Beispiel vollautomatisch. Zum Beispiel die Küche war höhenverstellbar, die Jalousien gingen automatisch hoch und runter. Auch wenn sie regelmäßig kaputtgingen…

Jonas:
Technik, die begeistert. 

Raúl:
Ja, es war halt sozialer Wohnungsbau, den wir ohne WBS bezogen haben. Aber es war dann doch billigste Ware, die da verbaut wurde. Und das hat man auch bemerkt.

Judyta:
Da sagst du noch einmal was – Küche ist natürlich auch ein Thema. Das habe ich irgendwie gerade verdrängt, dass ich natürlich auch nicht mit den Küchen die normal verbaut sind in den Mietwohnungen klarkomme, weil diese natürlich auch zu hoch sind. Ich bräuchte also auch eine ja niedrigere höhenverstellbare Küche…

Raúl:

…die aber auch runter fahrbar ist, oder?

Judyta:
Genau. Und das machst du ja in der Mietwohnung nicht. Erstens darfst du, glaube ich, nicht einfach die Küche, die vorhanden ist, irgendwie rausmachen. Oder wohin machst du die, ins Storage? Und dann musst du dafür Geld bezahlen.

Jonas:
Na ja, außer die gehört den Vormieter*nnen und muss dann, für heutzutage ja schon einen horrenden Preis… teilweise liest man ja Anzeigen, wo dann drinsteht: Okay, unsere Küche könnt ihr gerne übernehmen. Wir hätten dann aber gerne 10.000 Euro dafür.

Judyta:
Und dafür kriegt ihr dann auch noch die Gardinenstange. Genau.
Ja, Küche ist auch ein großes Thema.

Jonas:
Das heißt also quasi im Umkehrschluss, wenn du jetzt auf Wohnungssuche bist, während alle anderen Leute sagen: Oh, hoffentlich ist zumindest irgendeine Küche drin, die vielleicht günstig ist, damit ich nicht noch großartig da irgendwie rumwerkeln muss, sagst du eher: Ich suche eine Wohnung, wo nichts drin ist. Damit du deiner Fantasie freien Lauf lassen kannst, beziehungsweise die Barrierefreiheit eben dort selber umsetzen kann?

Judyta:
Genau, wobei das natürlich immer eine Einschränkung ist. Eine Mietwohnung, das ist ja auch immer so eine Wohnung auf Zeit. Also, wenn du irgendwo diesen Traum von einem Eigentum vielleicht noch hast oder so. Es ist halt immer nur eine Mietwohnung und wer weiß, was noch kommt und wer weiß, vielleicht findet man noch etwas anderes. Also dieses Zwischengefühl ist auch etwas, was halt echt einen irgendwie prägt. Also mich jedenfalls.

Raúl:
Aber beim Thema Wohnen beziehungsweise Küche. Da fällt mir jetzt ein, wir hatten neulich Anschaffungen gemacht für unsere Küche. Wir brauchten einen neuen Kühlschrank. Bei uns in der Wohnung wohnen zwei Rollstuhlfahrende, also einmal ich und meine Partnerin. Und wir haben festgestellt, es gibt so gut wie keine Kühlschränke mehr, wo das Gefrierfach oben ist. In Kühlschränken ist das Gefrierfach meistens unten. 

Jonas:
Du meinst, das ist so eine Kombi, wo du eine Tür hast für das Gefrierfach.

Raúl:
Ja, genau. Und das ist natürlich auch wahrscheinlich aus ergonomischen Gründen für Fußgänger*innen wirklich praktischer, wenn der normale Kühlschrank auf Greifhöhe und das Tiefkühlfach unten. Und wenn du aber im Rollstuhl sitzt, dann ist deine normale Höhe ja unten. Und dann hast du die ganze Zeit das Gefrierfach letztendlich zur Verfügung, das du aber gar nicht so oft brauchst. Und wir haben ewig gesucht, bis wir einen schönen – das ist natürlich auch wichtig – einen schönen Kühlschrank gefunden haben, dessen Gefrierfach oben war. Und das war dann auch ganz schön teuer. Und er ist auch gar nicht mal so gut im Vergleich zu den anderen. Aber er hat letztendlich dann, sagen wir mal, die Standards erfüllt, die wir brauchten. Und bei der Recherche habe ich durch Zufall entdeckt, dass es zum Beispiel Öfen gibt – das ist übrigens eine Frage an dich, Judyta, wie öffnest du eine Ofentür? Wenn du im Rollstuhl sitzt, da musst du doch runterklappen die Ofenklappe und dann ist doch die Tür im Weg, wenn du mit dem Rollstuhl letztendlich deine Lasagne da raus ziehen willst.

Judyta:
Aber da haben wir so ein amerikanisches Modell, das also über dem untersten Schränken ist und dass man einfach die Tür aufmacht.

Raúl:
Ja, aber dann kommst du doch gar nicht ran, weil die Tür doch im Weg ist. 

Judyta:
Nee, doch.

Raúl:
Du hast längere Arme als ich. Du greifst dann über die Tür oder wie? 

Judyta:
Nein, ich habe nicht diese zum Aufklappen, sondern zum Aufmachen – wie ein Fenster quasi.

Raúl:
Zur Seite?

Judyta:
Ja.

Raúl:
Ja, dann sag das doch.
Das habe ich ja neulich erst entdeckt, dass es Öfen gibt, die man zur Seite aufmachen kann.

Judya:
Oh, das hätte ich dir sagen können.

Raúl:
Wir haben einen Ofen, den man nach unten aufklappt, was sehr unpraktisch ist. Und ich bin großer Fan von Ikea. Weil bei Ikea kann man wirklich relativ individuell auch mit anderen Möbeln aus anderen Abteilungen sich eine Küche zusammenzimmern, die halbwegs barrierefrei ist. Habe ich erst neulich gesehen. Es gibt einen höhenverstellbaren Tisch, der kostet irgendwie nur 99 Euro, der eigentlich ein Bürotisch ist. Und wenn du da oben die Küchenplatte draufschrauben würdest, dann hättest du relativ einfach eine barrierefreie höhenverstellbare Küche, zumindest eine Arbeitszeile. Und ich glaube, so dieses Improvisieren und kreativ sein, das ist das, was mir sehr viel Spaß macht und was ich jedem empfehlen kann, bei Ikea auch mal ein bisschen wild zu überlegen, ob Dinge aus dem Büro und auch in die Küche gehen könnten.

Judyta:
Ja, bei uns ist es genauso. Ich habe auch in der Küche ein Regal, was einfach niedriger ist. Also ich benutze quasi die oberen Schränke nicht, da sind irgendwelche Vasen drin von irgendwelchen Verwandten, die man halt irgendwie nie nutzt, aber geschenkt bekommen hat. Und mein ganzes Geschirr ist eben in diesen Regalen, die sind offen und die sind auf meiner Höhe. Aber die stauben dann natürlich auch ein. Also das muss man auch sagen, weil sie halt nicht irgendwo drin sind. Aber das ist aber auch mein Lifehack.

Jonas:
Wegen dem Kühlschrank gerade, weil wir jetzt auch gerade zu einer Zeit den Podcast aufnehmen, wo es sehr warm ist. Den alten Kühlschrank hast du dir den damals ausgesucht, auch mit dem Hintergedanken, dich dort in Sommermonaten selber reinzusetzen, um dich der Hitze zu entziehen und kann das der neue Kühlschrank auch?

Raúl:

Du spielst auf einen Social Media Post vor ein paar Jahren an, wo ich mich aus Spaß in einen Kühlschrank gesetzt habe und dieser Post der ging viral und ich werde immer noch darauf angesprochen. Der neue Kühlschrank ist genauso groß, hat sogar eine bessere Beleuchtung, ein bisschen fancier ist er dann doch. Und wir haben damals den Kühlschrank gekauft, nicht damit ich reinpasse, sondern weil wir so einen Spleen hatten in der WG. Wir haben gesagt, okay, die Küche ist weiß, aber die Küchengeräte sind rot. Also, Toaster, Kaffeemaschine und so weiter, mussten rot sein. Und der Kühlschrank eben auch. Und dieses Konzept haben wir jetzt dieses Jahr aufgebrochen. Jetzt ist der Kühlschrank schwarz. 

Jonas:
Okay, letzte Frage dazu: geht das Licht im Kühlschrank aus, wenn man den zumacht? 

Raúl:
Das ist ein ewiger Mythos, den ich nicht auflösen werde. Probiert es aus.

Jonas:
Es ist natürlich so, dass natürlich Gerätschaften in Küche oder im Haus natürlich immer fancier werden und es immer mehr, ja, Geräte gibt, die natürlich irgendwie mit Touch funktionieren, und ich finde…

Raúl:
Meine Waschmaschine will ins WLAN. Ich habe den Zugriff verweigert. 

Judyta:
Warum will sie das? 

Raúl:
Ich habe es nicht verstanden, aber sie will ins WLAN.

Jonas:
Ich finde solche Touch-Geräte oder auch ja Induktionsherdplatte, wo du einfach… du kriegst kein Feedback. Es piept irgendwann mal, aber es ist quasi so der natürliche Feind von Blinden oder sehbehinderten Menschen, dass du quasi keine Knöpfe mehr hast, sondern überall irgendwie noch draufdrücken musst. Das ist für mich persönlich auch so ein Induktionsherd, aber kein Inklusionsherd, weil du natürlich dann irgendwie bei solchen Knöpfen dann relativ…oder… ich muss mit meiner Sehbehinderung relativ nah dran und dann halt diese Schaltflächen bezügliches Touchpad dann quasi betätigen. Und es ist dann, ja, manchmal auch eine, im wahrsten Sinne des Wortes „heiße Angelegenheit“, wenn da so zwei Zentimeter daneben der Kochtopf da am blubbern ist, beziehungsweise man sich dann irgendwie verdrückt und eigentlich von Stufe eins auf zwei stellen wollte, dann aber auf einmal aber auf zwölf ist. Und bei so einem Induktionsherd geht das ja rasend schnell, und dann brennt die ganze Sache an. Und ich finde das gerade gewisse Techniksachen zwar manchmal nett und fancy sind, aber nicht unbedingt immer beim Thema Barrierefreiheit dann einem verhelfen, beziehungsweise so große Erleichterung in dem Sinne sind. Also es gibt schon viel, Raúl, du hast ja auch gesagt, es gibt irgendwie bei so Türöffnern Sachen. Es gibt schon viele Sachen natürlich, die dann per App steuerbar sind. Also ich finde das irgendwie…das gibt es ja auch inzwischen bei Backöfen. Der Backofen hat dann eine App-Steuerung, und du kannst dann, von wo auch immer, irgendwie sagen an/aus. Also das ist dann schon gut. Aber ich finde dieser Weg dorthin, dass man einfach alles über irgendwelche modernen Bedienfelder hat, das ist dann im dem Sinne irgendwie etwas, was mich persönlich sehr stört und ich eigentlich auch da gerne einen großen Bogen darum mache, weil einfach Knöpfe dann ein besseres Feedback einem geben. Aber ich finde, so von der baulichen Barrierefreiheit, ist es natürlich mir persönlich jetzt vollkommen egal, ob ein Fahrstuhl da ist oder ob es Treppenstufen sind.

Raúl:
Aber ich finde es total spannend, was du sagst, mit dem Herd und den Touchpads und Panels. Das war bei uns auch Thema, als wir den Herd damals gekauft haben. Und wir haben den einzig noch übrig gebliebenen im Angebot vorhandenen Herd bei Ikea gekauft, der noch diese Drehknöpfe hat. Und mir ist es ja egal, was es für ein Herd ist eigentlich, aber selbst der Verkäufer hat uns dazu geraten, keine Touch-Panel zu nehmen, weil die oft einmal aus Versehen angehen oder irgendjemanden ins Heiße drückt, so wie du das gerade beschrieben hast. Und dass man die eigentlich nur gebaut hat, weil es einfach weniger kaputtgehen kann, und dadurch auch für die Hersteller billiger in der Produktion. Und ich eigentlich das Schlimme daran finde ist, dass du keine Auswahl mehr hast. Also du bist quasi gezwungen, so ein Touch-Panel zu nehmen. Und es gilt auch für Waschmaschinen, Spülmaschine und Herde, beziehungsweise Öfen. Es ist wirklich schwierig, da jetzt gute Produkte zu finden.

Judyta:
Aber vielleicht geht es ja jetzt auch wieder Richtung Modetrend Retro, so wie die Nokia-Handys, von den 2000endern, den frühen… kennt ihr noch?

Jonas:
Der Akku geht bestimmt immer noch.

Judyta:
Genau, das wär doch mal was.. da so ein bisschen zurückzugehen.

Jonas:
Aber natürlich ist es so, und das finde ich aber auch wichtig, weil ich das auch irgendwie schade finde… also wir zum Beispiel, wir wohnen im vierten Stock ohne Aufzug, was zum Beispiel ganz eindeutig ist, dass ich keine Person einladen kann, die in irgendeiner Art und Weise im Rollstuhl unterwegs ist. Natürlich geht es um einen selbst, aber nicht nur ausschließlich. Also wenn wir jetzt sagen würden, okay, Leute, wir haben keine Lust, irgendwie ins Büro zu gehen, sondern möchten die nächste Podcast-Folge machen, wir machen reihum und die nächste Podcast-Folge nehmen wir auf bei mir zuhause – also Platz hätten wir, aber ihr kommt einfach nicht hin. Das ist doch schade.

Raúl:
Ja, und was ich dabei wirklich so krass finde, dass wir aus diesen Fehlern nicht lernen. Ja, also selbst wenn jetzt unsere Bauministerin Klara Geywitz verspricht, in den nächsten Jahren 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon nur ein Prozentsatz barrierefrei sein soll und nicht alle. Und das ist letztendlich genau die Verlängerung des Problems in die Zukunft, dass dann eben vielleicht irgendwann alle Menschen mit Behinderung zwar barrierefreien Wohnraum haben, aber dann sich nur untereinander besuchen könnten. Aber dann eben nicht die Freund*nnen ohne Behinderung. Und das ist natürlich etwas, was man, wenn man schon neu baut, auch von Anfang an anders hätte lösen müssen. 

Jonas:
Wie….habt ihr etwa Freund*innen ohne Behinderung? Nicht so in einer Bubble, so ganz autark unter euch? 

Raúl:
Ich habe sogar eine Bekannte, die wohnt in einer barrierefreien Wohnung im Eigentum, ohne Behinderung, weil sie vorgesorgt haben fürs Alter. Also so richtig geil mit einem Penthouse-Aufzug im Dachgeschoss, Dachterrasse – richtig gut.

Jonas:
Aber genau das ist das, was du gerade gesagt, wir reden über das Thema Barrierefreiheit. Und im Endeffekt müssten wir gar nicht das Thema dann zwangsläufig verknüpfen mit Behinderung. Unsere Gesellschaft wird immer älter. Und es gibt einfach auch ältere Personen, die fit sind und jetzt nicht irgendwie in das nächste Altenheim wollen, um barrierefrei zu wohnen, sondern einfach auch gerne eine eigene Wohnung dann eben haben, wo sie vielleicht mit den Einkäufen nicht das Interesse haben, in den dritten Stock zu laufen, sondern einfach gern den Fahrstuhl nutzen würden. Und dass das einfach ein Thema ist, was unsere Gesellschaft im Großen und Ganzen irgendwie tangiert und jetzt einfach auch nichts ist, was jetzt nur ein „Problem für uns ist“.

Raúl
Ja, Familie mit dem Kinderwagen stehen natürlich vor diesem Problem, auch wenn dieses Problem wahrscheinlich kurze Zeit nur existiert, weil das Kind ja dann irgendwann wahrscheinlich laufen kann. Bei uns ist das ja nie passiert, dass ich irgendwann laufen ging. Aber die interessante Geschichte finde ich auch, dass barrierefreie Wohnungen, wenn man sich mal auf den gängigen Immobilienportalen umschaut, oft dann auch eher so am Stadtrand anzufinden sind oder in unbezahlbaren Neubauten in Hipster-Vierteln. Und dann hat man natürlich auch zusätzlich zu der Barrierefreiheit die Thematik, wie gut ist eigentlich diese Wohnung erreichbar? Ja, mit der ÖPNV zum Beispiel. Hat die U-Bahn oder S-Bahn-Station einen Aufzug? Ja oder Nein? Ist die Straßenbahn barrierefrei auf dem Weg, Busse sind es ja in der Regel. Aber ist die Anbindung gut? Oder muss ich immer an den Stadtrand fahren und brauche doppelt so lange wie meine nichtbehinderten Kollegen dann?

Jonas:
Ja, das finde ich einen interessanten Punkt, weil ich habe noch einmal inzwischen mit unserer Kollegin Marie gesprochen, die blind ist. Und habe mich einfach mal mit ihr ausgetauscht, wie für sie so einfach wichtige Faktoren beim Wohnen sind. Und ich fand es interessant, dass es sehr deckungsgleich ist, dass sie auf der einen Seite gesagt hat, sie fährt sehr gerne U- und S-Bahn, weil es einfach auch zwei Verkehrsmittel sind, wo zumindest hier in Berlin die Ansage kommt, welche Linie es ist und wo sie hinfährt, während das zum Beispiel an Bushaltestellen nicht vorhanden ist. Also ich persönlich fahre auch sehr ungern Bus, weil es einfach schon häufiger so gekommen ist, dann an großen Haltestellen, wo mehrere Buslinien halten, ich einfach in den falschen Bus einsteige und fahre dann sonst wohin. Und dass einfach die Lage sehr viel ausmacht. Also eben nah am öffentlichen Personennahverkehr zu sein, weil vielleicht Menschen mit Behinderung selbst kein Auto haben, beziehungsweise einfach auch vielleicht nicht finanzieren können oder wollen. Oder einfach gerne dann eher den öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Oder wie die Versorgung in der Nähe ist. Also gibt es Supermärkte in der Nähe, gibt es Arztpraxen in der Nähe. Und wenn man dann schaut, okay, wo ist bezahlbarer Wohnraum, wo ist barrierefreier Wohnraum und man dann irgendwo noch nicht mal im Speckgürtel einer großen Metropole ist, sondern vielleicht eher draußen auf dem Land, dann gibt es einfach diese ganze Fortbewegung, diese ganze Mobilität nicht, und das sind dann eben auch Angebote, die zumindest für mich dann rausfallen würden, wo ich sage okay, das kommt dann einfach nicht in Frage.

Judyta:
Ich suche ja schon seit fast einem Jahr jetzt nach einer Wohnung und das sind große Fragen, die du da ansprichst, weil es auch so ein bisschen damit zu tun hat: wie willst du leben? Oder was für einen Lebensentwurf hast du? Bist du Autofahrerin? Kannst du das – du hast es ja gerade gesagt, dass es nicht barrierefrei ist. Ist es finanziell möglich? Traut man sich zu, Auto zu fahren? Das sind ja alles Geschichten, die da mitreinspielen. Und dann wiederum das bezahlbare. Am Rand ist es vielleicht bezahlbarer. Dann gibt es da die Busse, die eben nur alle 20 Minuten fahren, also auch keine gute Anbindung. Dann gibt es dort Kinderwägen drin, und dann wird man als Rollstuhlfahrer*in nicht mitgenommen. Und das ist dann alles so Gedanken, die man dann hat. Ist man eher der ÖPNV’ler*n oder Autofahrer*n oder so…

Jonas:
Gibt es da ein Ranking unter Busfahrer*nnen, dass gesagt wird, okay, Kinderwagen schlägt Rollstuhl? 

Raúl:
Rollstuhl schlägt Kinderwagen – eigentlich. Aber da hält sich auch nicht jeder dran. 

Judyta:
Also, wenn zwei Kinderwären drin sind, dann kommt niemand mehr rein. Kein Kinderwagen, kein Rollstuhl. 

Raúl:
Das krasse ist ja auch, dass wenn du 20 Minuten auf den Bus wartest… das ist halt auch doof. Aber wenn du jetzt auf dem Land wohnst und der Bus fährt nur einmal die Stunde und der letzte bis 19 Uhr – dann hast du halt auch Pech.

Judyta:
Genau. Also – wie willst du dein Leben leben? Und auf dem Land ist es vielleicht so, dass du eher noch den barrierefreien Bauernhof hast oder so. Aber das hat auch viel mit Privilegien zu tun. Und der Neubau ist dann nicht leistbar. Also wo kannst du überhaupt noch hin? WBS – du verdienst zu viel. Also wenn du jetzt einen geregelten Job hast, verdienst du für einen WBS, für Sozialen Wohnungsbau zu viel. Was bleibt da übrig? Das ist eine Frage, die ich mir stelle.

Raúl:
Und dann ist es ja auch so, wenn man baut, dann sind das – wie du ja auch sagst – in der Regel Leute, die sich das auch leisten können. Also entweder man baut dann für die Zukunft. Man hat keine Behinderung und baut einfach für die Zukunft barrierefrei, wenn man selber vielleicht älter wird. Aber es ist ja auch so, dass Menschen mit Behinderungen in der Regel weniger Geld haben als Menschen ohne Behinderung. Viele von ihnen sind arbeitslos. Behindertes Leben ist teurer oft auch als nichtbehindertes Leben und dann letztendlich eine eigene Wohnung zu kaufen, wenn du keine reichen Eltern hast oder so ist schwierig.

Jonas:
Ja, absolut. Also letztendlich musst du irgendwie ein großes Kapital mitbringen, um irgendwelche Umbaumaßnahmen zu machen. Also, wie wir anfangs auch schon gesagt haben, wenn man dann vielleicht eine Wohnung gefunden hat und würde jetzt dann in der besagten Mietwohnung sagen, okay, ich möchte aber doch gerne irgendwie ein rollstuhlgerechtes Bad haben. Du kannst ja nicht einfach hingehen und das Bad komplett rollstuhlgerecht machen. Und dann ziehst du irgendwann aus und der/die Nachmieter*n sagen: Was soll ich denn mit diesen Haltegriffen neben der Toilette und höhenverstellbarem Spiegel?

Raúl:
Ja oder angenommen, du bekommst eine Grundsicherung, das heißt, das Amt zahlt deine Mieten, dann darfst du eine bestimmte Wohnfläche nicht überschreiten von der Größe her. Aber finde dann mal eine Wohnung, die diesen Quadratmeterangaben entspricht, die dann auch noch barrierefrei ist. Du hast zum Beispiel als Mensch im Rollstuhl – ich glaube – ein Anrecht auf ein Zimmer mehr als jemand, der keine Behinderung hat. Aber oft passt das dann nicht mit dem Angebot und dem, was aber das Amt bezahlen würde. Wir haben jetzt über Küche, übers Bad geredet. Wenn du zum Beispiel ein Pflegebett brauchst, ja, das zahlt dann in der Regel die Krankenkasse, aber die bezahlt nur Single-Pflegebetten. Das heißt, wenn du in einer Partnerschaft lebst, dann musst du dir ein Doppel-Pflegebett selber kaufen, weil die Krankenkasse bezahlt ja mir Single-Betten. 

Judyta:
Partnerschaft kommt nicht vor bei der Krankenkasse.

Jonas:
Das kann man sich gar nicht vorstellen, dass Menschen mit Behinderung zusammenleben und auch Liebe, Zärtlichkeit, Sex haben.

Judyta:
An dieser Stelle sei noch einmal empfohlenen unsere Folge zum Thema Heirat.

Raúl:
Und Partnerschaft.

Raúl:
Ich war vor ein paar Jahren in Wolfsburg bei einer barrierefreien Musterwohnung und das war halt eine 2-Zimmer…3-Zimmerwohnung – ich glaube, zwei Zimmer waren es, die voll ausgestattet waren mit allen Gadgets, die man in so einer barrierefreien Wohnung haben kann. Es gab einen sogenannten Sturz-Teppich, das ist ein Teppich, der registriert, wenn jemand gestürzt ist, und ruft dann automatisch den Notruf. Es gab einen barrierefreien Türspion. Das heißt, es war eigentlich eine Kamera, und du konntest dann mit deinem Handy oder mit einem iPad den Türspion betrachten. Es gab höhenverstellbare Kleiderschränke, es gab höhenverstellbare Herde, Schränke im Allgemeinen, Tische, alles Mögliche. 

Jonas:
Das hört sich doch super an erst mal.

Raúl:
Es hört sich super an – es war super fancy und ein Smart-Home war es auch noch – es gab so Lichtschalter mit Multifunktionen. Du kannst dann zweimal klicken, da passiert das, dreimal klicken passiert das. Die Lichtschalter hatten sogar kleine Bildschirme, die dir dann angezeigt haben, was gerade die aktivierte Funktion ist. Das Problem war nur, dass jedes Produkt, das in dieser Wohnung zu sehen war, ein anderer Hersteller war. Das heißt, diese ganzen Dinge haben auch nicht miteinander kommuniziert. Und am Ende des Tages hatten dann die Leute, die einen durch diese Wohnung geführt haben, einen Gürtel an. Und an diesem Gürtel hatten die bestimmt 20 Fernbedienungen für 20 verschiedene Funktionen, die in dieser Wohnung zu benutzen waren und ein iPad in der Hand. Und das Absurde ist, dass die Musterwohnung eigentlich die Geschichte erzählt, dass das für Demenzkranke Menschen sei. Und jetzt frage ich mich, wenn du demenzkrank bist und einen Munitionsgürtel mit 20 verschiedenen Fernbedienung brauchst, um überhaupt eine Tür aufzumachen, dann ist es doch auch völlig an der Zielgruppe vorbei entwickelt und gearbeitet. Ich habe inzwischen den Verdacht, dass da auch eine Menge Mist erfunden wird und nicht zu Ende gedacht wird, ob die Leute das wirklich brauchen. Das haben die alles in diese Wohnung gestopft. Und ich habe mich am Ende wirklich sehr unwohl gefühlt, weil am Ende alles länger dauert und Menschen mit Behinderung leben manchmal auch mit Assistenz, du brauchst auch nicht einfach jedes Gadget. Und dann sind diese Dinge auch so teuer, dass die auch keine Kasse bezahlt oder so und du das dann selber bezahlen musst. Und dann ich mich einfach auch frage: Wer kauft so was? Wir haben jetzt bei uns in der Wohnung – ich habe so eine Zwei-Etagen-Wohnung – uns einen Aufzug eingebaut. Damit ich in die obere Etage komme mit meiner Partnerin, und den haben wir uns in der Corona Pandemie einbauen lassen wollen. Wir konnten uns das nur leisten, weil der Mehrwertsteuersatz gesenkt wurde, damals um drei Prozent. Und weil wir beide bei der Krankenkasse jeweils einen Umbau-Zuschuss beantragt haben von jeweils 4000 Euro. Und trotzdem musste ich noch 25.000 Euro dazulegen, um diesen Aufzug zu kaufen. Das ist so teuer wie ein Auto und mehr Förderung gibt es da auch nicht.

Jonas:
Es ist absurd, also sich selber einen Aufzug in die Wohnung einzusetzen, finde ich einen spannenden Ansatz. Beziehungsweise ist ja auf jeden Fall nötig, weil ich meine, sonst kommst du ja nicht in deine zweite Etage rein. Aber diesen Weg gehen zu müssen, das so selber anzugehen.

Raúl:
Ja, wir haben das gemacht, weil ich wohne in einer WG, und es war ja die Homeoffice-Pflicht. Das heißt, wir konnten auch nicht ins Büro. Und dafür war die Wohnung einfach zu klein, dass wir uns alle im unteren Teil der Wohnung aufhalten. Und deswegen mussten wir die Wohnung neu aufteilen mit Zimmern, das auch die Rollstuhlfahrer mal nach oben können zum Arbeiten. 

Jonas:
Hast du auch Angst vor diesem Aufzug?

Raúl:
Ich habe auch Angst bei diesem Aufzug. Aber ich habe mich belehren lassen, was man im Notfall tun kann, sodass ich zumindest nicht eingesperrt bleibe. 

Judyta:
Was kannst du denn tun? 

Raúl:
Der hat einen Akku drin, das heißt im Notfall fährt er immer runter und macht die Tür auf, wenn der Strom ausfallen sollte. Und es gibt ein Telefon in dem Aufzug für den Notfall – 24 Stunden Rufbereitschaft, sieben Tage die Woche, und das heißt, du bist in der Regel nicht länger als zwei Stunden da drin eingesperrt. 

Judyta:
Perspektive.

Raúl:
Perspektive.

Jonas:
Wir haben ja vor der Podcast-Folge auch so ein bisschen gesagt, okay, Fördermöglichkeiten. Aber es ist irgendwie so eine Geschichte leider, die so einen leicht negativen Touch hat, weil es gibt zu wenig barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum. Und viele Sachen, die man halt sich anschaffen möchte, die dann vielleicht von der Krankenkasse finanziert werden sollen, werden grundsätzlich erst mal abgelehnt und so richtig Umbaumaßnahmen zu machen oder sich so etwas fördern zu lassen, ist halt auch nur ein sehr kleiner Prozentsatz, weil es eben dann, wenn überhaupt, um Eigenheime geht, also quasi Eigentumswohnungen oder das eigene Haus, aber…

Raúl:
Du brauchst die Genehmigung des Vermieters oder der Vermieterin.

Jonas:
Genau. Und das ist natürlich oft auch schambehaftet, beziehungsweise wird dann auch oft abgelehnt. Es fängt schon damit an, dass zum Beispiel Hausmitglieder*innen geben kann, die nicht wollen, dass du deinen Rollstuhl im Treppenhaus parkst, weil der einfach dann angeblich im Weg steht und es gibt eine Menge Ärger, den man dann haben kann mit Nachbar*nnen und/oder Vermieter*nnen, wenn man besondere Bedürfnisse an eine Wohnung hat.

Jonas:
Ja und gleichzeitig dann einfach auch so die Sache, dass, wenn man dann eine Behinderung hat und auf Barrierefreiheit angewiesen ist – oder jetzt auch noch einmal weitergeführt, ja einfach vielleicht älter ist und auf Barrierefreiheit angewiesen ist und dann eine Mietwohnung hat, dass einem da wirklich einfach wenige Möglichkeiten offen liegen und das dahingehend ja häufig der Weg dahin führt, entweder in ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung zu kommen. Oder in dann, wenn man jetzt noch einmal das Pendant der älteren Menschen nimmt, in ein Pflegeheim für Alte, in ein Altenheim. Das kann ja nicht grundsätzlich der Weg, die Lösung sein, dass man sagt, okay, das ist die einzige Möglichkeit, barrierefrei zu wohnen, wo ja wirklich an alles gedacht ist, also eben das Wohnheim für Menschen mit Behinderung.

Raúl:
Ja, deswegen bin ich auch so entsetzt, dass unsere Bauministerin nicht hundert Prozent aller Neubauten barrierefrei machen will, sondern eben nur einen Prozentsatz. Sie argumentieren das oft mit Kosten, das barrierefreier Wohnraum teurer ist. Aber wenn du von Anfang an was Neues planst, dann muss es nicht teurer sein. Weil, du kannst ja alles planen. Du kannst ja letztendlich die Wohnungen auch so gestalten lassen, dass es eben in allen Stockwerken einen Aufzug gibt. Und ob er jetzt ein oder zwei Stockwerke hochfährt, ist dann auch bei den Gesamtkosten eines Hauses betrachtet, ja auch nur einen Bruchteil dessen. Man muss halt immer bedenken, dass Umrüstung – also den Altbestand barrierefrei zu machen, das ist das, was Geld kostet, aber nicht der Neubau.

Judyta:
Können wir an dieser Stelle noch einmal über Altbauten sprechen bitte. Das wäre mir ein Anliegen.

Jonas:
Burgen und Schlösser?

Judyta:
Nein. Ich würde so gerne im Altbau wohnen: Fischgrätenparkett, große Fenster, große Räume…

Jonas:
Stuck an der Decke. 

Judyta:
Genau, ihr wisst, was ich meine. Schöne alte Möbel, Kachelofen und so. Aber…du sagtest gerade Umrüstung. Da gibt es ja immer mehr Altbauten, die eben umgerüstet werden. Und dann ist da ein Fahrstuhl. Aber natürlich hält er nur auf dem halben Stockwerk, weil der angebaut ist von außen, und man muss dann halt reinkommen und du kannst nicht die Wohnung aufkloppen, sonst wäre er ja in der Wohnung.

Jonas:
Wenn überhaupt. Also Denkmalschutz spielt ja häufig da auch noch mal eine Rolle.

Judyta:
Das stimmt. 

Raúl:
Aber gilt der Denkmalschutz auch für das Treppenhaus? Ich dachte das gilt nur für Außen. 

Judyta:
Naja, und er wird ja außen drangebaut, der wird ja nicht im Haus drangebaut. Und es gibt ganz, ganz selten wirklich auch Aufzüge, die von 1900 sind. Also, und da ist ja auch die Frage, ob ich den benutzen will? 

Jonas:
Stichwort: Angst!

Judyta:
Genau. 

Raúl:
Mit so einem Gitter noch. So einem Rollgitter.

Judyta:
Also, falls jemand in Berlin eine Wohnung hat, die er loswerden möchte mit so einem Aufzug, dann würde ich die mir immerhin noch angucken.

Jonas:
Ich wollte nämlich gerade sagen, wir haben für unsere letzten Sendung, wo es um Leben mit Assistenz geht, haben wir viele nette Zuschriften bekommen, auch für dich Judyta, die ja gesagt haben… du hast gesagt, okay, Assistenz für deine Blumen zum umtopfen und so weiter – kamen Zuschriften – vielen Dank dafür. Vielleicht können wir in dieser Folge rausgehen, wenn ihr – wir sitzen in Berlin aktuell – wenn ihr bezahlbaren Wohnraum habt, der barrierefrei ist, meldet euch gerne…

Raúl:
Aber bitte nur bei uns. Es suchen sehr, sehr viele Menschen diesen Wohnraum. Bitte meldet euch nur bei uns!

Judyta:
Ja, bitte.

Jonas:
Ja, unter podcast@dieneuenorm.de oder [email protected] – so erreicht ihr uns oder schreibt uns gerne auch an bei unseren Social-Media-Kanälen auf Twitter, Instagram, Facebook. Wir lesen jede Nachricht und diese insbesondere und sehr gerne. Also her damit. Bezahlbarer, barrierefreier Wohnraum, das ist das Stichwort hier.

Judyta:
Auf jeden Fall!

Raúl:
Da gibt es ja auch das eine oder andere Angebot, teilweise auch von den jeweiligen Gemeinden, Kommunen oder städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die dann auch Listen und Datenbanken manchmal sogar im Internet haben, wo man barrierefreien Wohnraum finden kann. Und das erwähnte Immobilienportal Immobilienscout bietet auch das Suchmerkmal: barrierefreie Wohnungen, rollstuhlgerechte Wohnungen, beziehungsweise stufenlose Wohnung. Und da kann man zumindest, wenn die Angaben stimmen, das ist natürlich immer auch eine Verantwortung der Person, die das einstellt, kann man zumindest erst mal mehrere Angaben finden, beziehungsweise hoffentlich bessere Informationen finden über den Zustand der Wohnung für Menschen, die mobilitätseingeschränkt sind. Und ich finde es ehrlich gesagt – vielleicht bin ich da auch allein – aber ich glaube, wir haben das heute im Podcast ein bisschen herausgearbeitet – am wichtigsten ist, wirklich in die Wohnung reinzukommen. Also wenn du im Rollstuhl sitzt, da bringt es nichts, eine Wohnungsbesichtigung zu machen und da sind irgendwie zwei Stufen am Eingang und man kommt gar nicht rein zum Besichtigen. Und wenn jetzt aber die Lichtschalter nicht die richtige Höhe haben oder die Fenstergriffe nicht richtig sind oder vielleicht die Küche ein bisschen zu klein ist – das ist vielleicht etwas, was man, wenn einem die Wohnung sonst gefällt, irgendwie anders lösen könnte, irgendwie anpassen könnte. Eine Stufe am Eingang eines Hauses abzureißen, ist in der Regel das größere Problem. Deswegen, am Wichtigsten ist es reinzukommen und alles andere muss man dann hoffen, dass es so gut wie möglich geht.

Judyta:
Ja, aber weißt du was, ich habe irgendwann den besagt Haken da wieder abgewählt bei ImmoScout, weil dann die Erdgeschosswohnungen auch rausfliegen. Nicht, dass ich in eine Erdgeschosswohnung möchte, weil ich möchte jetzt auch mal ein bisschen Sonne nach sieben Jahren Erdgeschosswohnung. Aber das ist mir eben aufgefallen. Und weil ich so ein bisschen sadistisch auch bin und immer wieder denke, ach vielleicht hat die doch irgendwie einen Aufzug, und vielleicht ist es auf den Bildern… vielleicht hat jemand den Haken vergessen oder so. Also ich checke schon noch jede Wohnung, die mir angeboten wird, auf diese Parameter.

Raúl:
Da verstehe ich auch. Ich habe da meine Ansprüche runtergeschraubt. Ich würde niemals in eine Wohnung ziehen, wo es einen Aufzug gibt. Niemals.

Judyta:
Aber du hast doch jetzt einen.

Raúl:
Ich habe Freunde, die da wirklich darunter gelitten haben, dass die dann nicht in ihre Wohnung kamen, und das ist kacke. Es ist kacke, wenn du Freitagabend nicht nach Hause kannst.

Judyta:
Das stimmt.

Jonas:
Ich finde den Satz eigentlich sehr schön und auch sehr wichtig, dass das Wichtigste an einer Wohnung ist, dass man reinkommt.
Informationen zu dieser Folge unseres Podcasts von Die Neue Norm findet ihr natürlich auf unserer Website, in unseren Shownotes auf dieneuenorm.de. Und dann freuen wir uns, wenn ihr beim nächsten Mal auch wieder mit dabei seid. Wir nehmen die Folge dann nicht bei mir zu Hause auf, sondern – denke ich mal – wieder gemeinsam im Büro. Und bis dahin…

Judyta, Raúl & Jonas:
…auf Wiedersehen, Tschüss.

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